BLKÖ:Moser, J. B.

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Moser, Joseph
Band: 19 (1868), ab Seite: 146. (Quelle)
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Moser, J. B. (Volkssänger, geb. zu Wien um den Beginn des 19. Jahrhunderts, gest. ebenda 6. December 1863). Sein wahrer Name ist Müller[WS 1]. „Widrige Schicksalsschläge“, wie es in einer der zahlreichen Notizen über ihn heißt, zwangen ihn, im Jahre 1829 sich dem Volkssängerthum zu widmen, in welchem er eine Specialität in seiner Art wurde. Zu jener Zeit nahm das sogenannte Harfenistenthum in Wien, dessen Urahn doch der berühmte Augustin ist, der Vater des von uns mit so berechtigtem Stolze gesungenen „O du lieber Augustin, Geld ist hin, Geld ist hin“, eine sehr niedrige Stellung in der öffentlichen Volksmeinung ein; die bessere Gesellschaft [147] floh jene Orte, wo Harfenisten sich hören ließen, und Frauen, in deren Gegenwart man solcher Orte gedachte, errötheten. Bevor Moser auftrat, ergötzten Jonas und Rothkopf als Volkssänger das Publicum. Die Hauptkunst des letzteren bestand in dem sogenannten „Dudeln im Häfen hinein“ (Jodeln im Innern eines Topfes), Jonas aber war ein derbes komisches Talent, das, da es damals an einem Volksdichter fehlte, an diesem Mangel eben selbst verkümmerte. Als Moser diesen Jonas hörte, kam ihm sofort die Idee, daß auch der Volkssänger dem Publicum gegenüber eine Aufgabe zu lösen habe, die durchaus nicht gering anzuschlagen sei. Er erkannte es, daß diese Aufgabe um so leichter zu lösen sei, wenn Volkssänger und Volksdichter in einer Person vereinigt seien. Obgleich nun die Volkssänger in der öffentlichen Meinung eben nicht eine verlockende Stelle einnehmen, so wollte er doch Volkssänger werden. Bevor er jedoch diesen Schritt unternahm, schrieb er zuerst für Jonas eine Conversationsscene unter dem Titel: „Oui“, in welchem er dem Jonas die Rolle des als Marquis verkleideten Heubauern, nach der bekannten Cartouche-Erzählung[WS 2], zutheilte, und errang damit einen solchen schlagenden Erfolg, daß von da an sich der Umschwung zum Besseren in dieser Art Volksschauspiel datirt. In der Folge fand Moser in Gatterer einen Genossen, wie er ihn brauchte, und bildete den noch jungen, aber sehr talentvollen Mann ganz für seinen Zweck aus. Gatterer blieb bei Moser bis zu seinem Tode, dem er im Jahre 1855, ein Opfer der Cholera, erlag. Als Dritter zu dem Paare gesellte sich Hagen, später Matras, hinzu, der sein nicht unbedeutendes Talent in der Folge auf der Bühne bewährte. So bildeten denn Moser, Gatterer und Hagen in ihrer Weise und auf ihrer rasch improvisirten Bühne, die aus einer passend gelegenen Stelle eines öffentlichen Gartens, einem Tische und einem Paar Stühle bestand, ein Kleeblatt ebenso einzig in ihrer Art, wie es Scholz, Nestroy und Grois auf den Brettern des Leopoldstädter Theater bildeten. Jene drei und diese drei waren Etwas, was zu den eigensten Specialitäten Wiens gehörte, die jeder Fremde, der Wien besucht, gesehen und gehört haben mußte. Moser, durch seine beiden geschickten Collegen in seinem Berufe wesentlich