Aus dem Leben Maria Theresia’s

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Autor: unbekannt
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Titel: Aus dem Leben Maria Theresia’s
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aus: Die Gartenlaube, Heft 37, S. 590–591
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1864
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[590] Aus dem Leben Maria Theresia’s. Die Tiroler sind oder waren wenigstens ein sehr loyales Volk; da möchte man wohl meinen, jeder Senner auf den Alpen jodle von der Genealogie seines Fürstenhauses, dem ist aber nicht so. Die geschichtliche Erinnerung des Volkes läßt sich in wenigen Zeilen wiedergeben. Da ist die Maultasch, welche trotz des großen Mundes die Bauernburschen aus Passeier küßte; der Erzherzog Sigismund, der einem hübschen Bauernmädel über alle Zäune nachsprang; der alte Maxel, der sich bei der Gemsjagd auf der Martinswand verstieg; der Erzherzog Ferdinand, den man eigentlich nur der schönen Philippine Welser, seiner Gattin, zulieb nennt; dann kommt lange Zeit nichts mehr, als hätt’ es nie einen Fürsten gegeben, endlich taucht die Gestalt Maria Theresia’s empor, dann Joseph, der edle große Joseph, den jedoch die Hochwürdigen, weil er ihnen die Federn stutzte, stets nur in einer Beleuchtung von Höllenschwefel à la Breughel erscheinen lassen. Vom Franzl wird man bald auch nichts mehr wissen, höchstens daß man den Erzherzog Johann nennt, der den Tirolern so viel und so Großes versprochen. Friedrich mit der leeren Tasche hält sich nur durch sein goldenes Dachl, dieses Wahrzeichen für die wandernden Handwerksbursche, im Gedächtniß, sonst würde auch Niemand mehr nach ihm fragen. Vergißt doch das Volk seine eigenen Thaten. Das Siegesjahr 1703, ja die Kämpfe von 1797 und 1805 sind bereits vollständig in der Glorie von 1809 untergegangen, und auch der Glanz Hofer’s und Speckbacher’s erblaßt mehr und mehr, von den Helden zweiten Ranges sind die meisten Namen schon vergessen. Am längsten haften anekdotenartige Züge, wie wir deren bereits oben angedeutet, nur der Schatten Maria Theresia’s verbindet sich noch immer mit der Erinnerung an Oesterreichs goldenes Zeitalter. Waren die Tage ihrer Regierung auch stürmisch, so verschönte sie doch die Liebe, und selbst der Lombarde, welcher trotz der gegentheiligen Stimmungsberichte gewisser Organe durchaus nichts mehr vom österreichischen Corporalsstock wissen will, gedenkt der hohen Frau in Ehrfurcht. „Ja die Thresel! das war eine andere Zeit!“ seufzt unser Bäuerlein. Fragt man, worin denn das Glück bestand, so weiß er keinen Bescheid, oder er malt uns ein Bild, wie eben er sich das Paradies vorstellt: man zahlte dort wenig oder gar keine Steuern, und Soldat wurde nur, wer eben wollte.

Wir überlassen es Arneth von dem geschichtlichen Beruf Maria Theresia’s zu reden, wir erzählen nur, auf welchem Fuß sie mit ihrem Volk stand, und auch hier geben wir blos ein paar drollige Anekdoten aus ihrem treuherzigen Verkehr mit den Tirolern. Die Theresienkreuzer sind uns ja noch alle im Gedächtniß, diese großen schweren Kupferplatten, welche das lockige Haupt der Kaiserin zeigten. Aus allen Jahren waren sie im Umlauf, nur nicht von 1775. Damals, so erzählt man, ließ sie hundert Stück prägen, die hohl waren und in der Mitte einen Kremnitzer Dukaten bargen. Sie schenkte sie einem Tiroler, der ihr oft Spaß gemacht, zu Neujahr, dieser jedoch, unwillig über den Spott mit Kupferkreuzern, theilte sie vor der Thür den Gassenjungen aus. Bald jedoch wurde das Geheimniß offenbar, und wem nun ein Kreuzer mit der Jahreszahl 1775 in die Hände gerieth, der feilte ihn durch, freilich um Nichts zu finden.

