BLKÖ:Pistotnik, Edmund

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 22 (1870), ab Seite: 357. (Quelle)
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Pistotnik, Edmund (k. k. Hauptmann und Mechaniker). Zeitgenoß. Ueber die Lebensumstände dieses durch seine Erfindungen bemerkenswerthen k. k. Officiers ist dem Herausgeber des Lexikons nur wenig bekannt; er scheint in Kärnthen zu Ende des zweiten oder zu Anbeginn des dritten Jahrzehndes des laufenden Jahrhunderts geboren zu sein. Im Jahre 1843 war er Regimentscadet im 7. Infanterie-Regiment Freiherr von Prohaska. Er rückte bis zum k. k. Hauptmann vor und trat als solcher in den Ruhestand über. Er lebt seit Jahren in Gratz und unsere Quelle rühmt ihn als „einen Mann von unerschöpflicher Erfindungsgabe und außerordentlichem Ideenreichthume, dessen fruchtbares Genie sich in einer großen Zahl von neuen Erfindungen bekundete und sich noch fortwährend productiv zeigt“. Während P. der k. k. Armee angehörte, wendete sich sein Erfindungsgeist zunächst der Verbesserung von Schußwaffen und militärischen Einrichtungen zu, später aber betrat er das industrielle Gebiet und erregte hier von Zeit zu Zeit Aufsehen mit irgend einer originellen Idee, die in Fachzeitschriften dann öfter erörtert und besprochen wurde. Viele seiner Erfindungen sind dem großen Publicum gar nicht bekannt, daher es Professor Joseph Winter in Gratz unternahm, eine zusammenhängende Darstellung derselben öffentlich mitzutheilen, weil sich darunter viele befinden, die die Industrie von Wichtigkeit sind [358] oder es zu werden versprechen. Professor Winter selbst ist Fachmann und als solcher wie durch seinen zwölfjährigen Verkehr mit Pistotnik zunächst berufen, über die Entwürfe desselben, die er alle durch den Augenschein kennen gelernt hat, ausführliche und glaubwürdige Nachrichten zu geben. Pistotnik’s Erfindungen theilen sich in industrielle und militärische; sie werden hier nur kurzweg angedeutet und behufs ihrer ausführlichen Erörterung auf die in den Quellen angeführte Darstellung des Professors Winter gewiesen. Pistotnik’s Erfindungen auf industriellem Gebiete sind: 1. Eine rotirende Schaufelpumpe, die bei ein und derselben Construction je nach ihrer Bestimmung Brunnen- und Wasserhebmaschine, Feuerspritze, Schiffspumpe, Schiffsmotor, Ventilator, direct rotirende Dampfmaschine, unterseeisches Wasserrad, ein Ersatz für Turbinen, Gartenspritze und Tuschapparat, ferners für die Medicin Injectionspumpe, Klistierspritze, Ohrenspritze und Scheintodten-Rettungsapparat ist. Für letztere specielle Fälle wird sie von ein halb Zoll Durchmesser, ferners gradatim aufwärts bis zu den größten Dimensionen erzeugt. – 2. Wasserhebe-Maschine mit Fächerpumpe und Schwimmerbetrieb; auf einer ganz neuen Idee beruhend, dazu bestimmt, Wasser aus einem Bache oder Fluße auf bestimmte Höhe zu heben und bei hohem oder niederem Wasserstande gleichmäßig fortzuwirken. Zunächst geeignet zum Wasserheben für den Hausgebrauch, für die Speisung eines kleinen Springbrunnens[WS 1], die Bewässerung oder Bespritzung eines Gartens u. s. w. – 3. Ein Taucherschiff, um unter Wasser zu fahren, schon im Jahre 1854 projectirt. – 4. Ruderflossenschiff, schon im Jahre 1855 entworfen; mit sehr geringem Tiefgange und seiner ganzen Construction nach für Kriegsboote geeignet, die im seichten Wasser einen geschützten Bewegungsmechanismus benöthigen. P. baute im Jahre 1856 in Klagenfurt ein solches Schiff, mit welchem er zuerst auf einem Teiche und dann auf dem Landcanal Versuche machte. – 3. Mechanische Ruder nach fünf verschiedenen Systemen, welche den Ungeübtesten in Stand setzen, die Ruder richtig zu führen. – 6. Das Tauchrad, ein unterseeisches Wasserrad, das je nach seiner Umgestaltung in der Luft als Windrad zum Betriebe von Windmühlen, auf Fluß- und Seeschiffen als Segelrad und endlich auch als