gefördert, benützte nun sein originales dichterisches Talent, und Alles, was, seit Moser öffentlich als Volkssänger auftrat, von ihm vorgetragen wurde, war auch von ihm gedichtet. Und wahrhaftig, diese Kinder der heitersten, mitunter übermüthigsten Laune dreier Jahrzehende sind nicht das schlechteste, was je gedruckt worden; durchwegs Original, erfüllen diese Conversationsscenen den Leser oder Hörer mit Bewunderung über das Talent eines Mannes, das wie eine riesige Elektrisirmaschine von der Hand des Augenblicks in Bewegung gesetzt, tausend und tausend Witzfunken nach allen Seiten hin aussprüht. Moser’s Glanzzeit fällt in die Dreißiger-Jahre. Das zweite Kaffeehaus im Prater galt damals, wenn Moser spielte und sang, nicht bloß als Sammelplatz der großen Menge, es war auch das Stelldichein gebildeter Menschenkinder, hoher Cavaliere. Moser’s Fruchtbarkeit als Volksdichter – die Angabe seiner Arbeiten folgt weiter unten – war sprichwörtlich. Viele seiner köstlichen Witze und noch mehr seiner Volkslieder gingen in den Volksmund über, in welchem sie bis zur Stunde sich erhalten haben. In der [148] Folge trat M. in beliebten Gartenlocalitäten des Lerchenfelds und der Stadt, wie z. B. beim „Fassel“, „Zeisig“, „Grünen Baum“ u. a. O. auf. In den letzten Jahren aber änderte sich seine Weise des Vortrags merklich. Die Zote hat er stets, so viel als möglich, von seinen Productionen fern gehalten, in den letzteren Jahren aber wurde er geradezu moralisirend, seine Vorträge durchzog ein Hauch der – Belehrung und Bildung, und es war interessant, die Metempsychose zu beobachten, wie sich die Volksbühne in eine Bude der Schamlosigkeit und lüsternen Zote verwandelte, während das Bänkelsängerthum sich zum edleren Berufe, dem der Volksbildung, die der Volksbühne obliegt, erhob. Doch dauerte diese Umwandlung nur kurze Zeit. Mit Moser’s Tode gingen die Dinge ihren alten Gang weiter, nur mit dem Unterschiede, daß nun Volksbühne und Bänkelsänger vereint in Zote und Gemeinheit machten, welche Aufgabe in neuester Zeit auch die höheren Bühnen übernommen zu haben scheinen. Von Moser sind zwei Sammlungen im Drucke erschienen: „Das Wiener Volksleben. In komischen Scenen geschildert“ und „Wiener Local-Gesänge“, über deren Inhalt und Umfang das Nähere unten folgt. Beide Sammlungen[WS 3] sind, vollständig äußerst selten, erstere selbst bei Antiquaren kaum mehr anzutreffen.

J. B. Moser’s Volksdichtungen. Von diesen erschienen zwei größere Sammlungen unter folgenden Titeln: „Das Wiener Volksleben. In komischen Scenen geschildert von J. B. Moser, Volkssänger in Wien“, 20 Bändchen (Wien 1842, Jacob Dirnböck, 8°., jedes Heft mit einem Titelblatt) – und „Wiener Local-Gesänge von J. B. Moser“, Nr. 1–74 (letzte) (Wien, bei Carl Haslinger). Die Sammlung „Das Wiener Volksleben“ enthält folgendes: 1. Bdchn.: „Die Conversation im Namenstage“; – „Pechpolka“; – „Schwarze Gedanken auf weißem Papier“. – 2. Bdchn.: „Die Conversation im Paradeisgartel“; – „Die G’frött-Polka“. – 3. Bdchn.: „Die Conversation im Versatzamte“; – „Das Geduldlied“. – 4. Bdchn.: „Die Conversation durch’s