BLKÖ:Habsburg, Margaretha (Tochter des Kaisers Maximilian I.)

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 7 (1861), ab Seite: 4. (Quelle)
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189. Margaretha Erzherzogin von Oesterreich (geb. 10. Jänner 1480, gest. in der Nacht vom 30. November auf den 1. December 1530). Tochter des Kaisers Maximilian I. aus dessen Ehe mit Maria von Burgund, Tochter des Herzogs Karl des Kühnen. Diese merkwürdige Frau, die edle Tochter des „letzten Ritters“, hatte keine Kindheit; noch in der Wiege war sie das Spielzeug der Launen des Geschickes. Kaum zwei Jahre alt, wurde sie dem Sohne Ludwig’s XI. von Frankreich verlobt. Der Vertrag, durch welchen diese Verbindung festgesetzt wurde, ward zu Arras am 23. December 1482 geschlossen. Der König von Frankreich machte sich verbindlich, sie erziehen zu lassen und wie seine Tochter zu behandeln. Von einem Gefolge edler Genter begleitet, reiste Margaretha ab, und wurde an der Grenze von hohen französischen Würdenträgern, welche Ludwig XI. dahin abgeordnet hatte, festlich empfangen, nun wurde ihr Gefolge, mit Ausnahme ihrer Amme, des Gemals derselben und einer kleinen Zahl von Dienerschaft verabschiedet. Ihr Einzug in Paris wurde wie ein Freudenfest begangen. Diese Verbindung der Erbin von Burgund mit Karl, nachmals als König der VIII., galt als ein Pfand des ersehnten Friedens. Nun wurde Margaretha nach Amboise gebracht, wo sie ihren Hof aufschlug, Madame de Secret wurde mit der ersten Erziehung der jungen Dauphine betraut. Die Vermälung Margaretha’s mit Karl VIII. wurde festlich begangen. Margaretha zählte damals drei Jahre. Ungestört verfloß ihre Kindheit auf dem Schlosse zu Amboise, ihre Erzieherin flößte ihr in jenen Tagen den Geschmack für die Kunst ein, wovon sie später so schöne Proben ablegte und welchem noch die Gegenwart Kunstwerke verdankt, die jeden, der sie betrachtet, entzücken. Dieses friedliche Leben währte nicht lange. Franz II., Herzog von Bretagne, dieser gefürchtete Nachbar Frankreichs, hinterließ, als er starb, zwei Töchter, Anna [5] und Isabella, und sein reiches Erbe fiel, als auch Isabella in der Blüthe ihrer Jahre dahinging, auf ihre Schwester Anna [Bd. VI, Nr. 23]. Maximilian, Margarethens Vater, bewarb sich nun um Anna’s Hand und erhielt sie. Karl VIII. sah mit Unwillen diesen Vorgang; um dessen Ausführung zu verhindern, fand er kein geeigneteres Mittel, als seine Heirath mit Margaretha aufzulösen, und der Braut Maximilians, die auf ihrer Reise zum Bräutigam begriffen war, aufzulauern, sie zu rauben und sie selbst zu heirathen. Margaretha, damals 14 Jahre alt, wurde ihrem Vater zurückgeschickt. Im Jänner 1493 verließ Margaretha das Schloß Amboise, um sich in ihre Heimat, das schöne Burgund, zu begeben. Ehe sie abreiste, ließ man sie auf das Crucifix und die Evangelien den feierlichen Eid schwören, daß sie auf alle Ansprüche, die in Folge ihrer Ehe mit Karl VIII. von Frankreich erhoben werden könnten, Verzicht leiste. So jung als Margaretha war, fühlte sie wohl die ihrer Familie zugefügte Schmach. An der Grenze bei Cambresis trennte sie sich von ihrem Gefolge, das sie noch mit reichen Geschenken beglückte. Maximilian wies nun seiner Tochter Namur zum künftigen Aufenthalte an. Vier Jahre residirte sie bereits daselbst, als 1496 Ferdinand von Spanien dem Kaiser Maximilian den Vorschlag machte, ihre Häuser durch eine Doppelheirath