Am „kleinen Kiel“

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Titel: Am „kleinen Kiel“
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aus: Die Gartenlaube, Heft 5, S. 83,84
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1897
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[69]

Am „kleinen Kiel“.
Nach dem Leben gezeichnet von H. Hampke.

[83] Am „Kleinen Kiel.“ (Zu dem Bilde S. 69) „Der Kleine Kiel“, so heißt die durch schmale Zufahrt mit dem Kieler Hafen verbundene Wasserfläche, die seeartig sich tief in das Weichbild der Stadt hineindrängt. Jetzt der Stolz und die Zierde von Kiel, villenumgeben und gartenumblüht, mit schattigen Baumgängen eingefaßt, war dieser „kleine Hafen“ lange Zeit ihr Schmerzenskind, als er noch mit sumpfigen und schilfumrauschten Ufern in doppelt so großer Ausdehnung im Sonnenglanz dalag und an Abwässern so viel aufnahm, daß er zur Sommerszeit die fürchterlichsten Dünste aushauchte.

In neuester Zeit führt über den „Kleinen Kiel“ eine Brücke. Sie mündet nicht fern von dem einstigen Wohnsitze eines um den „Kleinen Kiel“ und noch um andere Dinge hochverdienten Mannes, des heimgegangenen Professors Thaulow, der mit rührender Sorgfalt und Liebe für die Bevölkerung des weiten Wasserspiegels mit allerlei in- und ausländischem Wassergeflügel sorgte. Zu all den stattlichen Schwänen und Gänsen und Enten und Entlein gesellt sich aber zur Zeit der Wintersnot noch eine andere Schar, das sind die wilden Möven von der See her, die hier bei ihren zahmen Vettern zu Gaste gehen möchten, und die, wenn Teiche und See zugefroren sind, gar zahm und zutraulich werden um eines Stückleins Brot willen, mit dem sie den grimmen Hunger stillen möchten - so zahm, daß sie, die ungestümen Flieger und ungebändigten Freibeuter, dem Fütternden gleich aus der Hand fressen. Es ist ein lieblich anmutiges und seltsam fesselndes Schauspiel, dies Flattern und Flügelschlagen, dies Drängen und Durcheinanderschwirren der Hunderte von kreischenden blütenweißen Möven! Kennen sie vollends Eine, die regelmäßig mit zarten Händen ihnen ihr Futter reicht, dann umschwirren sie die Mildthätige, wie einst die Tauben um Aschenbrödels Haupt flogen und flatterten. „Winterszeit – harte Zeit“ für den kleinen Mann unter dem gefiederten und ungefiederten Volk, aber „es muß doch Frühling werden!“ Da schlagen die Lindenbäume um den „Kleinen Kiel“ her wieder aus, und in den Gärten blühen Krokus und Hyazinthen, und die Schar der Möven läßt Brücke und Brackwasser und Stadt und Jungfräulein, und sie schreien einander zu vom Siege des Lichts und vom wiedereröffneten Fischfang da draußen, und in ungebändigter Freiheit und Frechheit brausen sie in weißem Geschwader über die See – „Frühling“!