Aus dem Leben eines nachgiebigen Gesellen

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Autor: Friedrich Helbig
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Titel: Aus dem Leben eines nachgiebigen Gesellen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 39, S. 656–659
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1888
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Aus dem Leben eines nachgiebigen Gesellen.
Von Fr. Helbig. Mit Illustrationen von Fritz Bergen.

Den vielen nichtigen Dingen dieser Erde, die keinen selbständigen, auf den Schmuck, den Genuß, die Bequemlichkeit des Menschenlebens gerichteten Daseinszweck haben, sondern nur im niederen Dienste eines anderen höheren Zweckes stehen, ist nicht am letzten der Korkpfropfen zuzuzählen; er, der bloß berufen erscheint, das Amt eines Pförtners für die Behausung eines großen Herrn flüssigen Charakters zu vertreten, und der, wenn dieser seinen Bann durchbrochen hat, verächtlich zur Seite geworfen wird. Und doch ist dieser kleine, äußerst nachgiebige Geselle von einem nicht gewöhnlichen Herkommen. Er hat erst eine Reise übers Meer gemacht, ehe er den deutschen Boden betrat, stammt er doch aus jenem schönen Lande, wo sich nach des Dichters Wort

„bei der Zither Tönen
Jeder Fuß beflügelt schwingt,
Und der Knabe mit der Schönen
Glühend den Fandango schlingt.“

Und doch ist er wieder kein Fremdling, denn er hat die ganze Heimlichkeit des deutschen Hauses genossen. Dort hat er seine Form und Gestalt erhalten. Er ist auch nicht von heute und gestern, hat vielmehr schon ein langes Leben hinter sich, ehe er den Charakter seiner Brauchbarkeit erlangte. Zudem ist er an und für sich ein Kunstwerk, denn er ist kein Produkt willenloser Maschinenkraft, sondern ein Erzeugniß der von dem Willen regierten, formenden Menschenhand.

Die Benutzung des Korkholzes als Verschlußmittel dürfte wohl erst seit dem fünfzehnten Jahrhundert datiren. Ehe man die Eigenart des Korkholzes, die durch kein anderes Material in gleichem Maße ersetzt wird, kannte, war man auf weit sprödere Stoffe angewiesen. So ist auch die Korkindustrie in Deutschland noch keine sehr alte. Die rührige Handelsstadt Bremen war es wohl, welche zuerst das Korkholz aus seiner südlichen Heimath auf dem Seewege nach Deutschland einführte und seine Bearbeitung zu Industriezwecken anregte. Wir schließen dies aus einem Bericht im Oldenburger Staatskalender vom Jahre 1789, dem zufolge schon im Anfang des vorigen Jahrhunderts in Stuhr, einem oldenburgischen Dorfe, etwa eine Meile von der Stadt Bremen entfernt, auf Rechnung eines Bremer Kaufmanns, Namens Hensch, das „Pfropfenschneiden“ betrieben wurde.

Von Stuhr aus verbreitete sich die Industrie dann weiter im oldenburgischen Flachlande, indem sie sich zugleich von der Bremer Abhängigkeit befreite. So wurde durch Friedrich Cordes, der beim Kaufmann Hensch Unterricht in der Pfropfenschneiderei erhalten hatte, in Hasbergen bei Delmenhorst bald eine Korkschneiderei auf eigene Rechnung gegründet. Im Jahre 1789 arbeiteten die Gebrüder Cordes mit 26 Personen – ein Geschäftsumfang, der für die damaligen schlichten Verhältnisse schon etwas besagen will. Bald darauf entstanden, ebenfalls aus kleineren Anfängen hervorgehend, neue für eigene Rechnung arbeitende Korkschneidereien, unter anderen die von Lürssen in Hasbergen und wohl noch etwas später die von Müller in Bremen. Nachdem im Verlaufe der letzten dreißig Jahre sämmtliche Geschäfte von Hasbergen nach dem gewerbreicheren, an der Straße von Bremen nach Oldenburg belegenen Delmenhorst übersiedelten, wurde der Hauptsitz der deutschen Korkindustrie nach diesem jetzt etwa 6000 Einwohner zählenden Städtchen verlegt und ebendaselbst besitzt auch heute noch ein Nachkomme jener Cordes eines der größeren Korkfabrikgeschäfte unter der Firma „Cordes und Ellgaß“.

