Allerhöchster Erlaß, betreffend die Genehmigung der Instruktion zur Ausführung des Bundesgesetzes, Maaßregeln gegen die Rinderpest betreffend

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Titel: Allerhöchster Erlaß vom 26. Mai 1869., betreffend die Genehmigung der Instruktion zur Ausführung des Bundesgesetzes vom 7. April 1869., Maaßregeln gegen die Rinderpest betreffend.
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Geltungsbereich:
Rechtsmaterie:
Fundstelle: Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes Band 1869, Nr. 18, Seite 149 - 160
Fassung vom: 26. Mai 1869
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Bekanntmachung: 11. Juni 1869
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(Nr. 298.) Allerhöchster Erlaß vom 26. Mai 1869., betreffend die Genehmigung der Instruktion zur Ausführung des Bundesgesetzes vom 7. April 1869., Maaßregeln gegen die Rinderpest betreffend.

Auf Ihren Bericht vom 24. Mai d. J. genehmige Ich hierdurch im Namen des Norddeutschen Bundes die anliegende Instruktion zur Ausführung des Bundesgesetzes, Maaßregeln gegen die Rinderpest betreffend, vom 7. April 1869. (Bundesgesetzbl. S. 105.).

Der gegenwärtige Erlaß ist nebst der Instruktion durch das Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen.
Schloß Babelsberg, den 26. Mai 1869.
 Wilhelm.

 Gr. v. Bismarck-Schönhausen.

An den Kanzler des Norddeutschen Bundes.

[150]

Instruktion[Bearbeiten]

I n st r u k t i o n
zu dem Gesetze vom 7. April 1869.,
M a a ß r e g e l n  g e g e n  d i e  R i n d e r p e s t
betreffend.
(Bundesgesetzbl. S. 105.)
_________________________________


In Ausführung von §. 8. des Gesetzes vom 7. April 1869., Maaßregeln gegen die Rinderpest betreffend, wird nachfolgende Instruktion erlassen, deren Bestimmung ist, den Behörden eine allgemeine Anleitung zu geben, ohne die Nothwendigkeit der besonderen Entschließung über Einzelheiten und über die Ausdehnung der Maaßregeln in jedem einzelnen Falle auszuschließen. Leitender Grundsatz soll sein: den Zweck ohne unverhältnißmäßige anderweite wirthschaftliche Opfer für die Bevölkerung zu erreichen. In der Regel wird dies am Besten durch energische Maaßregeln erfolgen, welche die Seuche in kurzer Zeit tilgen, wenn auch die direkten Opfer scheinbar groß sind.

Erster Abschnitt. Maaßregeln bei dem Ausbruche der Rinderpest im Auslande.[Bearbeiten]

a. In der Entfernung.[Bearbeiten]

§. 1.[Bearbeiten]

Bei dem Auftreten der Rinderpest in entfernten Gegenden kommt es darauf an, ob dieselben durch Eisenbahnen oder durch Schiffahrt in solcher Verbindung mit dem Inlande stehen, daß Viehtransporte in verhältnißmäßig kurzer Zeit in das Inland gelangen können.
Ist die von der Seuche ergriffene Gegend durch Eisenbahnen mit dem Inlande verbunden, so hat sich das Einfuhrverbot auf alles Rindvieh aus dieser Gegend ohne Ausnahme zu erstrecken.

§. 2.[Bearbeiten]

Das Einfuhrverbot hat sich ferner zu erstrecken: auf frische (auch gefrorene) Rindshäute, Hörner und Klauen, Fleisch, Knochen, Talg, wenn letzteres nicht in Fässern, ungewaschene Wolle, welche nicht in Säcken verpackt ist, und Lumpen.

§. 3.[Bearbeiten]

Die Einfuhr von Schaafen und Ziegen ist ebenfalls zu verbieten. Schweine dürfen nur in Etagewagen eingeführt werden. [151]

§. 4.[Bearbeiten]

