BLKÖ:Habsburg, Ferdinand I. (Kaiser von Oesterreich)

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 6 (1860), ab Seite: 197. (Quelle)
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88. Ferdinand I., Kaiser von Oesterreich (geb. zu Wien 19. April 1793). Aeltester Sohn des Kaisers Franz I. und seiner zweiten Gemalin Maria Theresia, Tochter Ferdinand’s IV., Königs von Neapel. Gemalin: Maria Anna Karolina Pia, Tochter weil. Sr. Majestät des Königs Victor Emanuel von Sardinien, vermält mit ihr, als er noch Kronprinz war, durch Procuration zu Turin am 12. Februar, in Person zu Wien 27. Februar 1831. Die Ehe ist kinderlos. Wahlspruch: „Recta tueri.“ Wichtigere Lebensmomente: Im Jahre 1815 unternahm der Kronprinz eine Reise durch mehrere Provinzen der Monarchie, dann durch Italien, die Schweiz und einen Theil von Frankreich. Zurückgekehrt, widmete er seine Muße der Unterstützung und Aufmunterung der Künste und Gewerbe des Friedens; unter seinem Protectorate entfaltete die k. k. Landwirthschafts-Gesellschaft in Wien eine ausgebreitete Wirksamkeit, und die Industrie, welcher der Kronprinz nach ihren verschiedenen Richtungen seine besondere Aufmerksamkeit schenkte, nahm einen segensvollen Aufschwung. Des Kronprinzen edle und menschenfreundliche Gesinnungen, welche ihm schon bei seiner ersten Reise alle [198] Gemüther zugewendet, zeigten sich in ihrer ganzen Fülle, als im Jahre 1830 in Wien die an der Donau gelegenen Vorstädte von der großen Ueberschwemmung heimgesucht wurden. Auf leichtem Kahne durchschnitt der Kronprinz die tobenden, von Eisschollen erfüllten Fluthen, um durch persönliche Gegenwart die Anstrengungen der Rettungsanstalten zu verdoppeln und das Elend der Verunglückten zu mildern. Am 28. September 1830 wurde der Kronprinz bei dem in Preßburg versammelten Landtage feierlich zum Könige von Ungarn gekrönt, und das von den Reichsständen dargebrachte übliche Ehrengeschenk von 50.000 Stück Ducaten widmete der König zum Theile als Unterstützung für die von einer Mißernte getroffenen Bewohner Ungarns, zum andern Theile zur Vermehrung des Fondes für die ungarische Akademie. Nach dem am 2. März 1835 erfolgten Tode seines Vaters Kaiser Franz trat Ferdinand die Regierung an. Am 6. September 1838 wurde er in Mailand zum Könige gekrönt, mit welchem Festacte eine allgemeine Amnestie für politische Verbrechen und Vergehen verbunden war. Die Unruhen, welche in Galizien im Jahre 1846 ausgebrochen waren, hatten die Einverleibung des Freistaates Krakau in den österreichischen Ländercomplex zur Folge. Das historisch denkwürdigste Jahr der 23jährigen Regierungsperiode des Kaisers war sein letztes, das Jahr 1848, in welchem durch den von Außen, namentlich von Frankreich, wo König Ludwig Philipp flüchtig geworden, gegebenen Anstoß auch die im Innern der Monarchie gegen das Verwaltungssystem entstandene Mißstimmung in den verschiedenen Kronländern zu einer Reihe von Ereignissen sich entwickelte, welche einerseits ihren Höhenpunct erreichten in der Belagerung und Einnahme des aufständischen Wien durch Feldmarschall Windisch-Grätz, andererseits in der am 2. December 1848 zu Olmütz erfolgten Niederlegung der Krone zu Gunsten seines erlauchten Neffen, Erzherzogs Franz Joseph. Letzterem blieb es auch vorbehalten, die Revolution in Ungarn und Lombardo-Venetien, welche noch im letzten Regierungsjahre des Kaisers Ferdinand I. ausgebrochen, siegreich zu Ende zu führen. Die Vornahmen in der Civilverwaltung während Ferdinand’s Regierung beschränken sich auf die Einsetzung eines Conferenzrathes, welche stattgefunden hatte, um die anstrengende Regierungsweise, die sein Vater durch 43 Jahre sich aufgebürdet, zu beseitigen, aber einen langsameren und schwerfälligeren Gang der Geschäfte zur Folge