ADB:Wippermann, Wilhelm

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Artikel „Wippermann, Wilhelm“ von Karl Wippermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 43 (1898), S. 515–517, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wippermann,_Wilhelm&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 05:27 Uhr UTC)
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Wippermann: Karl Wilhelm W., kurhessischer Staatsmann, geboren in Rinteln am 1. December 1800, † daselbst am 23. März 1857. Der eigentliche Name der Familie ist „von der Wipper“; ihr Ursprung wird in Strieder’s Hess. Gelehrtengesch, Bd. 17 (Kassel 1819) auf die in Urkunden des 11. und 12 Jahrhunderts erwähnten Grafen de Wippra in den Gegenden des südlichen Harzes zurückgeführt; nach neueren Forschungen ist es jedoch wahrscheinlicher, daß die Familie, trotz jener schon im J. 1465 seitens der regierenden Grafen zur Lippe gebrauchten Bezeichnung, nicht zum Adel gehörte, sondern als ursprünglicher Besitzer eines Bauernhofes am oberen Laufe der Wupper, die hier Wipper genannt wird, um die Mitte des 15. Jahrhunderts nach den Handelsstädten Lemgo und Brakel bei Paderborn auswanderte. Nach zahlreichen Urkunden im Archiv der Familie und im Stadtarchiv von Lemgo waren Mitglieder der Familie in Lemgo Gografen und Bürgermeister, diese als eifrige Förderer der Reformation im Lippe’schen, welche überhaupt eine Scheidung der Familie nach der Confession herbeiführte. Der eine Theil wandte sich sofort der neuen Lehre zu und wurde infolge dessen hart verfolgt. – W., der evangelischen Linie angehörend, war der älteste Sohn des Professors der Rechte an der Universität Rinteln, Johann Georg Liborius W. († 1847) und der Dorothea Elisabeth geb. Stamm. Als nach Aufhebung der Universität Rinteln an deren Stelle ein Gymnasium hier errichtet wurde, war W. der erste Schüler, welcher aufgenommen ward. Nach dem Studium der Rechte in Marburg und Göttingen, wurde er 1821 zum Referendar, 1825 zum Anwalte beim Obergerichte zu Rinteln bestellt. Aber schon 1826 wählte ihn die Vaterstadt zum Stadtsecretär und im December 1831 zum Bürgermeister. Im October 1832 wählten ihn die Landbewohner des Schaumburger Weserbezirks zum Abgeordneten in den kurhessischen Landtag, dem [516] er bis zum Februar 1847 unausgesetzt angehörte, und in welchem er, neben Schwarzenberg, Eberhard (s. A. D. B. V, 564), Henkel (XI, 756) und Anderen, in langen, schweren Kämpfen die durch die Verfassung von 1831 erlangten Volksrechte gegen zahlreiche Versuche der Regierung des Kurprinzen-Mitregenten, nachher des Kurfürsten Friedrich Wilhelm I., die wesentlichsten Verfassungsbestimmungen illusorisch zu machen, unter dem Beifall der Bevölkerung vertheidigte. Diese Kämpfe sind im Einzelnen geschildert in Wippermann’s Werk „Kurhessen seit den Freiheitskriegen“ (Kassel 1850). Die 1835 auf ihn gefallene Wahl zum zweiten Bürgermeister von Kassel neben Schomburg (s. A. D. B. XXXII, 238), wurde wegen seiner oppositionellen Haltung im Landtage vom Minister Hassenpflug (s. A. D. B. XI, 1) nicht bestätigt; als sodann die Stadt Kassel ihn zum Stadtsecretär erwählte, wurde ihr von Hassenpflug, auf Grund einer eigenthümlichen Auslegung der Gemeindeordnung, das Recht hierzu bestritten, worauf die Stadt 1836 W. das Ehrenbürgerrecht verlieh. Ein über jene Frage entstandener Rechtsstreit fiel zu Gunsten der Stadt Kassel aus, sodaß W. 1838 die Stellung als Stadtsecretär antreten konnte. Auch die 1841, nach Schomburg’s Tode, auf ihn gefallene Wahl zum Oberbürgermeister von Kassel erhielt nicht die landesherrliche Bestätigung. 1846 suchte ihn die Regierung sogar vom Landtage fern zu halten, indem sie seine Legitimation bestritt, weil er als Stadtbewohner nicht von einem ländlichen Bezirke gewählt werden könne. Da der Landtag die Entscheidung darüber absichtlich in die Länge zog, verzichtete W. 1847 auf die Wahl der Schaumburger. Sofort wählten ihn die Städte Gelnhausen, Wächtersbach, Bockenheim zu ihrem Vertreter; die Regierung ließ aber gegen ihn Anklage wegen seiner in der Frankfurter „Deutschen Zeitung“ über die kurhessischen Zustände veröffentlichten Aufsätze erheben und bestritt ihm sodann als einem gerichtlich Angeschuldigten den Eintritt in die Ständeversammlung. Kurz vor dem Umschwung von 1848 wurde er von der Beleidigungsklage freigesprochen. In den Märztagen die populärste Persönlichkeit Kurhessens, erschien seine Berufung zur Regierung dem Landesherrn eben so selbstverständlich wie dem Volke. Der Kurfürst berief ihn in seine Nähe, versicherte ihm, daß er jetzt sein einziger Freund sei und bot ihm das Ministerium des Innern an; W. schlug jedoch seinen Freund und bisherigen Mitstreiter Eberhard für diese Stellung vor, um als dessen Referent die bevorstehenden gesetzgeberischen Vorarbeiten