ADB:Ziegler, Eduard

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Artikel „Ziegler, Eduard“ von Gerold Meyer von Knonau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 45 (1900), S. 187–190, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ziegler,_Eduard&oldid=- (Version vom 20. April 2024, 06:19 Uhr UTC)
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Ziegler: Paul Karl Eduard Z., schweizerischer Militär und Staatsmann, geboren am 11. December 1800 zu Sterzing (in Tirol), † zu Zürich am 21. August 1882. Während des Feldzuges von 1800, als der Oberstwachtmeister im Regiment Bachmann Jakob Christoph Z. (s. o. S. 180) den Franzosen im Engadin gegenüberstand, gebar ihm die vor Beginn des Winterfeldzuges rückwärts an die Brennerstraße in Sicherheit gebrachte tapfere Gattin, Johanna Margarethe, eine geborene v. Meiß (von Teufen), die auch in den stürmischen Tagen des Mai 1799 (s. S. 180) ihren Muth erprobt hatte, einen Sohn, dem der Pater Guardian der Sterzinger Capuziner – trotz des Confessionsunterschiedes – die Haustaufe ertheilte. Erst am 5. Januar 1801 sah der Vater, auf dem Rückzug vom Engadin, Gattin und Söhnchen in Bozen, und als am 20. August nach der Rückkehr in die Schweiz die Eltern auch die zwei älteren Knaben begrüßten, war die Familie zwei Jahre häuslich getrennt gewesen. Mit dem älteren Bruder Hans – der älteste starb 1806 – trat Eduard Z. gleich bei der Formation des väterlichen Regimentes 1815 in den niederländischen Kriegsdienst, in dem er 1817 zum Oberlieutenant, 1821 zum Bataillonsadjutanten aufstieg. Mit dem Vater verließ er 1829 die Niederlande. Hatte ihm nun auch dieser fünfzehn Jahre füllende Dienst nicht die Bekanntschaft mit dem ernsthaften Kriege geboten, so waren ihm dieselben durch die ausgezeichnete im Regiment herrschende Disciplin für seine militärische Bildung sehr vortheilhaft geworden, und auch sonst hatte er eifrig danach gestrebt, Lücken seiner Ausbildung auszufüllen. Mit Hauptmannsrang schied Z., gleich dem älteren Bruder, aus der niederländischen Armee. In Zürich zum Oberstlieutenant und Commandant eines Bataillons ernannt, legte er 1832, verstimmt durch den Gang der politischen Dinge seine Function nieder und ließ sich als gemeiner Infanterist der Landwehr zutheilen, in welcher Stellung er bei Uebungen durch seine Vorstellung von militärischer Zucht die Milizsoldaten beschämte. Im bürgerlichen Leben seit 1831 Mitglied des Stadtrathes, seit 1832 auch solches des kantonalen Großen Rathes, kam er 1837 als Präsident an die Spitze der städtischen Behörde. 1839 fand Z. reiche Gelegenheit, seine Fähigkeit als Stadtpräsident zu erproben. Denn obschon als Conservativer und von kirchlichen Erwägungen aus ein Gegner der mit der Strauß’schen Berufung verbundenen Regierung (s. A. D. B. XII, 496 u. 497), lieh er doch Aufforderungen von Freunden, daß sich die Stadt der Bewegung gegen jene anzuschließen habe, kein Gehör und bewahrte eine streng objective Haltung, da es seine Pflicht sei, Ruhe und Ordnung in der Stadt zu bewahren. Erst als der Anmarsch der von Pfarrer Bernhard Hirzel (s. A. D. B. XII, 483 u. 484) aufgebotenen Scharen bestimmt zu erwarten war, bot Z. in der Nacht vom 5. zum 6. September in aller Stille von Haus zu Haus die Bürgerschaft zur Formirung