fester zu verbinden. Maximilian hatte ein paar Jahre zuvor (1493) nach seines Vaters Tode den Kaiserthron bestiegen und Ferdinand suchte einen mächtigen Verbündeten, um Frankreichs Pläne zu vereiteln, welche dasselbe betreffs Italien spann. Es sollte sich demnach der Infant Don Juan mit der Erzherzogin Margaretha, und der Erzherzog Philipp von Österreich mit der Infantin Johanna [s. Bd. VI, Nr. 120] vermälen. Das nämliche Schiff, welches Johannen nach Flandern gebracht hatte, sollte Margarethen nach Spanien bringen. Angesichts der Küsten Englands wurde das Schiff vom heftigsten Seesturm überfallen. Während die Mannschaft und die Matrosen an der Rettung verzweifelten und alle möglichen Gelübde thaten, wenn sie der Gefahr entrinnen wurden, behielt Margaretha ihre Ruhe und damals war es, daß sie auf Wachstafeln sich selbst folgendes Epitaph schrieb:

Cy git Margot, la gente demoiselle,
Qu’eust deux maris et si morut pucelle.

Hier liegt Margaretha, die edle Jungfrau,
Zweimal vermält und immer noch Jungfrau.

Die Grabschrift sollte keine Anwendung finden. Das Schiff gelangte glücklich nach Hampton-Court, wo Heinrich VII. von England der Prinzessin einen festlichen Empfang bereitete. Nach dreiwöchentlichem Aufenthalte in dem gastlichen England schiffte Margaretha nach Spanien. Als sie in San Andrea in Galizien landete, wurde sie bereits von den Spaniern erwartet. Ferdinand und Isabella kamen ihrer Schwiegertochter nach Burgos entgegen und nun wurde auf das Festlichste die Vermälung des Infanten mit der Erbin von Burgund vollzogen. Aber das Geschick ermüdete nicht, Margarethen zu verfolgen. Kaum war sie einige Monate Don Juan’s Gemalin, als ihr Gemal starb (2. October 1497). Das Kind, welches Margaretha nach ihres Gemals Tode gebar, starb auch bald nach der Geburt. So schwand für Margaretha, [6] wie schon einmal ihre Aussicht auf den Thron Frankreichs, nunmehr zum andern Male auch jene auf den von Spanien. Margaretha begab sich nun nach den Niederlanden. Nach dreijähriger Witwenschaft warb Philibert, Herzog von Savoyen, um ihre Hand, und auf den Wunsch des Kaisers, der diese Verbindung gern sah, gab sie ihm dieselbe. Vermält durch Procuration begab sie sich nun in das Land ihres Bräutigams, begleitet von einem Gefolge von 250 Edelleuten, welche Philibert ihr entgegengesendet, an das sich ein ebenso starkes ihrer Flammänder angeschlossen hatte. Das junge Brautpaar kam in der Abtei Rome-Moustier bei Genf zusammen, daselbst wurde ihre Vermälung in Person vollzogen und von dem Bischofe von Maurienne eingesegnet (im November 1501). Drei Jahre lebte Margaretha in glücklicher Ehe, geliebt von ihrem Gemale, als sie ein neues Wehe heimsuchte. Der Tod entriß ihr plötzlich ihren Gemal. Philibert starb – 24 Jahre alt – am 10. September 1504. Zum dritten Male zog sich nun Margaretha in ihr Heimatland zurück und später begab sie sich nach Deutschland zu ihrem Vater. Die vlämischen Provinzen waren nach Philipp’s des Schönen Tod ohne Regierung und sie bedurften einer solchen, welche von starker und doch geschmeidiger Hand geführt wurde. Maximilian betraute nunmehr Margaretha mit dieser Aufgabe. Während Karl’s Minderjährigkeit sollte Margaretha die Leitung der Geschäfte in den Niederlanden übernehmen. Margaretha war jung, in der Schule des Unglückes groß gezogen, sie schien ihrem erlauchten Vater am meisten zu dem Amte zu passen, welches er ihr