Aus dem Geheimbuche eines deutschen Handelshauses im 16. Jahrhundert

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Autor: Johannes Hartung
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Titel: Aus dem Geheimbuche eines deutschen Handelshauses im 16. Jahrhundert
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aus: Zeitschrift für Social- und Wirthschaftsgeschichte, Band 6, S. 36–87
Herausgeber: Stephan Bauer, Ludo Moritz Hartmann
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Erscheinungsdatum: 1898
Verlag: Emil Felber
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Erscheinungsort: Wien
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Quelle: Commons, DigiZeitschriften
Kurzbeschreibung: Darstellung der Geschäfte der spätmittelalterlichen Augsburger Handelsgesellschaft Haug, Langenauer und Link anhand eines überlieferten Geheimbuchs
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[36]
Aus dem Geheimbuche eines deutschen Handelshauses im 16. Jahrhundert.
Von
J. Hartung.




Im städtischen Archiv zu Augsburg findet sich in zwei umfangreichen Foliobänden die Originalhandschrift des Geheimbuches der Augsburger Handelsgesellschaft von Anton Haug, Hans Langenauer und Ulrich Link, welches die Jahre 1532 bis 1562 umfasst und die Grundlage der folgenden Erörterungen bildet. Der erste Band reicht von 1532–1549, der zweite von 1551–1562. Der erstere enthält eine auffallende Lücke, indem zwischen 1533 und 1543 wesentliche Eintragungen nicht gemacht sind. Der zweite bricht plötzlich ab inmitten der Auseinandersetzungen, die durch das Ausscheiden eines Geschäftsteilhabers nötig geworden waren. Von anderen Aufzeichnungen aus den kaufmännischen Kreisen jener Zeit, welche uns die Gunst des Schicksals erhalten hat, unterscheidet sich dieses Geheimbuch durch das Fehlen aller biographischen Elemente; es ist kein Tagebuch und berichtet nichts von den Erlebnissen und Schicksalen derjenigen, die es einst mit ihren Berechnungen, Tabellen und Abschlüssen füllten, sondern trägt einen streng geschäftlichen Charakter. Um so tiefer und vielseitiger aber ist der Einblick, den es uns in die Intimitäten des Betriebes einer Handelsgesellschaft zu thun gestattet, welche nicht zu den [37] allergrössten des 16. Jahrhunderts gehörte, aber immerhin eine gewisse Bedeutung gehabt hat. Quellen, die von dem Detail des wirtschaftlichen Lebens jener Zeit mit einiger Genauigkeit berichten, sind aber bisher nicht gerade in übergrosser Zahl aufgedeckt und der allgemeinen Benutzung zugänglich gemacht worden; daher hoffe ich mit den folgenden Ausführungen keine unnötige Vorarbeit zu der Gesamtgeschichte des deutschen Handels im Mittelalter zu liefern, deren Darstellung das scheidende Jahrhundert der Wissenschaft des kommenden aufsparen zu wollen scheint.

Ich gedenke zunächst folgende Punkte zu behandeln:

1. Ausbreitung, Gliederung und Entwickelung des Handels.

2. Der Geschäftsgewinn und die Beteiligung fremden Kapitals.

3. Die Lage der Gesellschaftsbeamten.


1. Ausbreitung, Gliederung und Entwickelung des Handels.

Wenn das allmähliche Wachstum, welches die Geschäfte des Ulrich Link und Anton Haug in ihren Aufzeichnungen gewissermassen vor unseren Augen nehmen, als typisch für die Gestaltung des süddeutschen Handels in der Zeit um die Mitte des 16. Jahrhunderts betrachtet werden könnte, so müsste gerade diese Periode als eine Zeit dauernden kommerziellen Aufschwunges bezeichnet werden. Denn, von verhältnismässig kleinen Anfängen ausgehend und niemals über das Mittelmass hinausgehende pekuniäre Kräfte beanspruchend, erstrecken sich die Unternehmungen der Firma und ihre Beziehungen doch schliesslich über ein Gebiet, dessen äusserste Begrenzung das mittelländische Meer, Rhone und Themse auf der einen, Nord- und Ostsee, Weichsel und Karpathen auf der anderen Seite bilden. [38] Freilich fehlte dieser Blüte der Wurm nicht; die Neigung zu gewagten Finanzoperationen, welche die Kreditbedürftigkeit geistlicher und weltlicher Machthaber nährte und gross zog, tritt auch hier zu Tage. Aber dies verhinderte doch nicht, dass andererseits gerade der eigentliche Warenhandel in dieser dreissigjährigen Periode ebenfalls eine dauernde Ausdehnung erfuhr, die auf den Unternehmungsgeist seiner Träger ein glänzendes Licht wirft und es immer wieder zweifelhaft erscheinen lässt, ob jene, in neuerer Zeit so oft in den Vordergrund gerückten Geldgeschäfte, ihr Gelingen und Fehlschlagen, auf die Gesamtlage des deutschen Handels wirklich von ebenso grossem Einfluss gewesen ist wie vielleicht auf das Schicksal einzelner hervorragender Firmen.

Die Gesellschaft hatte als Sitz und Zentralstätte ihrer Unternehmungen Augsburg, um welches sich ein Kranz mehr oder weniger bedeutender Filialen gruppierte. Als im Jahre 1533 zum ersten Male Abrechnung gehalten wurde, besass sie Niederlassungen in Nürnberg, Antwerpen, Venedig, Ulm und Köln, wo von ihr im Verein mit anderen vornehmlich der Seidenhandel betrieben wurde; ausserdem war sie an bergmännischen Unternehmungen in Schwatz und Joachimsthal beteiligt. Mit der Zeit traten aber hierin erhebliche Aenderungen ein, indem eine grosse Anzahl neuer Filialen begründet wurde, während man andererseits auch ältere Niederlassungen bisweilen eingehen liess. Hierüber giebt die folgende tabellarische Zusammenstellung Auskunft, welche die Zweigniederlassungen namhaft macht und zugleich, um ihre relative Bedeutung erkennen zu lassen, nach den Jahren der Abrechnung geordnet, die Gesamtsumme der Aktiva jeder Filiale, den sogenannten „Reichtum“, in fl. hinzusetzt, über welche die einzelnen Geschäftsstellen zur Zeit der Generalrechnung an Warenvorräten, Aussenständen, barem Gelde und Immobilien, nach Abzug etwaiger Passiva, verfügten. Diese Zahlen sind dem Geheimbuch selbst entnommen.

[39]
Tabelle I.
Name 1533 1543 1545 1547 1549 1551 1553 1555 1557 1560 1561 1562
fl. fl. fl. fl. fl. fl. fl. fl. fl. fl. fl. fl.
Augsburg 110 969 183 529 137 657 138 364 150 021 152 900 228 340 194 699 195 338 149 534 213 466 163 685
Nürnberg 036 399 072 873 051 758 083 439 045 275 045 026 029 572 064 550 059 866 036 772 035 144 027 288
Köln 005 782 001 463
Bibrach 000 609 001 637 002 449[1] 004 370 004 523 005 374 001 276 003 338 004 792
Ulm 001 798 004 083 005 905 002 708 004 483 001 200[1] 002 930 006 672 005 469
Schwatz 060 262 058 685 071 562 077 564 075 503 077 120 063 499 194 416 183 934 172 038 166 574 193 547
Joachimsthal 000 894
Antwerpen 086 577 187 948 266 072 156 974 271 591 280 379 082 542 077 268 111 739 162 692 102 245 114 729
Venedig 016 232 011 146 012 957 023 320 033 600 013 851 014 875 018 343 020 920 044 673 022 973 035 944
Lyon 006 358 004 476 063 756 050 510 019 504 023 826 030 666 032 152 036 595 075 896
Frankfurt 003 516 004 173 005 957 001 485 001 332 001 886
Neusohl 005 020 008 379 010 191
Testhen[2] 008 853 009 475 054 503
Wien 005 040 001 666 001 621
Breslau 082 211 018 692 ?[3]
Leipzig 036 232 029 814 ?[3]
Linz 014 161 002 297
Krems 005 978 001 511
Krakau 008 745 20 811[4]
Danzig 008 974 ?[3]

[40] Die Erweiterung, welche der Geschäftsbetrieb des Hauses innerhalb dieser dreissig Jahre erfahren hat, war demnach nicht unerheblich. Charakteristisch ist auf der einen Seite das Fehlen von Niederlassungen auf der Pyrenäenhalbinsel, auf der anderen das Vordringen nach dem Osten, und zwar sowohl die Donau abwärts nach Oesterreich und Ungarn, als auch hinein in das Stromgebiet der Elbe, Oder und Weichsel. Bekannt sind die Klagen der Hanseaten über die Konkurrenz, welche ihnen die Oberdeutschen in ihrem eigenen Handelsgebiete machten. Hier haben wir einen Beweis, der bei weiterem Eingehen auf das Detail des Geschäftes noch verstärkt werden wird, dass diese Klagen der Begründung nicht entbehrten. Die grosse Mehrzahl der Faktoreien diente dem Warenhandel sowie Bankgeschäften, nur Schwatz, Neusohl und Testhen waren für den Betrieb bergmännischer Unternehmungen und den Aufkauf von Produkten der Montanindustrie bestimmt. Eigenen Bergbau und Hüttenbetrieb hatte die Firma in Schwatz, wo nicht selten grosse Massen Silber und Kupfer lagerten. Die Niederlassungen auf ungarischem Boden scheinen dagegen vornehmlich den Zweck gehabt zu haben, das dort gewonnene Kupfer in möglichster Nähe der Produktionsstätten aufzukaufen, wobei der Firma zu statten kam, dass ihr von den österreichischen Habsburgern den königlichen Bergwerken in Ungarn gegenüber und deren Produktion gewisse Vorrechte und Monopolien mehrfach eingeräumt wurden, als Entgelt für die Bereitwilligkeit, mit der sie ihnen in den nicht seltenen finanziellen Schwierigkeiten entgegenkam. Einige Jahre nach dem Abschlusse dieses Geheimbuches hat die Gesellschaft auch auf englischem Boden Bergbau auf Kupfer und Blei begonnen, ohne aber Erfolge zu erzielen, obgleich ihr Unternehmen von der Königin Elisabeth und ihren Ministern protegiert wurde und einige Angehörige der englischen Aristokratie auch finanziell daran beteiligt waren[5].

[41] Diese zahlreichen Zweigniederlassungen standen nun in einem lebhaften Geld- und Warenaustausch nicht nur mit der Zentrale in Augsburg, sondern auch untereinander und mit anderen Orten, und fast bei keiner Abrechnung fehlt das besondere Konto für die Waren, welche zur Zeit von einer Filiale abgesendet, aber noch unterwegs waren; ihr Wert wird in diesem Falle immer unter den Posten der absendenden Faktorei aufgeführt. So waren, um einige Beispiele herauszugreifen, zur Zeit der Generalrechnung 1560 für 5001 fl. Silber und Kupfer von Schwatz nach München und Venedig unterwegs, 1562 für 12 300 fl. nach verschiedenen Orten. Von Antwerpen waren 1549 für 35 000 fl. Waren, besonders Tuche, nach Köln, Nürnberg und Frankfurt abgegangen, im Jahre 1547 für 2297 Livr., d. i. rund 9500 fl., nach Lyon, Augsburg, Nürnberg, Köln und Mainz. Ebenfalls 1549 waren aus Nürnberg Waren im Gesamtwerte von 10 216 fl. nach Antwerpen, Augsburg und Frankfurt unterwegs. Breslau hatte 1560 für 2916 fl. Waren nach Thorn und Danzig und gleichzeitig für 9207 fl. Waren nach Antwerpen und Frankfurt a. O. gesandt, und von Krakau war 1561 eine Kupfersendung über Danzig nach Antwerpen abgegangen. Auf der Landstrasse nach Lüneburg und Hamburg befanden sich 1543 für 2875 fl. Waren, die von Nürnberg kamen. Auch beträchtliche Sendungen an barem Gelde wurden nicht selten zwischen den einzelnen Geschäftsstellen hin und her geschoben. 1543 waren von Nürnberg an barem Gelde 11 065 fl. nach Augsburg und Antwerpen, 1547 von Antwerpen nach Lyon, Nürnberg, Augsburg und Köln im ganzen 1845 Livr., d. i. 8500 fl., unterwegs. Im Jahre 1549 waren von Augsburg nach Venedig 5723 fl. abgegangen aber noch nicht angekommen. In den späteren Jahren werden derartige Sendungen weniger häufig erwähnt, vielleicht, weil der Wechselverkehr allmählich grössere Ausdehnung gefunden hatte.

Die meisten der Filialen bildeten nun aber wieder für sich den Mittelpunkt eines mehr oder weniger verzweigten Netzes [42] geschäftlicher Unternehmungen, welche die nähere und oft auch weitere Umgebung umspannten. Am wenigsten war dies bei den Zweigniederlassungen der Fall, die in den Bergwerksdistrikten ihren Sitz hatten und für den Aktivhandel nicht eigentlich bestimmt waren, sondern meist wohl nur mit den übrigen Filialen in geschäftlicher Verbindung standen. Die Beziehungen der letzteren reichen dagegen oft sehr weit, worüber die ausführlichen Verzeichnisse ihrer Aussenstände und Schuldner Aufschluss geben, die bei jeder Generalrechnung von den Vorstehern der Zweiggeschäfte an die Zentralstätte eingereicht und dort in das Geheimbuch eingetragen wurden. Zu bedauern ist nur, dass in diesen Verzeichnissen der Aufenthaltsort des Schuldners nicht regelmässig angegeben wird; manche Faktoreien nennen ihn in der Regel, andere seltener oder garnicht, und auch die Redaktion der Generalrechnung ist in dieser Beziehung nicht immer nach denselben Grundsätzen erfolgt. Was sich sonst und trotz der zum Teil seltsamen Schreibung mancher Ortsnamen mit Sicherheit hat feststellen lassen, zeigt die folgende Liste, welche unter jeder Geschäftsstelle die Ortsnamen darbietet, die in Verbindung mit Schuldnern derselben genannt werden, und zwar in der Weise, dass zu jedem Namen die Gesamtsumme der Aussenstände, dann die Anzahl der einzelnen Posten, sobald es mehrere sind, in römischen Ziffern, und endlich, in Klammer, die Jahreszahl der betreffenden Generalrechnung unter Beschränkung auf Zehner und Einer angegeben wird. Die lebhaften Beziehungen Augsburgs und der Filiale Nürnberg zu den übrigen Städten und Ortschaften Süddeutschlands habe ich dabei als selbstverständlich unberücksichtigt gelassen.

Augsburg.

Köln 1558 IV (43), 11 (55), 1761 IV (57), 7099 VIII (60), 1687 IV (61). Mainz 79 (60). Brüssel 100 (60). Strassburg 65 (47), 197 (61). Botzen 833 (57), 1819 III (60), 1107 III (61), 2320 III (62). Brixen 1134 II (49), 401 (57), 313 (60). Salzburg 1585 (47), 1278 II (57), 217 (55), 613 (60), [43] 232 (61). Innsbruck 455 (49), 346 (61). St. Gallen 666 II (49), 1708 III (55), 2251 V (57), 1849 IV (60), 2726 V (61). Zürich 286 (55). Villach 418 (45). Braunau 432 (47), 1203 II (57). Joachimsthal 122 II (61), 18 (62). Leipzig 685 (49), 495 (57), 417 (60), 400 II (61), 102 (62). Eisleben 123 (47), 1642 II (49), 348 (57), 305 (62). Lignitz 453 (61), 453 (62). Krakau 374 (60).