der Bürgerwehr auf, und auch die Regierung, die den Stadtpräsidenten vor sich beschied, erklärte sich durch die von ihm ertheilte Auskunft befriedigt; zwischen dem Commandanten des zur Zeit in der Stadt liegenden Militärs und Z. als dem Chef der Bürgerwehr wurde ein Einverständniß über [188] Theilung der Aufgaben erzielt, und ebenso erklärte er dringlichen Einladungen des Glaubenscomités mit Entschiedenheit, zur großen Enttäuschung seiner dortigen Parteigenossen, er werde von dem der Regierung gegebenen Versprechen der Nichtbetheiligung erst ablassen, wenn diese auf das Volk schießen lassen sollte. Als nun freilich der Zusammenstoß eingetreten war (s. A. D. B. XI, 278), ging Z., um noch größeres Unheil durch das Nachrücken weiterer besser bewaffneter Abtheilungen von Insurgenten vom Lande her, zu verhüten, mit aller Entschiedenheit vor, unter Ankündigung an den Militärcommandanten, daß er weiteren Gebrauch der Waffen als Feindseligkeit gegen sich und die Bürgerwehr betrachten und danach handeln werde; allein das Militär löste sich nun selbst auf, und damit war eine Fortsetzung des Blutvergießens glücklich vermieden. Da auch die Regierung vom Platze gewichen war, lag nun in den Stunden in der Mitte des 6. September alle Gewalt in Ziegler’s Hand, bis dann im Laufe des Nachmittags eine provisorische Regierung aus Mitgliedern der gewesenen Regierung und des siegreichen Glaubenscomite’s sich bildete, die übrigens sogleich Z. zum Platzcommandanten, sowie zum Befehlshaber der aufgebotenen Milizen ernannte. Als solcher wachte er in den zwei folgenden Tagen, wo die Tausende hereingekommener Landleute noch in der Stadt lagen, wo nothwendige Organisationen zur Beruhigung, zur Aufrechthaltung der Ordnung zu treffen waren, über der Sicherheit, der Art, daß schon bald die geflüchteten Häupter der gestürzten Partei nach Zürich zurückzukehren wagten. Es war wohlverdient, daß dem energischen Präsidenten der Dank der Stadtgemeinde in besonderer Urkunde bezeugt wurde. 1840 aber folgte Z. einer Wahl in den Regierungsrath des Kantons.

Als Leiter des kantonalen Militärwesens war er zugleich die kräftigste Stütze dieser aus der Bewegung von 1839 hervorgegangenen Regierung, so aber freilich zugleich auch durch die Opposition der am 6. September unterlegenen Partei, oft auf seinem eigensten Gebiete, der rein militärischen Dinge, besonders stark angefeindet. Aber seine Ruhe und Unbeugsamkeit siegten, auch als ihm 1841, wie er deutlich gewarnt worden war, ein geplanter Anschlag während einer militärischen Uebung drohte. Als Präsident des Kriegsrathes des Kantons Zürich seit 1844, als Vicepräsident des eidgenössischen Kriegsrathes seit 1845 zeigte er in allen Fragen die gleiche Einsicht, die mitunter vielleicht als Pedanterie ausgelegte Sorgsamkeit bis auf das Einzelnste, so daß, was er vielleicht in gestörter Ordnung angetreten hatte, bis auf den letzten Punkt genau eingerichtet von ihm abgegeben werden konnte. So gewann er auch den Gegnern Achtung ab, und nach dem 1845 im Kanton Zürich wieder eingetretenen Umschwunge, der Abstreifung des 1839 begründeten Systems, bestätigte doch der neue Große Rath Z. als Regierungsrath und in der Leitung des Kriegsraths. Aber erst das Jahr 1847 rückte ihn vollends vor eine schwere Entscheidung.