zugedacht. Margaretha besaß ein feines Gefühl, Scharfsinn, einen durchdringenden Geist und seltene Charakterfestigkeit, alles Eigenschaften, wie sie zu politischen Geschäften taugen. Das Weib, welches diese Eigenschaften besitzt, welches sich auf die Höhe der ihr zugedachten Rolle zu schwingen und die natürlichen Schwächen ihres Geschlechtes zu vergessen vermag, ist geschickter zu verwickelten Regierungsgeschäften, als ein Mann. Margaretha wurde mit wahrem Enthusiasmus in den Niederlanden empfangen. Die Bevölkerung hoffte von einer Fürstin, die in der Hauptstadt des Landes, das sie verwalten sollte, geboren worden, mehr als von einem Fremden, den nur Eigennutz und Gewinnsucht an das Land fesselten. In Mecheln schlug Margaretha ihre Residenz auf. Mitte Juli 1507, begleitet von ihren Mündeln, Philipp’s Sohne[WS 1], Karl, nachmals Karl V. [Bd. VI, Nr. 130], Eleonore [Bd. VI, Nr. 52], Isabella [Bd. VI, Nr. 68], Katharina [Bd. VI, Nr. 160] und Maria [s. Nr. 197], nahm sie Besitz von dem prächtigen Regierungsgebäude, welches der Kaiser zu ihrer Residenz hatte herrichten lassen. Ihre Briefe an Maximilian sind Belege für die zärtliche Sorgfalt, die sie dem Kronprinzen, auf dessen Haupte die Diademe zweier Welten vereint werden sollten, angedeihen ließ. Sie überwachte mütterlich seine Erziehung und weihte den Knaben in die Geheimnisse der Regierungskunst ein. In dieser Stellung, als Statthalterin der Niederlande, übte Margaretha einen großen Einfluß auf die europäische Politik. Nicht bloß, daß ihr hoher Geist, eine sorgfältige Erziehung und sonst treffliche Eigenschaften, sie geeignet machten, den Posten, den sie bekleidete, würdig zu vertreten, die Ereignisse ihres Lebens thaten wesentlich das ihrige dazu. Durch theils projectirte, theils vollzogene Heirathen, mit [7] den Thronen von Frankreich, Aragonien, Castilien und Savoyen enger verknüpft, war sie, so zu sagen, die natürliche Vertreterin in allen großen Fragen der Politik, an welchen die genannten Mächte immer betheiliget waren. Mehrere Fürsten, auf ihren Geist und ihr Rechtsgefühl vertrauend, wählten sie zur Schiedsrichterin in streitigen Fällen. Ihre Klugheit, geschärft durch solche stätige Uebung und nie entweiht, weil sie den ganzen Zauber ihrer Weiblichkeit, wenn es galt, in die Wagschale legte, wurde in Europa bald sprichwörtlich und Karl’s V. Tante, Margaretha von Österreich, war der größte Diplomat in der ersten Hälfte des 16. Jahrhundert. Ihre Kunst zu unterhandeln, hatte sie in mehreren Fällen glänzend bewiesen. Einen mit Heinrich VII. von England geschlossenen, für Castilien nachtheiligen Handelsvertrag aufzulösen und zwischen beiden Staaten einen entsprechenderen zu Stande zu bringen, war ihr gelungen. Der berühmte Vertrag von Cambrai, jedoch nicht zu verwechseln mit dem 21 Jahre später zu Cambrai geschlossenen Damenfrieden, war Margarethens Werk. Der äußerliche Zweck dieser Verhandlungen war die Beseitigung der Mißhelligkeiten, welche zwischen dem Kaiser und dem Könige von Frankreich, ob der Unterstützung, welche ersterer dem Herzoge von Geldern, Karl Egmond, gewährte, entstanden waren. Eigentlich handelte es sich aber um viel wichtigere Dinge, es galt die Feststellung des Verhältnisses beider Souveräne in Italien im Augenblicke, als Papst Julius II. den Krieg gegen Venedig begann, in welchem Falle sich ihre beiderseitigen Interessen kreuzten und ihrer Politik entgegengesetzte