Nürnberg.

Prag 321 (33), 2887 III (43), 2105 V (57), 204 III (60), 162 11 (61). Kuttenberg 53 (43). Taus 230 (43), 17 (57). Klattau 331 V (61). Luditz 9 (57). Erfurt 139 (43). Leipzig 335 (57), 327 III (60), 472 II (61). Eisleben 407 (43). Joachimsthal 88 (61). Olmütz 175 (57). Breslau 84 (33), 88 (43), 196 IV (60). Neisse 31 (61). Glogau 387 III (60). Posen 433 II (33), 2238 IX (57), 3500 XVII (60), 914 V (61). Krakau 78 (33), 661 II (60), 42 (61). Danzig 149 (57). Warschau 610 III (57), 2403 III (60). Lübeck 121 (57). Linz 660 (57). Wien 136 (33). Schemnitz[6] 10 (62). Zürich 430 (43), 286 (57), 357 II (33), 134 (60). St. Gallen 277 II (49).

Antwerpen[7].

Köln 1215 (33), 318 (45), 371 IV (49), 1115 XIII (51), 180 (53), 294 III (60), 129 (61), 228 III (47). Mainz 5 (61). Leipzig 309 (47). Frankfurt 446 (57). Brügge 570 (49), 412 V (53), 185 (51). Mecheln 110 (49). Utrecht 109 (51), 213 (53), 647 (57). Diest 668 (57). Klermont 29 (60). London 2022 (45), 1034 V (51), 103 II (53). Bremen 132 (43), 95 (60). Hamburg 48 (43). Englischman[8] 1125 VII (49), 272 II (51), 222 (53), Osterling[8] 55 (45).

[44]
Venedig[9].

Verona 45 (57), 58 (60), 1133 (62). Kremona 9 (60). Mantua 74 (60). Villach 496 (60), 1083 (61), 797 (62). Botzen 99 (62), 1406 III (61). Brixen 35 (62). Aquila 3604 III (53), 261 (57), 2447 (60), 460 (62). Neapel 3804 (53), 3700 (57).

Breslau.

Schweidnitz 108 (60), 111 (61). Thorn 105 (60), 113 (61). Frankfurt a. O. 264 (60), 333 II (61). Stettin 759 (60), 51 (61). Lübeck 158 (60), 189 (61). Hamburg 761 (60), 197 (61).

Danzig.

Thorn 220 (61). Kopenhagen 271 (61).

Wien.

Brünn 482 IV (60).

Leipzig.

Altenburg 63 (60), 278 (61). Erfurt 6284 II (60), 4047 (61). Torgau 150 (60), 182 (61). Wittenberg 629 II (60), 267 II (61). Eisleben 108 (60), 1783 II (61). Merseburg 135 (60), 142 (61). Sangerhausen 114 (60), 459 (61). Freiburg 28 (60). Schleusingen 734 (60), 1114 (61). Pegau 54 (60). Zeitz 94 (61). Zerwitz[10] 488 II (60). Bleifelde 916 (60). Halberstadt 360 (60), 490 (61). Goslar 482 (60), 620 (61). Magdeburg 57 (60). Braunschweig 1987 II (60), 3138 II (61). Heiligenstadt 73 (61). Bursfelde 1500 (61). Einbeck 4 (60), 110 (61). Hildesheim 1073 II (60). Göttingen 245 (61). Lüneburg 1156 (60), 631 (61). Berlin 185 (61). Frankfurt a. O. 85 (60). Preussen 175 (61). Lübeck 1444 (61). Hamburg 605 (60), 539 (61).

Von den übrigen Geschäftsstellen sind Aussenstände ähnlicher Art nicht überliefert. Als Mittelpunkt weitreichender [45] Geschäftsverbindungen, deren Anknüpfung und Aufrechterhaltung, soweit sie aus dem Warenhandel erwuchsen, in erster Linie wohl die grossen Märkte und Messen jener Zeit vermittelten, erscheinen demnach neben der Zentrale Augsburg vornehmlich Nürnberg, Antwerpen und das erst am Ende dieser Zeit begründete Zweiggeschäft in Leipzig, dessen weit nach dem hanseatischen Norden ausgebreitete Beziehungen besonders auffallen. Für den slavischen Osten, für Böhmen und Polen, war Nürnberg lange Jahre die kommerzielle Operationsbasis, bis ihm in den jüngeren Filialen zu Breslau, Danzig und Krakau Helfer erstanden. Von Krakau aus ging ungarisches Kupfer, vielleicht die Weichsel abwärts, nach Danzig, von Breslau nach Stettin und Hamburg. Antwerpen dagegen hatte neben den Beziehungen zu den rheinischen und niederländischen Städten den Verkehr mit England, der sehr umfangreich gewesen zu sein scheint, und den Osterlingen zu vermitteln. Die Handelsverbindungen dieser oberdeutschen Gesellschaft mit den niedersächsischen und hanseatischen Städten bewegten sich demnach gegen Ende dieser Periode auf vier verschiedenen Wegen, über Antwerpen, Leipzig, Breslau und Krakau. Mit der Begründung der Faktorei Danzig setzte sie sich inmitten des Handelsgebietes der Hansa fest und begann dann auch sofort ihre Fäden nach dem skandinavischen Norden, nach Kopenhagen, hinüberzuspinnen. Eine strenge gegenseitige Abgrenzung der Faktoreibezirke fand also wohl nicht statt, und besonders scheint das Hauptgeschäft in Augsburg nicht selten direkte Beziehungen zu fernliegenden Orten, über den Kopf der Faktoreien hinweg, unterhalten zu haben.

Die Intensität des Geschäftsbetriebes, die Zu- und Abnahme der relativen Bedeutung, welche die einzelnen Geschäftsstellen besassen, lässt sich wenigstens annähernd aus der Veränderung der Zahlen für ihre, gelegentlich der einzelnen Generalrechnungen konstatierten Gesamtaktiva erkennen, die in der Tab. I gegeben sind. Danach hatte sich die Geschäftsthätigkeit der Zentrale im ganzen während dieser Periode trotz der mannigfaltigen Neugründungen [46] und Abzweigungen nicht unwesentlich gesteigert; von rund 110 000 fl. im Jahre 1533 hebt sich der Wert der Aktiva auf 160 000 fl. im Jahre 1562, und in der Zwischenzeit wird dieser Betrag nicht selten erheblich überschritten. Ebenso ist die Bedeutung der Filiale in Venedig im Laufe dieser dreissig Jahre nicht geringer geworden, ihr „Reichtum“ steigt von 16 000 fl. auf fast 36 000 fl., welche Zahl ebenfalls vor dem Schlussjahre schon einmal übertroffen wurde. Dagegen hat Nürnberg, dessen Geschäftsthätigkeit während der ersten 24 Jahre offenbar eine wesentliche Steigerung erfuhr, am Ende Rückschritte gemacht, in denen wohl die Folge der Neugründungen von Faktoreien für das nordöstliche Deutschland zu erkennen ist. Auffallend ist die Entwickelung Antwerpens. Anfangs nur wenig hinter dem Hauptgeschäfte zurückstehend und dasselbe bald für eine lange Reihe von Jahren weit überflügelnd, erfährt diese Filiale im Jahre 1553 eine Verminderung ihrer Aktiva um mehr als zwei Drittel, und dieses Zurückgehen, welches noch in anderem Zusammenhange zu besprechen ist, wirkt nach bis an das Ende der Geschäftsperiode, die zu übersehen uns das Geheimbuch gestattet. Ueberaus sprunghaft gestaltet sich auch die Entwickelung der Dinge in Lyon, während Schwatz, der Hauptsitz der bergmännischen Unternehmungen des Hauses, in den ersten zwanzig Jahren sich ungefähr auf gleicher Höhe hält; 1555 erfolgt eine wesentliche Vermehrung der dortigen Interessen, also wohl eine erhebliche Ausdehnung des Betriebes, die dann wieder bis zum Ende gleichmässig vorhält. Darauf, dass die Gesellschaft der Montanindustrie und der Verwertung ihrer Produkte wachsende Bedeutung beilegte, deutet auch die schnelle Zunahme, welche der Reichtum der zu ähnlichen Zwecken auf ungarischem Boden in Neusohl und Testhen errichteten Geschäftsstellen aufweist. Beachtenswert sind ferner die verhältnismässig sehr hohen Beträge, die beim ersten Abschluss der Neugründungen in Leipzig und Breslau zu Tage treten; sie lassen wohl erkennen, dass die Firma an diesen beiden Punkten von vornherein mit Nachdruck [47] aufzutreten und ihre Geschäfte in grossem Stil zu betreiben gedachte. Die übrigen Faktoreien sind weniger bedeutend.

Um nun aus diesen Zahlen ein einigermassen zutreffendes Bild von dem wirtschaftlichen Charakter der Unternehmungen des Hauses zu gewinnen und die Richtung wenigstens im allgemeinen zu erkennen, in der sich dasselbe während der dreissig Jahre entwickelte, ist es nötig, festzustellen, welche Art von Geschäften auf den einzelnen Faktoreien im Vordergrunde standen. Und zwar wird vor allem Waren- und Geldhandel zu scheiden sein, soweit dies möglich ist. Denn ein schnelles und nachhaltiges Wachstum der Aktiva einer Filiale würde als ein Zeichen wirtschaftlichen Gedeihens von geringerer Bedeutung sein, wenn es auf der Zunahme der Geldgeschäfte beruhte, da diese mit vielfacher Gefahr verbunden waren und ihr buchmässiger Gewinn sich nicht immer leicht realisieren liess. Zunehmende Aktiva bei zunehmendem Warenhandel müssten dagegen ein günstigeres Licht auf die Gesamtlage werfen. Vollständig in dieser Beziehung klar zu sehen, ist nun auch auf Grund des Geheimbuches nicht möglich, da die Aufzeichnungen desselben gewissermassen nur Querschnitte der Geschäftslage bieten, wie sie sich gerade am Ablaufe des zwei- bis dreijährigen Zwischenraumes von einer Bilanzstellung zur anderen gestaltet hatte. Wohl aber bietet sich ein Anhalt zur Beurteilung dieser Verhältnisse, wenn man die verschiedenen Posten ins Auge fasst, aus denen sich die Gesamtaktiva der einzelnen Filialen jedesmal zusammensetzen. Und zwar kommt es vornehmlich darauf an, die überlieferten Werte für die vorhandenen Warenvorräte und die Aussenstände der Faktoreien einander gegenüberzustellen. Das dauernde Fehlen oder ein anhaltend geringer Umfang des Warenkontos bei erheblichen und zunehmenden Aussenständen macht es wahrscheinlich, dass an dieser Stelle vorwiegend Bankgeschäfte betrieben wurden, während des Vorhandensein gleichmässig nachzuweisender, erheblicher [48] Warenvorräte in der entgegengesetzten Richtung eine gewisse Beweiskraft beanspruchen darf. Diesem Zwecke dient die folgende Tabelle, in welcher zu jeder Geschäftsstelle die Gesamtsumme der bei den einzelnen Generalrechnungen im Geheimbuche festgestellten Aktiva, soweit dieselben aus dem Werte der vorhandenen Waren und Aussenstände bestehen, angegeben sind. Dazu füge ich noch das bare Geld, welches ebenfalls im Geheimbuche gelegentlich der Aufstellung der Faktoreibilanzen als besonderer Posten aufgeführt wird. Für Schwatz habe ich nur den Gesamtreichtum ohne weitere Spezialisierung angesetzt, da hier Warenvorräte, Wert des Bergwerkes und Anteil an ähnlichen Betrieben anderer Firmen nur schwer auseinander gehalten werden können. Immobiliarbesitz der Gesellschaft wird, abgesehen von Schwatz, nur selten erwähnt und ist ohne Bedeutung[11].

Tabelle II.
Jahr Augusburg Nürnberg
Waren Aussenstände Bar Waren Aussenstände Bar
fl. fl. fl. fl. fl. fl.
1533 26 409 070 121 09 339 17 284 14 840 00 813
1543 14 655 120 917 41 978 19 252 39 471 13 523
1545 34 081 083 029 16 147 27 086 20 402 02 741
1547 13 927 102 613 18 223 21 755 53 412 12 775
1549 11 938 117 429 12 664 25 259 17 751 00 663
1551 17 170 118 881 12 349 17 874 26 013 02 386
1553 20 938 164 751 36 652 09 788 18 228 00 540
1555 40 617 126 391 21 091 23 232 33 420 04 398
1557 36 663 125 550 24 945 24 467 30 347 04 044
1560 23 395 160 023 07 021 12 408 16 918 04 085
1561 23 361 133 766 59 092 14 453 07 091 10 099
1562 30 576 108 820 15 318 10 532 10 158 03 096

[49]

Jahr Bibrach Venedig
Waren Aussenstände Bar Waren Aussenstände Bar
fl. fl. fl. D.[12] D. D.
1533 13 021 04 007 1 381
1543 01 592 07 977 207
1545 04 008 06 765 405
1547 590 0019 08 585 8 442 1 648
1549 1 637[13] 13 575 15 418 446
1551 0196 12 691 fl.[14] 09 926 fl.[14] 645 fl.
1553 [15] 01 907 fl. 08 041 fl. 2 145 fl.
1555 01 554 09 764 1 690
1557 578 0670 04 735 19 410 181
1560 162 1000 18 216 17 139 1 157
1561 3 381[15] 04 941 10 451 930
1562 872 3943 24 738 07 882 754
Ulm Lyon
L.[16] fl. L.
1533 1 798[17]
1543 2 422 4 883 988 06 538
1545 3 730 926 1 246
1547 747 00 75 1 886 67 140
1549 2 347 168 1 966 63 756
1551 123 00 12 1 065 50 510
1553 1 118 19 504
1555 1 826 1 891 23 826
1557 1 206 2 920 27 303 5 268
1560 1 368 1 562 29 142 4 499
1561 4 908 1 764 2 838 25 000 7 820
1562 4 016 1 453 2 849 72 723 L. 322
Antwerpen Frankfurt
Livr.[18] Livr. Livr. fl.
1533 05 612 16 921 641
1543 10 307 34 866 167
1545 06 928 51 147 1 961
1547 05 133 24 615 2 684
1549 12 554 62 789 1 174
1551 06 967 43 692 239
1553 06 809 08 622 3 429 3 516
1555 01 789 12 510 384 4 173
1557 07 609 14 952 1 167 5 957
1560 18 537 12 641 2 721 1 485
1561 11 063 08 806 633 1 332
1562 09 650 09 457 4 014 1 886

[50]

Jahr Neusohl Linz
Waren Aussenstände Bar Waren Aussenstände Bar
Gd.[19] Gd. fl. fl. fl.
1560 1 085 3 181
1561 3 104 3 599 13 764 397
1562 3 149 6 066 00 671 1 143 842
Testhen Leipzig
Gd.[19] Gd. Gd. fl. fl. fl.
1560 08 872 11 416 23 763 1 053
1561 06 876 704 00 499 26 985 2 329
1562 41 341 1 665 596 ?[20] ? ?
Breslau Danzig
fl. fl. fl. fl. fl. fl.
1560 54 022 13 947 7 106
1561 08 379 01 131 9 197 7 026 634 1 223
1562 ?[20] ? ? ? ? ?
Wien Krakau
fl. fl. fl.[21] fl. fl.
1560 1 190 3 899
1561 481 1 118 05 539 1 1098 2 116
1562 851 769 17 919 454 2 438


Jahr Krems Schwatz
Waren Aussenstände Bar
fl. fl. fl. fl.
1533 060 262
1543 058 685
1545 071 572
1547 077 564
1549 075 503
1551 077 210
1553 063 499
1555 194 416
1557 183 934
1560 172 038
1561 5 486 182 309 166 574
1562 777 304 473 193 547

[51] Die bedeutendsten Warenvorräte befanden sich danach während dieser ganzen Periode ausser in Augsburg selbst, in Nürnberg, Antwerpen und Venedig; auch die neugegründeten Filialen im Osten verfügten zum Teil über erhebliche Warenlager, wennschon für sie zu wenig Abschlüsse vorliegen, als dass über die dauernde Gestaltung der Dinge mit Sicherheit geurteilt werden könnte[22]. In eigentümlichem Verhältnis zu einander stehen die beiden Geschäftsstellen auf ungarischem Boden. In Neusohl fehlte anscheinend das Warenlager durchaus, während die Aussenstände sowie die vorhandenen Barmittel nicht unbedeutend waren. Umgekehrt liegt das Verhältnis in Testhen, das über sehr erhebliche Warenvorräte verfügte, wogegen Aussenstände und Bargeld sich nur in bescheidenem Umfange vorfinden. Wahrscheinlich diente dieses mehr als Sammelbecken für die bergmännischen Produkte der Umgegend, und Neusohl hatte den Versand und die kaufmännische Verwertung derselben zu leiten.

