Auf der Treppe von Sanssouci (Fontane)

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Textdaten
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Autor: Theodor Fontane
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Titel: Auf der Treppe von Sanssouci
Untertitel:
aus: Gedichte
Herausgeber:
Auflage: 10.
Entstehungsdatum: 1885
Erscheinungsdatum: 1905
Verlag: J. G. Cotta’sche Buchhandlung
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Erscheinungsort: Stuttgart und Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Theodor Fontane. Gedichte. J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger, Stuttgart und Berlin, 10. Auflage 1905,
Scans auf Commons, Seite 353–356
Kurzbeschreibung:
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[353] Auf der Treppe von Sanssouci.
                    7./8. December 1885.
               (Zu Menzels 70. Geburtstag.)

Von Marly kommend und der Friedenskirche,
Hin am Bassin (es plätscherte kein Springstrahl)
Stieg ich treppan; die Sterne blinkten, blitzten
Und auf den Stufen-Aufbau der Terrasse

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Warf Baum und Strauchwerk seine dünnen Schatten,

Durchsichtige, wie Schatten nur von Schatten.
Rings tiefe Stille, selbst der Wache Schritt
Blieb lautlos auf dem überreiften Boden
Und nur von rechts her, von der Stadt herüber,

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Erscholl das Glockenspiel.

                                   Nun schwieg auch das,
Und als mein Auge, das auf kurze Weile
Dem Ohr gefolgt war, wieder vorwärts blickte,
Trat aus dem Buschwerk, und ich schrak zusammen,

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Er selbst, im Frackrock, hinter ihm das Windspiel,

(Biche wenn nicht alles täuschte), dazu Krückstock
Und Hut und Stern. Bei Gott, es war der König.

Was thun? Ich dacht an Umkehr; doch sein Auge,
Das Fritzen-Auge bannte mich zur Stelle;

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So hielt ich denn und machte Front.

                                             „Wie heißt Er?“
Ich stotterte was hin.
                              „Und sein Metier?“
„Schriftsteller, Majestät. Ich mache Verse!“

25
[354] Der König lächelte: „Nun hör’ Er, Herr,

Ich will’s Ihm glauben; keiner ist der Thor,
Sich dieses Zeichens ohne Noth zu rühmen,
Dergleichen sagt nur, wer es sagen muß,
Der Spott ist sicher, zweifelhaft das Andre.

30
Poëte allemand! Ja, ja, Berlin wird Weltstadt.

Nun aber sag’ Er mir, ich les’ da täglich
(Verzeih’ Er, aber Federvieh und Borste
Wohnt auf demselben Hof und hält Gemeinschaft)
Ich les’ da täglich jetzt in den Gazetten

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Von Menzelfest und siebzigstem Geburtstag,

Ausstellung von Tableaux und von Peintüren
Und Aehnlichem. Ein großer Lärm. Eh bien, Herr,
Was soll das? Kennt Er Menzel? Wer ist Menzel?“

Und dabei flog ein Zug um seinen Mund,

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Als wiss’ er selber Antwort auf die Frage.


„Zu Gnaden Majestät,“ begann ich zögernd,
„Die Frag’ ist schwer, das ist ein Doktorthema;
Mein Wissen reicht bis Pierer nur und Brockhaus.
Ja, wer ist Menzel? Menzel ist sehr vieles,

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Um nicht zu sagen alles; mind’stens ist er

Die ganze Arche Noäh, Thier und Menschen:
Putthühner, Gänse, Papagei’n und Enten,
Schwerin und Seydlitz, Leopold von Dessau,
Der alte Zieten, Ammen, Schlosserjungen,

50
Kathol’sche Kirchen, italiensche Plätze,

Schuhschnallen, Broncen, Walz- und Eisenwerke,
Stadträthe mit und ohne goldne Kette,
Minister, mißgestimmt in Cashmirhosen,
Straußfedern, Hofball, Hummer-Majonnaise,

55
Der Kaiser, Moltke, Gräfin Hacke, Bismarck –“


[355] „Outrir’ Er nicht.“
                                   „Ich spreche nur die Wahrheit.
Bescheidne Wahrheit nur. Er durchstudirte
Die groß’ und kleine Welt; was kreucht und fleucht,

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Er giebt es uns im Spiegelbilde wieder.

Am liebsten aber (und mir schwoll der Kamm,
Ich war im Gang, ‚jetzt oder niemals‘ dacht’ ich)
Am liebsten aber giebt die Welt er wieder,
Die Fritzen-Welt, auf der wir just hier stehn!

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Im Rundsaal, vom Plafond her, strahlt der Lustre,

Siebartig golden blinkt der Stühle Flechtwerk,
Biche („komm, mein Biche’chen“) streift die Tischtuch-Ecke,
Champagner perlt und auf der Meißner Schale
Liegt, schon zerpflückt, die Pontac-Apfelsine ...“

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„Nun lass’ Er nur. Ich weiß schon.“

                                                  Und er lüpfte
Den Hut und ging. Doch sieh, nur wenig Schritte
So hielt er wieder, wandte sich und winkte
Mich an die Seit’ ihm. „Hör Er, Herr; ein Wort noch:

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Er hat bestanden; so lala. Denn wiss’ Er,

Ich kenne Menzel wie mich selbst und wär’ ihm
Erkenntlich gern. Emaille-Uhr? Tabatière?
Vielleicht ein Solitaire? Was macht ihm Spaß wohl?“

„Ach, Majestät, was soll ihm Freude machen?

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Er hat vollauf von Gütern dieser Erde,

Hat Ansehn, Ehre, Titel, Ordenskreuze
(Pour le mérite, natürlich Friedenklasse)
Hat Freunde, Muth und Glück, und was die Hauptsach,
Hat seine Kunst ..“

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                              „Und fehlt ihm nichts?“

                                             „Rein gar nichts.“

 „Na, das ist brav. Comme Philosophe! Das lob’ ich
[356] Und will nicht stören. Aber Eines sagt ihm:
Ich lüd’ ihn ein (er mag die Zeit bestimmen,

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Ein Jahrer zehne will ich gern noch warten)

Ich lüd’ ihn ein nach Sanssouci; sie nennen’s
Elysium droben, doch es ist dasselbe.
Dort find’t er alte Freunde: Genral Stille,
Graf Rothenburg, die ganze Tafelrunde,

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Nur Herr von Voltaire fehlt seit Anno 70;

Franzose, rapplig. Dieser Platz ist frei.
Den reservir’ ich ihm. Bestell’ Er’s. Hört Er?
Ich bin Sein gnädger König. Serviteur!“