Alexander von Soltwedel

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Ernst Deecke
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Alexander von Soltwedel
Untertitel:
aus: Lübische Geschichten und Sagen, S. 40–47
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1852
Verlag: Carl Boldemann
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Lübeck
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google, Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[40]
25. Alexander von Soltwedel.

Im Jahre 1226, als die Lübecker inne wurden, daß die Lande gern der Dänen los sein wollten, suchten sie weisen Rath, wie sie wieder zum Kaiser, ihrem rechten Herrn, und zum deutschen Reiche kämen. Aber der König von Dänemark war auf seiner Hut: er überfiel mit einem großen Heer die Veste Rendsburg, und zog an die Ditmarsen; jedoch er verlor seiner Leute viel, so daß er mit nicht gar starker Zahl nach Lübeck kam, um nach altem Gebrauch Ostern zu feiern. Die Freude jedoch war nicht groß, denn ein Land nach dem andern sagte ihm ab; nur die Stadt, die er erst vor wenigen Jahren mit steinernen Mauern und Thürmen gestärkt, hielt er fest. Da nun der Himmel hoch und der Kaiser weit war, den andern Fürsten aber nicht zu trauen stand, so mußten die Bürger von Lübeck auf gute Gelegenheit denken, sich selbst durch kluge Anschläge zu befrein.

Nun stand in der Mühlenstraße ein Haus, eine zeitlang die alte Sonne geheißen, in welchem ein kluger und tapferer Mann, Alexander Soltwedel, – in seiner Jugend ein Kleinschmieds-Gesell – wohnte, dessen Bruder Johannes im Rathsstuhl saß. Wenn dieser nun über Muthwill und Gewalt der Dänen klagte, sagte jener oft: „säße ich im Rath, ich wollte wohl, wenn sonst keiner, die beschwerliche [41] Last abwerfen.“ Dies sagte er so oft, bis Ein Rath ihn beschickte und um seine Absicht fragen ließ. Da bekräftigte er seine Rede und bedang sich zugleich, da sein Plan nur durch List ins Werk gesetzt werden könne, daß man deßhalb kein Aergerniß an ihm nehmen möge. Man vertraute ihm und bewog seinen Bruder, ihm den Rathsstuhl zu räumen. Da sah man nun gar bald und verwunderte sich deß, wie der schlichte Mann sich schleunig veränderte. Er befliß sich nicht allein der königlichen Räthe, sondern auch des Königs Gnade und Freundschaft zu gewinnen, und war bei ihnen oftmals fröhlich und guter Dinge; wie sie bei ihm. An ihren Hochzeiten, Gelagen, Jagden und Stechspielen, selbst bei ihrer Kurzweil wußte er sich so wohl zu erzeigen, daß er bei jedermänniglich einen guten Namen gewann. Nur den Bürgern gefiel sein Gebühren nicht: er suche, raunten sie sich ins Ohr, nur seinen Nutzen und Ruhm darin; sichtlich verschwende er der Stadt Güter; er habe, trugen andere zu, Bestallung vom König, die Stadt in weitere Dienstbarkeit zu bringen. Als man ihm bedenklich nachsah, rief er die Vornehmsten und die Gemeine zu sich und entdeckte ihnen was er wolle. Deß waren sie wohl zufrieden und warteten ihrer Zeit. Nun kam der Tag, da nach altem Brauch der Maigraf mit Jubel und Lust den Mai aus dem Walde holte. Des Abends zog man auf das Burgfeld, wo der Papagoyenbaum stand; da waren die kostbarsten [42] Zelte und Paulune gemacht, es wurde bei Fackellicht bankettirt und getrunken, gespielt und getanzt, und seltsame Mummen von wilden Männern und Frauen gingen dazwischen hin und her. Nach Mitternacht riefen vom Schwerin (Lauerholz) her die Hörner, daß man die Maien und den Maibaum hole, um vor Sonnenschein die Häuser und Kirchen zu zieren. Da sind der ganze Rath und die Vornehmsten der Bürger neben dem König und seinen Räthen in den Wald hinabgeritten; auch des Raths und der Stadt Diener, ihnen zu sonderlichen Ehren aufs köstlichste gekleidet und geputzt. Etliche aber und andere junge Gesellen gingen im Mummenschanz mit Jungfernkleidern angethan und scheinbar gemacht auf die Burg, wo man sie gar lustig empfing; doch als sie an das Schloß kamen, zogen sie ihre fertigen Wehren hervor und warfen die Wächter nieder. Da nun der König wieder aus dem Walde kömmt mit Blumen und Kränzen gar schön geziert, und die Freude am besten ist: da sieht man aus der Burg der Stadt Lübeck Fähnlein fliegen. Deß sind die Dänen heftig erschrocken und auf ihre Pferde gefallen und in Hast von dannen gen Travemünde geritten. Der König aber hat zum Herrn Alexander gesagt, daß er bald wieder kommen wollte. Darauf ihm dieser geantwortet: daß er wohl kommen möchte wann er wollte; es solle ihm begegnet werden.