In Lyon spielte der Warenhandel anscheinend lange Jahre gar keine Rolle gegenüber den umfangreichen Geldgeschäften, die vornehmlich in der Gewährung von Darlehn an den König von Frankreich und einzelne Grosse und Städte seines Landes bestanden. Erst seit 1561 finden sich hier ebenfalls Warenvorräte, welche besonders aus Kupfer, Baumwolle und Samt bestanden, so dass der Geldhandel seiner vornehmsten nationalwirtschaftlichen Aufgabe, dem Warenhandel und den Produkten der heimatlichen Industrie im Auslande den Weg zu ebnen, hier einigermassen gerecht geworden zu sein scheint. Doch werden vereinzelt Warensendungen dorthin auch schon vor 1561 erwähnt[23], was im Verein mit dem lang dauernden Fehlen eines Warenkontos und baren Kassenbestandes in der Abrechnung für Lyon wohl darauf deutet, dass die Firma bereits vor 1561, gelegentlich der Märkte und Messen, an dem Warenumsatze [52] dort, aber nur vorübergehend, teilgenommen hat. Ebenfalls nur für die kurze Messzeit von Bedeutung war die Geschäftsstelle in Frankfurt, die in enger Verbindung mit dem Hauptgeschäft stand[24], weshalb Aussenstände und Vorräte an barem Gelde hier niemals aufgeführt werden.

Fasst man unter besonderer Berücksichtigung der älteren Faktoreien, deren Entwickelung sich während einer Reihe von Jahren übersehen lässt, das Verhältnis von Warenvorräten und Aussenständen näher ins Auge, so ergiebt sich zunächst, dass beide Zahlen in den Nürnberger Abrechnungen sich am gleichmässigsten zu einander verhalten. Waren und Aussenstände halten sich hier dauernd ungefähr das Gleichgewicht, und wenn einmal auf der einen Seite ein erhebliches Mehr hervortritt, so pflegt die folgende Generalrechnung mit ziemlicher Regelmässigkeit dies Verhältnis in sein Gegenteil umzukehren. Die grösste Differenz zwischen beiden Zahlen ergiebt sich 1543, 1547 und 1561; in dem letzteren Jahre übertrifft das Warenkonto die Aussenstände, in den beiden ersten diese jenes um rund 100 bis 150 %. Man wird kaum fehlgreifen, wenn man diese Erscheinung auf ein dauerndes und erhebliches Ueberwiegen des Warenhandels über jede andere Art kaufmännischer Thätigkeit zurückführt; ist dies aber richtig, so bieten die Nürnberger Zahlen gleichzeitig einen Massstab für die Beurteilung des Geschäftsbetriebes, wie er sich auf den übrigen Faktoreien gestaltete. Je mehr sich dort das Verhältnis von Waren und Aussenständen dem Nürnberger Normalstande nähert, um so eher wird man auf eine ähnliche, je weiter es sich davon entfernt, desto leichter wird man auf eine andersartige geschäftliche Situation schliessen können.

Auch in Venedig lagerten während dieser ganzen Zeit bedeutende Warenmassen, und die Bedeutung der Geschäftsstelle ist während dieser dreissig Jahre mindestens nicht zurückgegangen. [53] Doch trägt die Entwickelung, nach den Zahlen beurteilt, einen unstäteren Charakter; im Vergleich mit Nürnberg und seiner soliden Stetigkeit sind die gewaltigen Sprünge und schwer zu erklärenden Differenzen auffällig, die sowohl in der Gestaltung des Warenkontos als auch in dem Verhältnis dieses zu den Aussenständen zu Tage treten. So wechseln Warenlager von bedeutendem Umfange, deren Wert hinter den höchsten Nürnberger Ansätzen nicht zurücksteht, mehr als einmal mit ganz geringfügigen Posten, und der Unterschied zwischen Waren und Aussenständen beträgt bei der Hälfte der Abrechnungen 200–500 % bald zu dieser, bald zu jener Gunsten. Dass hier Bankgeschäfte in erheblichem Umfange betrieben wurden, erscheint daher um so weniger zweifelhaft[25], weil die vorhandenen Waren, Südfrüchte, Saffran, Baumwolle und dergleichen wohl zum grossen Teil für den weiteren Versand in Venedig eingekauft waren, und ihr Wert demnach bei Beurteilung der erheblichen Aussenstände nur mit Einschränkungen herangezogen werden kann. Der eigentliche Warenhandel aber scheint hier von den Impulsen der Spekulation, vielleicht auch von dem Ausfall der Ernte, in höherem Grade beherrscht gewesen zu sein, als dies an anderen Orten zu beobachten ist.

In einem bemerkenswerten Missverhältnis stehen Warenkonto und Aussenstände lange Jahre in Antwerpen. Schon bei der ersten Abrechnung waren letztere dreimal grösser als jenes, und dieser Zustand tritt fast 20 Jahre hindurch mit grosser Regelmässigkeit immer wieder zu Tage. Die Differenz wird sogar allmählich noch grösser, 1545 übertreffen die Aussenstände den Wert der Warenvorräte um das siebenfache, 1551 um das sechsfache. Mit dem Jahre 1553 erfolgt dann aber ein gewaltiger Umschwung, die Aussenstände sinken von 43692 Livr. auf 8622 Livr. herab und sind seitdem nie mehr zu der früheren [54] gewaltigen Höhe emporgestiegen, sondern halten sich bis zum Ende dem Warenkonto im allgemeinen zur Seite, ihr Verhältnis nähert sich also dem Nürnberger Modus. Aus dem Verzeichnis der Kreditoren ergiebt sich, dass der anfangs zu beobachtende gewaltige Umfang der Aussenstände vornehmlich mit der Gewährung von Vorschüssen und Darlehen zusammenhängt, die damals, nicht nur von dieser Firma, den in den Niederlanden und ihrer merkantilen Nachbarschaft massgebenden politischen Faktoren zu wiederholten Malen geleistet wurden. So schuldete der Antwerpener Filiale 1543 der König von Portugal 2550 Livr., also über 12 000 fl., und 1545 war diese Schuld auf 3150 Livr., d. h. um fast 24 %, vermutlich rückständige Zinsen, gestiegen. Gleichzeitig aber schuldete auch die Stadt London 2022 und Antwerpen selbst 8640 Livr., welche letztere Summe 1547 auf 10 282 Livr. sich erhöht hatte. Dazu erscheinen 1549 noch der König Eduard von England und die Stadt London im Schuldbuche der Faktorei mit zusammen 11 200 Livr., und endlich wurden in den Krediten, welche damals den Steuerempfängern in den Niederlanden beinahe dauernd eröffnet waren, gewaltige Summen festgelegt; im Jahre 1545 kamen allein auf das Konto der Rentmeisterschulden 14 231 Livr.[26]. Derartige Bankgeschäfte versprachen nicht nur reichen Gewinn, sondern vermochten unter Umständen auch dem eigentlichen Warenhandel nützliche Vorspanndienste zu leisten; aber sie waren zweifellos mit einem grossen Risiko verbunden und konnten leicht dazu führen, durch übermässige Inanspruchnahme der vorhandenen Mittel die Aktionsfähigkeit des Hauses in anderen Richtungen zu lähmen. Wenn daher seit 1553 in diesem Verhältnisse eine tiefgreifende Aenderung zu beobachten ist und die Aussenstände seitdem dauernd auf einen bescheideneren Umfang zurückgeführt erscheinen, so liegen hier offenbar die Spuren eines energischen Sanierungsprozesses vor, vermittelst dessen diese Firma noch [55] vor der Krisis der sechziger Jahre ihre geschäftliche Lage günstiger zu gestalten wusste.

Die Aussenstände der Zentralstätte in Augsburg endlich erreichen ebenfalls eine bedeutende Höhe und wachsen im Laufe der Zeit an, während das Warenkonto trotz mancherlei Schwankungen im ganzen doch konstant bleibt und von jenen immer um 200 %, meist aber um einen noch höheren Betrag übertreffen wird. Indessen ist dabei zu berücksichtigen, dass diese Augsburger Aussenstände zum grossen Teil nur einen rechnerischen Charakter tragen und auf gewisse Grundsätze der Verwaltung sowie der Bilanzierungstechnik zurückzuführen sind. Es finden sich nämlich unter ihnen auch die gesamten Vorschüsse gebucht, welche die Firmeninhaber, ihre „Mitverwandten“ und Beamten innerhalb der Abrechnungsperiode empfangen hatten. Diese Vorschüsse aber, die dann bei der Generalrechnung entsprechende Berücksichtigung fanden, erreichten meist eine bedeutende Höhe. So hatten 1541–1543 allein die Firmeninhaber „zu ihrer Notdurfft“ 39 121 fl. vorweg „eingenommen“; 1545–1547 betrug dieser Posten 33 558 fl., 1557–1560 sogar 75 955 fl. und 1561–1562 38 418 fl.[27]. Ebenso haben die Beamten der Gesellschaft, die zum Teil mit eigenem Kapital beteiligt waren, ihre Besoldung sowie den in Aussicht stehenden Gewinn nicht selten [56] in Gestalt von Vorschüssen schon vor der Abrechnung erhalten, welcher Brauch bisweilen dazu führte, dass sie am Ende noch herauszuzahlen hatten oder Schuldner der Firma blieben. Auch diese Vorschüsse werden unter den Augsburger Aussenständen verrechnet, und sie waren meist nicht unbedeutend; in dem Rechnungsjahr 1561/62 hatten auf diese Weise 16 Beamte zusammen 8631 fl. in Posten zwischen 2538 und 12 fl. erhalten[28]. Ob derartige Beträge bis zum Ende der Rechnungsperiode verzinst werden mussten, ist nicht zu ersehen.

Ferner finden sich unter den Aussenständen der Zentrale während der ersten Hälfte der Periode gewisse Posten, welche auf die eigene industrielle Thätigkeit des Hauses zurückzuführen sind. Dasselbe stellte anfangs manche Woll- oder Baumwollfabrikate, die es verhandelte, selbst her und stand dauernd mit einer Anzahl Webern in Verbindung, welchen es die Rohstoffe vorschussweise lieferte. Für diese Seite des Geschäftsbetriebes war in Augsburg ein besonderer Faktor angestellt, dessen Abrechnung das Geheimbuch ebenfalls enthält. Im Jahre 1533 hatte die Firma für 3612 fl. Barchent zur Zeit der Abrechnung auf der Bleiche; in demselben Jahre werden 177 Weber namhaft gemacht, die mit 4010 fl. für gelieferte Rohstoffe verpflichtet waren. Zwölf Jahre später schuldeten 72 Weber im ganzen 1507 fl., während 1543 noch 123 Weber mit einem Debet von 2300 fl. aufgezählt werden. 1547 sind es 38 Weber mit 621 fl., 1549 17 Weber mit 888 fl., und 1551 betrugen die Weberaussenstände 1017 fl. Eine besonders glänzende Entwickelung scheint dieser Betrieb demnach nicht genommen zu haben; von 1553 an verschwindet der Posten ganz.

Im übrigen enthalten die Schuldnerverzeichnisse thatsächlich mehr als einen Beweis dafür, dass die Höhe der Augsburger Aussenstände zum Teil wenigstens ebenfalls durch Bankgeschäfte [57] veranlasst wurde, welche man auch von der Zentralstätte aus betrieb. Und zwar kommen hier zunächst Darlehen in Betracht, die geldbedürftigen süddeutschen Fürsten, aber auch Städten mehrfach gewährt wurden, Geschäfte, die wahrscheinlich nicht so gewinnreich, aber auch nicht so riskant waren wie die internationalen Finanzoperationen, an denen die Faktoreien zu Lyon und Antwerpen sich beteiligten.

Die Stadt Frankfurt schuldete, um einige Beispiele herauszugreifen, 1547, zur Zeit des Schmalkaldischen Krieges, 4300 fl., Augsburg selbst 3150 fl. Im Jahre 1549 erscheint Augsburg wieder mit einer Schuld von 3000 fl., Reutlingen und Heilbronn mit je 1850 fl. Gleichzeitig war der Fürstbischof von Salzburg 18 800 fl. schuldig, und der Bischof von Augsburg gehörte ebenfalls zu den Debitoren der Firma, 1553 mit 722 fl., 1557 mit 968 fl. Daneben scheint die Zentrale auch Darlehens- und Hypothekengeschäfte mit Privatpersonen gemacht zu haben, und zwar sowohl innerhalb als ausserhalb der städtischen Mauern. Aus dem letzten Jahre, dessen Abrechnung vollständig vorliegt, finden sich folgende Aussenstände dieser Art: Im ganzen 2446 fl. waren in fünf verschiedenen Posten auf Häuser in Augsburg ausgeliehen, 200 fl. auf ein Haus in Nördlingen, 200 fl. auf ein Haus in Friedberg, 200 fl. auf „Güter“[29] nach Strassburg, 631 fl. auf Güter nach Salzburg, 32 fl. nach Lindau, und ausserdem werden noch 6000 fl. in sechs Posten aufgeführt, welche nur die Bezeichnung „geliehenes Geld“ tragen. Als Zinsfuss für Darlehen auf Häuser wird mehrfach 5 % angegeben.

