ADB:Vogtherr, Heinrich (Maler)

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Artikel „Vogtherr, Heinrich der Aeltere“ von Karl Schorbach in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 40 (1896), S. 192–194, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Vogtherr,_Heinrich_(Maler)&oldid=- (Version vom 16. April 2024, 20:46 Uhr UTC)
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Band 40 (1896), S. 192–194 (Quelle).
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Vogtherr: Heinrich V. der Aeltere, Maler, Formenschneider, geistlicher Dichter und Buchdrucker, war geboren im J. 1490, wie aus der Inschrift seines Selbstporträts zu berechnen ist. Der Geburtsort des Meisters ist wahrscheinlich die Reichsstadt Wimpfen, wenigstens war sie der erste Schauplatz seiner Thätigkeit. Hier tritt er uns zunächst entgegen als Zeichner eines großen Einzelblattes in Holzschnitt, welches Christus als Erlöser darstellt (Passavant III, 345). Unten auf dem Blatt findet sich der Künstlername: Hainricus Vogther Maler zu Wimpffen. In derselben Stadt dichtete er 1524 ein geistliches Lied „Auß tyeffer not schrey ich zu dir“ (Wackernagel, Kirchenlied III, Nr. 556), das auf einem offenen Folioblatt ausgegeben wurde. In einem der beiden erhaltenen Abzüge steht am Schlusse gedruckt der Name des Dichters mit der Bezeichnung „Maler zu Wimpffen“ und der Jahreszahl. Zwei weitere geistliche Gesänge nach Psalm 71 und 73 (Wackernagel III, Nr. 557 f.) müssen um dieselbe Zeit entstanden sein, denn sie stehen bereits im 3. Theil des Straßburger Kirchenampts von 1525. Vermuthlich war V. schon in diesem Jahre nach Straßburg übergesiedelt, wohin ihn wol hauptsächlich seine religiöse Gesinnung, vielleicht aber auch ein künstlerischer Auftrag zog. Am Zinstag den 17. Mai 1526 erwarb er in dieser Stadt das Bürgerrecht. Der Eintrag im Bürgerbuch des Straßburger Stadtarchivs lautet folgendermaßen: „Item Hainrich Vogther der moler von Wimpffen hat das Burgerrecht koufft vnd dient zur steltzen“. Er trat also derjenigen Zunft bei, welche Maler, Goldschmiede und andere Kunsthandwerker sowie die Buchdrucker vereinte. In Straßburg dichtete er 1526 „Ein neuwes euangelisch Lied in allem creutz“ (Wackernagel III, Nr. 559) und ließ es bei Peter Kornmann von Augsburg drucken; im nächsten Jahre erschien seine Bearbeitung von Psalm 139 in einer kleinen Sammlung, die Wolf Köpfel in Straßburg verlegte (vgl. Wackernagel, Bibliogr. Nr. CCXLIX). In der Folgezeit scheint unsern Meister vorwiegend seine künstlerische Thätigkeit in Anspruch genommen zu haben. Gewiß mit Recht schreibt man ihm die Bilder zu, welche „Das neuw Testament – durch Jacob Beringer Levit“ (Straßburg, Grüninger [193] 1527) schmücken. Auf dem reichen Titelblatt steht das Monogramm des Künstlers (Nagler, Monogramm. III, Nr. 1595), gegen welches kaum ein Zweifel bestehen kann. Dasselbe Zeichen trägt ein großer Holzschnitt, die Dreieinigkeit darstellend (Passavant III, 345, Nr. 3). Vor 1534 fällt ein Einzelblatt, die „Versuchung des Kleinmüthigen“, mit dem Namen des Meisters (ohne Ortsangabe) bezeichnet. Außerdem sind viele unbezeichnete Holzschnittillustrationen, welche verschiedene Straßburger Verlagswerke der 30er Jahre