Was von der Einfuhr gesagt ist, gilt im Allgemeinen auch von der Durchfuhr. Doch kann ausnahmsweise die Durchfuhr durch das Bundesgebiet Viehtransporten gestattet werden, wenn von Veterinärbeamten festgestellt ist, daß die Gegend, aus welcher das Vieh kommt, seit drei Monaten und mindestens in einem Umkreise von drei Meilen seuchenfrei ist und der Transport in vorschriftsmäßigen Wagen erfolgt.
Die Durchfuhr hat in besonderen Zügen unter polizeilicher Begleitung in denselben Wagen ohne Umladung zu geschehen, auch darf unterwegs kein Stück ausgeladen werden. Sterben unterwegs einzelne Stücke, so bleiben solche unberührt im Wagen liegen, bis zum Ausgangspunkte des Transports, wo selbige unter Zuziehung von Veterinärbeamten vorschriftsmäßig vernichtet werden müssen, wenn nicht die Möglichkeit geboten ist, daß die Ausladung und Vernichtung unterwegs durch einen Sachverständigen ohne Gefahr geschehen kann.
Wird wegen Zerbrechens eines Wagens oder aus ähnlichen Gründen ein Umladen unvermeidlich, so ist dasselbe von der Eisenbahnverwaltung unter amtlicher Aufsicht und unter den nöthigen Vorsichtsmaaßregeln zu bewirken. Für Absperrung des umzuladenden Viehes, für sofortige Verscharrung der etwa vorhandenen Kadaver, welche letztere in jedem Falle gleich den an der Rinderpest gefallenen Thieren (§§. 27 – 30.) zu behandeln sind, muß gesorgt werden.
Die entleerten Wagen und die Umladestellen sind zu desinfiziren.
Zum Tränken der Thiere unterwegs sind eigene, von der Behörde gestempelte Tränkeimer mitzuführen. Das Füttern, sobald solches auf langen Transporten nothwendig wird, darf nur von den, den Transport begleitenden Personen besorgt werden.
Vieh, welches nach den Seeplätzen versendet wird, ist rücksichtlich des Transportes und aller in §. 4. erwähnten Maaßregeln dem Transitvieh gleich zu behandeln.

§. 5.[Bearbeiten]

Für Schlachtvieh, soweit es zur Versorgung des Inlandes nöthig ist, kann ausnahmsweise auch die Einfuhr nach solchen Städten gestattet werden, in welchen öffentliche Schlachtstätten vorhanden sind, die durch Schienenstränge mit der Eisenbahn, auf welcher die Einfuhr stattfindet, in Verbindung stehen. Die Einfuhr muß für jeden besonderen Fall von der Behörde genehmigt werden und hat unter Beobachtung der für jeden Fall besonders zu erlassenden polizeilichen Vorschriften zu erfolgen.

b.In der Nähe.[Bearbeiten]

§. 6.[Bearbeiten]

Tritt die Seuche in Gegenden des Nachbarlandes auf, welche nicht über fünf bis zehn Meilen von der Grenze entfernt sind, dann ist für die nach Umständen zu bestimmende Grenzstrecke das Einfuhrverbot unbedingt
auf alle Arten von Vieh (einschließlich der Pferde und des Federviehs), [152]
auf alle vom Rinde stammenden thierischen Theile in frischem oder trockenem Zustande (mit Ausnahme von Butter, Milch und Käse),
auf Dünger, Rauchfutter, Stroh und andere Streumaterialien, gebrauchte Stallgeräthe, Geschirre und Lederzeuge,
auf unbearbeitete (bez. keiner Fabrikwäsche unterworfene) Wolle, Haare und Borsten,
auf gebrauchte Kleidungsstücke für den Handel
zu erstrecken.
Personen, deren Beschäftigung eine Berührung mit Vieh mit sich bringt, z. B. Fleischer, Viehhändler und deren Personal, dürfen die Grenze nur an bestimmten Orten überschreiten, und müssen sich dort einer Desinfektion unterwerfen.
Nur in einzelnen dringenden Fällen können auch Ausnahmen für Schlachtvieh nach §. 5. eintreten.

§. 7.[Bearbeiten]

Rückt die Seuche bis in die Grenzgegenden vor, oder gewinnt sie längs der Grenze in einer noch vom kleinen Grenzverkehr berührten Entfernung an Ausdehnung, dann hat für die betreffenden Grenzstrecken die vollständige Verkehrssperre unter Bildung eines Kordons mit militairischen Kräften einzutreten, im benachbarten Inland treten aber die Vorschriften des II. Abschnitts in Kraft.
Für den Durchgang von Posten u, s. w. kommen dann dieselben Maaßregeln in Anwendung, wie bei einem abgesperrten Orte in Inlande.