Verbindlichkeiten auferlegte. In solchem Falle eine Vereinbarung zu erzielen, war eine ebenso wichtige als schwierige Aufgabe. Ludwig XII. hatte den Cardinal von Amboise zu den Verhandlungen bestimmt, Maximilian fand zu dieser Mission Niemand geeigneter, als seine Margaretha. Die Erzherzogin kam Mitte November 1508 in Cambrai an. Ihre Anmuth und Liebenswürdigkeit, verbunden mit ihrem Geiste, wirkten entscheidend bei den Verhandlungen. Am 10. December wurden dieselben, für Frankreich mit nicht zu günstigen Bedingungen, geschlossen. Der Friede von Cambrai erfüllte Maximilians Herz mit unsäglicher Freude, er übertraf weit alle seine Erwartungen. Nach solchen diplomatischen Fahrten kehrte die Erzherzogin immer wieder gern nach ihrer Residenz in Mecheln zurück. Ihre nicht glückliche Jugend hatte ihrem Wesen den Stämpel einer sanften Melancholie aufgedrückt Aus diesem Umstande erklärt sich auch ihre selbstgewählte Devise: „Fortune importune fort une“[1]. In den Wissenschaften und in der Kunst fand sie die Zuflucht für ihre düsteren Gedanken. Es gab zu ihrer Zeit glänzendere und prächtigere Höfe in Europa, aber einen Hof, dem Gelehrte und Künstler allen Glanz verliehen, wie dem ihrigen, gab es nicht. Die Dichter fanden an Margarethens Hofe hochherzige Ermuthigung, nicht nur, daß deren Schöpfungen die Aufmerksamkeit der Fürstin in Anspruch nahmen, sie selbst flüchtete zur Muse und vertraute ihr ihre Empfindungen. Mecheln blühte zur Zeit, als Margaretha dort [8] ihren Hof hielt, in den verschiedenen Zweigen der Kunst und Industrie. Die Feste, welche an ihrem Hofe stattfanden, und an denen Kunst und Geschmack ihren wesentlichsten Antheil hatten, trugen nicht wenig dazu bei, den Wohlstand der Bevölkerung zu steigern. Margarethens Palast verrieth in Allem einen auserlesenen Geschmack, die Gemächer waren mit spanischen Tapisserien in Gold, Silber und Seide, mit Abbildungen aus dem alten und neuen Testamente, aus dem Cid u. dgl. m., geschmückt. An den Wänden bewunderte man Gemälde von Hemmling, Rogier van der Weyde, Michael Van Coxie, Bernard Van Orley, Gerard Horenbout, Jean Vermeyen und anderen Künstlern. Sie stellten Scenen aus der h. Schrift, Porträte von Fürsten und den berühmtesten Zeitgenossen dar. Marmor, Gold- und Elfenbeinarbeiten seltener Vollendung begegneten überall dem Auge. Ihre Bibliothek war eine der reichsten, die es gab, und sie besaß die herrlichsten Manuscripte, geschmückt mit kostbaren Miniaturen. In diesem Heiligthume des Geistes liebte die Fürstin ihre Einsamkeit zuzubringen und den Eingebungen der Muse ein horchendes Ohr zu leihen. Ihre Poesie, manchmal heiterer Natur, ist vorherrschend wehmüthig. Jean Le Maire, ihr Lieblingsdichter und Historiograph, widmete ihr ein Gedicht, betitelt: „Triomphe de l’amant vert“. Wer war dieser grüne Liebling? Mit dieser Frage beschäftigte sich Mancher und es fehlte nicht an zweideutigen Unterstellungen, welche die Seelenreinheit dieser Fürstin in Frage stellten. Aber die Thatsache strafte allen diesen Unsinn Lügen. Der Amant vert ist ein Papagei, den Erzherzog Sigismund ihrer Mutter, Maria von Burgund, geschenkt hatte und der nach Maria’s Tode Margarethens Liebling geworden. Margaretha selbst gab ihm den Namen l’amant vert und dichtete, als ihr Liebling starb, sogar ein Epitaph auf ihn, dessen erste Zeilen seinen Namen enthalten:

Sous ce tombal qui est un dur conclave
Gist l’amant vert .....