Fremdenblatt“; – „Wiener Stadterweiterungs-Geplausch“. – 5. Bdchn.: „Die Conversation im Glashause“; – „Kometen-Geplausch“. – 6. Bdchn.: „Advocat und Client, oder: Fiaker und Sesselträger“, 1) „Tritsch-Tratschpolka. Text“; 2) „Schottische Polka, aber deutsch“; 3) „Das Kartenspiel’n“. – 7. Bdchn.: „Der Nachtwächter in Gänsewitz, oder: Das unterbrochene Ständchen“, 1) „Poste restante“; 2) „Die köstliche Zeit“; 3) „Unschuldige Fragen“; 4) „Wiener Dosenstücke“. – 8. Bdchn.: „Abonnent und Colporteur“, 1) „Mein Ideal“; 2) „Früchte, die verboten sind“; 3) „Das schärfste Gesetz“; 4) „Arie in einem Ton“. – 9. Bdchn.: „Zimmerputzer und Bürstenbinder“; – „Der politische Greisler“, 1) Aber man traut sich nicht zu fragen“; 2) „Sie draht sich um“. – 10. Bdchn.: „Doctor und Barbier“, 1) „G’füllte Nauscherln“; 2) „A heuriger Tanz“. – 11. Bdchn.: „Der Hausmeister comme il faut und sein Neujahrswunsch“. – 12. Bdchn.: „Der politische Schneider und der phlegmatische Schuster“; – „Die Donaulieder“; – „Die alte und die neue Welt“; – „Die Wiener Gemüthswalzer“. – 13. Bdchn.: „Die beiden Sesselträger, oder: Die mißlungene Serenade“; – „Zwei Arien in einem Ton“; – „Eine Arie in zwei Tönen“; – „Das thu’ ich gar so gern!“ – 14. Bdchn.: „Der Scherenschleifer, oder: Er recommandirt sich selbst“; – „Das Traumlied“; – „Der Bockbanige“; – „Ein altdeutsches Lied“. – 15. Bdchn.: „Der Muaß in Wien, oder: Der Hausherr comme il faut (als Fortsetzung des „Hausmeisters comme il faut“)“; – „Polka-Texte zur Musik von Hilmar“; – „Text zu weiland Joseph Lanner’s Steirer-Ländler: s’Hoamweh“. – 16. Bdchn.: „Die Handwerker im Extrazimmer“; – „Die Kaffee- und Lotterieschwestern“; – „Die Tarok- und Hundert-Eins-Brüder“. – 17. Bdchn.: „Die Fiaker in Wien“; – „Das gleicheste Paarl“; – „Der Fremdling in Wien“. – 18. Bdchn.: „Der Tischler und der Tandler“; – „Der Nixer“; – „Das Lied vom G’sellschaftskaffee und der anthonerne Ontonio“. – 19. Bdchn.: „Nach Liesing, oder: Männerherz und Eisenbahn“; – „Im Liederanhange“; – „Die Wankelmüthigen“, 20. Bdchn.: „Im Volksgarten“. [149] – Die bei Haslinger erschienenen 74 Nummern von Moser’s „Wiener Local-Gesänge“ enthalten nachstehende Volkslieder (Text und Musik dazu): 1. Arie in einem Ton: „Wie die Leut’ oft raisonniren“; – 2. Schuster-Romanze: „Ich stand auf hohem Berge“; – 3. Lied an den Handelsstand: „Weil Alles auf der ganzen Welt“; – 4. Herzenload und Freundestrost: „Ich hab’ a Dirnd’l g’liebt“; – 5. Meine Cilli: „I kenn Madeln sagt er“; – 6. Mir geht alles contraire: „Was i mi schon Tag und Nacht“; – 7. Mir geht alleweil was a: „Ich bin ein sehr guter und orntlicher Mann“; – 8. „Alte und neue Zeit: „Von Jahr zu Jahr“; – 9. Alte und neue Welt: „Die Welt steht“; – 10. La Gitana: „In der Welt, die so groß“; – 11. „Heirathen, Heirathen, o bei Leib’“; – 12. Sperl-Polka: „Der izt uuf ein’m Ball will glanzen“; – 13. Lied: „Die arbeitsamen Müssiggänger“; 14. Hans Jörgel-Polka; – 15. Einst und Jetzt; – 16. Lied: „Des Nachbars Weib“; – 17. Lied: „Das Schicksal hat ein’n Pick“; – 18. Lied: „I und mein Suserl“; – 19. Lied: Der Einsiedler: „Mich giften