Ruderrad für Luftschiffe angewendet werden kann. – 7. Modell der Ressel’schen lenkbaren Schiffsschraube. Als der Sohn Ressel’s den genialen Gedanken seines Vaters verwirklichen und auch verwerthen wollte, wendete er sich dieserhalb an Pistotnik, welcher von dieser lenkbaren Schiffschraube im Jahre 1862 ein sehr nett gearbeitetes Modell anfertigte und somit zuerst die Ausführbarkeit der Ressel’schen Erfindung veranschaulichte. Dieses Modell wurde sodann von dem jungen Ressel der Regierung der Vereinigten Staaten von Nordamerika vorgelegt. – 8. Hydraulischer Schiffszug, durch welchen ein Schiff stromaufwärts bewegt werden kann und wobei die Bemannung weiter nichts als die Bewegung des Steuerruders zu besorgen hat. – 9. Die hydraulische Eisenbahn, 1856 projectirt und in Modell ausgeführt. Ein fließendes Wasser, ein Fluß, Bach, Canal wird als eine auf die ganze Länge seines Laufes wirkende Zugkraft angesehen und zum Betriebe einer Eisenbahn benützt. [359] P. hat zur Ausnützung der Wasserkraft in diesem Sinne zwei Arten von Eisenbahnen entworfen, eine Canalbahn und eine Strombahn; über beide gibt Professor Winter ausführliche Darstellungen. – 10. Eine Bad- und Jagdmaschine. So nennt P. eine von ihm zusammengestellte Schwimmvorrichtung mit mechanischem Triebwerke, die beim Baden in Seeen und Teichen und bei der Jagd auf Wasserwild angewendet wird. Im Jahre 1853 hat P. diese höchsteinfache Vorrichtung zu Venedig auf dem Meere, im Jahre 1854 auf dem Wörthersee bei Klagenfurt mit gutem Erfolge angewendet. – 14. Rettungsapparat für Schiffbrüchige, Schwimmapparat, 1858 projectirt und von dem Erfinder selbst im Hafen zu Pola in Anwendung gebracht. – 12. Lenkbares Luftschiff; im Jahre 1854 construirte P. ein bei normalem Zustande der Luft oder bei mäßigem Winde absolut lenkbares Luftschiff, dessen Triebvorrichtung eine ganz eigenthümlich construirte Wind- oder Luftschraube ist, mit welch letzterer P. im Jahre 1856 auf einem Teiche bei Klagenfurt einen Kahn in eine rasche, nach vorwärts gehende Bewegung setzte. Auch davon gibt Professor Winter eine eingehende Darstellung. – 13. Wagenachse mit veränderlicher Spurweite, an den Straßenfuhrwerken anzubringen, wodurch die Bewegung derselben auf unwegsamem Felde und Seitenwegen ungemein erleichtert wird. – 14. Das Leiterschienensystem, 1864 construirt, ist ein Schienenweg für gewöhnliches Fuhrwerk, welcher leicht und schnell auf jeden Boden, ohne besonderen Unterbau und ohne Anwendung von Schwellen gelegt werden kann. Durch die Anwendung dieser Leiterschienenwege werden dem gewöhnlichen Fuhrwerke die Vortheile des Eisenbahnwesens zugeführt. – 15. Mechanische Wägen für eine bis sechs Personen und so eingerichtet, daß sie von den darauf Sitzenden selbst in Bewegung gesetzt werden können. P. hat diese Wägen nach fünf verschiedenen Systemen projectirt und zwei davon bereits im Großen ausführen lassen. – 16. Sicherheitssteigbügel für Reiter, um das Hängenbleiben mit dem Fuße beim Fallen vom Pferde unmöglich zu machen. – 17. Die Regenschirmflinte, welche als Stockgewehr, Taschenpistole, als Karabiner, vollständig armirte Jagdflinte und Spazierstock verwendet werden kann. – 18. Zwei Mähmaschinen, und zwar eine Sensenmaschine, welche das Handmähen mit der Sense vollkommen ersetzt und eine Universal-Mähmaschine, mit welcher auf jedem Terrain Gras, Klee, Getreide und selbst Kukurutz geschnitten werden können. Erstere ließ ein Industrieller in Gratz im Großen ausführen; von letzterer hat P. selbst ein Modell angefertigt. – 19. Baumfällmaschine, durch welche der ungemein schwierige Act des Baumfällens nicht unwesentlich vereinfacht und erleichtert wird. – 20. Zwei Holzschneidemaschinen, eine fahrbare und eine stehende, 1863 projectirt und dabei bereits damals die „excentrischen Kreissägen“ in Anwendung gebracht, welche Idee seitdem ihre Anwendung im Großen gefunden