ADB:Wächter, Georg Friedrich Eberhard

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Artikel „Wächter, Georg Friedrich Eberhard“ von August Wintterlin in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 40 (1896), S. 431–434, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:W%C3%A4chter,_Georg_Friedrich_Eberhard&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 15:55 Uhr UTC)
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Wächter: Georg Friedrich Eberhard W., Maler, geboren am 29. Februar 1762 zu Balingen, † am 14. August 1852 in Stuttgart, war der Sohn des Oberamtmanns, späteren Geh. Raths und Consistorialdirectors Friedr. Christoph W. und der Sibylle Regine, einer Tochter des angesehenen Tübinger Juristen Christoph Friedrich Harpprecht. Im J. 1773 in die herzogl. Militärakademie (von 1782 an Hohe Karlsschule) aufgenommen mußte der Junge trotz seiner Erklärung, Maler werden zu wollen, Jurisprudenz, und als ihm diese gar nicht gefallen wollte, Cameralwissenschaften studiren, womit es nicht besser ging. Erst im J. 1781 ließ ihn Herzog Karl Eugen auf die Fürsprache seines Oheims, des Diplomaten Baron Karl Eberhard v. Wächter, und der Maler-Professoren Guibal und Harper zu den Künstlern übertreten. W., eine echt schwäbische Natur von tiefer Innerlichkeit und langsamer Entwicklung, gewann in der verspäteten Lehrzeit keinen sicheren Grund mehr in den Anfängen seiner Kunst, was ihm, besonders im Zeichnen, zeitlebens nachging. Im Januar 1784 aus der Karlsschule ungnädig entlassen ging er zuerst nach Mannheim, angelockt von der dortigen Galerie, und im Frühjahr des folgenden Jahres nach Paris. Hier studirte er einige Jahre für sich, um dann im J. 1786 oder 1787 in das Atelier von J. B. Regnault (1754–1829), eines Mitschülers von J. L. David bei J. M. Vien (1716–1809), dem Begründer der antikisirenden Richtung der französischen Malerei, einzutreten.

Die französische Revolution trieb W. zu Anfang des Jahres 1793 von Paris nach Stuttgart zurück, das er aber bald mit Rom vertauschte. In Italien kam er durch das Studium der vorrafaelischen Meister und im Umgang mit den Malern Carstens und Koch, dem Architekten Weinbrenner, dem Kunstschriftsteller Fernow und dem Bildhauer Canova von der französischen Richtung ab und wurde ein Mitbegründer des deutschen Classicismus. Eine junge Römerin von niederer Herkunft, aber kernbravem Herzen, Franziska Bandini, gewann den deutschen Träumer für den katholischen Glauben und wurde im J. 1796 seine Gattin. Als ein Denkmal seines jungen Familienglückes und der nachhaltigen Einwirkung der älteren italienischen Kunst ist ein Bild aus dem Jahre 1796 anzusehen, das sein schwäbischer Landsmann C. H. Rahl († 1834) in Wien durch den Stich verewigt hat: Maria läßt das Jesuskind auf einem Lamme gegen die h. Anna zureiten, während im Hintergrunde die h. Elisabeth mit dem kleinen Johannes herbeieilt. (Es gibt davon auch eine lithographisch vervielfältigte Wiederholung, worauf die beiden letzten Figuren fehlen.) Um dieselbe Zeit entstand die, gleichfalls durch eine Radirung von Rahl vielfach verbreitete Zeichnung: Belisarius, als Bettler vor der Porta Pinciana in Rom sitzend. Auch in diesem Werke, sowie in einem dritten Entwurfe, dem im J. 1797 als Zeichnung gefertigten, später noch in Rom als Oelbild mit lebensgroßen Figuren angefangenen, aber erst im J. 1824 in Stuttgart vollendeten: „Hiob [432] und seine Freunde“ (Stuttg. Staatsgalerie) zeigte W. jene gemüthvolle Vertiefung des Stoffes, worin der Kern seiner Kunst und das Geheimniß seiner anregenden Wirkung auf jüngere Zeitgenossen zu suchen ist.