§. 8.[Bearbeiten]

Wird in den vorstehend behandelten Fällen die angeordnete Sperre durchbrochen, so sind die der Sperre unterworfenen Thiere soweit möglich sofort zu tödten und zu verscharren, Menschen und sonstige Gegenstände auf kürzestem Wege wieder über die Grenze zurückzubringen, wo möglich ohne Ortschaften zu passiren.
Giftfangende Sachen sind zu vernichten oder zu desinfiziren.

§. 9.[Bearbeiten]

In den bedrohten Grenzkreisen sind für sämmtliche Ortschaften, welche innerhalb zwei Meilen von der Grenze entfernt liegen, folgende Kontrole-Maaß-regeln einzuführen.
Es ist in jedem Orte ein Viehrevisor zu bestellen, der ein genaues Register über den vorhandenen Rindviehbestand aufnehmen und täglich den Ab- und Zugang, sowie jede Veränderung in dem Viehstande, speziell verzeichnen muß.
Viehregister sind mindestens einmal wöchentlich von den vorgesetzten Organen zu revidiren.
Bei vorkommenden Krankheits- oder Todesfällen im Rindviehstande ist sofort Anzeige zu machen.

§. 10.[Bearbeiten]

Vorstehende in §§. 1. bis 9. enthaltene Vorschriften sind unter den durch die Umstände gebotenen Abänderungen auch dann in Anwendung zu bringen, wenn die Gefahr einer Einschleppung der Seuche zu Wasser droht. [153]
Sind unter dem an Bord eines Schiffes befindlichen Rindvieh unterwegs verdächtige Erkrankungs- oder Todesfälle vorgekommen, dann sind von der Sanitätsbehörde des Hafenplatzes die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen.

Zweiter Abschnitt. Maaßregeln beim Ansbruche der Rinderpest im Inlande.[Bearbeiten]

§. 11.[Bearbeiten]

Sobald in einem Orte des Inlandes ein der Rinderpest verdächtiger Krankheits- oder Todesfall an Rindvieh vorkommt, oder in einem Orte innerhalb 8 Tagen zwei Erkrankungs- oder Todesfälle unter verdächtigen Erscheinungen sich in Einem Viehbestände ereignen, tritt die in §. 4. des Gesetzes vom 7. April 1869. ausgesprochene Anzeigepflicht ein.

§. 12.[Bearbeiten]

Der Besitzer darf dann die kranken Thiere nicht schlachten oder tödten, etwa gestorbene Thiere aber nicht verscharren oder sonst beseitigen, ehe die Natur der Krankheit festgestellt ist. Bis dahin sind todte Thiere so aufzubewahren, daß das Hinzukommen von Thieren oder Menschen abgehalten wird.

§. 13.[Bearbeiten]

Auf die erhaltene Anzeige ist von den Ortspolizeibehörden sofort der kompetente Thierarzt herbeizuholen, um an Ort und Stelle die Krankheit zu konstatiren. Behufs der hierzu erforderlichen Sektion ist, in Ermangelung eines Kadavers, ein Thier zu tödten. Das Ergebniß der Untersuchung ist protokollarisch aufzunehmen.


§. 14.[Bearbeiten]

Wird die Krankheit als Rinderpest erkannt, so ist die Untersuchung auch auf die Ermittelung der Art der Einschleppung zu erstrecken.
Im Uebrigen ist dann sofort zur weiteren Anzeige an die vorgesetzten Behörden und zu öffentlicher Bekanntmachung zu schreiten, in welcher auf die Anzeigepflicht nach §. 4. des Gesetzes vom 7. April 1869. für die zunächst liegenden Bezirke noch besonders hinzuweisen ist.
Vom Zeitpunkte dieser Bekanntmachung an treten die in §§. 17. bis 19. angegebenen Verbote und Verpflichtungen ein.

§. 15.[Bearbeiten]

Ist nur ein dringender Verdacht der Rinderpest zu konstatiren, so ist eine vorläufige Sperre, des Gehöftes (vergl §. 20.) auf so lange anzuordnen, bis die Krankheit durch weitere Erkrankungen und beziehentlich Sektionen unzweifelhaft festgestellt ist.
In zweifelhaften Fälleu ist ein höherer Thierarzt zuzuziehen. [154]

§. 16.[Bearbeiten]

Anwendung, Verkauf und Anempfehlung von Vorbauungs- und Heilmitteln bei der Rinderpest sind bei Strafe zu verbieten. Zu den Vorbauungsmitteln sind Desinfektionsmittel nicht zu rechnen.

