ADB:Ulfeldt, Corfiz Graf

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Artikel „Ulfeldt, Corfiz Graf“ von Hanns Schlitter in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 39 (1895), S. 184–185, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ulfeldt,_Corfiz_Graf&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 17:41 Uhr UTC)
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Ulfeldt: Graf Anton Corfiz U. entstammte einem angesehenen dänischen Geschlechte, dessen Sprossen bereits im 16. und 17. Jahrhundert wichtige Staatsämter bekleideten. So war der Großvater Anton’s, Cornificius Graf U., dänischer Reichskanzler und einer der vornehmsten Rathgeber Christian’s IV. Mit Eleonore Christine, einer außerehelichen Tochter dieses Königs verheirathet, soll er sogar nach dem Tode Christian’s bestrebt gewesen sein, den rechtmäßigen Erben des Reichs, Friedrich, zu verdrängen und sich selbst die Krone aufs Haupt zu setzen. Allein Friedrich III. wurde gewählt und er behielt anfangs auch U. in seinen Diensten; doch wurde dieser später gefährlicher Umtriebe gegen Dänemark beschuldigt, und von dort flüchtig, zum Tode verurtheilt; er ertrank im Februar 1664 bei Neuenburg im Rhein.

Sein Sohn Leo, geboren am 22. März 1651, trat in die Kaiserliche Armee, in deren Reihen er sich so sehr auszeichnete, daß er 1706 zum Generalfeldmarschall ernannt wurde. In diesem Jahre vertheidigte er die Stadt Barcelona mit einem Heldenmuthe, der ihm die Bewunderung Karl’s III., welcher Zeuge seiner Tapferkeit war und die Ernennung zum Vicekönig von Catalonien eintrug. Acht Jahre danach fiel aber Barcelona der Uebermacht der Feinde zum Opfer; Spanien blieb für das Haus Habsburg verloren, worauf U. nach Oesterreich zurückkehrte und am 11. April 1716 zu Wien starb. Seine Gattin, eine Gräfin Sinzendorf, hatte ihm zwei Söhne geschenkt, welche beide die militärische Laufbahn betraten.

Der ältere, Anton Corfiz, geboren am 15. Juni 1699, entsagte ihr aber gar bald, indem er sie mit der Stelle eines Rathes bei der niederösterreichischen Regierung vertauschte. 1724 ließ er sich in den Reichshofrath übersetzen. 1733 ging U. als Gesandter des Kaisers nach dem Haag, 1739 aber, nach Abschluß des Belgrader Friedens, als Botschafter nach Konstantinopel, wo er bloß ein Jahr verblieb. Im August 1741 zum wirklichen Conferenzminister ernannt, erhielt er im Februar 1742 die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten. Wenn U. auf der einen Seite Fleiß, Genauigkeit in den Geschäften, Redlichkeit und Unbestechlichkeit nachgerühmt wurden, so hegte man andererseits nur eine geringe Meinung von seiner geistigen Befähigung. Auch seine Umgangsformen erfuhren manch herben Tadel, und daß ihm dennoch das wichtigste Ressort des Staates [185] anvertraut wurde, schrieb man hauptsächlich der Einwirkung Bartenstein’s zu (s. A. D. B. II, 87). Man beschuldigte diesen, die Berufung Ulfeldt’s nur deshalb veranlaßt zu haben. „um durch die Wahl eines geistig so wenig bedeutenden Mannes seinen eigenen Einfluß nicht geschmälert, sondern womöglich noch gesteigert zu sehen“. Und in der That hätte es Bartenstein von zwei der wichtigsten Bewerber, den Grafen Friedrich Harrach (A. D. B. X, 634) und Philipp Kinsky gewärtigen müssen, daß sie im Falle der Berufung des Einen oder Andern seinen Einfluß bei Maria Theresia wol verringert haben würden. Harrach war viel zu selbständig und geistig hoch veranlagt, als daß er sich Bartenstein untergeordnet hätte, und von Kinsky wußte dieser gar wol, daß er schon bei der Thronbesteigung Maria Theresia’s gegen ihn Ränke gesponnen hatte. So veranlaßte Bartenstein die Berufung Ulfeldt’s, auf dessen Dankbarkeit und Ergebenheit er mit ziemlicher Bestimmtheit rechnen durfte. Als U. die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten übernahm, zählte er noch nicht fünfzig Jahre. „Er war von ziemlich großer und schlanker Gestalt – so schildert ihn der Biograph Maria Theresia’s – seine gebräunte Gesichtsfarbe, die hellblauen aber tiefliegenden, etwas düster blickenden Augen, die dichten schwarzen Haare und Augenbrauen, die etwas aufgetriebenen Wangen gaben seiner äußeren Erscheinung nichts Anziehendes, wenn man auch auf den ersten Blick den vornehmen Mann in ihm erkennen mochte. Die eisige Kälte, mit der er Allen begegnete, welche mit ihm zu thun hatten, die auffallende Langsamkeit seiner Auffassung, die Art von Bestürzung, in welche jede neue Idee, jeder neue Plan ihn versetzte, die Unklarheit seiner Ausdrucksweise, die wol zumeist der Unklarheit seines Gedankenganges entsprang, die unbeugsame Hartnäckigkeit endlich, mit der er an dem einmal Erfaßten festhielt und die ihn trotz seiner sonstigen Steifheit bei jedem Wortstreit leicht in übertriebene Heftigkeit gerathen ließ; alles dies machte die Verhandlung mit ihm zu einem peinlichen Geschäft. Ja, es scheint fast, daß er zu jedem Amte eher als zu dem eines Ministers der auswärtigen Angelegenheiten getaugt hätte.“ In Wahrheit lag die Leitung der Staatsgeschäfte nur dem Namen nach in des Staatskanzlers Ulfeldt Händen, denn nach wie vor war dieser ein gefügiges Werkzeug Bartenstein’s. 1753 mußte er aber dem bisherigen Botschafter in Paris, Grafen Kaunitz weichen. Er wurde zum Obersthofmeister der Kaiserin ernannt und nahm auf die Staatsgeschäfte keinen Einfluß mehr. Nur widerwillig fügte er sich in diese Anordnung, und sogar Maria Theresia gegenüber enthielt er sich des abstoßenden Benehmens nicht ganz, über welches die fremden Gesandten so oft geklagt hatten. Der Rücktritt Ulfeldt’s vom auswärtigen Amt soll die Kaiserin recht theuer zu stehen gekommen sein. Ein englischer Diplomat, welcher damals in Wien weilte, berichtet uns, daß U. ein Jahresgehalt von 45 000 fl. gewährt, ein Haus geschenkt und sogar eine Schuldenlast von 160 000 fl. abgenommen worden sei.

U. starb zu Wien am 31. December 1760. Er war zwei Mal vermählt. Seine erste Gattin, Maria Anna Gräfin von Virmond, verlor er am 19. December 1731 nach kurzer und kinderloser Ehe. Am 16. April 1743 vermählte er sich mit Maria Elisabeth, Tochter des Fürsten Philipp von Lobkowitz. Diese schenkte ihrem Gatten einen Sohn, Johann Baptist, der noch in jungen Jahren vor dem Vater starb, und zwei Töchter. Die ältere, Elisabeth, wurde die Gemahlin des Grafen Georg Christian von Waldstein, die jüngere aber, Wilhelmine, die Josef’s, Grafen von Thun-Hohenstein. Sein nicht ganz uninteressanter handschriftlicher Nachlaß ging im Wege der Erbschaft an die noch lebende Herzogin von Sabran, geborene Gräfin Kalnoky über, welche in erster Ehe mit einem Grafen Waldstein vermält war.