Alles in allem beruhte demnach der Betrieb der Zentrale auf einem ausgebreiteten Warenhandel, der aber weiterer Ausdehnung nicht mehr fähig gewesen zu sein scheint, und Bankgeschäften verschiedener Art, die sich im ganzen wohl in den Grenzen der soliden Mittelmässigkeit hielten. Ausserdem spielte hier lange Jahre die Fabrikation von Woll- und Baumwollwaren [58] eine gewisse Rolle, deren Bedeutung jedoch allmählich nachliess. Naturgemäss muss auf allen diesen Gebieten geschäftlicher Thätigkeit und an allen Geschäftsstellen der thatsächliche Umsatz im Laufe eines Jahres sehr viel grösser gewesen sein, als die überlieferten Werte andeuten, da die Zahlen des Geheimbuches nur den Status abspiegeln, wie er sich zur Zeit der verschiedenen Abschlüsse gerade gestaltete.

Was die vorhandenen Barmittel betrifft, so sind dieselben verhältnismässig nicht bedeutend und unterliegen in ihrem Bestande vielen und erheblichen Schwankungen, die aber irgendwelche bestimmte Tendenzen nicht erkennen lassen. Dass die Zentrale in dieser Beziehung dauernd am reichsten ausgestattet erscheint, darf nicht Wunder nehmen; sie war eben das Herz des Ganzen, welches den Säfteumlauf innerhalb dieses ausgebreiteten Organismus zu regulieren hatte.

Neben den in der Tabelle II berücksichtigten Faktoreien ist es noch nötig ein besonderes Konto in Betracht zu ziehen, welches ebenfalls in Augsburg, aber gesondert von den übrigen Aussenständen der dortigen Geschäftsstelle geführt wurde. Unter der Ueberschrift „Hofverträge“ oder „Vertragbuch“ sind bei jeder Generalrechnung noch die Beträge besonders zusammengestellt, welche dem Hause der deutsche Kaiser, der römische König, bisweilen[30] auch einzelne deutsche Fürsten und Städte schuldeten, während, wie gezeigt ist, andere ähnliche Debitoren unter den übrigen Schuldnern der Zentrale aufgeführt werden. Dieses, für die wirtschaftliche Gesamtlage der Gesellschaft wichtige Konto gestaltete sich im Laufe der Jahre folgendermassen:

[59]
Tabelle III.
Jahr. Betrag. Jahr. Betrag.
1533 092 437 fl. 1553 073 333 fl.
1543 054 986 fl. 1555 111 350 fl.
1545 046 573 fl. 1557 090 916 fl.
1547 040 166 fl. 1560 216 471 fl.
1549 027 329 fl. 1561 215 663 fl.
1551 121 939 fl.

Fasst man die Anfangs- und Endzahl in’s Auge, so ergiebt sich zunächst, dass diese Art von Aussenständen sich während der dreissigjährigen Periode mehr als verdoppelt hatte, was mit der Gesamtentwickelung der Unternehmungen der Firma im Einklange steht. Im einzelnen tritt dagegen unverkennbar eine degressive Tendenz zu Tage, die darin besteht, dass jeder Betrag, so hoch er auch an und für sich emporschnellt, sich immer wieder zu vermindern bestrebt ist. Diese Tendenz ist zunächst von 1533–1549 zu beobachten, in welchen Jahren das Konto von 92 437 fl. auf 27 329 fl. herabsinkt. Dann folgt die starke Zunahme des Jahres 1551, dieser aber wieder die Degression von 1553. Das Jahr 1555 bringt eine neue Steigerung, aber bei der nächsten Abrechnung erscheint sie wieder erheblich herabgemindert, und ebenso folgen 1560 und 1561 Wachstum und Abnahme mit der Regelmässigkeit eines Naturgesetzes auf einander.

Diese eigentümliche Entwickelung legt in Beziehung auf die Rentabilität und den wirtschaftlichen Charakter der hier gebuchten Unternehmungen folgende Schlüsse nahe. Immer neuer Geldbedarf und nicht ausreichende Zahlungsfähigkeit der Schuldner, d. h. vornehmlich König Ferdinand’s I., wirkten vereint dahin, dass eine Tilgung der gemachten Anleihen niemals erfolgte, sondern die eingegangenen Verpflichtungen immer mehr anschwollen. Dabei müssen aber nicht nur die ausbedungenen Zinsen regelmässig geleistet, sondern auch grössere Abzahlungen in Geld oder Gewährung nutzbarer Rechte erfolgt sein, da nur [60] so die nach jeder, durch Entrierung neuer Anleihen herbeigeführten Erhöhung des Kontos immer wieder zu konstatierende Abnahme der Schuldsumme erklärt werden kann. Denn bei stockender Zinszahlung wären die Beträge langsam gewachsen, und ohne Abtragungen hätten sie annähernd auf gleicher Höhe bleiben müssen[31]. Eine alle paar Jahre herbeigeführte gewaltsame Reduzierung der eingegangenen Verpflichtungen seitens des Schuldners ist ebenfalls nicht wahrscheinlich, zumal derselbe offenbar dauernd auf die Inanspruchnahme seines Kredites angewiesen war. Unter diesen Umständen aber kann die Rentabilität derartiger Unternehmungen kaum bezweifelt werden, auch wenn eine vollständige Tilgung der Schuld niemals erfolgte. Denn bei dem hohen Zinsfuss[32], wie er damals fürstlichen Gläubigern gegenüber gefordert wurde und, worauf noch einzugehen ist, infolge der ganzen Organisation dieser Anleihegeschäfte notwendiger Weise gefordert werden musste, führten regelmässige Zinszahlungen auf die Dauer, wenn auch nicht rechtlich, so doch thatsächlich, zu einer Amortisierung des ganzen Kapitals, so dass der Geldgeber schliesslich doch sein Geschäft gemacht hatte, auch wenn die Schuld niemals voll zurückgezahlt wurde. Kamen noch gelegentliche Abzahlungen oder sonstige Abfindungen hinzu, so musste dadurch die Gewinnchance für den Darleiher erhöht werden, besonders, wenn diese Abfindungen in der Ueberlassung von Rechten bestanden, aus denen die spekulative Energie des Kaufmanns unter Umständen mehr zu machen verstand als die Schwerfälligkeit fürstlicher Administrationen. Dieses war aber bei den hier in Frage stehenden Geschäften meist der [61] Fall, indem die Darlehen des Vertragsbuches zum grössten Teil, soweit Ferdinand I. in Betracht kommt, gegen Verpfändung von Bergwerken beziehungsweise Einräumung gewisser Vorzugsrechte gegenüber der Produktion königlicher Kupfer- und Silbergruben gewährt wurden[33]. Die Nutzung solcher Rechte wird dann nicht nur die Verzinsung gesichert sondern auch, wie die Entwickelung des Kontos beweist, eine ziemlich rasche Amortisierung der Schuld herbeigeführt haben, während gleichzeitig die Firma in die Lage gesetzt wurde, durch Beherrschung wichtiger Produktionsstätten auf gewissen Handelsgebieten eine dominierende Stellung einzunehmen und bei der Ueberleitung ihrer Erzeugnisse in den Detailverkehr weitere Gewinne zu erzielen. Unter diesen Umständen ist es erklärlich, dass dieselbe, trotzdem sie formell ihre Forderungen niemals ganz befriedigt sah, doch immer wieder bereit war, dem Geldbedarf ihres hohen Schuldners entgegenzukommen.

Um nun endlich eine Uebersicht über die Entwickelung der Gesellschaft innerhalb dieses Zeitraumes zu gewinnen, lasse ich auf Grund der Tabellen I, II und III eine vergleichende Zusammenstellung des Gesamtwertes der vorhandenen Warenvorräte, Aussenstände, Barmittel, des Schwatzer Kontos sowie der königlichen Anleihen[34] und der Anzahl der Geschäftsstellen für die Jahre 1533, 1543, 1551 und 1561 folgen.

Tabelle IV.
Jahr Waren Aussenstände Barmittel Schwatz Königl. Anleihen Geschäftsstellen
1533 088 086 168 380 014 950 060 262 92 437 08
1543 086 090 342 958 057 536 058 685 54 986 07
1551 079 906 355 815 017 726 077 210 50 510 + 121 939 08
1561 149 949 235 307 100 399 193 547 25 000 + 215 663 18

[62] Bei Würdigung dieser Zahlen ist zu berücksichtigen, dass die Aussenstände, wie oben gezeigt, in jedem Jahre 40–50000 fl. an die Geschäftsteilhaber und ihre Beamten gezahlte Vorschüsse enthalten, und das Schwatzer Konto zugleich den Wert umfangreicher Warenvorräte an edlen Metallen in sich schliesst; das Bergwerk allein steht z. B. 1561 nur mit 90 000 fl. zu Buche, und 1562 waren zur Zeit der Abrechnung für 12 300 fl. Silber und Kupfer von Schwatz aus unterwegs. Auch nicht unbedeutende Barmittel befanden sich dort, im Jahre 1555 werden 7555 fl. angegeben, 1652 sogar 10 645 fl., was vielleicht darauf deutet, dass die Geschäftsstelle damals nicht nur der eigenen Produktion diente, sondern zugleich als Sammelbecken benutzt wurde, in welches man durch Aufkauf auch die Erzeugnisse fremden Bergbaues zu leiten wusste.

Im übrigen treten als charakteristische Momente in der Entwickelung des ganzen Geschäftsbetriebes hervor die lange Jahre anscheinend konstant bleibende Ausdehnung des Warenhandels und gleichzeitige schnelle Entwickelung des Geldgeschäftes, die sich in dem rapiden Wachstum der Aussenstände abspiegelt und besonders auf die Gestaltung der Dinge in Antwerpen zurückzuführen ist. Dann folgt der Umschwung anfangs der fünfziger Jahre. Das Interesse wendet sich in erhöhtem Grade der Montanindustrie und ihren Produkten zu, der Warenhandel nimmt einen neuen Aufschwung, neue Faktoreien werden begründet, und in engem Zusammenhange damit treten die finanziellen Beziehungen zu den österreichischen Habsburgern in den Vordergrund und führen zu Unternehmungen, die des Risikos freilich auch nicht ermangelten, aber doch, soweit unsere Einsicht in die Verhältnisse reicht, einen sehr viel höheren Grad von Sicherheit bei nicht geringen Gewinnchancen besassen, als jenen, auf dem heissen Boden der Antwerpner Börse verfolgten Spekulationen innegewohnt hatte.

Die Objekte des Warenhandels waren im ganzen dieselben, wie sie dem deutschen Handel jener Zeit überhaupt zu Grunde [63] lagen. Einmal setzte die Gesellschaft Gewürze und Südfrüchte, Mandeln, Feigen, Weinbeeren in ziemlichen Mengen um, und der Saffranhandel spielte auch hier eine bedeutende Rolle. Von noch grösserem Umfange war aber das Geschäft in Wolle und Baumwolle, sowie den Produkten der Webeindustrie, an welcher das Haus eine Zeit lang aktiv beteiligt war. Barchent, Zwilch, Tuche bilden dauernd einen grossen Teil der vorhandenen Warenlager; im Jahre 1551 gehörten zu den Augsburger Vorräten verschiedene Arten von Tuchen im Gesamtwerte von mehr als 13 000 fl. Aber auch Samt und Seide wird mehrfach genannt, und ebenso wurden englische, lindische Tuche über Antwerpen in Menge eingeführt. Im Laufe der Zeit tritt dann aber der Handel mit Kupfer und Silber durchaus an die erste Stelle, sowohl im süddeutschen und niederländischen Verkehr als auch im Betriebe der Filialen Venedig und Lyon, und besonders die Neugründungen im östlichen Norddeutschland scheinen ausschliesslich im Interesse des Kupferhandels erfolgt zu sein[35]. In diesem Stadium griffen der Handel, die industriellen Unternehmungen und Bankgeschäfte des Hauses zweifellos am meisten ineinander und wussten sich gegenseitig in nutzbringender Weise zu ergänzen. Für die mittelalterliche Warenkunde, die Kenntnis von Mass und Gewicht sowie der Entwickelung der Warenpreise bieten die sehr eingehenden Verzeichnisse der vorhandenen Waren ein überaus reiches Material, dessen Bearbeitung aber mit nicht geringen Schwierigkeiten verbunden ist.

Zum Schlusse stelle ich noch einige Angaben über das Wertverhältnis der gebräuchlichsten mitteleuropäischen Münzsorten jener Zeit zusammen, berechnet auf Grund von Ansätzen [64] des Geheimbuches, wobei aber die Bruchteile der Münzeinheiten fortgelassen sind.

1. Goldgulden und Gulden in Münze[36] (fl.).
1543: 3546 Goldg. = 4137 fl., 1 Goldg. = 1,17 fl.
1561: 0400 = 0500 1 = 1,25
2. Ungarische Gulden und Gulden in Münze.
1560: 4016 ung. G. = 05 020 fl., 1 ung. G. = 1,25 fl.
1561: 7580 = 09 475 1 = 1,24
1562: 8952 = 10 191 1 = 1,14 (?)
3. Venetian. Dukaten und Gulden in Münze.
1533: 12 583 D. = 16 232 fl., 1 D. = 1,29 fl.
1543: 08 318 = 11 146 1 = 1,34
1549: 24 348 = 33 600 1 = 1,38
1555: 13 009 = 48 343 1 = 1,41
1560: 31 683 = 44 673 1 = 1,41
1562: 25 492 = 35 944 1 = 1,41
4. Flämisch Livre und Gulden in Münze.
1533: 04 235 L. = 019 360 fl., 1 L. = 4,57 fl.
1543: 40 481 = 187 948 1 = 4,64
1545: 57 649 = 266 072 1 = 4,61
1547: 34 011 = 156 974 1 = 4,61
1549: 57 713 = 271 591 1 = 4,70
1551: 44 280 = 208 379 1 = 4,70
1555: 16 419 = 077 268 1 = 4,70
1557: 23 744 = 111 749 1 = 4,70
1560: 35 927 = 162 692 1 = 4,53
1561: 22 153 = 102 245 1 = 4,61
1562: 24 857 = 114 729 1 = 4,61
5. Französisch Livre und Gulden in Münze.
1543: 09 538 L. = 06 358 fl., 1 L. = 0,67 fl.
1557: 05 268 = 03 365 1 = 0,64
1560: 10 842 = 07 225 1 = 0,67
1561: 13 633 = 08 595 1 = 0,63
1562: 54 783 = 34 933 1 = 0,63
6. Französische Krone und Gulden in Münze.
1543: 00 705 K. = 01 081 fl., 1 K. = 1,53 fl.
1547: 44 767 = 67 140 1 = 1,50
7. Joachimsthaler und Gulden in Münze.
1543: 300 J. = 335 fl., 1 J. = 1,12 fl.

[65] Auf die hier zu beobachtenden Schwankungen näher einzugehen, würde an dieser Stelle zu weit führen.