Auf dem Wege nach einem norddeutschen Seebade hielten wir in dem vielfach schon einen holländischen Charakter tragenden halb städtischen, halb ländlichen Orte, der uns Mitteldeutschen durch die eigenthümliche Bauart seiner meist nur aus einem hohen Giebel mit Parterregeschoß bestehenden Häuser auffällt, kurze Einkehr und hatten da Gelegenheit, in der genannten Fabrik uns über die Specialitäten der Pfropfenindustrie unterrichten zu lassen.

Eine solche Korkfabrik hat äußerlich wenig Imponirendes. Es finden sich da weder die großen Arbeitssäle mit ihren langen, einförmigen Fensterfronten, noch die himmelanstrebenden mächtigen Dampfessen, nicht das pustende Geräusch keuchender Dampfmaschinen noch das Rasseln des Rädergetriebes. Die Thätigkeit in der Fabrik selbst beschränkt sich, abgesehen von dem rein kaufmännischen Theile des Geschäfts, fast lediglich auf das Sortiren und Verpacken der von den Arbeitern in die Fabrik abgelieferten Korke. Aber schon das Rohmaterial, mit welchem die Fabrik arbeitet, das Korkholz, hat, wenn es den deutschen Boden betritt, eine Vorgeschichte, ja es ist sogar bereits durch eine Fabrik hindurchgegangen.

[657] Das Korkholz ist nicht ein selbständiges Holzprodukt, sondern nur ein Nebenprodukt; es ist die Rinde der Korkeiche (Quercus suber L.). Das Vorkommen der Korkeiche beschränkt sich fast lediglich auf Spanien, Portugal und Algier. Alle Versuche, die Bäume für unseren Boden zu gewinnen, sind gescheitert. Es fehlen hier die klimatischen und wohl auch agrikulturchemischen Vorbedingungen. Die Bäume müssen erst je nach ihrem Standorte ein Alter von 25 bis 30 Jahren erreicht haben, ehe die erste Rinde abgeschält werden darf. Aber auch diese erste Rinde – in Spanien corcho virgen (jungfräuliches Korkholz) genannt – ist für die Anfertigung von Korken noch nicht brauchbar; sie wird in Deutschland lediglich zu Zierzwecken, wie zur Umhüllung von Gartenpavillons, Blumentischen, hängenden Blumenkörbchen für Schlinggewächse etc. verwendet. Erst nachdem diese erste Rinde abgeschält ist, bildet sich das eigentliche Korkholz aus dem unter der Rinde befindlichen Kork-Cambium. Das Abschälen der Rinde muß so vorsichtig geschehen, daß das unter ihr befindliche Cambium nicht verletzt wird. Dieses Cambium bildet nun eine neue weiße, als Kork brauchbare Rinde. Auch diese braucht zu ihrer vollen Entwickelung ein weiteres längeres Wachsthum, das sich in Portugal auf 8 bis 10, in Spanien und Algier auf 11 bis 14 Jahre berechnet. Dann erst kann die Rinde von neuem abgeschält werden.

Das Abschälen der Korkeichen.

Die Abschälung erfolgt in den Sommermonaten Mai bis September, und zwar in der Weise, daß man, wie unser obenstehendes Bild es darstellt, mit Handhacken rings um den Stamm herum in etwa meterhohen Abständen Einschnitte bis auf das Cambium macht, die Kreisschnitte mit Längsschnitten verbindet und die Korkschicht mit dem Hackenstiel vom Kork-Cambium ablöst. Ist die Korkeiche einmal in dies Entwicklungsstadium eingetreten, dann kann sie auch je nach Lage, Bodenbeschaffenheit und Pflege auf 100 bis 150 Jahre hinaus für die Korkindustrie nutzbar gemacht werden. Das abgeschälte Korkholz ist natürlich sowohl in der Stärke, wie in der Güte sehr verschieden, je nachdem dasselbe von jungen oder alten Bäumen, von Stämmen oder Aesten genommen ist. Ist das Korkholz von dem Baume abgetrennt, so wird es vorerst in große Haufen zusammengetragen und dann vermittelst Maulthieren oder Wagen aus den Waldungen nach den Korkholzfabriken geschafft, um für den Versand besonders hergerichtet zu werden, denn so roh wie es aus der Hand der Natur kommt, ist es nicht ohne weiteres zu verarbeiten. In diesen Fabriken wird es erst eingeweicht und dann die allzustarke äußere Rinde abgeschabt; in großen Kesseln wird es darauf einige Minuten lang gekocht und dann in Plattformen gepreßt. Früher wurde es wohl auch durch ein Schmauchfeuer gezogen. Dieses Verfahren ist jedoch fast allerwärts aufgegeben. Das auf diese Weise hergerichtete Korkholz wird sodann je nach Güte und Stärke in etwa zehn verschiedene Sorten getheilt und, in Ballen von 60 bis 70 Kilo verpackt, zum Versande fertig gestellt.