hat. Bei der amerikanischen Zuschneidemaschine, deren staunenswerthe Leistungen auf der Welt-Ausstellung 1867 so viel Aufsehen erregten, besteht der arbeitende Theil im Wesentlichen aus einer Combination von excentrisch wirkenden Kreissägen. – 21. Pendeluhr mit einem Rade, wobei zum Triebwerke und Mechanismus [360] , für zwei Zeiger nur ein Rad erforderlich ist. – 22. Datumzeiger, eine mit einer gewöhnlichen Pendeluhr in Verbindung gebrachte Vorrichtung, welche, selbstthätig wirkend, Datum, Wochentag, Monat und Jahr genau anzeigt. – 23. Ein Petroleumofen, welcher zur Beheizung und Beleuchtung zugleich verwendet werden kann. – 24. Unverbrennbare Dochte in den verschiedensten Formen und für die mannigfaltigsten flüssigen Brennstoffe. – 25. Kerzen ohne Docht, auf dem Principe der argandischen Kerze beruhend, in deren Röhrenöffnung Brenner aus unverbrennlichem Docht eingesetzt werden, welche mit dem Kürzerwerden der Kerze selbst niedersinken. – 26. Eine Eisenbahnhemmung, durch welche mit weniger Zeit und Kraftaufwand, als mit der gewöhnlichen Bremse ein mit voller Geschwindigkeit fahrender Wagenzug schnell zum Stehen gebracht werden kann. – Pistotnik’s Erfindungen zu militärischen Zwecken sind aber: 1. Das Keildorngewehr, auch Selbstladegewehr genannt, für acht bis zehn Schüsse hintereinander eingerichtet. 1859 entworfen, 1860 ausgeführt und geprüft. – 2. Hinterladergewehr mit umlegbarer Kammer, insbesondere bemerkenswerth, weil nach diesem System die Vorderlader leicht in Hinterlader umgewandelt werden können. – 3. Verbesserung des Wänzlgewehrs, von einer militärischen Fachcommission geprüft und als „eine sehr sinnreiche außerordentliche Verbesserung des Wänzlgewehres“ anerkannt und – doch nicht in Anwendung gebracht. – 4. Revolvergewehr für sechzig Schüsse, 1862 construirt und im Modell ausgeführt; außer den bisher angegebenen Hinterladern hat Pistotnik seit etwa zwölf Jahren noch 28 andere Systeme Hinterlader entworfen und theils in Modell, theils in natürlicher Gestalt ausgeführt, nämlich: Militär- und Jagdgewehre, Stutzen, Karabiner und Pistolen; zwölf davon wurden schußfähig hergestellt und durch Probeschüsse auf ihre Leistungsfähigkeit untersucht. – 5. Sturmpatronen, für Vorder- und Hinterlader jeder Art zugleich anwendbar. Professor Winter bezeichnet sie als eine der sinnigsten und wichtigsten Erfindungen der neueren Waffentechnik. P. hat die Sturmpatronen im März 1866 dem k. k. Kriegsministerium zur Prüfung vorgelegt; bei der abgehaltenen Probe haben 24 Jäger vom 23. Bataillon mit einer einzigen Decharge auf 250 Schritte unter 96 Geschossen 84 Treffer in die Scheibe gebracht, wobei die Geschosse zwei Finger dicke Bretter durchschlugen. – 6. Hinterladungskanone mit eiserner Lafette. – 7. Beweglicher, zum Aufsteigen und Niedersinken gerichteter Thurm für Panzerschiffe. Auch von diesen Erfindungen P.’s zu militärischen Zwecken gibt Professor Winter an bezeichneter Stelle ausführliche Darstellungen. Ferner hat sich P. noch mit der Adjustirungs- und Ausrüstungsfrage in der österreichischen Armee angelegentlichst beschäftigt und seinen Antheil dabei schildert das steiermärkische Industrie- und Handelsblatt 1868, S. 154, unter Nr. 42. Hauptmann Pistotnik ist, wie aus vorstehender Skizze ersichtlich, ein Mechaniker und Techniker seltenster Art, dessen Erfindungsgeist an maßgebender Stelle gewürdigt und benützt, ebenso Großartiges als Nützliches zu schaffen berufen erscheint.

Steiermärkisches Industrie- und Handelsblatt. Organ des steiermärkischen Gewerbe-Vereins (Gratz, 4°.) XIII. Jahrgang [361] (1868), Nr. 12–18, 27–33: „Erfindungen von Edmund Pistotnik, besprochen von Professor Joseph Winter“. – Militär-Zeitung, redig. von Hirtenfeld (Wien, 4°.) 1861, S. 125. – Coursblatt der Gratzer Zeitung 1861, Nr. 146.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Spingbrunnens.