2. Der Geschäftsgewinn und die Beteiligung fremden Kapitals.

Den Abschluss einer jeden Generalrechnung bildet die Feststellung des Gewinnes, sowohl für das ganze Unternehmen, als auch für die einzelnen Teilhaber an demselben. Letzteren gegenüber findet dabei gleichzeitig eine Abrechnung über die im Laufe der Rechnungsperiode empfangenen Vorschüsse statt, sodass ihr debet und credit schliesslich miteinander verglichen werden kann. Nicht immer wurde der ganze Gewinn ausgeteilt, sondern man trug bisweilen einen Teil desselben auf die neue Rechnung vor, teils um abzurunden, teils aus anderen Gründen. Im Jahre 1533 betrug der thatsächliche Gewinn 85 461 fl., von denen 20 000 fl. vorgetragen wurden; sonst handelt es sich aber dabei um relativ unbedeutende Summen.

In Beziehung auf die Art der Gewinnverteilung sind zwei Perioden zu unterscheiden. Bis zum Jahre 1557 wurden die Gewinnanteile nach dem Massstabe des von dem einzelnen beigesteuerten gewinnberechtigten Betriebskapitales festgesetzt. In dem genannten Jahre kam dagegen eine besondere Vereinbarung zustande, die auch in dem Geheimbuche Aufnahme fand. Danach sollte für die Zukunft jeder der vier Teilhaber aus dem Ertrage des Handels eine jährliche Rente von 5 % seines Anteils am Betriebskapital zunächst erhalten. Der dann noch vorhandene Gewinn sollte aber nicht mehr im Verhältnis zu dem Anteil der einzelnen, sondern zu gleichen Teilen unter den vier Inhabern verteilt werden[37]. Die Veranlassung zu [66] dieser Aenderung ist nicht ersichtlich; erwägt man jedoch ihre Vorteile und Nachteile, so leuchtet ein, dass sie für die Teilhaber mit geringerem Kapital günstiger war als für die höchst beteiligten, deren Ueberschuss über den Anteil ihrer weniger zahlungsfähigen Genossen in Zukunft nur noch mit 5 % honoriert wurde, während sie bisher davon eine Dividende nach dem Massstabe des sehr viel höheren Geschäftsgewinnes bezogen hatten. Es liegt daher nahe, hierin ein Zugeständnis der Höchstbeteiligten zu sehen, zu dem sie vielleicht veranlasst wurden durch den Umstand, dass ihre weniger hoch beteiligten Socii die Hauptlast der Geschäftsführung zu tragen hatten oder das Gedeihen des Ganzen von der Intelligenz und Leistungsfähigkeit derselben vornehmlich abhing.

Das Betriebskapital, welches den verschiedenartigen Unternehmungen der Gesellschaft zu Grunde lag, setzte sich im allgemeinen aus fünf Posten zusammen. Zunächst kommen in Betracht die Anteile der Geschäftsinhaber und ihrer Mitverwandten, das sogenannte Hauptgut, dann die „Fürlegung“ derselben, ferner der Anteil der Gesellschaftsbeamten, weiter die „Fürlegung“ dieser und endlich die Summen, welche fremde und dem Geschäftsbetriebe sonst fernstehende Personen im Handel angelegt hatten. Für die letzten Posten wird im Folgenden die Bezeichnung „fremdes Kapital“ gebraucht werden. Regelmässig am Gewinn und Verlust beteiligt waren die Anteile der Inhaber und ihrer Beamten; das fremde Kapital hatte nur Anspruch auf Verzinsung. Unsicher und schwankend ist dagegen der geschäftliche Charakter der Einzahlungen, die als Fürlegung bezeichnet werden. Oft ergiebt sich deutlich, dass hierunter Kapitaleinlagen zu verstehen sind, welche die Geschäftsinhaber oder ihre Beamten noch neben dem eigentlichen Geschäftsanteil gewissermassen privatim machten, und von denen ebenfalls nur Zinsen gezahlt wurden. Bisweilen aber scheint man so auch Nachzahlungen genannt zu haben, die zur Abrundung und Vergrösserung des eigentlichen Geschäftsanteils [67] geleistet wurden und dann ebenfalls am Gewinn vollen Anteil hatten. Derartige Fürlegungen erreichten nicht selten eine im Vergleich mit dem sogenannten Hauptgut nicht unbeträchtliche Höhe. So kamen 1533 auf ein Hauptgut von 90 815 fl. Fürlegungen von 15 369 fl., 1541 betrug das Hauptgut 329 404 fl., die Fürlegung 38 148 fl., 1553 das erstere 154 003 fl., die letztere 50 098 fl., 1555 sind die Zahlen 146 246 fl. und 21 666 fl. In der bereits erwähnten Abmachung von 1557 einigten sich die vier Geschäftsinhaber dahin, in Zukunft weder selbst etwas fürzulegen, noch ihren Dienern dies zu gestatten[38].

Ueber den Geschäftsgewinn während der vorliegenden Periode giebt die folgende Tabelle weiteren Aufschluss[39].

Tabelle V.
Abrechnungsperiode Betriebskapital
mit Gewinnanteil
Gesamtgewinn Jahres-
durchschnitt
fl. Proz. Proz.
1. 9. 1531 – 1. 9. 1533 106 184[40] 061 ½ 30,75
1. 9. 1541 – 1. 9. 1543[41] 339 527 024,0 12,00
1. 9. 1543 – 1. 9. 1545 301 371 029,0 14,50
1. 9. 1545 – 1. 9. 1547 365 730 026,0 13,00
1. 9. 1547 – 1. 9. 1549 367 548 033,0 16,50
1. 9. 1549 – 1. 9. 1551 329 404 026,0 13,00
1. 9. 1551 – 1. 11. 1553 351 732 027,0 12,46
1. 11. 1553 – 1. 1. 1555 154 003 028,0 12,90
1. 1. 1555 – 1. 1. 1557 146 264 021,1 10,55
1. 1. 1557 – 1. 1. 1560 140 246 119,0 39,70
1. 1. 1560 – 1. 1. 1561 243 691 010,0 10,00
1. 1. 1561 – 1. 1. 1562 262 411 ? ?

[68] Die Geschäftsergebnisse dieser 30 Jahre bestätigen im allgemeinen die von mir in anderem Zusammenhange vorgetragene Ansicht, dass Geld- und Warenhandel vereint, wie er von den grossen Geschäften jener Zeit meist betrieben wurde, dauernd Gewinne zwischen 10 und 20 % abgeworfen habe[42]. Da, wo sich die erzielten Ueberschüsse über diese Grenze zu erheben scheinen, ist der vornehmste Grund dafür eine im Verhältnis zur Ausdehnung des Geschäftes geringe Höhe des gewinnberechtigten Betriebskapitales, die sowohl 1533 als auch 1560 zu konstatieren ist. Dieser zweimal hervortretende Zusammenhang zwischen relativ geringem Gewinndivisor und besonders hohen Dividenden giebt einen methodisch wichtigen Fingerzeig zur Beurteilung derjenigen vereinzelten Angaben über Kaufmannsgewinn im Mittelalter, die bisher wegen ihrer exorbitanten Höhe vielfach Zweifel an ihrer Richtigkeit hervorgerufen haben. Geschäftskapital im engeren Sinne, d. h. mit Gewinnberechtigung, und Umfang des Betriebes standen durchaus nicht immer in einem proportionellen Verhältnis zueinander, vielmehr tritt in der Entwickelung dieses Hauses wenigstens die eigentümliche Erscheinung zu Tage, dass mit zunehmendem Geschäftsumfange unter Umständen eine Herabminderung des gewinnberechtigten Betriebskapitales verbunden sein konnte.

Die Gewinnsätze der letzten Jahre von 1557 an geben übrigens den thatsächlichen Gewinn nur unvollkommen wieder, indem die Inhaber ausserdem noch eine jährliche Rente von 5 % von ihren Anteilen vorweg bezogen, wie in jenem Jahre ausgemacht worden war, und der Gewinn erst nach Abzug dieser Rente berechnet wurde. Bei Aufstellung der Bilanz wird [69] thatsächlich diese 5 proz. Rente unter den sonstigen Verpflichtungen des Hauses, von denen noch die Rede sein wird, den einzelnen Teilhabern gutgeschrieben und erst dann der Gewinn, welcher in vier gleiche Teile ging, ermittelt. Somit erzielte die Gesellschaft in dem letzten Jahre 1560/61 insgesamt 15 % vom gewinnberechtigten Kapital als Reinüberschuss.

Die geringe Höhe des gewinnberechtigten Betriebskapitales im Jahre 1533 erklärt sich genügend daraus, dass die Firma damals sich in ihren Anfängen befand. Die Herabsetzung, welche von 1553 an zu beobachten ist, hatte dagegen eine besondere Veranlassung. In diesem Jahre schied der eine Gründer des Hauses, der alte Ulrich Link, aus dem Kreise der thätigen Teilhaber aus. Seine Anteil im Betrage von 195 000 fl. blieb jedoch vorläufig im Geschäft, aber nicht mehr mit der Beteiligung am Gewinn und Verlust, sondern als Einlage, die zu dem Vorzugsfusse von 7 ½ % verzinst werden sollte. Da die zur Verfügung stehende Kapitalkraft somit nicht vermindert worden war, sahen die nunmehrigen Inhaber, zu denen auch der Sohn des alten Link gehörte, von der Erhöhung des Betriebskapitales und der Aufnahme eines neuen Teilhabers umsomehr ab, als bei einigermassen günstigem Geschäftsgange die Herabsetzung des eigentlichen Betriebskapitales ihnen ganz besonders hohe Dividenden sichern musste. Diese Erwartung erfüllte sich in den Jahren 1557–1560 in glänzender Weise. Inzwischen starb aber der ausgeschiedene ehemalige Geschäftsinhaber Ulrich Link, seine Einlage musste an die Erben ausgezahlt werden, und an die Leiter der Gesellschaft trat nunmehr die Notwendigkeit heran, für Ersatz zu sorgen und ihrem Betriebe neues Kapital zuzuführen, das bei der damals gerade erfolgten weiten Ausdehnung ihrer Unternehmungen nicht zu entbehren war. Und zwar konnte es sich nur darum handeln, entweder einen neuen, vollberechtigten Socius aufzunehmen, oder einen stillen Teilhaber zu finden, der sich mit einer gleichmässigen [70] Verzinsung begnügte, ohne die volle Teilnahme am Gewinn zu beanspruchen. Es ist ein Beweis für den flüssigen Stand des Geldmarktes und den Kredit der Firma, dass der letzte Weg eingeschlagen werden konnte. In der Generalrechnung des Jahres 1560 ist das Konto Ulrich Link’s verschwunden, und an seiner Stelle findet sich ein Konsortium von drei Männern, Melchior Manlich, Matthäus Haug und Wolfgang Hörwart, das insgesamt 194 504 fl. gegen Zins eingelegt hatte[43]. Zu welchem Prozentsatze die Verzinsung stattfinden sollte, ist leider nicht gesagt. Im Jahre 1561 steigt der Anteil dieses Konsortiums stiller Teilhaber auf 201 429 fl.; gleichzeitig aber erhöhten auch die Geschäftsinhaber das gewinnberechtigte Betriebskapital um mehr als 100 000 fl., und im folgenden Jahre fand eine nochmalige Erhöhung um fast 20 000 fl. statt. So wusste sich das Bedürfnis nach reichlicheren Mitteln trotz der Vorteile, welche die geringe Höhe des eigentlichen Betriebskapitales den Gesellschaftern gebracht hatte, schliesslich doch geltend zu machen.

Indessen wurde die Heranziehung fremden Kapitals nicht nur durch die geschilderten Verhältnisse notwendig gemacht; dasselbe nahm vielmehr von der Begründung des Hauses an in erheblichem Umfange an seinen Unternehmungen teil. Und nicht nur bei der Firma Haug und Link war dies der Fall, sondern es ist eine für den Wirtschaftsbetrieb und die kommerzielle Entwickelung dieser Epoche charakteristische Erscheinung, dass den grossen Handelshäusern und ihrem bahnbrechenden Wirken das Privatkapital thatkräftig zur Seite tritt. Die Notwendigkeit der Kapitalassoziation machte sich damals [71] gerade so geltend wie heutzutage, und wenn in der Gegenwart grosse wirtschaftliche Unternehmungen, besonders finanzieller Art, nur ausnahmsweise von einem einzelnen durchgeführt werden können, so waren auch in jener Zeit selbst die bedeutendsten Handels- und Bankhäuser meist nicht in der Lage, den Anforderungen, welche der Geldbedarf der Staaten und ihrer Regenten, sowie der Umfang der eigenen industriellen und merkantilen Thätigkeit stellte, ganz aus eigener Kraft gerecht zu werden. Die Komplettierung unzureichender individueller Kräfte und die Heranziehung weiterer Kreise und deren wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit zur Mitarbeit an irgend welchen grossen Unternehmungen, die das Können des einzelnen übersteigen, geschieht gegenwärtig in der Weise, dass vermittelst der Aktiengesellschaften und ähnlicher Korporationen das Privatkapital den Zwecken des eigentlichen Unternehmers dienstbar gemacht wird. Ebenso vermöchten auch die grössten Banken der Neuzeit der häufig an sie herantretenden Aufgabe, staatliche und kommunale Anleihen zu übernehmen, dauernd nicht zu genügen, wenn sie nicht sicher wären, in dem Privatkapital einen mächtigen Bundesgenossen zu finden. Dem Mittelalter, besonders dem 15. und 16. Jahrhundert, war dies Bedürfnis nicht fremd, aber die Mittel und Formen, in denen sich die Kapitalassoziation vollzog, waren andere, nicht nur in ihrem Aeusseren, sondern auch in ihrem wirtschaftlichen Wirken, ausgestattet mit Vorzügen und Nachteilen besonderer Art.

Und zwar scheint mir, wenn man die Sache vom allgemeinwirtschaftlichen Standpunkte betrachtet, der wesentliche Unterschied darin zu bestehen, dass die Beteiligung des Privatkapitals an solchen Unternehmungen heutzutage unmittelbar erfolgt, während sie früher nur mittelbar stattfand. Der moderne Bankier, der eine Staatsanleihe übernommen hat, ist darauf bedacht, die Schuldscheine möglichst bald wieder in dem grossen Kreise der Privatkapitalisten unterzubringen, deren Beistand das Geschäft meist erst möglich macht, und in je weiterem [72] Umfange ihm dieses gelingt, umsomehr scheidet er selbst aus dem ganzen Unternehmen aus. Der Privatkapitalist wird durch den Erwerb eines derartigen Schuldscheins direkt Gläubiger des Geldbedürftigen, er streicht den Gewinn ein, trägt aber auch die Verluste, die aus Geschäften dieser Art erwachsen können. Aehnlich liegt die Sache bei Begründung einer Aktiengesellschaft; auch hier hört das Risiko des eigentlichen Unternehmers im allgemeinen auf, sobald es ihm gelungen ist, die Beteiligung des privaten Kapitals in genügendem Umfange herbeizuführen. Anders im Mittelalter. Der Kaufmann, der, meist in Verbindung mit anderen, das Geldbedürfnis eines Fürsten zu befriedigen unternahm, blieb dauernd der Gläubiger desselben, und wenn, was das Gewöhnliche war, die Unzulänglichkeit der eigenen Kräfte ihn zur Inanspruchnahme der Hülfe des Privatkapitals nötigte, so geschah dies in der Weise, dass er selbst dafür Schuldner wurde und das Geld auf seinen Namen lieh, um es dann weiter zu verleihen. Der Privatmann, der das Geld einem solchen Kaufmann anvertraut hatte, blieb den Unternehmungen finanzieller, industrieller oder kommerzieller Art fern, die jener damit betrieb; er erhielt seine Zinsen, Gewinn und Verlust aber traf den Unternehmer oder den Kreis von Unternehmern, die sich dazu verbunden hatten, allein. Erst dann, wenn die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit und Kraft dieser völlig gebrochen war, traten die Folgen verunglückter Spekulationen auch an den Privatkapitalisten heran, der sein Geld unter ihrer Flagge gewagt hatte.