Z. hatte, als der 1845 wegen der Theilnahme am Luzerner Freischaarenzuge – Z. war beim damaligen Truppenaufgebote Brigadecommandant – durch die Tagsatzung ausgestrichene Stabshauptmann Ochsenbein 1847 beim Wechsel des eidgenössischen Vorortes Tagsatzungspräsident geworden war, voll Indignation seine Entlassung aus dem eidgenössischen Kriegsrath begehrt, so daß er also bloß in der seit 1844 eingenommenen Stellung eines eidgenössischen Obersten blieb. Doch jetzt rückte mit dem Sommer 1847 durch die Verschärfung der Parteigegensätze der Executionskrieg der Majorität der Kantone gegen Luzern und den Bund der mit demselben einverstandenen sechs katholischen Kantone in immer deutlichere Sicht. Mit der conservativen Partei in Zürich beklagte Z. die Berufung der Jesuiten nach Luzern, die einen der letzten Gründe zur Vergrößerung der Spaltung abgab, wollte aber von einer gewaltsamen Auflösung [189] des Sonderbundes, einem Bürgerkriege nichts wissen. Aber als der Ruf an Z. erging, überwand er – in ähnlicher Weise, wie sein Vorgesetzter, General Dufour von Genf – diese Bedenken und stellte, in für andere conservativ denkende Officiere vorbildlicher Weise, der Tagsatzung sich zur Verfügung. Als Commandant der vierten Armeedivision fand sich Z. am 22. October in Aarau ein, mit der schwierigen Aufgabe, die von sechs parallel liegenden Hauptthälern durchbrochene Aargauer Südgrenze gegen die feindlichen Gebiete von Luzern und Zug hin zu bewachen. Einzelne Vorstöße des Gegners, am 10. und 12. November, im Reußthale, trafen auf diese Linie. Aber erst auf den 23. fiel dann der Hauptkampf, an dem Z. den wesentlichsten Antheil nahm. Dufour hatte den Beginn der Offensivbewegung gegen Luzern auf diesen Tag angesetzt, und Z. sollte mit seiner Division, bei Gislikon die Reuß überschreitend, über Roth und Ebikon gegen die Stadt Luzern vordringen. Z. feuerte da zu Fuß seine Officiere und Mannschaften persönlich an und führte seine Schützen- und Jägerketten den Rotherberg hinan, so daß seine erste Brigade im Thale ihre Aufgabe gegen die an der Reuß aufgeworfenen Schanzen vollziehen konnte; einen renitenten Tambour riß er mit eigener Hand vorwärts und zwang ihn so, Sturm zu schlagen, so daß die Truppen an den Feind gebracht wurden. Mustergültige Tagesbefehle waren durch das eigene Verdienst Ziegler’s zur Durchführung gebracht worden. Ohne weiteren Widerstand zu finden, rückte Z. mit seiner Division am 24. in Luzern ein, und als Platzcommandant wachte er mit seiner ganzen strengen Ordnungsliebe über der Manneszucht und vermochte rasch den anfänglich hervortretenden Ausschreitungen zu steuern. Als Siegesbeute erbat er die Rückgabe der Waffen Zwingli’s, die seit 1531 als Trophäe im Zeughause zu Luzern lagen. Z. war durch seine Tüchtigkeit als Heerführer neben Dufour eine im besten Sinne des Wortes populäre Persönlichkeit geworden.

Im Kanton Zürich kam Z. im Regierungsrath bei der Ersetzung des Collegialsystems durch die Directorialleitung in die Führung der Militärdirection, und hier arbeitete er in jeder Weise an der Hebung der Feldtüchtigkeit der Infanterie, gestützt auf die gemachten praktischen Erfahrungen. Die Bundesversammlung ernannte ihn 1849 zum Chef des Generalstabes. Allein Z. zog, als 1856 sich wegen des Neuenburger Royalistenaufstandes der Conflict mit Preußen anzubahnen schien und Ende des Jahres große Truppenaufstellungen stattfanden, die Führung einer Armeeabtheilung vor, und so trat er an die Spitze der fünften Division, mit der wichtigen Vorschrift der Deckung der Nordgrenze vom Einfluß der Aare in den Rhein östlich aufwärts zum Bodensee. General Dufour war als oberster Leiter der ganzen eidgenössischen Truppenaufstellung gesinnt, im Falle des Kriegsausbruches dem von der oberen Donau her anrückenden Feinde jenseits der Grenze in Baden in günstiger Stellung mit etwa 50000 Mann eine Schlacht anzubieten, und so hatte sich Z. in aller Stille die eigene Anschauung des Terrains verschafft. 