Aus dem Gemüthsleben der Thiere

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Alfred Brehm
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Aus dem Gemüthsleben der Thiere
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 48, S. 707
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1859
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[707] Aus dem Gemüthsleben der Thiere. Eine sehr hübsche Beobachtung aus dem Pflegeelternwesen der Thiere verdient wohl in weiteren Kreisen bekannt zu sein. Der Franzose le Vaillant, ein Sohn des berühmten Naturforschers und Reisenden in Afrika, erhielt zwei Weibchen der kleinen Maus der Berberei (Mus barbarus) mit je vier noch säugenden Jungen. Le Vaillaut brachte beide zusammen in ein Behältniß, bereitete jeder ein Nest und erwartete nun, daß jede Mutter ihren Kindern die nöthige Pflege und Wartung angedeihen lassen werde. Dem war jedoch nicht so; jede der Mütter wollte vielmehr die Pflege aller acht Jungen ganz allein übernehmen. Es entspann sich darüber ein wüthender Kampf zwischen beiden Alten; endlich mußte die Eine, wundenbedeckt, der Andern das Schlachtfeld überlassen und für sich selbst eine ruhige Stätte suchen. Sie bauete sich aus den übrigen Halmen und anderen Reststoffen ein Lager und verkroch sich in demselben. Die Andere übernahm nun sofort die Pflege der Jungen, säugte, leckte und reinigte sie und überdeckte sie mit ihrem Körper, um sie zu wärmen. Sie erfüllte eine Zeit lang alle Mutterpflichten mit großer Liebe und Hingebung; bald aber schwanden ihr hierzu die Kräfte, die Milch versiechte und die Kleinen blieben ungestillt. Das nahm die andere Mutter wahr, und augenblicklich verließ sie ihr Schmerzenslager, kehrte zu den Jungen zurück, bemächtigte sich des Nestes und erfüllte nun ihrerseits die Mutterpflichten an sämmtlichen Kleinen. Die andere Mutter blieb nicht ungerührt, sie schloß Frieden mir ihrer Widersacherin und theilte sich mit ihr freundschaftlich in die Freuden und Leiden der Mutterschaft. Beide Alten übernahmen fortan wechselseitig die Pflege der Kleinen, bis diese heranwuchsen und der Mutterbrust nicht mehr bedurften.

Unter den Vögeln kommen ähnliche Fälle häufiger vor. Faber beobachtete z. B., daß eine Bachstelze einen Schneesporner vom Neste trieb, um dessen Eier zu bebrüten, und erzählt dabei, daß es eine im Norden wohlbekannte Sache sei, verschiedene Enten auf ganz fremden Nestern brütend zu finden. Namentlich die Bergente (Anas marila) treibt gern Andere ihrer Sippschaft von ihren Eiern weg und setzt sich aus das Nest, oder aber scharrt sich aus umliegenden Nestern so viele Eier in ihr eigenes, als sie bedarf, um dasselbe zu füllen. An den Brutansiedlungen der nördlichen Seevögel lauern beständig hagestolze oder unbeweibte Männchen der Alke und Larventaucher auf den Augenblick, an welchem ein brütende Weibchen aus Hunger sein Nest verläßt, um dann die Bebrütung des Eies zu übernehmen etc. Verwaiste oder erkrankte Vögel werden fast immer von Mitleidigen ihrer Art oder ganz Fremden verpflegt und gewartet. – Doch darüber ein anderes Mal ausführlicher. – Jedenfalls wirft obige Mittheilung ein sehr freundliches Licht auf das Gemüth der Thiere.
Dr. A. E. Brehm.