zieren, mit ziemlicher Sicherheit V. zuzuweisen. In den Jahren 1537/38 schuf er ein kleines Werk, mit dem er didaktische Zwecke für seine Kunst verfolgte und durch welches er sich hauptsächlich einen Namen erwarb. Es führt den Titel: „Ein Frembds vnd wunderbars kunstbüchlin allen Malern, Bildschnitzern, Goldschmiden … hochnutzlich zu gebrauchen …“ und erschien zuerst, von V. selbst gedruckt, 1538 (nicht 1537). In einer kurzen Vorrede, in welcher sich starkes Selbstgefühl ausspricht, nennt sich „Heinrich Vogtherr Burger zu Straßburg“ als Verfasser. Er beklagt darin den Niedergang der deutschen Kunst und will durch sein Büchlein den Kunstgenossen gute Vorbilder geben. Dargestellt sind auf 51 Platten Köpfe von Männern und Frauen in phantastischer Kopftracht, Hände und Füße, Helme, Wappenschilder, Waffen, Säulen, Kapitelle etc. Die Entwürfe, die V. offenbar seinen Skizzenbüchern entnahm, sind gut gezeichnet, zuweilen manieriert. Sie athmen den Geist der Renaissance und lassen ein Studium Dürer’s erkennen (Abbildungen in Hirth’s Formenschatz 1881–84). Das Kunstbüchlein erfreute sich offenbar großen Beifalls, denn V. druckte es bereits 1539 und 1540 aufs neue, zweimal mit lateinischem und einmal mit deutschem Titel. Durch seinen Erfolg rief es Nachahmungen hervor, die 1540 ff. zu Antwerpen erschienen, der Titel in französischer oder spanischer Sprache. In Straßburg wurden in späterer Zeit wiederholt Neudrucke veranstaltet und zwar direct von den Vogtherr’schen Holzstöcken, die auf andere Officinen übergingen; so 1545, 1559 und 1572. Im 17. Jahrh. gab der Straßb. Buchdrucker Anton Bertram das Büchlein mit verändertem Titel (Kunstbüchlin, Vonn allerley seltzamen vnd wunderbaren frembden Stucken …) wieder heraus, auf dem der Verfasser als verstorben bezeichnet wird; einmal ohne Jahr, sodann 1607 und 1610. – Mit dem Kunstbüchlein war V. 1538 zum ersten Mal als Buchdrucker aufgetreten. Da sein Unternehmen offenbar einschlug, ließ er nun auch andere Bücher von seiner Presse ausgehen. Vorwiegend sind es medicinische Werke, die sein Verlag aufweist, so 1538 „Eyn kunstreichs … vrteil vnd Sekret büchlin des harns“, „Ein newes hochnutzlichs Büchlin von erkantnüs der kranckeyten der Augen“, „Ein bewert … Büchlin, den Erbgrind … zu heylen“, „Eyn nutzlich Bad … den Bruch … zu heylen“. Die letzten vier erschienen 1539 in zweiter Auflage. In gleichem Jahre druckte er „Alle Kranckheyt der Augen“ von Leonh. Fuchs, „Sumari Büchlin Aller Sonnen Vr“ sowie „Außlegung vnnd Beschreibung der Anathomi“. Letztere Schrift ist die Erklärung zu 2 großen anatomischen Figuren des männl. und weibl. Körpers (mit Aufklappungen), die er 1539 auf Einzelblättern mit seiner Firma herausgab (Choulant, Gesch. d. anatomischen Abbildung, S. 40). Im J. 1539 trat V. wieder mit einer geistlichen Dichtung hervor, dem „Christlichen Loßbuch nach ordnung eines Alphabets“. Wie der Dichter in der Vorrede sagt, wollte er dadurch die früheren „schimpflichen“ Loßbüchlein durch ein heilsames ersetzen und damit einen Spiegel des christlichen Lebens geben. Das Buch, welches er selbst druckte, ist mit hübschen Randleisten und Initialen von seiner Hand ausgestattet. Als Druckerzeichen brauchte er das Vogtherr’sche Wappen, bisweilen