Abenteuerliche Ehen europäischer Aristokratinnen mit Muselmännern

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Autor: Walther Kabel
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Titel: Abenteuerliche Ehen europäischer Aristokratinnen mit Muselmännern
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aus: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1911, Bd. 11, S. 212–215
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Erscheinungsdatum: 1911
Verlag: Union Deutsche Verlagsgesellschaft
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Erscheinungsort: Stuttgart, Berlin, Leipzig
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(Nachdruck verboten.)

Abenteuerliche Ehen europäischer Aristokratinnen mit Muselmännern. – Als die Türken 1529 zur Unterstützung des ungarischen Kronprätendenten Johann Zapolya in Ungarn einrückten und in raschem Siegeszuge bis Wien vordrangen, nahm einer der türkischen Unterführer namens Mustafer Selim, nach der Überlieferung ein staatlicher Mann, auf einem Streifzuge das dem Grafen Westhofen gehörige Schloß Krainburg ein und machte den Grafen und dessen Tochter Beatrix zu seinen Gefangenen. Mustafer Selim behandelte die blonde Beatrix mit großer Zartheit und verschaffte ihr und ihrem Vater alle nur möglichen Bequemlichkeiten. Kurz bevor die Türken dann die Belagerung von Wien aufgaben, wurden die vornehmsten Gefangenen gegeneinander ausgetauscht. Doch zum Schrecken des alten Grafen war die blonde Beatrix am Morgen jenes Tages, an dem die Auswechslung der Gefangenen stattfinden sollte, spurlos verschwunden. Erst drei Tage später erhielt er, als er sich bereits in Wien befand, einen Brief, in dem sie ihm mitteilte, sie sei dem Erkorenen ihres Herzens, Mustafer Selim, in dessen Heimat gefolgt. Jahrelang hörte man nun nichts mehr von der jungen Österreicherin. Ihre Verwandten wußten nur, daß sie sich in der Nähe von Bagdad befinde, wo ihr Gatte als Oberschech mehrerer Nomadenstämme ein mehr wie primitives Leben führte.

Im Jahre 1533, als die Pforte gerade mit Ferdinand von Österreich Frieden geschlossen hatte, tauchte Mustafer Selim plötzlich mit seiner europäischen Gattin in Konstantinopel auf, wohin ihn der Sultan zur Belohnung für treue Dienste als Hauptmann der Janitscharen berufen hatte. Beatrix spielte nun lange Zeit, allerdings entsprechend der Stellung der türkischen Frau ganz hinter den Kulissen, eine wichtige Rolle [213] bei den politischen Intrigen, an denen gerade jene Periode des osmanischen Reiches durchaus nicht arm war. Der Ehrgeiz der einstigen Gräfin, ihren Gatten in eine hervorragende Stellung zu bringen, war so groß, daß sie sich des öfteren auf ein recht gewagtes Spiel einließ. In dem Harem Mustafer Selims liefen auch die Fäden jener Verschwörung zusammen, durch die man Selim II. nach Beseitigung des den Würdenträgern allzu energischen Solimans den Thron verschaffen wollte. Diese Verschwörung wurde entdeckt, und drei Tage später wurde Beatrix auf Befehl des Sultans von ihrer eigenen Leibsklavin vergiftet. Ihrem Gatten schickte Soliman die berüchtigte seidene Schnur, ein Wink, dem der Türke ohne Zögern gehorchte, indem er sich an der Leiche seiner Frau erdrosselte. –