hatte. Zahlreicher sind die Verbesserungen und Einführungen in der Armee: es fallen in das Jahr 1836 die Errichtung der Central-Equitationsanstalt in Salzburg, die Adjustirungsvorschrift für die Generalität und Officiere; 1838 die Gagenerhöhung bei der Infanterie, den Jägern und Pionnieren vom Hauptmanne abwärts, die Umwandlung der Fähnrichscharge bei der Landarmee in jene eines Unterlieutenants zweiter Classe; 1839 die Erweiterung des militärisch-geographischen Institutes und die Errichtung der lombardisch-venetianischen adeligen Leibgarde; 1840 die Gagenerhöhung der Stabsofficiere und die Adjustirungsvorschrift für die Mannschaft; 1841 die Einführung der Percussionsgewehre; 1842 die Einführung der Birago’schen Brücken, die Errichtung einer Zünder-Arbeitscompagnie beim Feuerwerkscorps und die Aufhebung der Vermögensconfiscation bei Desertionen; 1843 die Vereinigung des Pontonnierbataillons mit dem Pionniercorps, 1843 [199] die Errichtung des Bukowinaer Grenzcordons; 1845 ein neues Abrichtungsreglement für die Infanterie, die Herabsetzung der Capitulation in der Armee von 14 auf 8 Jahre. Der materielle Wohlstand der Monarchie war in stetem Wachsen begriffen, Dampfschifffahrt und Eisenbahnen erhielten eine riesige Ausdehnung. Zwei Privatgesellschaften bemächtigten sich der Dampfschifffahrt; die Eine, der „Lloyd“ in Triest, dehnte ihre Wirksamkeit nach Egypten, Klein-Asien und Constantinopel aus; die Andere befuhr die ungeheure Strecke der Donau von Linz bis in das schwarze Meer, dort boten sich beide Gesellschaften die Hände. Der Staat entwarf ein Netz von Eisenbahnen über die Monarchie und begann den Bau der Strecke von Gloggnitz und an die sächsische und preußische Grenze. Eine Privatgesellschaft begann die Eisenbahn von Mailand nach Venedig unter außerordentlichen Begünstigungen von Seiten der Regierung; so entstand der colossale Bau durch die Lagunen, 20.000 Fuß lang, der Venedig mit dem Festlande verbindet, und Venedig begann wieder aufzublühen. Eine Privatgesellschaft in Ungarn begann den Bau der Bahn von Debreczin nach Wien. Eine andere vollführte das Meisterwerk der Baukunst, die Kettenbrücke zwischen Pesth und Ofen über die 1200 Fuß breite Donau. Seinem Vater, dem Kaiser Franz I., ließ der Sohn auf dem Franzensplatze innerhalb der Burg ein Monument setzen. Was den persönlichen Charakter dieses Monarchen betrifft, so leben im Volke so viele Züge der seltensten Herzensgüte, daß ihm bei Lebzeiten bereits die Geschichte den Beinamen des Gütigen gegeben hat. Im Jahre 1848, nachdem eine Reihe theils denkwürdiger, theils trauriger Ereignisse Statt gehabt, als: Verschärfung der Censur (am 1. Februar), die Märztage (12., 13., 14. März), die Verleihung der Constitution und Einberufung des Reichstages (25. April) die Sturmpetition und erste Flucht des Kaisers (15. Mai), der Mord Latour’s (6. October), die zweite Flucht des Kaisers (7. October), die Einnahme Wiens und die Verlegung des Reichstages von Wien nach Kremsier, endlich drei Wochen nach Wiens Eroberung die Bildung des Ministeriums Schwarzenberg-Stadion, legte Ferdinand am 2. December die Kaiserkrone nieder. Nur noch kurze Zeit verweilte er in Olmütz; dann begab er sich nach Prag, wo er seither seinen bleibenden Aufenthalt gewählt und den Sommer auf der einen oder andern seiner Herrschaften in Böhmen zubringt. Am 27. Februar 1856 feierten Ihre Majestäten Kaiser Ferdinand und Höchstdessen Gemalin Maria Anna das Fest der silbernen Hochzeit in Prag, zu welchem sich Se. Majestät der Kaiser Franz Joseph und die Erzherzoge Franz Karl und Ludwig, ferner Karl Ferdinand, Wilhelm, Leopold und Ernst, Sigismund, Rainer, Heinrich und Joseph, ferner Se. Majestät der König Johann und Kronprinz Albert von Sachsen, eingefunden hatten.