§. 17.[Bearbeiten]

Nach Ausbruch der Rinderpest ist in einem nach Maaßgabe der Umstände besonders zu bestimmenden Umkreise, welcher nicht unter drei Meilen Entfernung vom Seuchenorte bemessen werden darf, die Abhaltung von Viehmärkten, nach Befinden auch von anderen Märkten, und sonstige Veranlassungen zu größeren Ansammlungen von Menschen und Thieren zu untersagen, auch der Handel mit Rindvieh und nach Befinden selbst von Schaafen und Schweinen und der Transport derselben, sowie von Rauchfutter, Streumaterialien und Dünger ohne besondere Erlaubnißscheine. Das nöthige Vieh zum Fleischkonsum darf nur unter Aufsicht der Veterinär-Polizeibehörden gekauft und geschlachtet werden.

§. 18.[Bearbeiten]

Im Seuchenorte hat das Schlachten nur nach Anordnung der Polizeibehörde und unter Aufsicht von Sachverständigen nach Maaßgabe des Bedarfes stattzufinden.

§. 19.[Bearbeiten]

Im Seuchenorte erstreckt sich die Anzeigepflicht auf jeden Erkrankungsfall von Rindvieh und Wiederkäuern.

§. 20.[Bearbeiten]

Das Gehöfte, in welchem die Rinderpest ausgebrochen ist, wird zunächst durch Wächter abgesperrt, welche weder das Gehöfte betreten und mit dessen Einwohnern verkehren, noch den Ein- und Austritt von Personen (außer den besonders dazu legitimirten), lebenden und todten Thieren oder Sachen aller Art dulden dürfen.
Die Ermächtigung zum Eintritt kann nur den mit der Tilgung der Seuche selbst beschäftigten Personen, sowie Geistlichen, Gerichtspersonen, Aerzten oder Hebeammen Behufs Ausübung ihrer Berufsgeschäfte ertheilt weiden und ist für deren formelle Legitimation zu sorgen. Beim Wiederaustritt hat eine Desinfektion derselben stattzufinden. Am Eingänge und rund um das Gehöft sind Tafeln mit der Inschrift „Rinderpest“ anzubringen.

§. 21.[Bearbeiten]

Für den ganzen Ort, welchem das infizirte Gehöfte angehört, tritt eine relative Ortssperre ein, welche in Folgendem besteht:
Die Einwohner dürfen unter einander verkehren, aber den Ort ohne besondere Genehmigung – welche in der Regel nur solchen Personen ertheilt werden soll, die keinen Verkehr mit Rindvieh haben – nicht verlassen.
Alles Vieh muß im Stalle behalten, Hunde und Katzen eingesperrt werden. Frei umherlaufende Schweine und Federvieh werden eingefangen und geschlachtet, Hunde und Katzen getödtet und verscharrt. Fuhren dürfen nur mit Pferden gemacht werden. [155]
Für alles Vieh, Heu, Stroh und andere giftfangende Sachen ist die Ein-, Aus- und Durchfuhr zu verbieten.
An allen Ein- und Ausgängen des Ortes sind Tafeln mit der Aufschrift „Rinderpest“ aufzustellen, und Wächter, welche die Beobachtung vorstehender Verbote zu überwachen haben.

§. 22.[Bearbeiten]

Für jeden Ort, wenigstens für jeden irgend größeren Ort ist für die Dauer der Seuche ein Ortskommissar (welchem nach Befinden noch besondere Aufseher beizugeben sind) zu bestellen, an welchen dann die im §. 19. vorgeschriebenen Anzeigen zu richten sind und welcher die Ausführung der nöthigen Maaßregeln zu überwachen hat.
Wenn einmal der Ausbruch der Seuche an einem Orte konstatirt ist, so ist die fernere Konstatirung neuer Krankheitsfälle (§. 13.) den Ortskommissaren zu überlassen.