Es war ein Unglück, daß er nicht in Rom bleiben konnte. Die Franzosen, seit Februar 1798 Herren der ewigen Stadt, fingen an, auch fremde Künstler zum Bürgerwehrdienst zu zwingen. W., der allerdings vom Soldaten auch gar nichts an sich hatte, entschloß sich, nach Stuttgart überzusiedeln, wo er aber wegen seines Religionswechsels und seiner Armuth „mit verächtlichem Mitleiden“ behandelt wurde und auch für seine Kunst weder Anregung noch Absatz fand. Das Verlangen Italien wieder näher zu kommen, führte ihn nach Wien.

In der Kaiserstadt lebte W. so zurückgezogen, als anderwärts. Mit den Kunstprofessoren, so freundlich ihm der Akademiedirector Füger (1751–1818), ein Heilbronner Landsmann, entgegenkam, bildete sich kein näheres Verhältniß und von den Wiener Kunstfreunden war er auch nicht sehr erbaut, obwol die Lichtenstein, Esterhazy, Colloredo, Sinzendorf und andere Liebhaber zuweilen Gemälde und Zeichnungen von ihm kauften. Aber das reichte nicht hin, um ihn und seine Familie vor bitterer Noth zu schützen, zumal da er das gewöhnliche Auskunftsmittel armer Maler, das Porträtiren, damals und später verschmähte. Als Retter in dieser Roth zeigten sich zwei Männer aus der schwäbischen Heimath, der Buchhändler Joh. Friedr. Cotta und der Freiherr Karl Friedr. Emich v. Uxkull-Gyllenband. Cotta, der überhaupt in jener Zeit für württembergische Künstler mehr gethan hat, als alle Andern zusammen, ließ W. Zeichnungen zu seinem Taschenbuch für Damen machen, freilich ein um so sauereres Brot, als die Stoffe nicht immer selbst gewählt werden durften. Baron Uxkull kaufte ihm Zeichnungen ab, für welche W., da er sehr langsam arbeitete und seiner Kunst auch im Elend nichts vergeben wollte, oft keineswegs niedrige Preise ansetzte. Mit diesem gut- und weitherzigen Kunstfreunde entspann sich seit dem Jahre 1803 ein Briefwechsel, aus dem A. Haakh (s. u.) die Wächter’schen Schreiben herausgegeben hat, eine reiche Fundgrube für des Meisters Leben, Ansichten und Werke. Sein bedeutendstes Gemälde aus der Wiener Zeit, vielleicht sein bestes überhaupt, ist Criton, der den Sokrates im Gefängnisse schlafend findet, vollendet im J. 1807, von Freih. v. Uxkull angekauft im J. 1820, jetzt noch in seiner, durch Erbschaft an die v. Marschall’sche Familie in Karlsruhe übergegangenen Sammlung, lithographirt von Emminger. W., der nichts weniger als der Feind eines guten Colorits war, wußte auf diesem Bilde die düstersten Farben vortrefflich zur Vertiefung der Stimmung zu benützen, wie umgekehrt sehr heitere Töne in einem anderen Gemälde aus jener Zeit zur Erhöhung der Freude, im „Bacchus, der die Nymphen die Dichtkunst lehrt“, nach der Ode des Horaz: Bacchum in remotis etc. etc. Bd. II, O. 19 (in der Stuttgarter Staatsgalerie). Eine zarte, religiöse Wirkung erzielt eine, von Rahl radirte, Mater dolorosa aus jener Zeit, die h. Mutter allein am Berge des Kreuzes sitzend (ebenda). Von den Zeichnungen der Wiener Periode sind hervorzuheben: „Die Eltern der Psyche verlassen ihre Tochter“, durch Dannecker’s Vermittlung an den Kronprinzen von Württemberg (spät. König Wilhelm I.) gekommen; „Die Mutter des Menökeus vor der Urne ihres Sohnes“, radirt von Rahl, als Bild ausgeführt für den Fürsten Colloredo; „Pompejus, wie er in der Nacht dem Cäsar begegnet“ und „Brutus, auf den Tod Cäsars sinnend“, beide radirt von Rahl; „Antigone an der Leiche ihres Bruders“; „Nemesis“; „Cornelia“; „Cäsar, dem man den Kopf des Pompejus bringt“, gestochen von F. Leybold; eine „Caritas“. Hier mögen auch noch die Zeichnungen erwähnt werden, welche ihm der Wiener Buchhändler Degen für die von Angelo d’Elzi im J. 1811 besorgte Quartausgabe der Pharsalia des Lucanus auftrug. Von [433] Leybold, Kuhn, Schramm und Frey gestochen, beweisen auch sie, daß W. zum Elegiker, nicht zum Dramatiker unter den Maler-Poeten geboren war.