Die Vorzüge, welche dieser Art der Kapitalassoziation innewohnten, liegen auf der Hand. Es musste sich daraus eine im Verhältnis zu den Zeitumständen und der individuellen kaufmännischen Intelligenz und Redlichkeit erheblich grössere Sicherheit für den privaten Teilnehmer an solchen Geschäften ergeben, als sie in der Gegenwart oft vorhanden ist. Dass die Entrepreneure zweifelhafter Staatsanleihen, die Begründer fauler Aktienunternehmungen nach Einstreichung hoher Provisionen [73] und Gründergewinne weiter florieren, während das zur Beteiligung herangezogene Privatkapital verloren geht, konnte unter diesen Umständen kaum vorkommen. Vielmehr lag es im eigensten Interesse des sachverständigen Unternehmers, Kaufmanns und Bankiers, welcher die Entwickelung der Dinge zugleich am besten zu überschauen und am leichtesten zu beeinflussen vermochte, Verluste von seiner privatkapitalistischen Gefolgschaft abzuwehren. Denn er haftete ihr bis zuletzt mit seinem Hab und Gut, mit seinem Kredit und seinem guten Namen. An ihn hielten sich die in ihrer Erwartung Getäuschten, nicht an den für sie unerreichbaren, wortbrüchigen Fürsten oder die in unkontrollierbarer Ferne sich abspielenden Unternehmungen. Sein Ruin musste erfolgen, wenn er ihr Kapital nicht zu retten vermochte.

Solchen Vorzügen standen aber nicht unbedeutende Nachteile gegenüber. Der mit privatem Kapital alliierte Kaufmann musste notwendiger Weise sein Augenmerk auf Unternehmungen von besonders hoher Rentabilität richten, die ihm nicht nur einen, seinem Risiko entsprechenden Gewinn in Aussicht stellten, sondern zugleich die Verzinsung des eingelegten fremden Kapitals ermöglichten. Diese Notwendigkeit konnte einerseits auf die Unternehmungslust lähmend wirken, sobald es sich um nur bescheidene Gewinnchancen handelte, andererseits konnte durch sie unter Umständen die Neigung zu wagehalsigen Spekulationen grossgezogen werden, die auch das Privatkapital leicht schweren Katastrophen entgegenführten. Besonders komplizierte diese Art der Heranziehung weiterer Kapitalistenkreise die Uebernahme von Staatsanleihen und ähnlichen Finanzgeschäften, indem der Geldgeber und Bankier sich gezwungen sah, eine Verzinsung zu fordern, deren Höhe den Privatzinsfuss jener Zeit erheblich übertraf. Dieser aussergewöhnliche Zinsfuss, der für die fürstlichen Anleihen des 16. Jahrhunderts charakteristisch ist und beim Vorhandensein einigen Risikos sich leicht zu einer exorbitanten Höhe erhob, hatte dann aber oft die natürliche Folge, [74] dass die Schuldner auch bei gutem Willen ihren Verpflichtungen nicht nachzukommen vermochten und sich unter dem, auf diese Weise leicht entstehenden Eindruck, vom Bankier übervorteilt und ausgewuchert zu werden, um so schneller dazu entschlossen, die Erfüllung ihrer Zusagen von Jahr zu Jahr zu verschieben oder mittelst gewaltsamer Kapitalreduzierungen und Zinsverkürzungen, am Ende auf dem Wege des Staatsbankrottes, aus ihren finanziellen Nöten herauszukommen. Dass auch dann das indirekt teilnehmende Privatkapital bedroht war, liegt auf der Hand. So findet sich Licht und Schatten nebeneinander, und es dürfte schwer sein anzugeben, was im allgemeinen und auf die Dauer überwog. Keinesfalls aber darf die zunehmende Beteiligung von Privatkapitalisten an derartigen Unternehmungen an und für sich als ein Indicium allgemeinen, wirtschaftlichen Niederganges gedeutet werden; es war dieses ebensowenig, als wenn in der Gegenwart Banken, Fabriken und Bergwerke sich in grösserer Anzahl aus Unternehmungen einzelner in Aktiengesellschaften verwandeln.

Die fremden Kapitalien, mit denen die Firma Haug und Link arbeitete, sind in einem besonderen Konto enthalten, das unter der Ueberschrift „Was wir schuldig bleiben“ oder „Unsere Creditori“ am Ende jeder Abrechnung aufgestellt wird. Dagegen sind die Passiva der einzelnen Faktoreien bereits bei Aufstellung ihrer Bilanz, der Berechnung des sogenannten Reichtums, berücksichtigt[44], so dass dieses Konto eigentliche laufende Geschäftsschulden an Lieferanten und dergleichen im allgemeinen nicht zu enthalten scheint. Fasst man die hier angegebenen Beträge näher ins Auge, so ergiebt sich im einzelnen folgendes. Zunächst werden unter dieser Ueberschrift regelmässig die Summen gebucht, welche als nur verzinsliche Fürlegung von den Geschäftsinhabern, ihren Mitverwandten und Beamten eingezahlt [75] waren, sowie daraufhin noch vorhandene rückständige Zinsen. Auch die 5 proz. Rente, die den Geschäftsinhabern seit 1557 von ihrem Geschäftsanteil zustand, ist regelmässig hier verrechnet worden. Dazu kommen die Vorschüsse und Auslagen, die einzelne Geschäftsinhaber oder Mitverwandte während der Rechnungsperiode im Interesse des Ganzen geleistet hatten, z. B. bei Gelegenheit von Geschäftsreisen, zum Zwecke des Unterhaltes von Dienern und Rossen, zur Bestreitung des Hauszinses, der Beleuchtung und Heizung der Handelszwecken gewidmeten Räume, bei Bewirtung fremder Gäste und dergl. mehr. Ferner haben hier Aufnahme gefunden alle noch nicht beglichenen Forderungen der Diener an Gehalt, Dividenden und „Verehrungen“; auch die von Gesellschaftswegen armen Leuten gewährten Almosen[45] sowie rückständige Zölle sind hier gebucht. Eine zweite Gruppe bilden die Einzahlungen von Familienangehörigen, darunter bisweilen ganze Vermögen verstorbener Geschäftsinhaber oder deren Wittwen, die im Interesse der Erben gegen bestimmten Zins zunächst weiter im Geschäfte thätig waren. Selbst der Inhalt der Sparkassen jüngerer Familienmitglieder fand hier nutzbringende Verwendung[46]. Eine dritte Gruppe endlich umfasst die Verpflichtungen gegenüber dem Geschäft sonst fernstehenden Personen, und hier haben wir wohl vornehmlich die Ergebnisse vor uns, zu denen die Notwendigkeit der Kapitalassociation führte, wennschon nicht ausgeschlossen ist, dass auch Geschäftsgläubiger im engeren Sinne, Lieferanten und dergleichen hier bisweilen Aufnahme gefunden haben. Neben den einzelnen Namen dieser Gruppe steht oft ein Datum, dessen Bedeutung nicht ganz klar ist; vielleicht giebt es eine Andeutung über den Rückzahlungstermin oder die Zinszahlung. Nicht selten wird bemerkt, dass die angegebene Summe das [76] Kapital samt den fälligen Zinsen darstellt, woraus wohl geschlossen werden darf, dass in den anderen Fällen die Zinsen bereits abgehoben waren. Die Höhe des Zinsfusses wird nur unregelmässig überliefert; abgesehen von dem Konto des Ulrich Link und einigen, noch in anderem Zusammenhange zu besprechenden Beamteneinlagen ist mir kein höherer Zinsfuss als 5 % begegnet.

Bei den einzelnen Generalrechnungen verhalten sich nun die verschiedenen Gruppen dieses Kontos zu einander und zu dem gewinnberechtigten Betriebskapital in folgender Weise.

Tabelle VI.
Jahr Gesamt-
summe[47]
Anteil der
Geschäfts-
inhaber
Anteil von
Familien-
angehörigen
Anteil
der
Beamten
Sonstige Gewinn-
berechtigtes
Betriebs-
kapital
fl. fl. fl. fl. fl. fl.
1533 235 306 38 663 033 277 01 493 161 873 106 184
1543 156 851 19 503 023 243 13 445 100 660 339 527
1545 203 964 08 736 084 048[48] 15 886 095 294 301 371
1547 135 875 22 869 018 813 11 789 082 434 365 730
1549 183 087 61 664 020 657 17 068 083 698 367 548
1551 288 896[49] 47 826 034 804 27 832 178 434[49] 329 404
1553 252 470 68 668 017 341 31 149 135 312 351 732
1555 480 325[50] 61 651 278 609[50] 40 838 099 227 154 003
1557 522 314 24 521 249 181 54 636 193 979 146 264
1560 647 762 24 806 064 541[51] 55 316 503 089 140 246
1561 641 612 21 159 060 679 44 141 515 533 243 691
1562 ? ? ? ? ? 262 411

[77] Die bedeutende Zunahme des im Geschäft thätigen fremden Kapitals, dessen Höhe vornehmlich nach dem Inhalt der Rubriken „Sonstige“ und „Anteil von Familienangehörigen“ zu beurteilen ist, erklärt sich einmal aus dem allmählichen Ausscheiden der Geschäftsinhaber erster Generation, für deren Anteil auf diese Weise Ersatz zu schaffen für die Zurückbleibenden vorteilhafter war, als wenn sie den Kreis der vollberechtigten Teilhaber durch Aufnahme neuer Socii erweitert hätten. Allerdings wurde das Betriebskapital im engeren Sinne dadurch für eine Anzahl Jahre in ein auffallendes Missverhältnis zum fremden Kapital gebracht. Diese Herabminderung der vollberechtigten Geschäftsanteile eröffnete aber gleichzeitig die Aussicht auf ausserordentliche Dividenden, die mit Hülfe des anspruchsloseren fremden Kapitals herausgewirtschaftet wurden, und setzte dadurch die Geschäftsinhaber in die Lage, bald wieder einer Erhöhung ihrer eigenen Anteile näher treten zu können. Dafür, dass der mehrjährige niedrige Stand des gewinnberechtigten Kapitals nicht etwa aus einer äusseren Notlage, sondern aus einer zielbewussten Geschäftspolitik der Leiter der Firma hervorgegangen ist, liegt ein ganz bestimmter Beweis vor in dem schon genannten Abkommen des Jahres 1557. In demselben heisst es: „Bei Beschlus dieser unser General-Raittung haben wir uns hernachgenannten Gesellschafter mit einander verglichen, … dass wir … nicht fürlegen … noch einigen anderen, ausgenommen uns obgemelten vier Gesellschaftern im Handel zu Gewin und Verlust, mit wenig oder vil, wollen anligen lassen, sondern [78] uns in anderer weg freundlich mit Inen vergleichen“[52]. Man wollte also keine neuen Teilhaber mit vollem Anspruch an Gewinn und Verlust, weil man gewiss war, das zur Ausfüllung der entstandenen Lücken und Erweiterung des Betriebes nötige Kapital zu erhalten, auch ohne dass man durch Einräumung voller Gleichberechtigung den eigenen Anteil am Geschäftsgewinn verkürzte. Und man wollte nicht nur neue Teilhaber fernhalten, sondern ging auch damit um, die ausser den vier Geschäftsinhabern noch vorhandenen vermittelst „freundlichen Vergleiches“ hinauszudrängen, was denn auch thatsächlich geschah. Die Verfolgung derartiger Tendenzen deutet aber sowohl auf einen sehr flüssigen Stand des Geldmarktes als auch auf eine günstige, geschäftliche Situation, da es im anderen Fall für die Leiter der Firma vorteilhafter gewesen wäre, durch Aufnahme neuer, zahlungsfähiger Genossen das eigene Risiko zu erleichtern.

Neben den gelegentlichen Veränderungen in der Zusammensetzung der Gesellschaft und neben dieser eigenartigen Geschäftspolitik war es die Ausdehnung der Unternehmungen des Hauses, welche die Heranziehung fremden Kapitals in weitem Umfange nötig machte, sobald aus jenen Gründen das gewinnberechtigte Betriebskapital geringer geworden war. Sieht man näher zu, so zeigt sich namentlich ein gewisser Zusammenhang zwischen dem Bedürfnis nach Kapitalassociation und der Uebernahme von Staatsanleihen sowie der Ausdehnung des Bergwerksbetriebes, d. h. von wirtschaftlichen Aufgaben, zu deren Leistung auch in der Gegenwart die Mitwirkung des Privatkapitals meist nicht entbehrt werden kann. Stellt man nämlich auf Grund der früheren Tabellen den Wert des Schwatzer und Lyoner Kontos sowie der Hofverträge auf der einen (A), den Inhalt der Rubriken „Anteil von Familienangehörigen“ und „Sonstige“, welche [79] das im Geschäft steckende fremde Kapital enthalten, auf der anderen Seite (B) zusammen, so ergiebt sich für die Jahre 1533, 1543, 1551 und 1561 folgendes Resultat.

Tabelle VII.
Jahr A. B.
fl. fl.
1533 152 699 194 850
1543 113 671 123 849
1551 249 659 213 238
1561 434 210 374 783[53]

Der Bedarf an fremdem Kapital stieg und sank also im allgemeinen, je nachdem die Gesellschaft Finanz- und Bergwerksunternehmungen in weiterem oder geringerem Umfange betrieb. Für den eigentlichen Handel und die sonstigen Geschäfte scheint man dagegen der privatkapitalistischen Bundesgenossen weniger bedurft zu haben, abgesehen von dem Falle, dass das Ausscheiden eines Genossen es nötig machte, Ersatz herbeizuschaffen, den man lieber auf diese Weise als durch Erweiterung des Kreises der Vollberechtigten gewann.