Vor Margarethens von Österreich Statthalterschaft war Belgien bereits das Vaterland bedeutender Musiker, aber da sie im Lande mit ihrer Kunst keinen Anklang fanden, mußten sie ihr Glück in der Fremde suchen. Seit die Erzherzogin in Mecheln residirte, zogen auch die vorzüglichsten Musiker dahin, wo ihnen die Fürstin eine künstlerische Unabhängigkeit sicherte. Compére, Brumel, de la Rue, Isaac, Agricola hatten sich in Mecheln niedergelassen, ihre Compositionen sind schöne Belege ihrer Meisterschaft. Ein wesentliches Moment im Leben der Erzherzogin ist ihre Oberleitung der Erziehung des jungen Erzherzogs Karl. Sie hatte sich dieser ernsten Aufgabe mit aller Gewissenhaftigkeit hingegeben. In den Briefen an ihren Vater spielen die Berichte über seinen Enkel eine wichtige Rolle. Nichts hält sie für geringfügig; von des Prinzen Studien, Gesundheitsumständen, Spielen, von Allem muß der Kaiser in Kenntniß sein. Karl, in seiner Hast, sich der Regierung zu bemächtigen, vergaß im Feuereifer der Jugend, was er der Tante schuldig war, versah es manchmal in der Wahl der richtigen Mittel, vergessend, sich bei der klugen und gewiegten Tante Raths zu erholen und es kam so weit, daß Margaretha sich bei Maximilian über ihren Neffen beklagte und den Kaiser bat, seinem Enkel vorzustellen, daß der Erzherzog gegen die Fürstin, der er so [9] viel Dank schulde, sein Verhalten angemessener einrichten müsse. Als Karl sich in den Niederlanden huldigen ließ, besuchte er, begleitet von seiner Tante, die größeren Städte des Landes. Der Jubel, wo der Fürst und die Fürstin erschienen, war sehr groß; und wenn es Geschichtschreiber gibt, welche berichten, daß dieser Jubel der Erzherzogin galt, so haben sie Recht, denn sie hatte sich um diesen Jubel genug Verdienste erworben, während ja Karl erst die Regierung übernahm und das Seinige noch zu thun hatte. Als Karl später nach Spanien sich begab, vertraute er die Regierung in den Niederlanden einem Regentschaftsrathe, in welchem Margaretha eine untergeordnete Rolle spielte. Achtzehn Monate später räumte jedoch Karl Margarethen den größten Theil ihrer frühern Prärogative ein. Er hatte auch klug daran gethan, seine bewährte weise Tante zu versöhnen, denn als Maximilian, ihr Vater, starb, begannen von Neuem jene Verwickelungen in der europäischen Politik, welche leider immer wieder das Schwert des Krieges löste. Der deutsche Kaiserthron war erledigt und Karl hatte an Franz I. von Frankreich einen mächtigen Rivalen. Diese Kaiserwahl war eine der denkwürdigsten in Deutschlands Geschichte und wenn Karl V. aus der Wahlurne hervorging, so hatte an diesem Erfolge Margaretha den wesentlichsten Antheil. Mit allen Churfürsten hatte sich Margaretha in brieflichen Verkehr gesetzt, überall hin sandte sie Agenten. Ihre schönen Worte unterstützte sie mit noch wirksameren Hebeln, ihre Rechnungen, welche noch aufbewahrt werden, beweisen es, daß die edlen Metalle bei Karl’s Kaiserwahl eine gewichtige Rolle spielten. Die zu Geschenken an hohe Personen, zu Honoraren für die in ihren Rath Zugelassenen, und zu sonstigen Geldspenden für untergeordnete Mithelfer verwendeten Summen erreichten eine beträchtliche Höhe, 500.000 Goldgulden erhielten die Erzbischöfe von Cöln, Mainz und Trier; der Neffe des Letztern allein erhielt 500 Gulden, um bei seinem Onkel zu Gunsten Karl’s V. zu sprechen. 