ADB:Winkler, Paul

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Artikel „Winkler, Paul“ von Max Hippe in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 43 (1898), S. 453–455, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Winkler,_Paul&oldid=- (Version vom 20. April 2024, 02:31 Uhr UTC)
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Band 43 (1898), S. 453–455 (Quelle).
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Winkler: Paul W., schlesischer Jurist und Schriftsteller, ward als Sohn des Bürgers und Handelsmannes W. und der Anna Greif, einer Schwester des Dichters Andreas Gryphius, am 13. November 1630 zu Groß-Glogau geboren. Obwol gut protestantisch, waren die Eltern gezwungen, das Kind katholisch taufen und in Ermangelung evangelischer Schulen zuerst im Hause unterrichten zu lassen. Da Vater und Mutter früh starben, wurde der elfjährige Knabe zu Verwandten nach Fraustadt gegeben, wo er, „ein rechtes Beispiel eines verlassenen armseligen Kindes“, bei elender Kost und schlechter Pflege niedrige Dienste verrichten mußte. In solcher Verfassung erregte er durch seine Begabung die Aufmerksamkeit des Conrectors der Fraustädter Schule Georg Andreae, der den Fünfzehnjährigen der Schule und den Studien zuführte. Im April 1649 bezog W. die Universität Frankfurt, kehrte aber schon im Herbste 1650, da ihm die Mittel ausgingen, nach Hause zurück, um bei Georg von Glaubitz, Herrn auf Dalkau bei Glogau, eine Hauslehrerstelle zu übernehmen. Seine Hoffnung, die zu früh unterbrochenen Studien hier fortzusetzen, konnte sich in diesem gastfreien Hause, wo er mehr Gelegenheit zu trinken als Zeit zu arbeiten fand, nicht erfüllen, und so gab er trotz der dringenden Abmahnungen seines Oheims Andreas Gryphius im Februar 1653 die Stelle auf, um anderswo sein Glück zu versuchen. Er ging über Frankfurt, Greifswald, Rostock, Lübeck, Hamburg, Leipzig nach Regensburg, wo er der Krönung Ferdinand’s IV. beiwohnte, und gelangte nach längerem Aufenthalt in Augsburg und Straßburg nach Stuttgart. Ueberall hatte er sich bemüht, Beziehungen anzuknüpfen, aber nirgends hatte sich seine Hoffnung, irgendwo ein Unterkommen zu finden, verwirklicht. Da kam ihm das Anerbieten, eine Hofmeisterstelle bei Johann Wilhelm Freiherrn v. Stubenberg zu Schallenburg in Niederösterreich zu übernehmen, wie ein Retter in der Noth. Sofort [454] wanderte er, obwol an Fieber und hartnäckigem Ausschlag leidend, zu Fuß über Nürnberg nach Regensburg und fuhr nun die Donau abwärts nach Schallenburg, wo er, durch die anstrengenden Märsche und immerwährenden Entbehrungen erschöpft, in der elendesten Verfassung ankam. Aber die liebenswürdige Aufnahme und die ausgezeichnete Pflege im Hause des Freiherrn stellten ihn bald wieder her, und der Aufenthalt in der Familie und Umgebung dieses hochgebildeten, in der Litteraturgeschichte durch seine zahlreichen Uebersetzungen englischer, französischer und italienischer Autoren bekannten Edelmanns (A. D. B. XXXVI, 705) behagte ihm in hohem Grade. Als er trotz des Drängens einer im Kloster Melk tagenden päpstlichen Commission an seinem protestantischen Glauben festhielt, schickte ihn sein Herr mit seinem Zögling im Sommer 1655 nach Oedenburg und bald darauf nach Preßburg. Der Ausbruch der Pest trieb sie von hier in ein auf der Donauinsel Schütt gelegenes kroatisches Dorf, wo W. mit Freunden und Freundinnen sich zu einer Art Schäfergesellschaft verband und durch poetische Spielereien über den Ernst der Lage zu trösten wußte. Eine Pesterkrankung in ihrer nächsten Umgebung machte diesem Idyll ein rasches Ende. W. kehrte mit seinem Schüler nach Schallenburg zurück, verließ aber schon im April 1656 das gastliche Stubenbergische Haus und ging nach kurzem Aufenthalt in Preßburg über Wien, Prag und Wittenberg nach Kiel. Der gelehrten Beschäftigung müde, wollte er sein Glück im Kriege versuchen und trat als Secretär in die Dienste des dänischen Reiterobersten Joachim v. Diebern. In dieser Stellung machte er den unglücklichen Feldzug der Dänen gegen die Schweden mit, ward aber auch des Waffenhandwerks bald überdrüssig und zog im November 1658 nach seiner Vaterstadt und bald darauf nach Breslau. Schon hatte er den Plan gefaßt, wieder nach Wien und Preßburg zu gehen, als der Freiherr v. Carolath-Beuthen ihm das Consiliariat und Amtssecretariat über seine Majoratsgüter antrug. Hocherfreut und muthig trat er im Februar 1659 das verantwortungsvolle Amt an. Zur Ordnung der Majoratsangelegenheiten des Hauses Carolath mußte er bald darauf nach Wien gehen, und er hatte die Genugthuung, nach Jahresfrist seinem Herrn einen kaiserlichen Erlaß zu überbringen, welcher dem Schönaichischen Majorat die nachgesuchte Bestätigung und die Exemtion von der Glogauischen Amtsjurisdiction ertheilte. Nach dieser ersten erfolgreichen Sendung hat W. noch oft Gelegenheit gehabt, sein diplomatisches Geschick am kaiserlichen Hofe zu bewähren. Schon im Herbst 1660 ging er im Auftrage der Vorsteher der Glogauer Friedenskirche von neuem nach Wien, um bei dem Kaiser für das in seiner Existenz bedrohte Gotteshaus der Protestanten zu wirken, und auch hier war seine Arbeit erfolgreich. Als ihm eine schwere Krankheit den Aufenthalt in Carolath verleidete, verlegte W. im Mai 1664 seinen Wohnsitz unter Fortsetzung seines Dienstverhältnisses zum Freiherrn v. Carolath nach Breslau, wo er bei seinem ausgedehnten Bekanntenkreise und offenbar großer Gewandtheit eine umfängliche Rechtspraxis fand. Der Ruf seiner Tüchtigkeit verschaffte ihm aber auch größere und wichtigere Aufträge, die ihn bisweilen vor schwierige diplomatische Aufgaben stellten. So hatte er 1664 in Wien die Interessen der Guhrauischen Landstände gegen den Glogauer Landeshauptmann wahrzunehmen; im folgenden Jahre sandten ihn die Glogauer Stände, denen nach dem Tode des Andreas Gryphius unter Beiseiteschiebung ihres bereits bestellten protestantischen Syndikus ein Katholik aufgedrungen werden sollte, von neuem an den kaiserlichen Hof, wo denn W. die Abberufung des unerwünschten und die Bestätigung des protestantischen Syndikus glücklich erwirkte. Noch zweimal hatte er (1668 und 1669) im Auftrage der Glogauer Landstände nach Wien zu gehen, um dort gegen die Religionsbedrückungen, denen dieselben seitens ihres Landeshauptmanns ausgesetzt waren, den Kaiser anzurufen. [455] Weniger glücklich als hier war er bei einer Mission, die ihn im Namen der vom Olmützer Bischof stark bedrückten Fürstenthümer Jägerndorf und Troppau Ostern 1671 nach Wien führte. Der Haupterfolg aller dieser diplomatischen Leistungen bestand darin, daß W. im Februar 1672 vom Großen Kurfürsten zu seinem Agenten in Breslau, dem die Wahrnehmung der brandenburgischen Interessen in Breslau und Umgebung oblag, ernannt wurde. Neben dieser Stellung wirkte W. auch weiterhin als Rechtsbeistand hervorragender Vertreter des schlesischen Adels, insbesondere des Freiherrn v. Carolath. Im December 1678 ertheilte Kurfürst Friedrich Wilhelm ihm den Rathstitel; den Adel, der ihm oft beigelegt worden ist, hat W. dagegen nicht besessen. Im J. 1662 war er durch die Vermittelung des Freiherrn v. Stubenberg in die fruchtbringende Gesellschaft mit dem Beinamen „der Geübte“ aufgenommen worden. W. starb, nachdem schwere gichtische Leiden ihm die letzten Lebensjahre getrübt hatten, am 1. März 1686.