Maria Theresia besuchte Tirol 1765. Sie war damals tief in den Vierzigen, jedoch noch immer einer stattliche üppige Frau. Da ging sie auf dem Rennplatz spazieren; ein Bäuerlein aus Dux, wo man auch jetzt noch am ehesten alttirolische Naivetät antrifft, schaute sie lange unverwandt an. Sie trat zu ihm und sagte: „Nu, gefall ich Dir?“ – Jener antwortete: „Du bist eine sackerische Gesellin’, ich möcht Dich grad schon.“ Die Kaiserin lachte über diese Galanterie laut auf und schickte ihm einen harten Thaler mit den Worten: „Weil Du mich nicht selber haben kannst, so nimm hier mein Portrait zum Andenken.“ Der Bauer war überglücklich; noch seine Kinder besaßen diesen Geldstück als kostbare Schaumünze.

Wer kennt die Zillerthaler nicht? Diese scheinbar treuherzigen, in der That aber schlau auf ihren Vortheil bedachten Händler, welche durch alle Länder herumwandern, außerhalb Tirols jeden mit Du anreden, während sie sich zu Hause dieses Wort nur gegen Dienstboten und gute Bekannte erlauben, betreiben ihr Geschäft nicht erst heute, schon im vorigen Jahrhundert begegnen wir ihnen überall, nur unter anderer Form. Damals verkauften sie keine Handschuhe aus Bockhaut für gemslederne; sie trugen eine „Kraxe“ auf dem Rücken, und diese war angestopft mit Oelfläschlein, Salben und Blechbüchsen – kurz allerlei Medicamenten, gut wider jede Krankheit, nur nicht wider den Tod. Da diese Krämer, ähnlich wie Faust mit den höllischen Latwergen, hier und hin nur Unheil stifteten, so wurde am Ende die Polizei aufmerksam und verbot das Geschäft. Auch als Schmarotzer, Tellerlecker und Hofnarren strolchten sie herum, sie machten ihre Späße, nicht als Nationalsänger wie jetzt, sondern als der „lustige Bua“ auf allen Schlössern, des deutschen Adels und an den Höfen, ließen sich von den vornehmen Herrschaften foppen, wobei sie freilich nicht die Gefoppten waren, und setzten sich schließlich, wenn ihr Geldsack hinlänglich gespickt war, in ihrem Heimathsdörfchen zur Ruhe.

Der berühmteste von diesen Schalksnarren war Peter Prosch, von dem man noch im Lande erzählt. Als er seines Handwerkes überdrüssig geworden, verfaßte er, wie andere große Männer, seine Memoiren, welche eine Masse culturgeschichtlichen Stoffes enthalten und dem Forscher auf’s Neue zugänglich gemacht zu werden verdienten. Wir sagen: dem Forscher, damit sich nicht irgend ein feiler Literat des Gegenstandes bemächtige und ihn einem Volke vorkäue, dem der Servilismus ohnehin noch nur zu sehr im Blute steckt.