Wie stark verschieden diese einzelnen Sorten in der Qualität sind, geht daraus hervor, daß der Preis der einzelnen Marken zwischen 10 und 150 Mark für hundert Kilo schwankt. Das beste, zur Fabrikation von Wein- und Champagnerkorken besonders geeignete Holz wächst in Catalonien. Doch giebt es auch noch andere spanische Distrikte und in Portugal namentlich die Gegend von Estremoz, wo nahezu gleichwertiges Holz vorkommt. Auch Algier kultivirt ähnliche, für Wein- und Mineralwasserkorke gut brauchbare Sorten, wogegen sich das sonst noch in Portugal gewonnene Material wegen seiner größeren Weichheit vorzugsweise zu Bier- und Medizinkorken eignet.

Ist nun das Korkholz in die Hände des deutschen Fabrikanten gekommen – natürlich giebt es auch in Spanien Korkfabriken – so wird es behufs Bearbeitung zunächst sortirt, die besseren, glatteren Stücke zu den Wein- und Mineralflaschenkorken, die schlechteren, rissigeren zu kurzen Korken bestimmt und dann an die Arbeiter abgegeben. In der Fabrik von Cordes und Ellgaß [658] bekommt jeder Arbeiter gewöhnlich 50 Kilo Korkholz zur Verarbeitung; davon muß er wenigstens 20 Kilo große Flaschenkorke oder 15 Kilo kleinere Medizinkorke liefern, der Rest wird als Abfall gerechnet. Das dünne Holz zu Medizinkorken hat verhältnißmäßig viel Rinde und liefert deshalb auch entsprechend mehr Abfall. Der Arbeiter schneidet die ihm übergebenen Korkholzplanken in Streifen, die der Länge der zu arbeitenden Korke entsprechen, darauf zieht er die obere Rinde ab, schneidet die Streifen in Würfel und aus diesen den Kork.

Hierzu bedient er sich zweier scharfer Messer mit breiter Klinge, wovon sich das eine zum Streifen- und Würfelschneiden, das andere zum Rundschneiden eignet; diese bilden sein einziges Werkzeug. Die Kunst und zugleich die Vortheile des Arbeiters bestehen nun darin, das Holz richtig zu verarbeiten und auszunützen, das heißt, die Streifen je nach Erforderniß in breitere oder schmälere Würfel zu schneiden, wurmstichige oder werthlose Stellen ganz zu entfernen, aus jedem Würfel einen möglichst großen und dabei guten, nicht zu verbessernden Kork zu schneiden und selbst das kleinste Holzstückchen nicht unbeachtet zu lassen, so daß verhältnismäßig wenig Abfall zurückbleibt.

Ein geschickter Arbeiter kann in einem Tage aus den ihm übergebenen Korkplanken gegen 1500 Bouteillen- oder 2000 Medizinpfropfen schneiden. Schneidet er mittelmäßig, so kann er es nur auf etwa 1200 Korke von der ersteren und 1500 von der letzteren Gattung bringen. Die Arbeit ist zugleich aber derartig, daß außer dem Hausvater und den älteren Söhnen auch die Frau und die schon halberwachsenen Kinder sich an ihr betheiligen können. Ihnen fällt namentlich die weitere Verarbeitung der kleineren Würfel zu. Wir haben in den armen Rhöndörfern des Eisenacher Oberlandes, wohin von Delmenhorst aus die Korkindustrie seit ein paar Jahrzehnten verpflanzt worden ist, oft Gelegenheit gehabt, dieses friedliche Familienidyll zu beobachten. Die Männer haben um den rechten Oberschenkel ein Stück Leder geschnallt, an dem sie die beim Schneiden in die weiche poröse Korkmasse leicht stumpf werdenden Messer von Zeit zu Zeit abstreichen. Auf der Brust tragen alle ein größeres viereckiges Stück Korkholz, das durch ein um den Hals geschlungenes Band dort festgehalten wird. Es dient ihnen als Unterlage beim Abziehen der Korkrinde. Vor jedem der Schneidenden steht ein Korb aus Weidengeflecht, der die fertigen Korke aufnimmt. Auf dem Tische steht in einer irdenen gemeinsamen Schüssel das Rhöner Nationalgericht, saure Milch mit Kartoffeln, während eine Lampe mit „Stinköl“, wie der scherzhafte Rhöner Ausdruck für Petroleum ist, das lebende Bild ist ein Rembrandtsches Halbdunkel taucht. Ab und zu erhält die Scene noch ein besonderes Leben durch den Gesang eines der Volkslieder mit ihren meist schwermüthigen Weisen, bei welchen die Frau die erste und die Männer die zweite Stimme halten.