Danach sandten die Lübischen zum Kaiser und boten [43] ihm ihre Stadt an und sagten ihm: wie sein Großvater vor Zeiten sie mit Heerschilden belagert und unter das Reich gebracht, ihr auch viele und große Freiheiten gegeben hätte. Da nun Kaiser Friedrich ihre Treue sah, und daß sie ihm aus gutem und freiem Willen ihre Stadt so anboten, nahm er sie gütlich an und samt ihren Einwohnern unter seinen und des Reiches Schutz, darunter sie vor Zeiten gewesen waren; und sprach sie frei von allen Gelöbnissen und Verträgen, die sie mit dem Könige gemacht hätten; und bestätigte ihre Freiheiten mit seinem kaiserlichen Ingesiegel, und gab ihnen mildigllch viele neue dazu. Da aber der König von Dänemarken dies alles mit sonderlichen Schmerzen betrachtete, ward er gar zurnig und forderte die Lübischen aus, einen Streit mit ihm zu halten, und bestimmte daneben die Zeit auf S. Marien-Magdalenen-Tag, auf welchen Tag er es also begehrte. Er sammelte ein mächtig großes Volk zu hauf aus seinen Reichen; dazu kam er auch mit seinen Schiffen. Und zog an die Ditmarsen, dieselben zwang er mit solchem Befehl, daß sie sich rüsten und gefaßt machen sollten, mit ihm zu streiten wider die Lübschen. Diese guten Leute gelobten es dem Könige zwar wohl zu thun, aber doch wider ihren Willen, in Betrachtung, daß sie dänischen Regiments ohn das überdrüssig genug. Und da der König mit Heeresmacht also heranzog, säumte Herzog Otto zu Sachsen, der zugleich zu Braunschweig und Lüneburg ein Herzog [44] und Hinrici Leonis Sohn war, auch nicht; sondern kam seinem Vetter mit einem wohlgerüsteten Kriegsvolk zu Hülfe, und zogen beide zu Felde bei Bornhövde, welches dazumal das Swentiner Feld genannt ward. Inzwischen sind die von Lübeck auch aufgewesen, wappneten sich und riefen zu Hülfe Gerhard den Erzbischof zu Bremen, Albert Herzogen zu Sachsen, Adolf Grafen zu Holstein, Hinrich Grafen zu Schwerin, der unlängst von dem Könige verjaget worden, und Burewin Herrn zu Wenden und Meklenburg. Diese Fürsten und Herren samt denen von Lübeck in einer stattlichen Versammlung, wie sie vernahmen, daß der König mit den Seinen auf der Heide läge, kamen sie ihm daselbst entgegen. Kriegshauptmann ist gewesen Herr Alexander von Soltwedel, Bürgermeister von Lübeck, neben Adolf dem Grafen zu Holstein, der von der Stadt Lübeck dazu erbeten worden; insonderheit kam ihnen auch zu Hülfe der edle Graf Hinrich zu Schwerin. Wie nun die Ditmarsen die herrliche und schöne Versammlung der Lübischen mit so vielen staffierten und zierlichen Bannieren daher ziehen sahn, da wurden sie eingedenk und kam ihnen auf die Stunde zu Gemüth, daß die Lübischen niemals im geringsten wider sie gehandelt, und daß sie ihnen in künftigen Zeiten oftmals dienen und der Noth wohl könnten zu Steuer und Hülfe kommen; und fielen deswegen vom Könige ab und mischten sich unter die Lübischen, welches denn dem dänischen Haufen [45] kein geringer Schade war. Und sie huben an mit einander zu streiten auf S. Marien-Magdalenen-Tag, also daß der König mit seinem Volke in die Flucht geschlagen ward, und ein Auge samt der Schlacht verlor, und gar genau und kümmerlich genug mit seinem Sohn und etlichen wenigen davon kam. Herzog Otto, der zwar gar nicht übel, sondern ganz ritterlich gestritten, ward gefangen. Dieß alles ist geschehen mit sonderlicher Hülfe Gottes und der heiligen Frauen S. Marien-Magdalenen, weil der König wohl zehen Mann gegen einen brachte. Darum ist der Oberste, Herr Alexander, ehe er mit seinem Kriegsvolk an die Schlacht getreten, mit den Seinigen auf die Knie gefallen und hat dies Gelübde gethan: Da Gott der Allmächtige durch das Verdienst der heiligen Frauen S. Marien-Magdalenen auf diesen Tag in solcher großen und äußersten Noth seine Hülfe gäbe und seine Gnade verleihen möchte, daß sie siegen und das Feld behalten würden: so wollten sie an Stelle der Burg ein Kloster der Predigermönche zu seiner, seiner allerseligsten Mutter Marien, und der heiligen Frauen Marien-Magdalenen Ehre errichten. Als es nun von beiden Seiten zum Fechten und Schlagen kam, begunnte die Sonne den Lübeckern recht entgegen zu scheinen, daß ihnen der Glanz in die Augen stach, davor sie die Feinde nicht sehen konnten. O Wunder! da ward die heilige Frau Maria-Magdalena sichtlich gesehen, daß sie ihren Mantel vor [46] der Sonne ausstreckte und die scheinenden Strahlen den Dänen zubog, also daß die Lübischen wie in einem Schatten stunden. Da nun alles vollendet, zogen sie mit ihrem Haufen und vielen vornehmen Gefangenen nach der Stadt, lobeten, preiseten und danketen Gott dem Allmächtigen und der heiligen Frauen S. Marien-Magdalenen, die solche schöne und herrliche Victorie verliehen, und theilten die Beute unter das Kriegsvolk aus. Den gefangenen Herzog Otto hat man gegeben an Albert den Herzog zu Sachsen mit ihm zu thun was er wollte; den andern Fürsten aber theilte man andere vornehme Herren zu, jedem nach seiner Würde und was er Gutes verdient hätte. Dann sind sie mit gesamter Hand nach dem Schloß gelaufen, haben dasselbe erstlich geplündert, danach heruntergerissen und abgebrochen bis auf den Grund und alles der Erden gleich gemacht; und alsbald auf die wüste Stätte ein herrliches Kloster Prediger-Ordens zu bauen angefangen, wie sie gelobt. Und haben danach gen Bremen und Magdeburg geschickt, von dorther neue Brüder Prediger-Ordens zu holen; die haben sie eingesetzt Gott zu dienen ewiglich. Zu ewigem Gedächtniß aber solches Sieges gaben sie alle Jahr an diesem Tage den Armen Almosen in der Kirche zu S. Marien, und die Brüder auch in ihrem Reventer ein Faß Biers.