Schimmer (Karl August), Ferdinand I., Kaiser von Oesterreich, dessen Leben und Wirken bis zu seiner Thronentsagung (Wien 1849, 8°., mit Portr.). – Gallerie denkwürdiger Persönlichkeiten der Gegenwart, nach Originalzeichnungen, Gemälden, Statuen und Medaillen (Leipzig v. J. (1853), J. J. Weber, Fol.) S. 78, Tafel 81. – Allgemeine Zeitung 1838. Außerordentliche Beilage zu Nr. 483: „Kaiser Ferdinand im italienischen Tirol“. – Der Komet. Conversationsblatt für gebildete Stände (Leipzig 4°.) XIV. Jahrg. 1843, Nr. 187 u. f.: „Der erste Begnadigungsact des Kaisers Ferdinand“. – Die Presse (Wiener polit. Blatt) 1856, Nr. 49, Abend-Ausg.: „Hoffeste aus Anlaß der Feier der silbernen Hochzeit Ihrer Majestäten [200] des Kaisers Ferdinand und der Kaiserin Maria Anna“. – Mailáth (Joh. Grf.)[WS 1], Geschichte des österreichischen Kaiserstaates (Hamburg 8°.) Bd. V, S. 378, 381, 393, 412, 431–436. – Oesterr. National-Encyclopädie, herausgegeben von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. II, S. 118 [daselbst auch Einiges über Kaiser Ferdinand’s I. Privat-Sammlungen]. – Oesterreich. Militär-Konversations-Lexikon. Herausg. von J. Hirtenfeld (Wien 1852, gr. 8°.) Bd. II, S. 349. – Austria. Oesterreich. Universal-Kalender f. d. gem. Jahr 1851 (XII. Jahrg.) S. 200–205. – Nouvelle Biographie générale ... par Dr. Hoefer. XVII. Bd. S. 362. – Porträte. 1) Gestochen von Krepp (Wien, Spina, Fol.); – 2. lithogr. von Ritter von Benza (Wien, Neumann, Fol.), der Kaiser zu Pferde; – 3) nach Monten lithogr. (München, Köhler u. Comp., Fol.), gleichfalls zu Pferde; – 4) nach Einsle lithogr. von Stadler (Wien, Paterno, Fol.), sehr ähnlich; – 5) Stahlstich von Knapp (Kempten, Dannheimer, 4°.); – 6) Stahlstich im „Gothaischen Hofkalender“ (Gotha, J. Perthes, 32°. und 8°.); – 7) mit einer allegorischen Randzeichnung von Hasslwandter, als Denkblatt des 15. März 1848 (Wien, Bermann, Fol.); – 8) nach Ender in Kupfer gestochen von J. Kovatsch][WS 2] (Wien, Bermann, kl. Fol.); – 9) als Erzherzog und Kronprinz im 10. Jahre, punctirt von Mathieu (Wien, Bermann). – Das technische Cabinet Sr. Majestät des Kaisers Ferdinand ist eine der merkwürdigsten Sammlungen. Es besteht aus vier Abtheilungen: 1) aus der Fabriksprodukten-Sammlung; 2) der technischen Sammlung militärischer Gegenstände; 3) der Modellen-Sammlung, und 4) der diplomatisch-heraldischen Sammlung. Sammlung Nr. 1 ist nach Stephan von Keeß „Darstellung des Fabriks- und Gewerbswesens im österreichischen Kaiserstaate“ geordnet und zählte schon 1835 über 40.000 Stücke; die Sammlung Nr. 2 enthält eine Nachbildung aller bei der k. k. Armee gebräuchlichen Waffen und Geschütze in treuen, nach bestimmtem Maßstabe gearbeiteten Modellen, nebst bildlichen Darstellungen ihrer Verfertigung. Die Sammlung Nr. 3 zerfällt in zwei Abtheilungen, in die allgemeine, welche die sämmtlichen Bestandtheile der Maschinen, und die besondere, welche die Maschinen selbst enthält. Die nach einem bestimmten Maßstabe gearbeiteten Modelle sind von dem berühmten Modellisten Abbé Harder in Wien gearbeitet. Sammlung Nr. 4 enthält die Wappen aller Adelsfamilien des österreichischen Kaiserstaates, nach den Kronländern geordnet.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Mailáth (Jos. Freih.).
  2. Vorlage: E. Kovatsch.