zu übernehmen; zugleich wurde er zum Landtagscommissar ernannt. Nachdem er früher den Germanistenversammlungen und 1846 den Besprechungen deutscher liberaler Abgeordneten über die deutschen Zustände auf v. Itzstein’s (s. A. D. B. XIV, 149) Gute Hallgarten beigewohnt hatte, nahm er am 25. März 1848 im Auftrage der kurfürstlichen Regierung am Vorparlamente in Frankfurt a. M. theil, welches ihn in den 50-er Ausschuß wählte. Hier gehörte er zu denjenigen, die mäßigend auf die radicalen Elemente einwirkten; es trat dies u. A. hervor, als der Ausschuß ihn und Heckscher (s. A. D. B. XI, 215) mit der Untersuchung beauftragte, ob dem von der Leibwache des Kurfürsten auf die Bürger von Kassel unternommenen Angriffe reactionäre Gelüste zu Grunde lägen. Die Stellung als Vertreter Kurhessens in der Versammlung der 17 Männer des öffentlichen Vertrauens zur Entwerfung einer Reichsverfassung vermochte er nur kurze Zeit beizubehalten; eine größere Thätigkeit aber entwickelte er als Mitglied der 50-er in Verhandlungen mit jenen Vertrauensmännern und dem Revisionsausschusse des Bundestages hinsichtlich der Frage einer Bestellung von Triumvirn als provisorische deutsche Centralgewalt. Am 4. Mai 1848 nahm er bei den Verhandlungen der 50 über das v. Lepel’sche Promemoria Anlaß, auf die Bedeutung des Bundestags zur Erhaltung des rechtlichen Bodens der Reformbestrebungen hinzuweisen. In das deutsche Parlament von zwei kurhessischen Bezirken gewählt, nahm er [517] die Wahl für Schaumburg und Karlshafen an, wählte seinen Platz im linken Centrum und hielt sich zur Partei des Kasino. Auf seinen in den Clubs gemachten Vorschlag lenkte die Versammlung ihren Blick auf H. v. Gagern als Präsidenten. Im Plenum trat W. selten auf, dagegen entwickelte er eine rege Thätigkeit im Verfassungsausschusse, worüber das Nähere in Droysen’s Werk „Verhandl. d. Verf.-Aussch. d. d. Nat.-Vers.“ niedergelegt ist. Im Juli 1848 war W. bereits vom bevorstehenden Niedergange der deutschen Bewegung überzeugt, und er widmete seine ganze Thätigkeit der gesetzlichen Befestigung der neu errungenen Freiheiten in Kurhessen, um die Verfassung gegen die voraussichtlich anrückende Reaction zu vertheidigen. Am 24. August 1848 erfolgte Wippermann’s Ernennung zum provisorischen Vorstand des kurhessischen Finanzministeriums, woran sich am 14. September die Verleihung des Titels eines Staatsraths schloß. Trotz angestrengter amtlicher Thätigkeit wohnte er in wichtigeren Fragen den Verhandlungen der Nationalversammlung bei; bei der Berathung des Malmöer Waffenstillstands gehörte er zu der ihn verwerfenden Ausschußminderheit. Mit dem Wachsen der Aussichten auf allgemeine Reaction stiegen die Schwierigkeiten des Märzministeriums in den Verhandlungen mit dem Kurfürsten; am 10. August erhielt er mit seinen Amtsgenossen die erbetene Entlassung, trat jedoch mit ihnen nach Ausgleich des Zwiespalts wieder ins Amt. Zum Zwecke der Durchkreuzung der deutschen Reformpolitik Preußens in Interesse Oesterreichs erfolgte jedoch am 22. Februar 1850 die Entlassung aller Märzminister und Hassenpflug’s Wiedereintritt in die Regierung. Am 3. März 1850 erwählte ihn die Ständeversammlung zum Mitgliede des Staatenhauses des von den Unionsregierungen nach Erfurt berufenen Parlaments; er zog jedoch die heimathliche Wahl in das Volkshaus vor, in welchem er für den preußischen Verfassungsentwurf eintrat und dem Verfassungsausschusse angehörte. Die Höchstbesteuerten des Kreises Eschwege wählten ihn in die Ständeversammlung; nach deren baldiger Auflösung wurde er vom Landwahlbezirke Rinteln in den Landtag gewählt, mit welchem Hassenpflug den verhängnißvollen Streit begann. Im November 1850 begab sich W. nach Berlin und bemühte sich vergebens, den preußischen Ministerpräsidenten v. Manteuffel von der Reise nach Olmütz abzuhalten. Am 21. October 1852 zur Regierungscommission nach Rinteln versetzt, widmete er sich hier, unter Ablehnung einer Wahl in das Oberappellationsgericht der freien Städte zu Lübeck, geschichtlichen Studien; er gab die „Regesta Schaumburgensia“ (Kassel 1853) sowie das Obernkirchner Urkundenbuch (Rinteln 1855) heraus und verfaßte auf Anregung der Versammlung der deutschen Geschichts- und Alterthumsforscher, die „Beschreibung des Bukki-Gaues“ (Kassel 1858). – W. war in erster Ehe vermählt mit Freiin A. v. Westphalen aus dem Hause Heidelbeck, in zweiter mit P. Asbrand aus Kehl und hatte aus erster Ehe einen Sohn, den Unterzeichneten, aus zweiter drei Söhne und drei Töchter. Nach Wippermann’s Tode brachten mehrere größere Zeitungen Nachrufe, darunter die „Hamburger Nachrichten“ aus der Feder Gabr. Rießer’s. Biogr. s. in Gerland’s Forts. v. Strieder’s Hess. Gel.-Gesch., Bd. 2 (Kassel 1868); Grenzboten 1850 („Die Staatsmänner Kurhessens“); Oetker, Lebenserinnerungen (Stuttgart 1877).