[591] Peter Prosch kam 1745 unter dem Gerstenschneiden aus die Welt. Mit zehn Jahren zog er als Oelhändler in’s Weite, hausirte jedoch die meiste Zeit bei den Bäuerinnen mit Nudeln und kehrte, ohne bei seiner Handelschaft etwas erobert zu haben, bald in die Heimath zurück. Dort träumte ihm von der Kaiserin Maria Theresia. Er lief nach Wien und reichte eine Bittschrift ein des Inhalts: „Meine liebe, gute Kaiserin, ich hab daheim in meinem Vaterlande von den Leuten sagen hören, daß Du so ein gutes Mensch bist, und mir hat bei meiner Schwester unterm Dach auf dem Heu geträumt, ich sei zu Dir gekommen und Du habst mir einen Hut voll Geld geschenkt und hast mir lassen ein Branntweinhäusl bauen. Ich bitt’ Dich gar schön, sei so gut und thu’ es mir, ich will meiner Lebstag für Dich beten.“ Graf Künigl überreichte das Gesuch bei der Mittagstafel auf einem silbernen Teller der Kaiserin, diese gab es lachend ihrem Gemahl, und so machte es am Tisch die Runde. Bis eine Erledigung käme, wurde Prosch bei den Kapuzinern als Ministrant angestellt. Wir lassen ihn nun selbst erzählen. „Am 23. September 1757 ministrirte ich auch rechter Hand beim St. Antoni de Padua-Altar. Die Kaiserin fuhr aus und kam früher in die heilige Messe aus das Oratorium als gewöhnlich, und ich und mein Kapuziner waren noch beim Altar. Als der Dienst kam, nämlich Schweizer, Gardisten, Trabanten und ein ganzer Lärm Herrschaften, da sperrte ich Maul, Augen und Ohren auf und glotzte. Die heilige Meß ging zu Ende, und beim Evangelium St. Johannis nahm ich das Buch auf einen Arm, kehrte mich gegen die Kaiserin, machte einen Kniebucker und begrüßte sie mit der Hand; sie lachte und ging zurück. Wie Alles vorbei war, wollte ich auch, wie andere Menschen, zur Thür hinaus. Jähling kam ein Kammerdiener in einem weißligen Rock und einem mit Gold bordirten Camisol, dieser fragte mich: ,Wie heißest Du?’ – ‚Peterl!’ war meine Antwort. – ,Wie noch?’ – ,Prosch aus Tirol.’ -,Du sollst mit mir kommen zu Ihrer Majestät der Kaiserin, sie will Dich sprechen.’ Voll Freude, Furcht, Angst und Zittern wanderte ich mit ihm durch die Wachten und über die Stiegen hinauf. Im Saal hieß er mich warten; ich war barfuß und meinen Hut hatte ich unter dem Arm. Zu oberst stunden zween Schweizer in weiten Pumphosen, Krägen um den Hals und spitzigen Hüten. Bei einer Thür war ein deutscher und ein ungarischer Nobelgardist. Ich schaute um und um und pfiff ein Stückl; Alle, die da waren, lachten, weil sie sahen, daß ich nicht wußte, was ich that. Endlich ging bei einer Thür in einer Ecke ein Kammerfräulein heraus. Ich kniete gleich nieder, denn ich glaubte, es wäre die Kaiserin selbst, sie lachte und sagte: ,Ich bin’s nicht, sie wird aber gleich kommen, Du sollst indessen da hinein gehen.’ Sie machte mir eine Thür auf, und ich ging hinein. Wie erstaunte ich, als ich mich umsah und mehr als zwanzig weithosige Tirolerbuben um mich her versammelt sah. Ich ging darauf zu und gab einem die Hand, er gab sie mir auch, bis ich mit meiner Hand an der Wand anstieß; ich erschrak, kehrte mich um und sah wieder nichts als lauter solche Buben, die mir alle accurat gleich waren; ich lachte, sie lachten auch, ich hüpfte, sie hüpften auch. Jetzt kamen mir traurige Gedanken und ich zweifelte, ob ich bei mir selbsten wäre, denn ich konnte mich gar nicht fassen. Endlich ging rechter Hand weit droben im Saale eine doppelte Thür auf.

Der Saal war glatt, die Kaiserin kam herein, ich lief ihr entgegen, schlüpfte und fiel auf den Buckel. Ich raffte mich geschwind wieder zusammen und kniete nieder. Die Kaiserin kam herbei und sagte: ,Steh’ auf.’ Ich stund auf und sie sagte: „Grüß Dich Gott, Kleiner! Bist Du der Tiroler, der mir recommandirt worden ist?’ und gab mir die Hand zum Küssen; ich küßte aber den Kittel und sagte: ,Dank Dir Gott! Bist Du unsere Kaiserin Maria Theresl? Da außen vor der Thür war auch so ein Mensch, ich hab’ gemeint, Du bist’s; sie hatte einen goldenen Spulen an der Seite und glöckelte Schnürchen. Sie lachte und sagte: ,Jene war’s nicht, ich bin Eure Kaiserin, was willst Du von mir haben?’ Ich lief um einen Sessel und sagte: ,Hocke Dich nieder.’ Sie antwortete: ,Ich hock’ so alleweil, was willst Du von mir?’ Die Doppelthür, wo die Kaiserin herauskam, war voller Köpfe; sie hatten ein solches Gelächter, daß die Kaiserin mit der Hand zweimal gedeutet und gesagt, man solle schweigen, sonst könnte sie mich nicht verstehen.