Man hat zwar öfter schon Versuche gemacht, die Maschinenarbeit auch in der Korkindustrie einzuführen, ist aber immer wieder zum Theil davon abgekommen, indem man die Erfahrung machte, daß doch die menschliche Hand hier weit besser und ausgiebiger arbeitet als die Maschine. Es liegt dies namentlich an der ungleichwerthigen Beschaffenheit des Materials. Nur für die Massenfabrikation der gewöhnlichen Flaschenkorke bedient man sich in neuester Zeit der Korkschneidemaschinen, welche in zehnstündiger Arbeit über 20 000 Stück Pfropfen zu liefern vermögen.

In der Fabrik werden die Korke durch verstellbare Siebe gesiebt, um die gleichmäßigen Größen herauszubringen. Dann werden sie noch ein- bis dreimal sortirt, um die verschiedenen Qualitäten zu trennen. Dies Geschäft besorgen besonders angestellte Sortirer, denen ein Obersortirer vorgestellt ist. Sie und die Korkholzsortirer bilden das eigentlich ständigtechnische Fabrikpersonal. Der Obersortirer lernt die Arbeiter, namentlich das junge Personal, an. Die Größe der Korke ist eine so verschiedene, daß sie herabgeht bis zu einem Größenmaße von sechs Millimetern. Wir fanden in der Delmenhorster Fabrik in einem kleinen, nur zwei Kilo wiegenden Sacke nicht weniger als 30 000 Stück solch kleiner Korke beisammen, welche 54 Mark kosteten und zu homöopathischen Zwecken dienten. Auch die Qualität und dementsprechend die Preislage ist natürlich eine sehr verschiedene.

Gute Korke schließen luftdicht, schlechte sind durch kein Mittel gut zu machen. Versuche, die man hier und da wohl machte, die Qualitäten durch Anwendung von Stearin, Wachs und dergleichen Dichtungsmitteln künstlich zu verbessern, erwiesen sich als ganz nutzlos. Eine Fälschung ist auf diesem Gebiete nicht möglich.

Die Champagnerkorke, die erst beim Binden auf die Flasche ihre eigenthümliche Form erhalten, werden fast ausschließlich in Spanien und Frankreich angefertigt. In Frankreich werden sie in neuerer Zeit theilweise aus mehreren ausgesucht schönen, dünneren Korkholzstücken zusammengesetzt. Diese Stücke werden durch ein geeignetes Bindemittel auf einander geleimt und dann wie gewöhnliche Korke geschnitten. Es geschieht dies deshalb, weil das dicke, zu hochfeinen Champagnerkorken geeignete Holz sehr selten und deshalb sehr hoch im Preise ist. So stellt sich der Fabrikpreis für vorzügliche Champagnerkorke schon auf 150 Mark fürs Tausend.

Der Abfall beim Korkschneiden wurde früher für wertlos geachtet und dem Arbeiter überlassen, der damit gewöhnlich seinen Ofen heizte. Er fand höchstens eine Verwendung als Polstermaterial oder wurde gemahlen als Füllmittel bei der Verpackung von Weintrauben und anderen Früchten benutzt. Später formte man wohl aus der grob gemahlenen Masse eine Art Luftbacksteine, welche den Vortheil boten, daß die aus ihnen errichteten Wände den Schall nicht durchließen und als schlechte Wärmeleiter einen gewissen Schutz gegen Kälte und Wärme gewährten. Man benutzt diese Korksteine aus letzterem Grunde hauptsächlich für die Innenwände von Eiskellern und wegen ihrer Leichtigkeit zur Herstellung von Scharwänden, die ein Fundament nicht bedingen. Die Hauptfabrikation dieser Korksteine besorgt eine chemische Fabrik in Ludwigshafen am Rhein.

