An Annie

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Edgar Allan Poe
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: An Annie
Untertitel:
aus: Ausgewählte Gedichte
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1891
Verlag: Verlag des Bibliographischen Bureaus
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer: Hedwig Lachmann (1865–1918)
Originaltitel: For Annie
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans auf commons
S. 45–50
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]


     [45] An Annie.

Dem Himmel sei Dank,
Die Gefahr ist vorüber!
Wohl bin ich noch krank,
Doch das schreckliche Fieber,

5
Das Lebensfieber,

Ist glücklich bekämpft,
Ist endlich gedämpft.

Wohl sag’ ich mir:
„Deine Kraft ist geschwunden,“

10
Denn ich liege hier

Wie angebunden, –
Ans Bett gebunden –
Doch einerlei,
Die Gefahr ist vorbei.

15
[46] Und ich liege so still

In meinen Decken,
Schweigend und still –
Man möchte erschrecken,
Vor mir erschrecken:

20
Ich bin so weiß

Und athme so leis.

Doch das Stöhnen und Aechzen,
In den Adern das Kochen,
Das wahnsinn’ge Lechzen,

25
Das schreckliche Pochen,

Im Herzen das Pochen –
Der Druck von Blei
Gab mich endlich frei.

Und die zehrende Gier,

30
Mit der ich geschmachtet,

Ein halber Vampyr,
Nach dem Born umnachtet,
Dunkel umnachtet,
Dem Born der Hölle,

35
Der Naphtaquelle

Der Leidenschaft –
Ist nunmehr erschlafft.

[47] Mich dürstet nicht mehr
Nach der dunklen Welle,

40
Denn all mein Begehr

Stillt jetzt eine Quelle,
Eine lautre Quelle.
Lauter und sanft
Mit weichem Ranft.

45
Man sage mir nicht,

Mein Gemach sei ärmlich
Und ohne Licht
Und mein Lager erbärmlich,
Schmal und erbärmlich –

50
Ich liege gut,

Mein Sinnen ruht.

Mein Sinnen ruht,
Mein Gemüth ist entlastet
Und das wilde Blut

55
Ward ruhig und hastet

Nicht mehr so jäh
Zum Herzen wie eh!

Des, was mich bedrückte,
Betäubte, verwirrte,

60
Und was mich berückte,

[48] Der Rose und Myrthe,
Des Duftes der Myrthe
Denk’ ich jetzt kaum –
Süß ward mein Traum –

65
Es wehet um ihn

Ein heiliger Odem
Von Rosmarin,
Nicht mehr der Brodem,
Der dumpfe Brodem

70
Der Höllenkraft,

Der Leidenschaft.

Und so lieg’ ich
Wohlig gebettet
Und fühle mich

75
Glücklich gerettet,

Vom Tod errettet.
Weich ist mein Pfühl
Und wonniglich kühl.

Und liebewarm

80
Bin ich umschlossen

Von Annie’s Arm
Und rings umflossen,
Golden umflossen
[49] Von ihrem Haar,

85
Wie die Sonne klar.


Bricht der Abend an,
So küßt sie mich innig
Und betet dann
Für mich so sinnig,

90
So schlicht und sinnig

Zur Engelschar:
Schützt ihn vor Gefahr!

Da lieg’ ich denn still
In meinen Decken,

95
Schweigend und still –

Man möchte erschrecken,
Vor mir erschrecken –
Ich bin so weiß
Und athme so leis.

100
Doch mein Herz ist voll Glanz

Wie die lichte Höhe
Und selig und ganz
Erfüllt von der Nähe,
Der holden Nähe

105
Der geliebten Maid,

Meiner sanften Maid –

[50] Meine Seele glüht
Mit den reinen Flammen
Ihrer Liebe und flieht

110
In den wundersamen

Himmlischen Raum
Zu seligem Traum.