Ich fing nun an und sagte: ,Schau, meine liebe Kaiserin, ich bin ein armer Bub, ich habe weder Vater noch Mutter und logire bei meiner Schwester unterm Dach auf dem Heu. Da träumt’ mir in einer Nacht von Dir, weil ich es von den Leuten sagen gehört, daß Du ein so guten Mensch bist, ich sei zu Dir gekommen und Du habst mir lassen auf einem gewissen Fleckchen, wo eine alte Brechelstube gestanden ist und das ich um zwei Gulden, ein Scapulier und Fläschchen Branntwein gekauft habe, ein Branntweinhäusl bauen; auch habst Du mir einen Hut voll Geld geschenkt. Den Hut hatte ich just so, wie ich ihn jetzt in der Hand hab. Ich bitte Dich, sei doch so gut und thue es mir, ich will in meinem Leben für Dich beten.’ – ,Ja, Du sollst es haben!’ sprach sie, ,wenn es Niemand einen Schaden thut.’ – ,Ja, Kaiserin, schau, Du mußt mir auch einen Zettel mitgeben, denn unsere Herren sind nicht so leichtgläubig, und Dich hätte ich darnach auch nicht mehr bei mir, und so würde vielleicht aus der ganzen Sache nichts.’ – ,Ich will es dem Grafen Choteck sagen, daß er Dir einen Brief an den Gouverneur Enzenberg mitgiebt, der wird es hernach schon glauben.’ ,O, ich bitte Dich, vergiß es nicht.’ – ,Nein, ich vergesse es nicht, heut soll es noch geschehen. Kannst Du auch umgehen mit Branntweinbrennen?’ – ,Ja, ich habe es von meiner Mutter gesehen und hätte Dir ein Fläschchen Kirschenbranntwein mitgebracht, aber es ist mir zu Hall zerbrochen.’ Sie lachte darüber und sagte: ,Ich trinke keinen. Nun erzähl’ mir noch, was sagen denn sonst die Tiroler von mir, haben sie mich lieb?’ ,Ich hab’ Dir’s schon gesagt, wenn ich nichts Gutes von Dir gehört hätte, so hätte mir auch nichts Gutes geträumt und ich wäre auch heute nicht bei Dir. Durchaus in unserm ganzen Lande, vom Größten bis zum Kleinsten, sagt ein Jeder, Du seiest das beste Mensch und die Welt bringt uns kein solches Weibsbild mehr hervor wie Du bist.’ Sie lachte herzlich und sprach: ,Das freut mich, ich habe die Tiroler auch gern, denn sie sind treu und aufrichtig.’ Sie griff mit ihrer linken Hand in die Camisoltasche, nahm vierundzwanzig Kremnitzer Ducaten heraus und opferte solche in meinen Hut. Ich sprang und hüpfte vor Freuden und sagte: ,Ja, Kaiserin, wenn Du einmal in’s Tirol kommst, will ich Dir gewiß auch etwas schenken, weil Du mir ein Häusl bauen läßt.’ Nun war mein Traum erfüllt, die Kaiserin nahm ,B’hüt Gott!’ und ich tanzte zur Thüre hinaus.“ Wir folgen Peter Prosch nicht länger auf seinen närrischen Kreuzfahrten; er zog sich endlich ganz nach Tirol zurück, heirathete und war bereits mit 44 Jahren Großvater. Er hatte alle Höfe und Fürsten – auch Ludwig XVI. und Marie Antoinette besucht, alle Herrlichkeit der Welt und die Pracht der Großen gesehen und rief schließlich wie Salomo: „Alles ist eitel!“ Wie das bei Komikern öfters vorkommt, wurde auch er in alten Tagen schwermüthig und düster und starb endlich lebenssatt und lebensmüde mit Hinterlassung zahlreicher Enkel.