[47] Des dänischen Königs Reiterfahne hängt noch heutigen Tages zum Siegeszeichen und uralten Gedächtniß in der Marienkirche, nah am Chor unter dem Gewölbe zwischen zwei Pfeilern.


Herrn Alexander hätte es nach dem Siege wohl frei gestanden, für seine großen Dienste eine ehrliche Gabe von der Stadt zu begehren. Aber er suchte mehr die Wohlfahrt seiner Lands- und Hausleute, denn sein eignes Beste, und erbat sich nur schlechthin, daß die Märker hie zu Lübeck zollfrei sein möchten; welches ihnen auch gern bewilligt bis auf den heutigen Tag.


Herr Alexander liegt zu S. Marien im Chor an der Norderseite begraben an dem Orte, wo die große Messingtafel steht. Sein Name ist auf dem Stein zu lesen neben seinem Wappen, welches 3 Kronen und einen halben schwarzen Adler führt, da er vom Kaiser zum Ritter gemacht ist. Er ist 1291 gestorben.

Bemerkungen

[389] Zum Theil noch mündlich. Das Geschichtliche s. in m. Geschichte der Stadt Lübeck, I. S. 223 ff. S. 40 Z. 10 l. freilich s. jedoch. S. 46 Reventer – Refectorium.

Anmerkungen (Wikisource)

Bei Alexander von Soltwedel vermischt die Lübsche Sage die historische Person des Ratsherrn Alexander von Soltwedel, der in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts nachgewiesen ist, mit der Schlacht bei Bornhöved (1227).