100 Gulden erhielt in gleicher Absicht der Kammerdiener des Erzbischofs von Mainz; diese Thatsachen werden sowohl durch ihre Briefe, wie ihre noch vorhandenen Rechnungen genügend bestätiget. Margaretha hatte sich in den letzten Jahren der Regierung ihres Vaters von der Politik bereits zurückgezogen, nun gab ihr der Neffe mehr zu thun, als sie unter dem Vater zu thun gehabt. Die großen Ereignisse drängten einander und machten ihre Mitwirkung nöthig. Karl V., der nun aus eigener Erfahrung das diplomatische Talent seiner Tante kennen und würdigen gelernt, bediente sich, so oft er nur konnte, desselben. Nach der Schlacht von Pavia schloß Margaretha mit Louise von Savoyen, Königin von Frankreich, den 6monatlichen Waffenstillstand. In der Theilnahme für ihren Neffen verläugnete sie nie das Gefühl der Billigkeit, wenn es die Rechte des Gegners galt. Bald nach den Friedensverhandlungen von Madrid, auf welchen das Schicksal Franz I. verhandelt wurde, schickte sie an Karl V. einen Secretär mit ihren Ansichten und erhielt für den königlichen Gefangenen viel mildere Bedingungen, als früher beschlossen worden waren. Karl V. und Franz wollten ihre Streitigkeiten schlichten. Margaretha schlug ihrem Neffen vor, die Vermittelung zu übernehmen und den Frieden mit Louise von Savoyen zu unterhandeln. Wieder bestimmte sie [10] Cambrai zum Orte, wo die Unterhandlungen stattfinden sollten. Dieser Ort war der Schauplatz ihres ersten diplomatischen Meisterstückes, er mußte ihr wieder Glück bringen. An demselben Tage, an welchem Louise, Franz’ I. Mutter, in Cambrai eintraf, langte auch Margaretha daselbst an. Ein zahlreiches Gefolge begleitete beide Fürstinen. Außer den zwei Fürstinen befanden sich noch 4 souveräne Fürsten, 8 Cardinäle, 10 Erzbischöfe, 33 Bischöfe, 87 Herzoge und Grafen und 400 Ritter und Frauen innerhalb der Mauern dieser kleinen Stadt. Jeden Tag gab es neue Feste. Mochte Krieg oder Frieden aus diesem Congreß hervorgehen, man wollte diese Gelegenheit benützen, sich zu vergnügen. Margaretha von Oesterreich war in der Abtei Saint Aubert, Louise von Savoyen im Hotel Saint Paul abgestiegen. Eine gedeckte Gallerie verband die Wohnungen beider Fürstinen. Sie besaßen die Schlüssel dazu und konnten sich auf diese Weise zu jeder Stunde ohne Zeugen besprechen. So wurden die Verhandlungen von beiden Fürstinen ausschließlich geführt und das Geheimniß auf’s tiefste bewahrt. Sie begannen am 5. Juli und der Friede wurde am 5. August 1529 vom hohen Chor der Kathedrale proclamirt. Zum Andenken an die beiden Frauen, welche die Streitigkeiten zwischen dem deutschen Kaiser und dem französischen Könige geschlichtet hatten, nannten die galanten Geschichtschreiber diesen Frieden von Cambrai den „Damenfrieden“. Dieß war der letzte politische Act, den Margaretha ausgeführt, sie beschloß nunmehr, die Statthalterschaft der Niederlande in die Hände des Kaisers niederzulegen und ihre letzten Tage in der Stille