Im Jahre 1715 traf die erste persische Gesandtschaft, abgeschickt vom Schah Hussein an Ludwig XIV., in Frankreich ein. Ihr Führer war Mehemed Riza-Bei, der Unterverwalter der Provinz Eriwan, ein ebenso eingebildeter wie ungebildeter Mensch, der seinem Herrn in Paris durchaus keine Ehre machte. Nachdem Mehemed Riza-Bei sich in der schon damals recht vergnügungsreichen Seinestadt einige Wochen amüsiert hatte, lernte er eines Tages die Marquise v. Epinay, eine entzückende junge Witwe, kennen und sehr bald auch lieben. Er trug ihr seine Hand an und wurde auch wirklich erhört. Da aber machte die französische Polizei dem Pärchen einen Strich durch die Rechnung. Sie sah es als unzulässig an, daß ein Muselmann eine Christin mit sich nehme, und verbot der Marquise die Abreise. So fuhr denn der persische Gesandte mit seinem Gefolge allein nach Havre, von wo er sich auf der Fregatte „L’Astrée“ zunächst nach Rußland einschiffen wollte. Unter dem Gepäck Riza-Beis befand sich auch ein neuer, riesiger Koffer, auf den der Perser besonders achtzugeben befahl. Das Schiff hatte den Hafen kaum verlassen, als von Paris der Befehl eintraf, das Aussegeln der Fregatte zu verhindern, da die Marquise v. Epinay trotz des Verbotes der Polizei den Gesandten zu begleiten gedenke. Dieser Befehl kam zu spät. Aber die französische Aristokratin fuhr in ihrem Koffer keinem beneidenswerten Schicksal entgegen. In Riga bereits gingen der Gesandtschaft [214] die Mittel aus. Es kam soweit, daß Riza-Bei die ihm von Ludwig XIV. für den Schah übergebenen Geschenke verkaufen mußte, nur um die nötigen Wagen zur Fahrt nach Moskau bezahlen zu können. Endlich im Oktober 1716 langten die Reisenden in Eriwan an. Eigentlich hätte der Gesandte nun sofort an den Hof seines Herrn eilen müssen, um Bericht über den Ausfall seiner Mission zu erstatten, aber Riza-Bei ließ sich Zeit, denn er wußte nur zu gut, was am Hofe von Teheran seiner wartete. Die kostbaren Geschenke Ludwigs XIV. waren nicht mehr vorhanden, und der Handelsvertrag, zu dem er als Bevollmächtiger Persiens sich von den französischen Diplomaten hatte überreden lassen, war für die auswärtige Politik Persiens nur verhängnisvoll, wie er sich jetzt bei ruhiger Überlegung selbst sagte. Als man ihn daher von Teheran aus immer dringender vorlud, nahm er eines Tages in seiner Verzweiflung Gift. Seine europäische Gattin aber, zu stolz, um nach diesem traurigen Abschluß ihres Liebesromans nach Paris zurückzukehren, trat zur mohammedanischen Religion über und verschwand in dem Harem eines persischen Großen. –

Ebenso abenteuerlich wie der Liebesroman der Marquise ist der einer englischen Aristokratin, einer geborenen Lady Digby, verheirateten Lady Ellenborough[ws 1]. Diese war von so außerordentlicher Schönheit, daß König Ludwig I. von Bayern ihr Bild in seiner berühmten Schönheitsgalerie aufhängen ließ. Von Jugend an sehr zu Extravaganzen neigend, unternahm Lady Ellenborough, nachdem ihre erste Ehe geschieden war, eine Reise nach den Ruinen von Palmyra, die mehrere Tagesreisen von Damaskus entfernt mitten in der Syrischen Wüste liegen. Als Schutzwache wurde sie von dem zwanzigjährigen Beduinenschech El Mezzab und dessen Reiterschar begleitet. Unterwegs wurde die Reisegesellschaft von einem räuberischen Beduinenstamm angegriffen. Bei dieser Gelegenheit kämpfte der junge Schech so todesmutig für die ihm anvertraute Dame, daß diese ihm ihre Hand anbot. Einem deutschen Reisenden, der einmal in dem Hause der europäischen Gattin des Beduinenhäuptlings in Damaskus als Gast weilte, hat die bemitleidenswerte Frau offen ihr Herz ausgeschüttet. „Ich träumte,“ [215] erzählte sie, „daß ich als Fürstin unter dem Stamm meines Mannes und durch ihn auch unter den übrigen Beduinenstämmen europäische Gesittung verbreiten und dadurch die Wohltäterin und Beherrscherin dieser ungezähmten Menschen werden könnte. Wie eine Beduinin habe ich darum unter unseren schwarzen Zelten und in der Mitte unserer Herden bald hier, bald da in der Wüste gelebt und gelitten. Was habe ich erreicht? Ich darf, statt auf dem Kamel, auf einem Pferde reiten – das ist alles. Jetzt, wo ich älter werde, kommt mein Mann eine kurze Zeit im Winter mit mir nach Damaskus. Aber noch immer ist es ihm ein Greuel, in einem Zimmer zu wohnen. Unsere Schlafstätte ist auf dem flachen Dach dieses Hauses unter offenem Himmel. Auf meinen Mann und dessen Leute habe ich gar keinen Einfluß. Als wir mit unserer Karawane vor kurzem nach Damaskus wanderten, bemerkte er in der Ferne einen Zug Europäer. ‚Allah sei gepriesen!‘, rief er, zum Gebet niederfallend, ‚der uns diese gute Gabe in die Hände führt!‘ Seine ganze Schar betete, aufs Angesicht geneigt, dem Führer nach: ,Allah sei gepriesen!‘ Sie legten sich in den Hinterhalt, überfielen und plünderten die Fremden und waren überzeugt, daß Allah ihnen gnädig war. So denkt der Schech, mein Mann, so alle seine Leute!“

Lady Digby ist einsam in der Syrischen Steppe gestorben. Ihre Abenteuerlust hat sie durch ein Leben voll bitterer Enttäuschungen büßen müssen.

W. K.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Siehe hierzu auf Wikipedia den Artikel zu Jane Digby 1807–1881.