ADB:Walther von Speier

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Artikel „Walther von Speier“ von H. in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 34–35, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Walther_von_Speier&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 10:53 Uhr UTC)
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Walther von Speier war ein Schüler des Bischofs Balderich (970 bis 987), der die Studien der St. Galler Schule, aus der er hervorgegangen war, nach Speier verpflanzt hatte. Im Alter von sieben Jahren trat der Knabe in die von Balderich begründete Gelehrtenschule ein und zwar zunächst in eine Art Vorschule, in der er lesen und schreiben lernte, um alsdann von seinem zehnten bis achtzehnten Lebensjahr dem Studium der sog. sieben freien Künste obzuliegen, worunter der Grammatik allein sechs Jahre, der Dialektik und Rhetorik dagegen, sowie der Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik zusammen nur zwei Jahre gewidmet wurden. Nach Vollendung dieser Studien, und nachdem er bereits das Amt eines Subdiakons erlangt hatte, wurde ihm von seinem Bischofe ein Auftrag zu theil, der ihm Gelegenheit gab, seinem Gönner und Lehrer seinen Dank abzustatten und zugleich eine Probe seiner Gelehrsamkeit und sprachlichen Gewandtheit abzulegen. Die Nonne Hazecha nämlich, Schatzmeisterin des Klosters Quedlinburg, welche gleichfalls in Speier eine Schülerin Balderich’s gewesen war, hatte ein lateinisches Gedicht auf den hl. Christoph verfaßt und ihrem Lehrer mit der Bitte um Verbesserung übersendet. Diese Schrift war, wie W. drei Jahre nach Vollendung seines eigenen Werkes an Hazecha schrieb, durch die Nachlässigkeit des bischöflichen Bibliothekars verloren gegangen, und nun wurde W. vom Bischofe aufgefordert, gewissermaßen als specimen eruditionis denselben Gegenstand in Versen wie in Prosa zu behandeln. W. entledigte sich dieser Aufgabe in dem Zeitraum zweier Monate, indem er zuerst in 271 Hexametern seinen Bildungsgang schilderte und alsdann in fünf Büchern – zusammen 1272 Verse – und 29 Capiteln das Leben und Leiden des hl. Christoph, wie Wattenbach sagt, ganz in dem gespreizten, mit Gelehrsamkeit überladenen Stile der Zeit zur Darstellung brachte. Die Zeit der Abfassung fällt, wie aus den Schlußversen sich ergibt, in das erste Jahr der Regierung Kaiser Otto’s III., und es scheint somit der Dichter selbst etwa 965 oder wenig früher geboren zu sein. Nach dem Tode Balderich’s schickte W. sein Werk auf ihr Verlangen an seine Amtsgenossen Liutfred, Benzo und Friedrich in Salzburg, und in dieser oder einer gleichzeitigen Abschrift ist es uns erhalten worden durch die aus dem Kloster St. Emmeram in Regensburg stammende Handschrift der Münchener Hof- und Staatsbibliothek Clm. 14798 saec. X. Herausgegeben wurde es zum [35] ersten Male von Bernhard Pez, Bibliothekar der Benedictinerabtei Melk in Oesterreich in seinem Thesaurus anecdotorum novissimus und zwar in der dritten Abtheilung des zweiten Bandes, S. 29–122, dann wieder von Harster 1878 als Beigabe zum Jahresbericht der kgl. Studienanstalt Speier, nachdem derselbe in gleicher Weise das Jahr zuvor die Lebensverhältnisse des Dichters sowie die historische Gestaltung der Christophslegende unter dem Titel: „Walther von Speier, ein Dichter des X. Jahrhunderts“ behandelt hatte. Von besonderer Wichtigkeit für die Kenntniß der damaligen, ausschließlich von Geistlichen in Kloster- und Domschulen gepflegten Studien ist das erste Buch seines Gedichtes, der sog. liber scolasticus, worin er von Dichtern, die er gelesen, anführt: den Homerus latinus, Martianus Capella, Horatius, Persius, Juvenalis, Boethius, Silius (?), Terentius, Lucanus, besonders aber den durch das ganze Mittelalter mit einer Art mystischer Verehrung umgebenen Vergilius. Die Spuren dieser ebenso intensiven wie ausgebreiteten Lectüre finden sich, wie bei allen mittelalterlichen Dichtern, auch bei W. in zahlreichen Anspielungen und Entlehnungen, die aber nicht als Beweis von Unselbständigkeit sondern als Gelehrsamkeit, nicht als fremdartiger Aufputz, sondern als schönster Schmuck der Rede erschienen. Es spricht sich auch hierin die Begeisterung für das classische Alterthum aus, wovon jene Zeit erfüllt war, und die mehr und mehr den Argwohn kirchlicher Eiferer erregte, welche die Beschäftigung mit den heidnischen Schriftstellern für Teufelswerk erklärten und wesentlich zu dem bald beginnenden allgemeinen Verfall der Humanitätsstudien beitrugen. Zunächst jedoch blühten diese Studien auch in Speier noch in erfreulicher Weise fort, ja sie nahmen einen neuen Aufschwung, als nach dem Erlöschen des sächsischen Kaisergeschlechtes die Krone an den kraftvollen Konrad II., den Salier, kam, der von seiner Vorliebe für Speier auch den Namen der Speierer erhielt, wie er denn auch den Grundstein zu dem gewaltigen Dome legte, den er zu seiner und seiner Nachfolger Ruhestätte bestimmte. Man hat früher allgemein angenommen, daß der Oberhirte der Diöcese, der bei dieser Feier dem Kaiser zur Seite stand, Bischof W. war, der diese Würde von 1004–1030 oder 1031 bekleidete; die neuere historische Forschung jedoch behauptet, daß Bischof W. bereits 1027 gestorben sei, und daß auch das Jahr 1030 für den Beginn des Speierer Dombaues keine Gewähr habe. Dagegen hat sich noch kein Zweifel gegen die zuerst von dem Historiographen des Speierer Bisthums, Remling, ausgesprochene Vermuthung erhoben, daß jener Bischof Walther eben unser Dichter sei, der auch König Heinrich II. auf seinem Römerzug 1014 begleitete und seiner Kaiserkrönung beiwohnte. Er war nach Wattenbach ein hochangesehener Herr und sehr gelehrt, der seinem Collegen Burchard von Worms bei der Ausarbeitung seines Decretes zur Hand ging, und dem kein geringerer als Ekkehard IV., der Verfasser der Casus S. Galli, die Grabschrift schrieb.

H.