1859 wieder für die Grenzbesetzung im Südwesten zur Deckung der Pässe des Großen St. Bernhard und Simplon – mit Genf als Hauptquartier – zur Zeit des französisch-sardinischen Kriegs gegen Oesterreich, 1860 für die Erhaltung der Ruhe in Genf und andererseits für die eventuelle kräftige Vertheidigung der Stadt gegen eine Bedrohung durch die Vorschiebung französischer Truppen – eben war Savoyens Einverleibung in das kaiserliche Frankreich geschehen – war Z. als Divisionär thätig, und er verstand es, als Platzcommandant von Genf, im zweiten Jahre, sehr wohl, bei aller strengen Erfüllung seiner Pflicht sich auch die ungetheilte Achtung und Sympathie der Bevölkerung während der viermonatlichen Besetzung zu erwerben. Daneben gehörte er von 1848 bis 1855 und nochmals 1860 bis 1866 dem Nationalrathe als Mitglied an. Im zürcherischen Regierungsrathe blieb er ununterbrochen [190] sechsundzwanzig Jahre bis zu seinem Rücktritte aus den öffentlichen Stellungen 1866; er war da in den letzten Jahren abwechselnd erster und zweiter Präsident, zeitweise infolge des vorgeschriebenen Wechsels der Directionen auch Besorger des Polizeiwesens.

Nachdem Z. schon nach dem letzten Commando in Genf im eidgenössischen Dienste nicht mehr handelnd hervorgetreten war, legte er Ende 1866 seine kantonalen Stellungen nieder, ebenso 1868 seine Mitgliedschaft des Großen Rathes. Während er noch an den Berathungen des Verfassungsrathes – im Uebergang zur ausgeprägt demokratischen Gestaltung des Kantons – mit ausdauernder Beharrlichkeit theilgenommen hatte, ließ er nach Annahme der neuen Verfassung sich nicht mehr in den neuen Kantonsrath wählen. Die letzten Jahre verlebte er, körperlich und geistig rüstig, bereit, bei eintretendem Kriegsfalle nochmals, wenn er gerufen werde, in Activität zu treten, verständnißvoll den Ereignissen, der kriegswissenschaftlichen Litteratur folgend, daneben – bis 1869 auch als Mitglied der zürcherischen Armenpflege – einer mit Umsicht durchgeführten Wohlthätigkeit sich widmend im Kreise seiner Familie und seiner Freunde, eine überall hochgeschätzte Persönlichkeit, die, im Aeußeren des Auftretens strengen Ernst nie vermeidend, in engerem Kreise auch gemüthliche Seiten zeigte. So hatte Z. 1856 bei Anlaß eines in Zürich abgehaltenen großen schweizerischen Cadettenfestes es auch trefflich verstanden, er, der sonst so abgemessen auftretende Mann, als Obercommandant des jugendlichen Heeres den vollkommen richtigen Ton in der Behandlung seiner „jungen Kameraden“ anzuschlagen. Sehr richtig führte Georg von Wyß in einer Rede vor der Gesellschaft der Schildner zum Schneggen, der Z. angehört hatte, 1884 das Wesen des Verstorbenen aus: „Hatte Z. mit der fachmännischen Tüchtigkeit auch alle militärische Ordnungsliebe und Pünktlichkeit und die ihm eigene Willensfestigkeit in die administrative Laufbahn mitgebracht, so thaten es doch diese Eigenschaften nicht allein. Zwei andere Züge seines Wesens waren es, die ihn durchdringen ließen: der ihm innewohnende unbestechliche und unparteiische Gerechtigkeitssinn, den alles Wohlwollen, das er dem Einzelnen entgegenzubringen pflegte, niemals zu beugen vermochte, und der unbeschränkte Muth, den ihm eine tiefe Gottesfurcht verlieh“.

Vgl. Ad. Bürkli, Oberst Paul Karl Eduard Ziegler, eine biographische Skizze (Zürich 1886), ferner: Oberst Ziegler im Feldzuge gegen den Sonderbund, in der Neuen Zürcher Zeitung vom 1. und 2. September 1882.