die Leut’“; – 20. Lied: „Er hat halt kein’ Zeit“; – 21. „Da muß ich vorher die Meinige frag’n“; – 22. „Der Mensch is aufgeklärt“; – 23. Das Lied vom Studir’n; – 24. „Wegen der Höflichkeit wird Niemand g’straft“; – 25. Das guate Kind; – 26. „Der Reichthum macht ein’m Aengsten“; – 27. Der Schein trügt; – 28. „Dem Schicksal sein G’sell“; – 29. Die Capricen; – 30. Natur und Klima; – 31. Die Welt ein Circus; – 32. ’S Tarokir’n; – 33. Lied: „Die Welt ist ein Komödienhaus“; – 34. Das Larven-Lied; – 35. Mein’ Nachbarin und i; – 36. Lied. „’S Mariagen: „’S gibt Leut’ auf der Welt“; – 37. Lied. Das Einmal eins: „Es kennt gewiß wohl Jedermann“; – 38. Lied. Himmelszeichen und Hochzeitstag: „Ich weiß, es gibt in Wien“; – 39. Das Krillen-Lied: „Das mir so sehr fatale“; – 40. Das Billard-Lied: „Es haben viel Dichter“; – 41. Lied: „Wann Einer gern möcht’“; – 42. Lied von der Heiterkeit; – 43. Epistel an die Wittiber; – 44. Dessert-Tanzeln; – 45. Vierzeilige Tanzeln; – 46. Die Strapatzir-Polka; – 47. Caricaturen-Lied. – 48. Lied: „Die Landleut’ von Ehmals und die Landleut’ von Jetzt“; – 49. Wiener Dosenstücke; – 50. „Eine mütterliche Lehr’“; – 51. Uniformirungsplan für die Wiener Nationalgardisten; – 52. ’S Handbussen; – 53. „Das is ein Genuß“, Lied; – 54. „Tout même chose, ein- oder zweistimmiges Lied; – 55. „Da weiß man’s g’wiß“, Oesterreicher-Lied; – 56. Unschuldige Fragen; – 57. Mein Testament; – 58. Donau und Bacherl, oder: Ursache und Wirkungen; – 59. Ein Montagslied im Sonntagg’wand; – 60. Vom schwachen und vom schönen G’schlecht; – 61. Wie der Wiener is und wie er net is; – 62. Zeit- und Fremdenblatt-Stanzeln; – 63. Was die Lieb’ is; – 64. ’S Kartenspielen; – 65. Was’s für Menschen gibt; – 66. Eine schottisch’ Polka; – 67. Ein wilder Brauch; – 68. Bienenstiche; – 69. Das leichteste Geschäft; – 70. Das beste Busserl; – 71. Der Heimatschein; – 72. Das schärfste G’setz; – 73. Alte Musik, neuer Text; – 74. Poste restante; – und ohne Opus-Zahl: Wiegenlied am Geburtstage des Kronprinzen Erzherzog Rudolph.
Quellen. Theater-Zeitung, redigirt von Ad. Bäuerle (Wien, gr. 4°.) Jahrgang 1856, Nr. 90: „Der Volkssänger J. B. Moser“. – Levitschnigg (Heinrich Ritter von), Wien wie es war und ist. Federzeichnungen (Pesth und Wien 1860, Hartleben, 8°.) S. 111. – Neu-Wien (Volksblatt), I. Jahrg. (1858), Nr. 37: „Moser, der Barde des Volksgesanges“. – Abendblatt der Pesth-Ofner Zeitung 1856, Nr. 155: „Der Volkssänger Moser“. – Telegraf (Wiener Blatt. Fol.) Redigirt von Adolph Bäuerle, IX. Jahrg. (1857), Nr. 14: „Der Wiener Volkssänger Moser und seine Gesellschaft“ [mit Holzschnitt]. – Wanderer (Wiener politisches Blatt) 1863, Nr. 339, im Feuilleton: „Von Staat und Stadt“. – Tagespost (Gratzer Localblatt) 1863, Nr. 285. – Fremden-Blatt von Gust. Heine (Wien, 4°.) 1863, Nr. 338. – Porträte. 1) Im Holzschnitt in Nr. 37 der Zeitung „Neu-Wien“; – 2) auf den Umschlägen seiner Schriften, auf beiden in ganzer Figur und sehr ähnlich.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Näheres auf der Diskussionseite.
  2. Cartouche (Wikipedia).
  3. Vorlage: Sammmlungen