und Einsamkeit eines Klosters zu beschließen. In’s Kloster Annunciade, von ihr zu Brügge erbaut, wollte sie sich zurückziehen. Das Schicksal jedoch hatte es anders beschlossen. Bevor Margaretha der Welt Lebewohl sagte, wollte sie noch ein und zwar das letzte Mal die prächtige Kirche von Brou sehen, welche sie um große Summen erbaut und von den ersten Künstlern ihrer Zeit hatte ausschmücken lassen. Dort sollte der Leichnam Philibert’s, ihres letzten Gemals, beigesetzt werden. Sie reiste von Antwerpen ab, machte in Mecheln Halt mit dem Vorsatze, nur kurze Zeit dort zuzubringen. Eines Tages fühlte sie sich unwohl und verlangte ein Glas Wasser. Eine ihrer Ehrendamen reichte es ihr in einem Kristallgefäß. Als diese das Glas aus den Händen der Fürstin wieder nahm, ließ sie es fallen und es zerbrach. Ein Splitter war in den Pantoffel der Erzherzogin gefallen. Als einen Augenblick später Margaretha sich erhob und die Pantoffel anziehen wollte, erhielt sie durch den Splitter eine schwere Wunde am Fuße. Der Brand gesellte sich alsbald hinzu und in acht Tagen war das Uebel so weit fortgeschritten, daß die Aerzte die Amputation für unerläßlich hielten. Diese Nachricht wurde der Fürstin durch ihren Almosenier überbracht, Margaretha erklärte sich bereit zu Allem, was die Aerzte für gut hielten. Diese, um der Erzherzogin die Schmerzen der Operation zu ersparen, ließen sie eine starke Dosis Opium zu sich nehmen. Margaretha schlief ein – um nie wieder zu erwachen. In der Nacht vom 30. November auf den 1. December hauchte die edle Fürstin ihre Seele aus. Ihrem ausdrücklichen Wunsche gemäß sollte sie in Brou an der Seite ihres Gemals Philibert bestattet werden. Vor der Hand wurde sie in der Kirche Annunciade zu Brügge, wo ihre Mutter, Maria von Burgund, [11] ruhte, beigesetzt. Zwei Jahre später wurden ihre Ueberreste im feierlichen Zuge nach Brou überbracht. Diese prächtige Kirche, an der 25 Jahre gearbeitet wurde, kostete mehr als 2 Millionen Gulden, eine Summe, welche heutzutage einer zehnmal größern gleichkommt. Der Prachtbau von Brou hat sich unversehrt bis auf die Gegenwart erhalten. Belgien ist bis auf die Gegenwart eingedenk geblieben dieser edlen Fürstin, welche den ersten Rang einnahm unter den geistvollsten Menschen eines Jahrhunderts, in welchem Alles groß war, die Menschen und die Dinge, die Fürsten und die Völker, und doch hat es 320 Jahre bedurft, um durch ein bleibendes Denkmal das Andenken dieser fürstlichen Wohlthäterin Belgiens zu ehren. Im Juli 1849 wurde zu Mecheln eine Statue Margarethens aufgestellt, welche der Wille der Nation decretirt hatte. Ihre Schriften, u. z. ihr „Discours de ses infortunes et de sa vie“, ihre vor den Ständen gehaltenen Reden und ihre Gedichte hat Le Maire gesammelt und sie erschienen unter dem Titel„Couronne Margaritique“ (Mecheln 1530 und noch öfter). In dem Werke ihres Historiographen Le Maire: „La legende de Vénitiens autrement leur chronique abrégée“ (Lyon 1549, 8°.), befinden sich auch von Margaretha: „Les regrets de la dame infortunée Marguerite auguste fille de l’Empereur Maximilian sur la mort de son frère le roy Philippe de Castille“.