Trotz allem Fleiße gelang es dem Meister nicht, in Wien eine bessere Lage zu erringen. Sein getreuer Gönner Uxkull, dem er seine Noth oft in ergreifendster Weise schilderte, suchte ihm in dem zum Großherzogthum Frankfurt geschlagenen Fulda und in Mannheim, wo damals Akademien errichtet werden sollten, oder in München, wo eine solche schon bestand, eine feste Anstellung zu verschaffen; aber der schwer zu behandelnde Mann hatte weder Lust noch Muth, auf diese Vorschläge einzugehen. Hofluft war ihm zuwider und von den Akademien fand er, daß es deren leider zu viele gebe. Sein Sinn stand unverrückt auf die Rückkehr nach Rom gerichtet. Mit der Sehnsucht nach Roma la Santa erfüllte er auch einige junge deutsche Maler, die um das Jahr 1806 nach Wien gekommen waren, um an der Akademie zu studieren, Joh. Friedr. Overbeck aus Lübeck und Franz Pforr aus Frankfurt a. M. Mit Jos. Wintergerst aus Wallerstein, den Schweizern Ludw. Vogel und Joh. Konr. Hottinger und dem Oesterteicher Jos. Sutter thaten sie sich im Herbst 1809 als Lucasbrüderschaft zusammen und gingen, aus der Wiener Akademie hinausgedrängt, im J. 1810 nach Rom. W. wollte es später nicht Wort haben, der geistige Vater des deutschen Nazarenerthums in Rom gewesen zu sein; ein richtiger schwäbischer Eigenbrödler, wollte er unabhängig erscheinen nach rück-, vor- und seitwärts. Aber wenn Overbeck im J. 1808 an seinen Vater schreibt: „Eins fehlt in allen neueren Gemälden, was aber wohl vielleicht Nebensache sein mag – Herz, Seele, Empfindung“ – so glaubt man doch W. selbst zu hören, der einmal an seinen Uxkull schrieb, einige gefühlvolle Seelen einen Augenblick nicht ungerührt vor einem seiner Werke zu sehen, wäre ihm, wenn er dies vermöchte, die reinste Belohnung und desto reiner, je weniger sie dabei an ihn selber zurückdenken würden.

Aber nicht nach der ewigen Stadt sollte den Meister sein Schicksal zurückführen, sondern nach Stuttgart, gegen das er seit der Karlsschulezeit einen wahren Haß empfand. Nach dem Tode seines Vaters hatte er dort eine kleine Erbschaft zu holen und blieb, schon halb auf dem Wege nach Rom, wegen des drohenden Kriegsausbruches von 1809 daselbst hängen. König Friedrich hatte durch Ankauf einiger Privatsammlungen den Grund zu einem Kupferstichcabinett gelegt und übertrug ihm die Zusammenordnung desselben gegen ein Jahresgehalt von 500 fl. W. besorgte dieses Geschäft ohne rechtes Geschick und mit wenig Freudigkeit, aber als ihm im J. 1814 nach dem Tode des Hofmalers Seele die Aussicht eröffnet wurde, dessen Nachfolger zu werden, scheiterten die Verhandlungen an seiner Weigerung, dessen Schüler zu übernehmen. Im J. 1817 erklärte er die Kupferstichsammlung für geordnet und katalogisirt. Sein Gehalt wurde als Pension auf die Staatscasse übernommen. König Wilhelm I. ernannte ihn auch zum Mitglied der Kunstcommission, in welcher er zusammen mit dem Bildhauer Dannecker, dem Kupferstecher J. G. Müller und dem Architekten N. F. Thouret technische Gutachten und Künstlerprüfungen für Befreiung vom Militärdienste zu besorgen hatte. Eine peinliche Erinnerung an die erstere Thätigkeit bildet das in Haakh, Beiträge etc. (s. u.) abgedruckte ungünstige Gutachten über den Ankauf der Boisserée’schen Sammlung für den württembergischen Staat, welches viel dazu beitrug, Stuttgart um den dauernden Besitz dieser Schätze zu bringen. Als im J. 1829 wieder eine Kunstschule errichtet wurde, erhielt W. die Stellung eines Directionsmitgliedes, im J. 1831 den mit Personaladel verbundenen Kronenorden und im J. 1839 eine Ehrenzulage von 400 Gulden zu den bisherigen 500.