§. 23.[Bearbeiten]

Ergreift die Krankheit einen größeren Theil der Gehöfte des Ortes, dann kann durch die höheren Behörden die absolute Ortssperre verfügt werden.
Der Ort wird dann vollständig durch Wachen (in diesem Falle militairische) cernirt und gegen jede Art des Verkehrs – mit Ausnahme legitimirter Personen und unumgänglicher Bedürfnisse für die Ortseinwohner unter besonders anzuordnenden Vorsichtsmaaßregeln – gesperrt.
Der Verkehr der Bewohner unter einander ist ebenfalls auf das Unvermeidliche zu reduziren. Gottesdienst, Schule und andere Versammlungen (vergl. §. 17.) können nicht abgehalten werden, die Schänken und Gasthöft werden geschlossen.
Die durch den Ort führenden Straßen sind einstweilen zu verlegen. Liegt der Ort an einer Eisenbahn, so darf kein Eisenbahnzug daselbst halten, selbst wenn der Ort ein Stationsort wäre; es sei denn, daß der Bahnhof so gelegen ist, daß er vom Orte vollständig abgesperrt und der Verkehr der Eisenbahnstation mit anderen Orten ohne Berührung des Seuchenortes unterhalten werden kann.

§. 24.[Bearbeiten]

Je nach der Größe und Bauart des von der Seuche betroffenen Ortes kann die relative und die absolute Ortssperre auch auf einzelne Ortstheile beschränkt werden, sowie andererseits einzelne Häuser und Gehöfte benachbarter Orte nöthigenfalls mit in die Sperre einzuschließen sind.

§. 25.[Bearbeiten]

In Residenz- und Handelsstädten und sonstigen Städten mit lebhaftem Verkehr bleibt stets die Sperre auf einzelne Grundstücke, beziehungsweise Ortstheile, beschränkt. Relative und absolute Sperre des Ortes kommen nicht in Anwendung. Dagegen ist auf schleunige Tilgung der Seuche durch schnelle Tödtung des gesammten Viehstandes der zunächst ergriffenen Gehöfte und schleunige Desinfektion Bedacht zu nehmen. [156]

§. 26.[Bearbeiten]

Alles an der Rinderpest erkrankte oder derselben verdächtige Vieh ist sofort zu tödten. Wird dadurch der Viehbestand eines Gehöftes bis auf einen verhältnißmäßig kleinen Rest absorbirt, so ist auch letzterer zu tödten.
Auf Ermächtigung der höheren Behörde kann auch zu schnellerer Tilgung der Seuche gesundes Vieh, ohne daß die obige Voraussetzung eingetreten ist, getödtet und diese Maaßregel auf nachweislich noch nicht infizirte Gehöfte ausgedehnt werden (vergl. namentlich §. 25.).

§. 27.[Bearbeiten]

Die getödteten Thiere sind zu verscharren. Zu diesem Behufe sind geeignete Plätze, möglichst entfernt von Wegen und Gehöften, an solchen Stellen zu benutzen, wohin kein Rindvieh zu kommen pflegt. So weit möglich sind wüste und gar nicht oder wenig angebaute Stellen zu wählen. Die Gruben sind 6 bis 8 Fuß tief zu machen.

§. 28.[Bearbeiten]

Tödten und Verscharren erfolgt soweit möglich durch die Einwohner des infizirten Gehöftes oder durch solche Personen aus dem Orte, welche selbst kein Vieh haben und nicht mit Vieh in Berührung kommen.
Personen aus anderen Orten, auch außerhalb des Ortes wohnende Abdecker dürfen nicht dazu verwendet werden.

§. 29.[Bearbeiten]

Die Stelle, an der die Viehstücke getödtet werden sollen, hat der Ortskommissar unter Zuziehung des bestellten Thierarztes unter Berücksichtigung der Vermeidung jeder Verschleppungsgefahr zu bestimmen. Auswurfsstoffe, welche das Thier während des Transports entleert, sind zu beseitigen und zu vergraben.
Kadaver dürfen nur durch Pferde oder Menschen auf Wagen, Schleifen oder Schlitten, ohne daß einzelne Theile die Erde berühren, nach der Grube transportirt werden. Die Transportmittel sind, so lange noch weitere Transporte in Aussicht stehen, sorgfältig separirt aufzubewahren, dann aber zu vernichten.

§. 30.[Bearbeiten]

Das Abledern der Kadaver ist streng zu untersagen. Vor dem Verscharren muß von den dazu bestellten Personen die Haut an mehreren Stellen zerschnitten und unbrauchbar gemacht werden. Alle etwaige Abfälle, Blut und mit Blut getränkte Erde sind mit in die Grube zu werfen. Soweit möglich sind die Kadaver vor dem Zuwerfen der Grube mit Kalk zu beschütten.
Beim Ausfüllen der Grube sind Zwischenschichten voll Steinen oder Reisig, wenn möglich, anzubringen. Die Grube ist bis zu Aufhebung der Sperre, mindestens aber drei Wochen hindurch mit Wachen zu besetzen.