3. Die Lage der Gesellschaftsbeamten.

Untersuchungen über den deutschen Handel im 16. Jahrhundert dürfen auch nicht vorübergehen an den bescheidenen, selten genannten Persönlichkeiten, die als Gehilfen und Diener den Grosskaufleuten zur Seite standen, und von deren Leistungsfähigkeit das Wohl und Wehe dieser Geschäfte nicht zum wenigsten abhing, wenn sie auch nur ausnahmsweise [80] hinter den Kulissen hervortreten. Erwägt man ernstlich die territoriale Ausbreitung der kommerziellen Unternehmungen von den Küsten des adriatischen Meeres bis zur Weichselmündung, von der Schelde bis zu den Karpathen, die Verteilung des Betriebes auf zahlreiche Filialen, die politische Zersplitterung der in den Bereich ihrer Geschäftsthätigkeit gezogenen Gebiete und die wenig entwickelten, durch diese Zersplitterung noch besonders schwierig gestalteten Verkehrsverhältnisse der Zeit, erwägt man dieses alles, so wird man sich des Gefühls der Achtung vor den Kenntnissen, der selbständigen Intelligenz und Redlichkeit nicht entschlagen können, über welche diese Männer verfügt haben müssen, um die ihnen anvertrauten Interessen mit Erfolg wahren und vertreten zu können, ohne beständig durch Telegraphen und Telephon gegängelt zu werden. Wenn daher die politische Geschichte unter Umständen es als eine Bereicherung empfindet, die Persönlichkeit, den Bildungsgang und die Lebensverhältnisse fürstlicher Räte oder die sozialen Zustände innerhalb einer Beamtenschaft aufgehellt und dargestellt zu sehen, so wird die Wirtschaftsgeschichte sich früher oder später auch der Aufgabe unterziehen müssen, das Milieu zu ermitteln, in welchem die Männer lebten, die den dauerhaften Unterbau der grossen wirtschaftlichen Organismen jener Tage bildeten[54].

Das vorliegende Geheimbuch giebt über die Verhältnisse der Gesellschaftsbeamten mannigfaltige Aufschlüsse; dieselben beschränken sich aber, dem Charakter der Quelle entsprechend, vorwiegend auf die wirtschaftliche Lage und schliessen Nachrichten biographischen Charakters fast ganz aus. Die Namen der einzelnen, ihre Besoldung und Geschäftseinlage, die ihnen [81] gewährten Vorschüsse und Verehrungen bis auf die Hochzeitsgeschenke werden sorgsam gebucht, aber schon die Namen der Faktoreien, zu denen sie gehörten, hat man nur selten hinzugefügt, und es ist ein glücklicher Zufall, der ein Streiflicht auf diese Verhältnisse wirft, wenn gelegentlich einmal erwähnt wird, dass einer der „Diener“ in der Zeit von 1560–1561 erst in Nürnberg, dann in Breslau, ein anderer anfangs in Lyon und darauf in Danzig thätig war. Ebensowenig ist zu ersehen, in welchem Umfange die sogenannten Mitverwandten der Geschäftsinhaber, meist ihre Söhne und andere jüngere Familienangehörige, Beamtenfunktionen verrichteten, indem sie einzelne Zweigniederlassungen leiteten oder die notwendigen Revisions- und Inspektionsreisen übernahmen, von denen kaufmännische Tagebücher dieser Zeit, z. B. das des Lukas Rem, mancherlei zu berichten wissen. Aus der bisweilen ziemlich grossen Zahl solcher Mitverwandten ist aber wohl der Schluss zu ziehen, dass dies zeitweise wenigstens der Fall war, bis dann die Geschäftspolitik der letzten Jahre mit diesen dividendenberechtigten Mitverwandten aufräumte[55]. Ueberhaupt scheint der Unterschied zwischen Mitverwandten und Dienern schwankend und namentlich anfangs mehr socialer als rechtlicher Art gewesen zu sein, da in dem Geheimbuche Diener genannt werden, die ebensowenig wie jene Gehalt bezogen, sondern als Entschädigung für ihre Thätigkeit nur die Dividenden erhielten, die ihnen auf Grund ihrer Kapitalbeteiligung gerade so wie den Mitverwandten zustanden.

Ueber die Zusammensetzung der Beamtenschaft des Hauses, ihre Besoldung, Geschäftsbeteiligung und die in diesen Verhältnissen zu beobachtenden Aenderungen giebt die folgende Uebersicht über die Lage der Dinge im Jahre 1533, 1543, 1551 und 1561 Auskunft.

[82]
Tabelle VIII.
Name Besoldung Sonstige Bezüge Geschäftsantheil
1533
1. Mang Dilher 3000 fl. zu Gew. u. Verlust
2. Ulrich Hainhoffer 1656 fl.
3. Hans Schaller 1359 fl.
4. Kaspar Weidemann 50 fl. 1552 fl.
5. Martin Flenzhorn 25 fl. 0617 fl.
6. Wilhelm Pimel 20 fl. 0100 fl.
7. Jörg ?[56] 18¾ fl. 0150 fl.
1543
1. Mang Dilher 9468 fl. zu Gew. u. Verlust
2195 fl. zu 5 Proz.
2. Ulrich Hainhoffer 8000 fl. zu Gew. u. Verlust
1351 fl. zu 5 Proz.
3. Martin Flenzhorn 100 fl. Verehrung 5000 fl. zu Gew. u. Verlust
4. Hans Schaller 2761 fl. zu Gew. u. Verlust
2150 fl. zu 5 Proz.
5. Panthaleon Schwarz 100 fl. 200 fl. Verehrung 2390 fl. zu Gew. u. Verlust
250 fl. zu 5 Proz.
6. Wilhelm Beurer 60 fl. 600 fl. zu Gew. u. Verlust
1078 fl. zu 5 Proz.
7. Michel Hainhoffer 100 fl. Verehrung 400 fl. zu Gew. u. Verlust
1551
1. Panthaleon Schwarz 150 fl. 200 fl. Verehrung 4047 fl. zu Gewinn u. Verlust
2. Wilhelm Beurer 100 fl. 100 fl. Verehrung
100 fl. Hauszins,
Holz und Licht
814 fl. zu Gew. u. Verlust
558 fl. zu 5 Proz.
3. Martin Flenzhorn 600 fl. 10 650 fl. zu Gewinn u. Verlust
4. Michael Hainhoffer 125 fl. Verehrung 1201 fl. zu Gewinn u. Verlust
5. Hans Ziegler 200 fl. 150 fl. Verehrung 2801 fl. zu Gewinn u. Verlust
2731 fl.zu 5 Proz.
6. Sibold Flenzhorn 70 fl. 171 fl. Verehrung 436 fl. zu Gewinn u. Verlust
7. Hans Hurbner 25 fl. 150 fl. Verehrung 250 fl. zu Gewinn u. Verlust
8. Ulrich Hainhoffer
Scheint verstorben zu sein.
9. Ulrich Wagner 100 fl. 150 fl. Verehrung 1200 fl. zu Gewinn u. Verlust
1677 fl.zu 10 Proz.
10. Lukas Gassner 85 fl. 6000 fl. zu Gewinn u. Verlust
3705 fl. zu 8 Proz.
11. Jakob Lang 50 fl. Verehrung 459 fl. zu 5 Proz.
12. Hans Osterring 62 ½ fl. 208 fl. Verehrung 459 fl. zu Gewinn u. Verlust
13. Mang Dilher der Alte 12000 fl. zu Gewinn u. Verlust
8433 fl. zu 5 Proz.

[83]

Name Besoldung Sonstige Bezüge Geschäftsantheil
14. Mang Dilher der Junge 40 fl. 25 fl. Verehrung
15. Hans Doll 135 fl. 50 fl. Verehrung
50 fl. Hauszins
16. Matthias Sues 30 fl. 75 fl. Verehrung 90 fl. zu 5 Proz.
17. Franz Hoffmann 350 fl. (ein Posten,
Besoldung und Verehrung)
1561
1. Mang Dilher (der Junge) 12 000 fl. zu 12 Proz.
2403 fl. zu 5 Proz.
2. Panthal. Schwarz 1000 fl. 6382 fl. ohne Zinsen[57]
2722 fl. zu 5 Proz.
3. Wilhelm Beurer 200 fl.
4. Hans Ziegler 900 fl. 2261 fl. ohne Zinsen[57]
5. Hans Osterring 600 fl. 3524 fl. zu 5 Proz.
6. Georg Westermaier 60 fl. 980 fl. („Verehrung,
Nachlass, u.
Ergetzlichkeit
seiner Krankheit“)
477 fl. zu 5 Proz.
7. Hans Wurt 50 fl. Verehrung 395 fl. zu 5 Proz.
8. Hans Hurbner 320 fl. 123 fl. zu 5 Proz.
9. Matthias Sues 140 fl. 151 fl. 700 fl. zu 5 Proz.
10. Kaspar Rempf 300 fl. 711 fl. zu 5 Proz.
11. Kollmann Gotsch 170 fl. 200 fl. Verehrung 748 fl. zu 5 Proz.
12. Erasmus Schwabsdorfer 50 fl.

13. Gabriel Kretlin 100 fl. 100 fl. 657 fl. zu 5 Proz.
14. Jeremias Gundelfinger 75 fl. 7 fl. „Hauptgut“ (!?)
15. Franz Fries Bezugnahme auf anderweitige Auseinandersetzung,
scheinen im Vorschuss zu sein.
16. Mattheus Ulrich Schwarz
17. Hans Reinisch 400 fl. 46 fl. Verehrung
18. Hans Vogt 400 fl.
19. Rochius Frank 100 fl.
20. Mattheus Westermaier 55 fl.

Die Besoldung ist für das Jahr angegeben, die übrigen Bezüge gehören zu einer Abrechnungsperiode von 2–3 Jahren.

[84] Die Zusammensetzung des Personals, dessen Zunahme den wachsenden Umfang des Geschäftsbetriebes widerspiegelt, lässt eine ziemliche Sesshaftigkeit der einzelnen erkennen. Von den sieben Dienern, mit welchen das Geschäft begründet wurde, waren nach zehn Jahren noch vier vorhanden, von den sieben des Jahres 1543 standen 1551 noch sechs, 1561 noch drei im Dienste des Hauses, und unter den zwanzig Dienern dieses letzten Jahres waren sieben mindestens zehn Jahre in ihrer Stellung. Bisweilen scheinen Brüder und sonstige Verwandte sich hier zusammengefunden zu haben; in einem Falle bleibt das Dienstverhältnis zwei Generationen hindurch bestehen, indem an der Spitze der Nürnberger Geschäftsstelle auf Mang Dilher, den alten, Mang Dilher, der junge, folgt. Naturgemäss hat man unter diesen sogenannten Dienern kaufmännische Beamte und nicht etwa untergeordnete Gehilfen, deren es gewiss auch noch gegeben hat, zu verstehen, wie denn unter den Namen manche sich finden, die an bekannte Familien der Augsburger Kaufmannschaft erinnern[58].

In den Gehaltsverhältnissen tritt unverkennbar zunächst eine steigende Tendenz zu Tage. Während 1533 kein einziger der Beamten ein Gehalt von 100 fl. erreicht, sind es 1543 schon zwei, oder streng genommen sogar drei, welche bis zu diesem Satze gelangen. Im Jahre 1551 beziehen von siebenzehn Dienern sechs oder sieben bereits zwischen 100 und 600 fl., und 1561 beträgt die Besoldung von zwölf unter Zwanzig zwischen 100 und 1000 fl. Neben dem eigentlichen Gehalt kamen aber noch andere Bezüge in Betracht, unter denen die sogenannten Verehrungen am wichtigsten waren. Es waren dies Gratifikationen, die bei Abschluss der Rechnungsperiode anscheinend nach freiem Ermessen der Geschäftsinhaber gewährt wurden. Für das Jahr 1533 fehlen die Verehrungen ganz, [85] wahrscheinlich aber nur deshalb, weil sie nicht gebucht sind, wie überhaupt diese erste Generalrechnung in manchem anders eingerichtet ist als die folgenden. Ausserdem wurde auch bisweilen eine Art Mietsentschädigung gewährt, woraus vielleicht der Schluss gezogen werden kann, dass viele der übrigen, besonders die auswärtigen Geschäftsstellen zugeteilten, neben ihrem Bareinkommen noch freie Wohnung nebst Heizung und Beleuchtung in den Gebäuden gehabt haben werden, welche die Gesellschaft zu Handelszwecken erworben oder gemietet hatte. Auch die Ausstattung solcher Dienstwohnungen scheint zum Teil wenigstens auf Kosten der Firma erfolgt zu sein; in der Abrechnung der Faktorei Antwerpen steht 1543 ein Posten von 743 fl. für „Hausrat“ der dortigen Handelsbehausung, die selbst 1545 mit 650 L., d. h. rund 3000 fl. bewertet wurde, und ebenso wird 1561 in der Abrechnung für Danzig vergoldetes Trinkgeschirr im Werte von 48 fl. erwähnt, das für den Gebrauch der Faktorei bestimmt war. Endlich wurden auch besondere Unterstützungen in Krankheitsfällen, beziehungsweise zum Zweck der Wiederherstellung der Gesundheit gelegentlich gezahlt, wie ein Fall aus dem Jahre 1561 beweist, und die Niederschlagung von Ansprüchen der Firma, ein sogenannter Nachlass, kam verdienten Beamten gegenüber ebenfalls vor. Zahlbar waren alle diese Bezüge formell erst am Ende jeder Rechnungsperiode, thatsächlich aber gewährte man den Angestellten in der Regel einen grossen Teil dessen, worauf sie Anspruch hatten, in der Form von Vorschüssen „zu ihrer Notdurft“ voraus und stellte dann bei der Generalrechnung ihr Soll und Haben gerade so wie das der Geschäftsinhaber einander gegenüber.

Wenn die Besoldung selbst sich lange auf einer verhältnismässig niedrigen Stufe hielt, so lag dies zum Teil daran, dass die Beamten anfangs ausnahmslos mit eignem, wenn auch oft nur mässigem, Kapital an den Unternehmungen der Gesellschaft beteiligt und in den hohen Gewinnanteilen, die ihnen zufielen, die hauptsächliche Entschädigung für ihre Arbeit zu erblicken [86] gewöhnt waren. Die Firmeninhaber und ihre Gehilfen bildeten somit eine, dem Geschäftsertrage gegenüber nach Massstab des beigesteuerten Kapitals gleichberechtigte Erwerbsgenossenschaft, die nicht nur jenen, sondern auch diesen den Weg zum Wohlstande erschloss. Letzteres beweist die erhebliche Vermehrung, welche die Geschäftsanteile derjenigen Beamten erfuhren, die längere Zeit im Dienste des Hauses standen. So hob sich der Anteil Mang Dilhers von 3000 fl. im Jahre 1533 auf 24 000 fl. im Jahre 1551, Ulrich Hainhoffer hatte 1533 nur 1656 fl. eingezahlt und besass 1543 mehr als 9300 fl., Hans Schaller stieg in derselben Zeit von 1359 fl. auf 4900 fl., Martin Flenzhorn war im ersten Jahre mit 617 fl., zehn Jahre später mit 5000 fl. und nach weiteren acht Jahren mit 10 650 fl. beteiligt, und das Vermögen des Panthaleon Schwarz hatte sich von 2640 fl. im Jahre 1543 bis zu 9104 fl. vermehrt, die er 1561 sein eigen nannte. Auch die betreffenden Sätze der Tabelle VI lassen dieselbe Entwickelung erkennen, die übrigens ausserhalb des Geschäftsbetriebes dieses Hauses ebenfalls bezeugt ist[59]. Naturgemäss erwuchs aus einem derartigen Verhältnis auch den Interessen der Geschäftsinhaber mancher Vorteil, indem der Eifer ihrer Gehilfen durch die Gewissheit, bei gutem Geschäftsgange auch für sich selbst höhere Arbeitserträge zu erzielen, besonders angespornt wurde. Ebenso dienten die Geschäftsanteile derselben den Prinzipalen als Unterpfand für die Redlichkeit ihrer Organe[60], so dass die [87] Wirkungen des modernen Kautions- und Tantièmewesens durch diese Einrichtung gleichzeitig erzielt wurden.