Erst in neuerer Zeit ist der Korkabfall zu einem nicht unwichtigen Werthobjekt geworden, der zugleich einen ganz neuen Industrieartikel ins Leben gerufen hat. Es ist dies die Linoleum- oder Korkteppichfabrikation. Das Linoleum besteht aus fein gemahlenem Korkabfall, der mit oxydirtem Leinöl zusammen vermischt und auf Juteleinwand aufgetragen wird. Ist der Hauptsache dient es als Fußbodenbekleidung und zeichnet sich gegen ähnliche derartige Stoffe dadurch aus, daß es eine große Widerstandsfähigkeit gegen Feuchtigkeit, sowie gegen Hitze und Kälte bietet, leicht gereinigt werden kann und das Geräusch des Gehens stark vermindert. Das neue Fabrikat, das jedenfalls noch eine große Zukunft hat und das durch aufgedruckte bunte Muster auch dem ästhetischen Geschmack Rechnung trägt, wurde anfangs nur in England fabrizirt. Inzwischen sind in Delmenhorst, Köpenick, Rixdorf etc. größere derartige Fabriken entstanden, die einen bedeutenden Absatz erzielen.

Neuerdings findet der Korkabfall ferner Verwerthung zur Herstellung von Korkpackpapier, das sich zur Verpackung von Glas, Porzellan und anderen zerbrechlichen Gegenständen sowie zur Verpackung gefüllter Gefäße mit werthvollem Inhalt gut eignen soll. Auch wird der Kork, seitdem für bestimmte Waarengattungen die Werthzölle durch Gewichtszölle ersetzt sind, seiner Leichtigkeit wegen zum Füllen der Puppenleiber benutzt, und wir sahen in der großen Puppenfabrik von Fischer, Naumann und Comp. in Ilmenau eine eigene Mühle, welche Korkabfälle zu grobkörnigem Mehle centnerweis vermahlt.

Die bereits gebrauchten Korke können dagegen eine fabrikmäßige Verwendung nicht mehr finden, weil sie meist von der Flüssigkeit, zu deren Verschluß sie dienten, durchdrungen sind.

Außer zu Pfropfen wird das Korkholz noch zu einigen anderen Artikeln verarbeitet. So namentlich zu Korksohlen, zu Schwimmern für Fischnetze, zu Schwimm- und Rettungsgürteln und -Kleidern, zu Ankerbojen, als Hutfutter und zu verschiedenen anderen technischen Zwecken.

Bekanntlich hat sich auch die bildende Kunst in höherem Sinne des Korkmaterials bemächtigt und besonders in den plastischen Nachbildungen von Baudenkmälern mancherlei geleistet. Der Erfinder dieser „Phelloplastik“ genannten Kunst war der Architekt August Rose in Rom, der Ende vorigen Jahrhunderts lebte.

Mit dem stetig wachsenden Bedarf hat sich auch die Korkindustrie mehr und mehr ausgebreitet und sie ist bei uns längst nicht mehr auf ihren ursprünglichen Herd beschränkt. Fürsorgende Regierungen haben sie namentlich in arme, von großen Verkehrswegen und Arbeitsmärkten entfernte Gegenden eingeführt, und für diese wurden sie oft eine Quelle von Segen. So finden wir sie außer in dem Oldenburgischen seit etwa 25 Jahren, wie schon [659] erwähnt, verbreitet im Eisenacher Oberlande, mit den Hauptsitzen zu Dermbach und Geisa, und fast ebenso lange im Sächsischem Erzgebirge in Raschau und Umgegend. Ihr Hauptsitz bleibt aber immer das oldenburgische Laud (Delmenhorst und die dortige Umgegend). Einzelne größere Korkfabriken befinden sich außerdem in Frankenthal in der bayerischen Pfalz (mit Maschinenbetrieb), in Wesel, Melle, Lohne, Hannover, Braunschweig, Schwerin, Frankfurt an der Oder, Breslau, Halle, Dresden, Leipzig und Salzungen, abgesehen von den kleinen Korkschneidereien, deren fast jede Stadt eine oder mehrere hat.

Der Export der heimischen Fabrikate ist ein nicht unbedeutender; er berechnet sich bei einzelnen Firmen auf 60 Prozent der gesammten Jahresproduktion und selbst nach den Vereinigten Staaten, die von Korken einen Eingangszoll von 30 Prozent des Werthes erheben, ist ein Geschäft in gewissen Sorten, die daselbst so vorzüglich nicht hergestellt werden können, möglich.

Der geneigte Leser wird nunmehr gesehen haben, daß sich von dem kleinen, unscheinbaren, achtlos fortgeworfenen Korkpfropfen gar mancherlei reden läßt, und daß an seine Existenz sich das Wohl und der Segen von Familien und ganzen Distrikten knüpft.