§. 31.[Bearbeiten]

Ist ein Stall, in welchem krankes oder verdächtiges Vieh gestanden hat, durch Tödtung des Viehbestandes entleert, so ist der etwa zurückbleibende Dünger mit Desinfektions-Flüssigkeit zu übergießen, der Stall nach luftdichtem Verschluß aller Oeffnungen stark mit Chlor zu räuchern und hierauf die Stallthüre zu schließen und zu versiegeln. Alle Stallutensilien und was sonst bei den Thieren gebraucht worden ist, verbleiben im Stalle und sind beziehentlich vor dessen Verschluß wieder hineinzubringen. [157]
Die Wiedereröffnung des Stalles darf nicht vor Eintritt der eigentlichen Desinfektion stattfinden (vergl. §§. 40. ff.).

§. 32.[Bearbeiten]

Vorstehende Vorschriften über die Gehöfts- und Ortssperre erleiden dann die im Interesse der Wirthschaft unbedingt nöthigen Modifikationen, wenn die Seuche zu einer Zeit auftritt, wo Feldarbeiten und Weidegang im Gange sind. Diese Modifikationen sind von der vorgesetzten Behörde besonders festzustellen. Es sind dabei folgende Gesichtspunkte zu beachten.

§. 33.[Bearbeiten]

Die Gehöftsperre (§§. 15. und 20.) kann auch dann nicht umgangen oder gemildert werden. Es ist aber dann dahin zu streben, daß sobald als möglich zu völliger Reinerklärung des Gehöftes gelangt werde. (Vergl. §§. 25. und 26.)
Unaufschiebbare Feldarbeiten sind entweder durch fremde Hülfe, oder durch die eigenen Leute des Gehöftes unter den nöthigen Vorsichtsmaaßregeln zu beschaffen.

§. 34.[Bearbeiten]

Sind die Voraussetzungen der Ortssperre gegeben, so tritt dann an deren Stelle die Sperre der ganzen Feldmark, d. h. die in §§. 21. und 23. ff. angeordneten Sperrmaaßregeln werden an die Grenze der Feldmark verlegt. Die durch die Feldmark führenden Wege werden abgegraben. Für längs der Grenze hinführende Wege wird das Betreten und der Transport von Vieh, Rauchfutter u. s. w. verboten.
Alle Ortseinwohner, welche noch krankheitsfreie ungesperrte Gehöfte haben, können ihre Feldarbeiten mit eigenen Leuten und Gespannen verrichten.
Rindviehgespanne sind dabei von der nachbarlichen Flurgrenze und von beziehunasweise verbotenen Wegen soweit irgend thunlich fern zu halten.

§. 35.[Bearbeiten]

Für die Umgebung des Seuchenortes (§. 17.) ist nöthigenfalls der Weidegang ebenfalls zu untersagen und für die unmittelbar angrenzenden Fluren sind die nöthigen Beschränkungen des freien Verkehrs und Vorsichtsmaaßregeln für die Feldbestellung anzuordnen.

§. 36.[Bearbeiten]

Bei der absoluten Sperre ist für Herbeischaffung der nothwendigsten Bedürfnisse der Bewohner: Lebensmittel, Brennmaterialien, Futter etc. unter den nöthigen Vorsichtsmaaßregeln Sorge zu tragen.

Dritter Abschnitt. Maaßregeln nach dem Erlöschen der Seuche.[Bearbeiten]

§. 37.[Bearbeiten]

Die Seuche gilt in einem Gehöfte oder Orte für erloschen, wenn entweder alles Rindvieh gefallen oder getödtet ist, oder seit dem letzten Krankheits- oder Todesfalle drei Wochen verstrichen sind. [158]

§. 38.[Bearbeiten]

Mit der Desinfektion ist nach Maaßgabe der Umstände sofort zu beginnen, sobald in einem Gehöfte ein Stall vom Vieh entleert ist.

§. 39.[Bearbeiten]

Die Desinfektion darf nur auf amtliche Anordnung und nur unter sachverständiger Aufsicht geschehen.