W. war ein Mann von großer aufrichtiger Frömmigkeit mit einem bei dem nüchternen Juristen und gewandten Weltmanne überraschenden Hange zu abergläubischen Vorstellungen. Für seine scharfe Beobachtungsgabe, den Reichthum seiner Lebenserfahrung und sein reifes Urtheil legen die beiden Schriften Zeugniß ab, die aus seiner Feder hervorgegangen sind: „Guter Gedanken drei Tausend, zusammengebracht von dem Geübten“ (Görlitz 1685), eine Sammlung von Aphorismen, unter denen sich viele Goldkörner finden, und „Der Edelmann“ (Frankfurt und Leipzig 1696), ein zehn Jahre nach seinem Tode anonym veröffentlichter umfänglicher Roman, in welchem er offenbar auf Grund eigener Erlebnisse und Erfahrungen manchen lehrreichen Blick in die gesellschaftlichen und wirthschaftlichen Verhältnisse des schlesischen Adels jener Tage thun läßt und gleichzeitig unter Aufwendung großer Gelehrsamkeit viele für einen jungen Edelmann wissenswerthe Dinge mittheilt.

Hauptquelle ist Winkler’s Selbstbiographie, von der drei übereinstimmende Abschriften in der Stadtbibliothek Breslau vorhanden sind. Gedruckt wurde dieselbe von A. Kahlert in der Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens III (1861), S. 82 ff. Zu vergleichen sind ferner zwei Aufsätze von A. Kahlert über Paul Winkler in den Schlesischen Provinzialblättern, Bd. 107 (1838), S. 291–300, S. 432–440, S. 513–523 und im Deutschen Museum, Jahrg. 9 (1859), S. 641 ff.