ADB:Wittgenstein, Johann Jacob von

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Artikel „Wittgenstein, Johann Jacob von“ von Hermann Keussen in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 43 (1898), S. 623–624, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wittgenstein,_Johann_Jacob_von&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 07:38 Uhr UTC)
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Wittgenstein: Joh. Jak. Herm. Jos. von W., Kölner Bürgermeister (1754–1823). W. ward am 24. Februar 1754 in Köln als Sohn des späteren Bürgermeisters Melchior Ditmar v. W. geboren. Seine Mutter war Maria Elisabeth v. Heck, welche frühe den Ihrigen entrissen wurde. Nach Absolvirung des Laurentianer-Gymnasiums widmete er sich der Rechtswissenschaft, welche er an den Universitäten Köln und Göttingen studirte. Die praktische Ausbildung ward ihm durch den zu Köln lebenden Hofrath Schüller und am Reichskammergericht zu Wetzlar zu theil. Bereits im J. 1778 wurde W. Syndikus seiner Vaterstadt. Eben war er 30 Jahre alt geworden, als ihn der Rath zum Bürgermeister erwählte, nachdem sein Vater gestorben war, während sonst diese höchste Würde erst im reiferen Alter verliehen zu werden pflegte. Diese Vertrauenskundgebung seiner Mitbürger spricht sehr für die Tüchtigkeit des jungen Mannes, dem bald Gelegenheit geboten wurde, dieselbe unter den schwierigsten Verhältnissen zu erproben.

In den Wirren, welche die französische Revolution alsbald auch in den Rheinlanden hervorrief, leistete W. der Reichsstadt Köln manche Dienste. Er hintertrieb 1793 im österreichischen Hauptquartier den Beschluß, eine Garnison von kurkölnischen Truppen in die Stadt zu legen, wohingegen das städtische Bataillon als Reichscontingent anerkannt wurde. Die im J. 1794 erfolgte Besetzung der Stadt durch französische Truppen führte im Mai 1796 zur Abschaffung des Rathes. W. wurde Präsident der provisorischen Municipalverwaltung, und als diese sich im März 1797 auflöste, trat er nochmals an die Spitze des wieder eingeführten alten Rathes. Doch nur für kurze Zeit; denn am 1. September 1797 ward endgültig die alte Verfassung aufgehoben. Im voraufgehenden Monate hatte W. sich eine Freiheitsberaubung gefallen lassen müssen, weil er von den französischen Behörden als Geisel für eine unaufbringliche Contribution der Stadt Köln in Bonn festgehalten wurde.

Im Gefolge des Luneviller Friedens war die Stadt Köln zum Roer-Departement geschlagen worden. W. wurde Mitglied des neu eingerichteten Departementalrathes und der Verwaltung der Centralschule. Er hielt es für seine Pflicht, auch unter der Fremdherrschaft seine Dienste dem Gemeinwohl nicht vorzuenthalten. Im J. 1803 ward er zum Maire der Stadt Köln ernannt und am 18. August unter den Freudenbezeigungen der Bevölkerung in sein Amt eingeführt. An der Spitze der Stadtverwaltung, zugleich Vorsitzender der Handelskammer und Vorstand des Armen-, Kranken- und Schulwesens, verstand er es, nach oben und nach unten hin sich Vertrauen zu erwerben. In den Jahren 1804 und 1811 ward er persönlich bei Napoleon im Interesse seiner Stadt und zwar mit Erfolg vorstellig. Bei der damals erfolgenden Auftheilung des Dominialgutes, das durch die Säcularisationen gerade in Köln ungemein angewachsen war, erwirkte er die Schenkung einer ganzen Anzahl von Gebäuden zum Zwecke von Wohlfahrtseinrichtungen. Namentlich war er auch zu Gunsten des Doms thätig. Die Regierung wußte seine Kenntnisse zu schätzen. 1804 ward er zu den Mainzer Berathungen über die Handelsangelegenheiten zugezogen. Zum Zeichen der Anerkennung ernannte ihn der Kaiser zum Mitgliede der Ehrenlegion; als solches war er bei der Krönung Napoleon’s in Paris anwesend. Auch im Jahre 1810 war er zur Hochzeit des Kaisers, 1811 zur Taufe des Erbprinzen geladen, und im nämlichen Jahre wurde er zum französischen [624] Reichsritter ernannt. In den Jahren 1808 und 1813 erfolgte selbstverständlich die verfassungsmäßig erforderliche Bestätigung als Maire.

W. war bei seiner Verwaltung vor allem darauf bedacht, Luft und Licht in die enggebaute, finstere Stadt zu bringen. Mehrere Plätze wurden von ihm mitten in der Stadt neu geschaffen, Straßen verbreitert und verschönert, der allgemeine Friedhof zu Melaten vor der Stadt angelegt, der Sicherheitshafen eingerichtet.

Wie im öffentlichen Leben, war W. auch als Privatmann das Muster eines Bürgers. Die Ausübung der Musik gewährte ihm in trüben Zeiten Trost. Die Neuerrichtung des Domchores geht auf seine Anregung zurück. In der überaus mühevollen Uebergangszeit von der französischen zur preußischen Herrschaft hatte W. die städtische Verwaltung zu leiten. Als die neuen Verhältnisse feststanden, schied er im Mai 1815 aus dem Dienste, dem er zum Schlusse 15 Jahre lang ohne Gehalt vorgestanden hatte. Als Mitglied des Stadtrathes wirkte er aber weiter zum Wohle seiner Vaterstadt, bis der Tod am 15. März 1823 seiner gemeinnützigen Thätigkeit ein Ende bereitete.

Nekrolog in der Köln. Zeitung, Jahrgang 1823, Nr. 45 vom 20. März.