§. 40.[Bearbeiten]

Die Desinfektion beginnt mit Oeffnung der nach §.31. mit Chlor durchräucherten und verschlossenen Ställe und deren mehrtägiger Lüftung.
Aller Dünger wird herausgeschafft und an Orten, wo in den nächsten drei Monaten kein Rindvieh hinkommen kann, tief vergraben oder verbrannt.
Alles Mauerwerk wird abgekratzt (die Fugen gereinigt) und dann frisch mit Kalk beworfen und abgeputzt. Holzwerk wird ebenfalls abgefegt, mit heißer scharfer Lauge gewaschen, nach einigen Tagen mit Chlorkalklösung überpinselt.
Erd-, Sand- und Tennen (Lehmschlag-) Fußböden werden aufgerissen, die Erde einen Fuß tief ausgegraben und Alles gleich dem Dünger behandelt. Pflaster- Fußböden gewöhnlicher Art, d. h. deren Steine in Sand oder Erde gesetzt sind, werden ebenfalls aufgerissen, die Erde einen Fuß tief ausgegraben und wie der Dünger behandelt. Die Steine können gereinigt, mit Chlorkalklösung behandelt und, wenn sie vier Wochen lang an der Luft gelegen haben, wieder benutzt werden. Fußböden von Holz werden nach Maaßgabe ihrer Beschaffenheit entweder verbrannt oder in entsprechender Weise desinfizirt. Müssen die Fußböden aufgerissen werden, so ist die Erde ebenfalls wie vorstehend auszugraben und zu behandeln. Feste undurchlässige Pflaster von Asphalt, Cement oder in Cement gesetztem Pflaster werden gereinigt und desinfizirt.
Alles bewegliche Holzwerk (Krippen, Raufen, Gefäße und sonstige Utensilien, Stricke, wo möglich auch die Scheidewände) wird verbrannt, Eisenzeug ausgeglüht.
Jauchebehälter und Stallschleusen werden analog behandelt wie die Stallfußböden, oder, wenn sie gemauert sind, wie das Mauerwerk.
Zum Schluß wird der Stall nochmals mit Chlor durchräuchert und dann 14 Tage lang durchlüftet.

§. 41.[Bearbeiten]

Bei der Desinfektion dürfen nur Leute aus dem eigenen oder aus anderen infizirten Gehöften oder solche Personen verwendet weiden, welche selbst kein Vieh haben; diese Personen müssen bis zu Beendigung der Reinigung im Gehöfte bleiben. Zu den Fuhren sind nur Pferdegespanne anzuwenden.
Bei dem Transporte von Dünger und Erde ist wie nach §§. 28. und 29. zu verfahren. Die Transportgeräthe können statt des Verbrennens auch einer sorgfältigen Desinfektion, wie sie für Holzwerk vorgeschrieben ist, unterworfen werden.

§ 42.[Bearbeiten]

Die Kleidungsstücke der mit den kranken und todten Thieren und der Reinigung und Desinfektion beschäftigt gewesenen Leute sind entweder zu verbrennen, oder, soweit sie waschbar sind, mit heißer Lauge 12 bis 24 Stunden stehen zu lassen, dann mit Seife gründlich zu waschen und an der Luft zu trocknen, soweit sie nicht waschbar sind, 12 bis 24 Stunden lang mit Chlor zu räuchern oder trockener Hitze auszusetzen und dann 14 Tage zu lüften. [159]
Schuhwerk und Lederzeug muß sorgfältig gereinigt, mit Lauge oder schwacher Chlorkalklösung gewaschen und frisch gefettet, nochmals mit Chlor geräuchert und 14 Tage gelüftet weiden.
Die Personen selbst haben die Kleider zu wechseln und den Körper gründlich zu reinigen.

§. 43.[Bearbeiten]

Alles Rauchfutter, welches nach der Art seiner Lagerung der Aufnahme von Ansteckungsstoff verdächtig erscheint, ist sogleich bei beginnender Desinfektion durch Verbrennung zu vernichten.

§. 44.[Bearbeiten]

Auch der Mist von den Düngerstätten ist mit Pferdegeschirr fortzuschaffen und auf dem Felde sogleich – wenn der Frost dies hindern sollte, so bald als möglich – unterzupflügen.
So lange letzteres nicht geschehen ist und vier Wochen nachher, darf kein Rindvieh dieses Feld betreten.