Altmeyer (Jean Jacq.), Marguerite d’Autriche sa vie, sa politique et sa cour (Liege 1840, 8°., ebd. 1844). – D’Avoine (Pierre Joseph), Essai historique sur Marguerite d’Autriche (Anvers 1849, 8°., mit Portr.). – Blondeau de Charnage (Claude François), Abrégée de l’histoire de Marguerite d’Autriche (Paris o. J. [1764], 12°.). – Bulckens (François), Notice sur Marguerite d’Autriche, gouvernante des Pays-Bas (Malin 1844, 8°.). – Cussinet de Dombes (Pierre François), Essai sur l’histoire de Marguerite d’Autriche et sur le monument de Brou etc. (Lyon et Paris 1838, 8°.). – Fêtes inaugurales de la statue de Marguerite d’Autriche à Malines. Vie de Marguerite d’Autriche. Programme des fêtes, Cavalcade (Maline 1849, 4°., mit der Abbild. der Statue und 12 Taf.). – Le Glay (André Joseph Ghislain), Correspondance de l’Empereur Maximilien I. et de Marguerite d’Autriche, gouvernante des Pays-Bas, depuis 1507, jusqu’en 1519 (Paris 1820, und neue Aufl. 1838, 8°.) 2 Bde. [S. 428–465 des I. Bandes Nachrichten über Margaretha’s Leben, 467 u. 468 Bibliographie.] – Le Glay (Andr. Jos. Ghisl.), Maximilien I. empereur d’Allemagne et Marguerite d’Autriche sa fille, esquisses biographiques (Paris 1829, 8°.). – Le Maire (Jean), Couronne Margaritique (Mecheln 1530 und noch öfter). – Münch (Ernst Jos. Hermann von), Margaretha von Oesterreich, Oberstatthalterin der Niederlande. Biographie und Nachlaß (Stuttgart 1833, 8°.). – Fugger (Joh. Jac.), Spiegel der Ehren des Erzhauses Oesterreich (Nürnberg 1668, kl. Fol.) S. 901, 917–920, 1072, 1095, 1105, 1106, 1128, 1134, 1135, 1244. – Hormayr’s Archiv, Jahrg. 1810, S. 646: „Abschied der Erzherzogin Margaretha, verwitweten Herzogin von Savoyen, Statthalterin der Niederlande, von ihrem Neffen K. Karl. Mecheln 30. November 1530“. – L’illustration. Journal universel (Paris, kl. Fol.) 1855, Nr. 599, S. 58: „Maximilien, Marguerite et Charles Quint“. – L’Indépendance belge 1849, Feuilleton du 2. juillet: „Marguerite d’Autriche“. Allgemeines historisches Lexikon (Leipzig 1731, Thom. Fritschens Erben, Fol.) Dritte Auflage, Bd. III, S. 412. – Mone, Anzeiger für Kunde des deutschen Mittelalters 1835, S. 287 u. 396 : „Briefe des Kaisers Maximilian I. und seiner Tochter Margaretha“ (1499–1518), 33 Stück. – Porträte. 1) J. L. p., Aubert sc. (8°.); – 2) P. de Jode exc. (8°.).

  1. Jedoch gibt Fugger eine andere Devise Margarethens an: um einen jungen Baum, über welchen eine aus Wolken hervorragende Hand einen dreifachen Donnerstrahl hält, die Worte:

    „Spoliat mors munere nostro“,
    Des Todes Neid
    Raubt meine Freud’.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Söhnen.