Eine Aenderung trat in dieser Beziehung zunächst insofern ein, als es allmählich üblich wurde, die Kapitaleinlage der Diener nur zum Teil auf Gewinn und Verlust, zum Teil gegen feste Zinsen zuzulassen, wobei allerdings in einzelnen Fällen über den landesüblichen Zinsfuss weit hinausgehende Prozente zugestanden werden mussten, wahrscheinlich, um besonders bewährte Kräfte im Dienste der Gesellschaft festzuhalten. So wurden 1551 dem Jakob Lang 8 %, dem Lukas Gassner sogar 10 % zugesichert. Mit der auch in anderer Beziehung bedeutungsvollen Neuordnung von 1557 hört die Beteiligung der Gesellschaftsbeamten auf Gewinn und Verlust ganz auf, während die Einlagen gegen feste Verzinsung, zum Teil nach einem Vorzugsfusse, beibehalten wurden, da man sich der Garantien, die dieses System bot, nicht leicht begeben konnte. Das genossenschaftliche Princip, darin besteht das allgemeine Ergebnis dieser Entwickelung, welches das Verhältnis der leitenden und dienenden Geschäftsorgane anfangs beherrschte, macht in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts dem grosskapitalistischen Individualismus Platz, der zwischen Inhabern und Beamten eine scharf sich markierende Grenzlinie zieht und diese auf ihre festen Gehalts- und Zinserträge verweist, die Früchte der gemeinsamen Arbeit, die Freude am Gewinn und die Furcht vor dem Misslingen aber jenen ausschliesslich vorbehält.

Es würden sich für die Beurteilung des Entwickelungsganges, den der deutsche Handel jener Zeit genommen hat, neue Gesichtspunkte ergeben, wenn festzustellen wäre, ob dieser Fortschritt – falls es ein Fortschritt war – einer allgemein vorherrschenden Tendenz oder nur den besonderen Verhältnissen dieses Handelshauses seinen Ursprung verdankte.


  1. a b Beide Faktoreien erscheinen in den nächsten Jahren kombiniert.
  2. Die Lage dieses Ortes genau festzustellen, ist mir nicht gelungen. Sicher ist, dass er in Ungarn, wahrscheinlich in dem nördlichen Bergwerksdistrikte, gesucht werden muss, denn in „Testhen“ wie in Neusohl wurde zunächst nach ungarischen Gulden gerechnet, die dann in der Schlussabrechnung auf fl. reduziert sind. Vielleicht Trsztenna, nordwestlich vom Tatra? Zu beachten ist, dass „Test“ die Bezeichnung für eine früher beim Schmelzen von Silbererzen gebrauchte Vorrichtung ist.
  3. a b c Hier bricht die letzte der erhaltenen Generalrechnungen unmotivierterweise ab.
  4. In polnischer Währung angegeben.
  5. Vgl. Ehrenberg, Fugger, I, 234.
  6. Vielleicht auch Chemnitz.
  7. Der Geldwert der Aussenstände in Livr. flämisch, deren 1 = ca. 4,6 fl. Vgl. unten S. 64.
  8. a b Diese Bezeichnung findet sich als Zusatz zu dem eigentlichen Namen.
  9. Geldwert in Dukaten, deren 1 = ca. 1,3 fl. Vgl. unten S. 64.
  10. Vielleicht Zerbst.
  11. Die Gesellschaft besass eigene „Handelsbehausungen“ in Augsburg, Nürnberg und Antwerpen. Die beiden ersteren stehen 1533 mit 5200 und 2700 fl., 1562 mit 6000 und 3500 fl. zu Buche, die letztere wird 1545 mit rund 2990 fl., 1562 mit 7985 fl. gebucht. Es waren also wohl bedeutende Vergrösserungen vorgenommen.
  12. [50] 1 Duk. = ca. 1,35 fl.
  13. [50] Alles zusammen.
  14. a b [50] Ausnahmsweise in fl.
  15. a b [50] Mit Ulm verbunden.
  16. [50] Livr tournois = ca. 0,64 fl.
  17. [50] Alles zusammen.
  18. [50] 1 Livr = ca. 4,6 fl. flämisch.
  19. a b Guld. ungarisch = ca. 1,2 fl.
  20. a b Das Geheimbuch bricht ab.
  21. Polnische Währung.
  22. Beachtenswert ist die fast vollständige Räumung des Leipziger Warenlagers 1560/61.
  23. Siehe oben S. 41.
  24. In den ersten Jahren bildet das Frankfurter Konto einen besonderen Abschnitt der Augsburger Rechnung.
  25. Dass Augsburger Bankiers noch im 18. Jahrhundert lebhafte Beziehungen zu Italien unterhielten, habe ich in dieser Zeitschrift, Bd. IV, S. 236 ff., gezeigt.
  26. Ueber diese Rentmeisterschulden handelt ausführlicher Ehrenberg, Fugger, I, S. 161
  27. Es ist sozialgeschichtlich nicht uninteressant, in betreff des Geldbedarfes solcher Handelsherren hier noch etwas zu spezialisieren. Von 1541–1543 wurde an Vorschüssen ausgezahlt an die drei Hauptbeteiligten Ulrich Link, Anton Haug und Hans Langenauers Erben je 6895, 12 929 und 14 223 fl. An die „Mitverwandten“, meist Angehörige der Inhaberfamilien und mit eigenem Kapital beteiligt, Melchior Manlich, Ludwig Haug, Lienhart Haug, Anton Haug, je 1905, 926, 571 und 1672 fl. Von 1557 bis 1560 wurde vorausgezahlt an die vier Firmeninhaber Hans Langenauer (d. Jüngeren), Melchior Manlich, David Haug und Melchior Link je 13 916, 36 309, 16 814, 8916 fl. In dem letzten Rechnungsjahre 1561/62 erhielten dieselben 6264, 10 109, 10 732 und 7891 fl. Bei Beurteilung dieser Zahlen ist die Höhe der Geschäftsanteile der einzelnen zu berücksichtigen, von denen später die Rede sein wird. Auch besassen die Genannten ausser ihrem Geschäftsanteil wohl meist noch Privatvermögen.
  28. Der Vorsteher der Geschäftsstelle in Nürnberg, Mang Dilcher, hatte 1541–1543 Vorschüsse im Betrage von 888 fl., 1557–1560 von 1855 fl., 1560/61 von 1362 fl. erhalten.
  29. Dies können auch Kaufmannsgüter sein.
  30. So 1533 Erzbischof Albrecht von Mainz mit 5000 fl., 1543 Markgraf Joachim von Brandenburg mit 6500 fl.
  31. Charakteristisch in dieser Beziehung ist die entgegengesetzte Entwickelung der Aussenstände von Lyon, in der sich der herannahende französische Staatsbankerott schon seit langem ankündigte. Von 1553 an wächst das Schuldkonto des Königs ununterbrochen, da die Abnahme im Jahre 1561 nur scheinbar ist; die dortigen Aussenstände betrugen in jenem Jahre thatsächlich 61 518 Livr., d. i. 39 400 fl., die aber vorsichtigerweise nur mit 25 000 fl. in Rechnung gestellt wurden.
  32. König Ferdinand zahlte dauernd 10–12 % Zinsen.
  33. Das Geheimbuch enthält zahlreiche kurze Notizen hierüber, die für den Eingeweihten wohl ausreichten, uns aber ein deutliches Bild von diesen Verhältnissen nicht zu geben vermögen.
  34. In dieser Rubrik sind seit 1551 die Lyoner Aussenstände und die Posten des Vertragbuches zusammengestellt, obgleich bei letzteren nicht ausschliesslich königliche Anleihen vorliegen.
  35. Ehrenberg stellt diesen Kupferhandel in Gegensatz zu dem „soliden“ Warenhandel. Ich vermag einen Unterschied nicht zu erkennen. Im Jahre 1561 bestanden nur aus Kupfer die Warenvorräte in Leipzig, Breslau, Danzig, Krakau, Lintz, Krems, Testhen und Schwatz; kein Kupfer war in Augsburg, Frankfurt und Biberach vorhanden, während in den übrigen Faktoreien Kupfer und andere Waren neben einander vorkommen.
  36. Dies ist die gewöhnliche Rechnungseinheit im Geheimbuche.
  37. Geheimbuch II, p. 106: Und soviel uns vier Gesellschafter belangt, soviel sich jietzunder und forthan bey beschlus jeder General-Raittung, …, jedes Hauptgut befinden wirdet, soll fürs Jahr 5 % darauf gereitt und was sich bey jeder Rechnung für Ueberschuss und Nutzung befindet, jedem das vierte theil davon zugetheilt werden.
  38. …dass wir forthan weder uns selbst noch unser Diener keinem nichts weiteres von dem Handel … fürlegen wollen.
  39. Die folgenden Zahlen sind bereits von Ehrenberg, Fugger I, 228 und 232 mitgeteilt. Doch finden sich dort einige Versehen, auch wird bei der Berechnung des Jahresdurchschnitts die Verschiebung des Abrechnungstermines nicht berücksichtigt.
  40. Ehrenberg setzt hier 90 815 fl. ohne Berücksichtigung der Zuzahlungen mit Gewinnanteil; 106 184 fl. werden im Geheimbuche selbst gelegentlich der Abrechnung 1533 als gewinnberechtigtes Kapital genannt.
  41. Ehrenberg, Fugger I, 229, bezieht die Abrechnung von 1543 auf den Zeitraum von 1535–1543 und gelangt so zur Annahme eines acht [68] Jahre hindurch erzielten Gewinnes von jährlich noch nicht 3 %. Die Zusammenstellungen des Geheimbuches zu diesem Jahre enthalten aber an verschiedenen Stellen den direkten Hinweis darauf, dass sich die Abrechnung von 1543 auf die letzten zwei Jahre bezieht. Eine eigentliche Abrechnung für 1535 ist nicht vorhanden.
  42. Schmoller’s Jahrbuch, XIX, 4, 108.
  43. Dem Namen nach gehören zwei von diesen Dreien zur Verwandtschaft der Geschäftsinhaber. Anton Haug hatte die Firma mit begründet, und seine Söhne haben ihr bis zuletzt angehört. Melchior Manlich aber war damals einer der vier Teilhaber, und es ist nicht unmöglich, dass er es selbst war, der dieses Konsortium ins Leben rief und so die Abmachungen des Jahres 1557, wonach keiner der Inhaber etwas „fürlegen“ sollte, umging.
  44. Die in den früheren Tabellen mitgeteilten Zahlen dieser Art verstehen sich sämtlich nach Abzug der Passiva.
  45. So 1547 für „arme Leute“ 400 fl., 1549 1000 fl., 1553 1200 fl., 1555 1000 fl., 1560 1000 fl.
  46. Zum Jahre 1555 findet sich ein Posten von 511 fl. als „Sparhafengelder“ verschiedener Kinder der Haugschen Familie verzeichnet.
  47. Auch die Zahlen dieser Rubrik finden sich zum Teil bei Ehrenberg, Fugger I, 232, wo sie insgesamt und ohne weitere Spezialisierung zur Illustrierung der zunehmenden Schwierigkeit der geschäftlichen Situation benutzt werden.
  48. Diese Steigerung hängt mit dem Tode des älteren Hans Langenauer zusammen, dessen Anteil, 90 000 fl., jetzt vorläufig zum grössten Teil Einlage wird. Sein gleichnamiger Sohn blieb am Geschäfte beteiligt. Im folgenden Abrechnungsjahre war die Sache reguliert.
  49. a b Wieder ein Todesfall, Anton Haugs des älteren, dessen Anteil zu letzt 120 000 fl. betrug. Seine drei Söhne blieben, aber mit geringerem [77] Anteil, der grösste Teil dieser 120 000 fl. musste anscheinend ausgezahlt und durch fremdes Kapital ersetzt werden.
  50. a b [77] Der dritte der Begründer, Ulrich Link, scheidet aus, sein Sohn bleibt. Vgl. oben S. 69.
  51. [77] Das Konto Link wird durch das Dreimännerkonsortium abgelöst; siehe S. 70. Der Anteil desselben findet sich in diesem wie im nächsten Jahre mit unter der Rubrik „Sonstige“.
  52. Diese Abmachung übersieht Ehrenberg, wenn er, Fugger I, 232, das in dieser Zeit erfolgende Ausscheiden einiger der bisher Beteiligten so erklärt, dass sich die vorsichtigen Geschäftsteilhaber allmählich zurückgezogen hätten.
  53. Das für Link eingetretene Konsortium mit rund 201 000 fl. ist hier abgezogen, weil für sein Eingreifen nicht irgend welche besonderen Unternehmungen, sondern das Ausscheiden jenes massgebend war.
  54. Ueber den Bildungsgang deutscher Kaufleute dieser Zeit habe ich, auf Grund zum Teil ungedruckter Quellen, mehrere populär gehaltene Aufsätze unter dem Titel „Lehr- und Wanderjahre deutscher Kaufleute am Ausgange des Mittelalters“ in der Berliner Täglichen Rundschau, Jahrgang 1892 und 1893, veröffentlicht.
  55. So waren 1547 neben den beiden Inhabern, Anton Haug und Ulrich Link, noch zwei jüngere Haug, ein Pimel und die späteren Firmeninhaber Melchior Manlich und Hans Langenauer mit kleineren Beträgen zwischen 7000 und 14 000 fl. beteiligt.
  56. Unleserlich.
  57. a b Dies ist auffallend, zumal es sich um die beiden Höchstbesoldeten handelt.
  58. Z. B. der Name Schwarz, Pimel, Hurbner, Schaller. Die Schaller finden sich mehrfach unter den zünftigen Bürgermeistern der Stadt, im 15. Jahrhundert gehörten sie zur Weberzunft.
  59. Das Vermögen des Lukas Rem stieg in ähnlicher Weise, während er im Dienste der Welserkompagnie stand, von 2000 fl. im Jahre 1502 auf gegen 9000 fl. im Jahre 1518. Tagebuch 30.
  60. Dass dieser letztere Gesichtspunkt hierbei thatsächlich mitwirkte, beweist eine Notiz im Tagebuche des Hans Hartlieb (Handschrift im Familienarchiv), wonach er beim Eintritt seines jungen Sohnes in ein derartiges Geschäft 1572 mit 800 fl. für denselben bürgen musste. Ebenso hatten die Boten der Augsburger Post bei Uebernahme ihrer verantwortungsvollen Stellung 300 fl. zu hinterlegen. Siehe Venediger Botenordnung von 1555, Handschrift der Augsburger Stadtbibliothek, No. 32.