§. 45.[Bearbeiten]

Selbst nach vollständiger Desinfektion eines Gehöftes oder Ortes und Beseitigung der Sperre darf neuer Ankauf oder Verkauf von Vieh erst nach einer von der Behörde zu bestimmenden Frist, welche nicht unter sechs Wochen betragen darf, erfolgen.
Weideplätze, welche von pestkrankem oder pestverdächtigem Vieh benutzt worden sind, dürfen nicht vor Ablauf von mindestens zwei Monaten wieder benutzt werden.

§. 46.[Bearbeiten]

Die Abhaltung von Viehmärkten ist nicht vor Ablauf von sechs Wochen, nachdem der letzte Ort im Kreise oder Bezirke für seuchenfrei erklärt ist, zu gestatten. :Dasselbe gilt vom Handel mit Rindvieh.

Vierter Abschnitt. Desinfektion der Eisenbahnwagen.[Bearbeiten]

§. 47.[Bearbeiten]

Der in §. 6. des Gesetzes vom 7. April 1869. ausgesprochenen Verpflichtung der Eisenbahnverwaltungen zu Desinfektion der Viehtransportwagen kann auch, unbeschadet der Verantwortlichkeit der zunächst gesetzlich verpflichteten Verwaltung, durch Verständigung mehrerer Verwaltungen unter einander über bestimmte Stationen, an denen die Desinfektion vorzunehmen ist, genügt werden. Jedenfalls sind die Verwaltungen dafür haftbar, daß der Transport der entleerten Wagen bis zu dieser Station unter Aufsicht und strenger Vermeidung der Berührung mit Vieh erfolge und vor erfolgter Desinfektion keine Wiederbenutzung der Wagen stattfinde.

§.48.[Bearbeiten]

Wo die Ausladestation nicht zu fern von der Einfuhrgrenze liegt, ist es zulässig, die Wagen unter Aufsicht leer ohne vorgängige Desinfektion wieder über die Grenze zurückgehen zu lassen. [160]

§. 49.[Bearbeiten]

Die Wagen können auch, wenn der Versender dies ausdrücklich wünscht, demselben an geeigneten Stationen zu eigener Besorgung der Desinfektion, deren richtige Ausführung aber dann die Eisenbahnverwaltung zu überwachen hat, zur Verfügung gestellt werden.

§. 50.[Bearbeiten]

Die Eisenbahnverwaltungen haben die nöthigen Anordnungen zu treffen, daß jeder zum Viehtransport benutzte Wagen, welcher noch nicht desinfizirt worden ist, und ebenso jeder desinfizirte Wagen, als beziehentlich noch nicht desinfizirt und desinfizirt äußerlich erkennbar bezeichnet werde.

§. 51.[Bearbeiten]

Die Desinfektion der Wagen hat stets nach Beseitigung des Strohes und Düngers mit einer gründlichen Reinigung von Fußboden und Wänden mittelst Wasser und stumpfer Besen zu beginnen.
Wo die Einrichtungen dazu vorhanden sind, kann die weitere Desinfektion durch heiße Wasserdämpfe oder heißes Wasser und heiße alkalische Lauge (½ Pfd. Soda auf 100 Pfd. Wasser) erfolgen.
Wo dies nicht der Fall ist, empfiehlt sich Ausspülen und Ausspritzen mit kaltem, im Winter warmem Wasser, und sodann sorgfältiges Auspinseln entweder mit Chlorkalklösung, oder mit einem Gemische von Carbolsäure und Eisenvitriol. Letzteres ist so lange fortzusetzen, als noch der Dung- und Thierdunstgeruch am Wagen bemerkbar ist.

§. 52.[Bearbeiten]

Die Rampen sind ebenso zu reinigen, wie die Wagen.

§. 53.[Bearbeiten]

Der entleerte Dünger sammt Streumaterial ist zu sammeln und sofort mittelst Chlorkalk oder Eisenvitriol zu desinfiziren.

§. 54.[Bearbeiten]

Alle diese Arbeiten sind durch Personen auszuführen, welche nicht mit Rindvieh zu thun haben.

§. 55.[Bearbeiten]

Darüber, daß die Desinfektion der Eisenbahnwagen gehörig ausgeführt werde, ist durch die Behörde eine Aufsicht und Kontrole zu üben.
Berlin, den 26. Mai 1869.
Der Kanzler des Norddeutschen Bundes.

Gr. v. Bismarck-Schönhausen.