[434] Die verschiedenen Aemter ließen ihm aber noch reichlich Zeit zu eigenem Schaffen übrig und erst im J. 1839 legte er den Pinsel nieder. Von den in dieser Stuttgarter Zeit entstandenen Oelgemälden sind zu nennen: „Cimon im Kerker“ (1810?); „Die Horen“ (1811?); „Cornelia erzählt ihren Kindern die Geschichte der Ahnen“ (1818?) und das Gegenstück: „Cato d. Ae. als Landwirth“ (beide 1829 radirt von Rahl); „Der Kahn des Lebens“ (1820 und wiederholt 1821); „Ulysses und die Sirenen“; „Cäsar auf den Gefilden von Troja“; „Homer an den Ufern des Meles, von der Muse des Gesanges unterrichtet“ (1826); „Andromache an Hektors Urne“; „Die griechische Muse trauernd auf den Trümmern von Athen“; eine Madonna (1831); „Maria und Johannes am Grabe Christi“ (1833); „Die vier Jahreszeiten“ und „Herkules am Scheidewege“ (1839). Die Mehrheit dieser Werke besitzt die Stuttgarter Staatsgalerie, in die andern theilen sich die königlichen Schlösser, die Uxkull-Marschall’sche Sammlung in Karlsruhe und einige württembergische Familien. Mit rührender Sorgfalt von seiner getreuen Römerin († 1854) und seinen fleißigen Töchtern gepflegt, von Kunstgenossen und Kunstfreunden weit über Württemberg hinaus hochgeehrt, wenn freilich auch als Künstler oft überschätzt, erreichte der edle Greis ein Alter von 90 Jahren. Von seinen schwäbischen Landsleuten haben ihm Sonette gewidmet L. Seeger, E. Mörike und A. Seubert. Ein vortreffliche Bildniß von W., Brustbild in Oel, von Ludovike Simanowiz während eines gemeinsamen Pariser Aufenthaltes (1792?) gemalt, kam durch Vermächtniß der Töchter im J. 1892 in die Stuttgarter Staatsgalerie; ein gleichfalls gutes Brustbild in Oel, von dem Sohne seines Freundes Rahl, dem bekannten Wiener Maler Karl Rahl im J. 1833 gesertigt, besitzt das Goethehas in Frankfurt a. Main; ein Bildniß seiner Frau in Oel von L. Simanowiz (um 1810?) gemalt und eines von ihm selbst, von Frl. Jenny Eckardt (1819) gemacht, sollen später auch in die Stuttgarter Galerie kommen; Abgüsse eines kleinen Gipsmedaillons von dem Bildhauer Franz Woltreck (um 1840?) sind mehrfach verbreitet.

Vgl. den Nekrolog in der Schwäb. Kronik, Jahrg. 1852, S. 1581 ff. (abgedr. im N. Nekrol. d. Deutschen, Jahrg. 30, S. 556 ff.). – Wagner, Geschichte d. h. Carlsschule I, 464 u. ö. – Hagen, Die d. Kunst in uns. Jahrh. I, 17. – Strauß, Kl. Schriften, S. 333 ff. (u. Ges. Schriften II, 285 ff.). – Haakh, Beiträge aus Württemb. z. n. d. Kunstgesch., S. 313 ff. u. ö. – Riegel, Gesch. d. d. Kunst etc. I, 95 ff. – Reber, Gesch. d. n. d. Kunst (2. A.) I, 151 ff. – Rosenberg, Gesch. d. mod. Kunst II, 62 ff. – Becker, Deutsche Maler, S. 31 ff. – Wintterlin, Württ. Künstler in Lebensbildern, S. 142 ff.