auch sein Medaillonporträt; seine Devise ist: Soli Deo gloria – Audentes Fortuna juvat. Die verbreitete Annahme, daß Heinrich V. der [194] Aeltere im J. 1537 gestorben sei und daß alle später fallenden Werke dem jüngeren V. zufielen, beruht auf einem bibliographischen Irrthum, den ich hier nicht näher klarlegen kann. Urkundlich begegnet V. noch im J. 1541 in Straßburg (der jüngere Heinrich V. weilte damals bereits in Augsburg). Am 12. October erbittet er beim Rathe der Stadt „die schreiberei vf dem werckhove“ (Straßb. Stadtarchiv XXI, 1541 f. 435, worauf mich Dr. O. Winckelmann freundlichst aufmerksam machte). Diese Stellung blieb zunächst unbesetzt; im folgenden Jahre erhielt sie ein anderer Bewerber. Die letzten sicheren Spuren von Vogtherr’s Thätigkeit finde ich in den Jahren 1541–42. Er veröffentlichte in ersterem Jahr die Abbildung eines Riesenhalms „by Malsch am Bruchrain 1541 gewachsen“; das Bild begleiten 40 Verszeilen, die V. dazu dichtete. Auf einem Folioblatt, das er 1542 herausgab, ist eine Riesentraube dargestellt, die zu Albersweiler bei Landau 1541 zur Herbstzeit gefunden worden. Dem Holzschnitt sind 28 Verse von B. beigefügt. Das Blatt wurde dem Kaiser zu Speier überreicht und zugleich durch ein Privileg geschützt. Als Urheber desselben nennt sich Heinrich V. Maler, Burger zu Straßburg. Ein anderes Einzelblatt, welches er mit dem Maler Hans Schiesser 1542 veröffentlichte, stellt ein wundersames Mädchen dar, „imaginem puellae 12½ annorum“, wie die lateinische Beischrift besagt. Viele andere künstlerische Arbeiten Vogtherr’s werden verloren sein; so ist z. B. ein „Thierbuch“, das man ihm zuschreibt, noch nicht sicher ermittelt. Der Straßburger Sammler Künast besaß (nach F. Reiber) Handzeichnungen und Holzschnittblätter von ihm sowie „ein ablang gemahltes Tischblatt“, in Oelfarben. Das Todesjahr unseres Meisters ist unbekannt. V. hat auf allen Gebieten, in denen er thätig war, Achtungswerthes geleistet; überall bemerkt man deutlich ein ernstes Streben. Daß sein Name in Straßburg einen guten Klang behielt, ersieht man daraus, daß Bernhard Jobin in seiner bekannten Vertheidigung der deutschen Kunst neben Baldung Grien auch Heinrich V. unter den elsässischen Meistern nennt, welche Albrecht Dürer’s Bahnen mit Glück folgten.

Die vorhandene Litteratur über V. ist in vielen Punkten zu berichtigen. Vgl. Nagler, Künstler-Lexikon XX, 501 f. – Nagler, Monogrammisten III, 668 ff. – Passavant, Le peintre-graveur III, p. 344 ff. – Revue d’Alsace 1872, p. 367 ff. – Tuefferd, L’Alsace artistique, p. 148. – Brunet, Manuel du libr. III5, Sp. 1114 und Suppl. I, Sp. 877. – F. Reiber in Le Mirliton, Année II, Nr. 4. – Guilmard, Les maîtres ornem. p. 364. – J. F. Hermann, Notices hist. s. Strasbourg II, p. 340. – Strobel, Künstler der Stadt Straßburg (in Schreiber, Münster zu Straßburg, S. 93). – Woltmann, Gesch. d. d. Kunst im Elsaß, S. 313 und 320. – E. Reiber, Propos de table, p. 220 ff. – Heitz, elsäss. Büchermarken, S. XXIV und Taf. XXXIV. – Ueber Vogtherr’s dichterische Leistungen vgl. Rittelmeyer, Kirchenliederdichter des Elsaßes, S. 26, Koch, Kirchenlied II3, S. 105, Wackernagel, Kirchenlied III, Nr. 556 ff. und Goedeke, Grundriß II2, S. 179, 312, 461.