BLKÖ:Plößl, Simon

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Band: 22 (1870), ab Seite: 441. (Quelle)
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Plößl, Simon (Optiker, geb. in der Wiener Vorstadt Wieden 19. September 1794, gest. zu Wien 29. Jänner 1868). Der Sohn eines Tischlers, lernte er anfänglich die Drechslerei, wurde aber später zu dem Optiker Vogtländer in die Lehre gethan, wo er Gläser geschliffen und nebenbei Mechanik getrieben hatte. Man unterschätzte wohl etwas die Fähigkeit des stillen und verschlossenen Jungen, indem man glaubte, es sei keinerlei Gefahr vorhanden, ihm den Zutritt in das Atelier des Meisters zu gestatten und ihn dort zu gewöhnlichen Handleistungen zu verwenden. Der scheinbar unfähige Junge hatte aber ein offenes Auge und lernte bald die besten Geheimnisse des Meisters aus. Im Jahre 1823 eröffnete er in seinem väterlichen Hause eine eigene Werkstätte für optische Instrumente. Anfänglich trieb er sein Geschäft bescheiden klein, doch so, daß die Käufer stets die ganz ungewöhnliche Correctheit seiner Erzeugnisse zu loben hatten. In den Stunden, die er von der Arbeit zur Beschaffung des täglichen Brotes erübrigte, machte er sich an die Construction größerer Instrumente. Durch ein solches Instrument, das nichts zu wünschen übrig ließ, wurde Jacquin, dem Vogtländer nachgerade nicht mehr nach Wunsch und Willen arbeitete, auf den jungen Meister aufmerksam gemacht; er beschäftigte ihn jetzt ausschließlich, und von da an war sein Glück gemacht und sein Ruf begründet, der sich durch ganz Europa unter den Männern der Wissenschaft, die mit optischen Instrumenten arbeiten, schnell verbreitete. Sein Name wurde fortan schon neben dem des berühmten Fraunhofer genannt, und es gab Viele, die eine Parallelstellung mit diesem nicht für übertrieben hielten. Plößl war es, der zuerst das von Littrow erfundene dialytische Fernrohr in vielen Exemplaren größerer und kleinerer Dimensionen verfertigte. Einen solchen dialytischen Refraktor von 01 Fuß Brennweite und 101/2Zoll Objectivöffnung brachte er im Jahre 1850 für [442] den Großsultan fertig. Von dem dialytischen Refractor, seinem Meisterstücke, das 4600 fl. kostete, bis herab zu der einfachsten Brille, gab er kein Stück aus der Hand, das er nicht mit der größten Genauigkeit selbst geprüft. Zu den schönsten Arbeiten, die aus seinem Atelier hervorgingen und die jeden Vergleich mit den besten Instrumenten der berühmtesten Optiker aushalten, gehören die Mikroskope, von deren einem, das im Preise von 185 fl. steht, hier die nähere Beschreibung folgt. Sein durch Triebwerk gegen den festen Objectivtisch beweglicher Körper steht auf messingenem Postamente und hat drei Okulare und sieben achromatische Linsen; der starke Linseneinsatz ist so eingerichtet, daß er mit und ohne Deckgläser gebraucht werden kann. Es hat einen concaven Reflexionsspiegel zur transparenten Beleuchtung und ein sphärisches Prisma mit Bewegung zur Beleuchtung opaker Objecte; eine große Lichtverstärkungslinse auf besonderem Fuße zur Verstärkung der Beleuchtung sowohl transparenter als opaker Gegenstände; ferners ein concaves Glas für Flüssigkeiten und eine Wilson’sche Loupe. Die Vergrößerungen gehen von 25mal bis zu 500mal Linear oder 625- bis 250.000mal der Fläche, mit vollständiger Klarheit und Schärfe. Von seinen übrigen Erzeugnissen sind noch besonders hervorzuhaben sein Schrauben-Mikrometer, mit welchem ein Hunderttausendstel eines Zolls gemessen werden kann; seine Feldstecher, besonders für Officiere im Kriege verwendbar; seine Polarisations-Instrumente u. s. w. Auch im Geschäftszweige der Brillenfabrikation hat P. geradezu wohlthätig gewirkt, er erfand einen Sehmesser aus verschiebbaren Cylindern bestehend, die so lange von und zueinander gerückt werden, bis der beschaute Gegenstand nicht mehr doppelt, sondern einfach erscheint. Dieß gibt dann die richtige Sehweite für das Auge des Brillenbedürftigen ab. Wenn man erwägt, wie schlechtgewählte Brillen dem Auge des Menschen gefährlich sind, so gewinnt Plößl’s Erfindung um so größere Bedeutung. Andreas Baumgartner, der verstorbene Präsident der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, hat in seinen Werken dem verdienstvollen Optiker an mehreren Stellen ein schönes Denkmal gesetzt. In seiner „Zeitschrift für Physik und Mathematik“ erwähnt er der Plößl’schen Fabrikate bei jeder Gelegenheit auf das Rühmendste, und auch in keiner der zahlreichen Auflagen seines Hauptwerkes: „Die Naturlehre nach ihrem gegenwärtigen Zustande“, versäumt er, im Abschnitte von der Optik allen Freunden der Wissenschaft mit Wärme den Gebrauch der Plößl’schen Instrumente zu empfehlen. Der Name Plößl’s, der, wie schon erwähnt, den besten Klang in der wissenschaftlichen Welt hat, fehlt im Conversations-Lexikon; auch die Heimat erkannte nicht genügend, daß sie an ihm eine eigentliche Industriegröße zu ehren hatte. Am 18. Februar 1847 wurde er mit der großen goldenen Medaille für Kunst und Wissenschaft ausgezeichnet. Diese Medaille wurde ihm im Beisein der Herren Ettingshausen, Littrow, Burg, Heßler u. A. im großen Saale des Magistratsgebäudes überreicht, und der damalige Bürgermeister Czapka schloß eine Anrede an ihn mit den Worten: „Mögen Sie noch lange das fortschreitende Gedeihen Ihrer optischen Kunstanstalt in lebenskräftiger Selbstthätigkeit fördern, und möge dieses achtungswerthe Institut einst in die Hände eines Mannes übergehen, von dem ebenso wahr als [443] von Ihnen gerühmt werden darf: „Sidera approximavit!““ Dieser letzte fromme Wunsch ging leider nicht in Erfüllung. Plößl hatte einen sehr fähigen Sohn, der zu den schönsten Hoffnungen für sein Fach berechtigte, und namentlich in der Zubereitung von Gläsern, die bis dahin aus England bezogen werden mußten, Außerordentliches leistete. Dieser vielversprechende Sohn starb im Alter von 18 Jahren. So blieb ihm nur eine einzige Tochter, die mit dem Bezirksarzte Herrn Fleckenstein verehelicht ist.

Salon. Herausgegeben von Johannes Nordmann (Wien, gr. 8°.) 1853, Bd. II, S. 209. – Frankl (Ludw. Aug.), Sonntagsblätter (Wien, 8°.) VI. Jahrg. (1847), in der Beilage „Wiener Bote“, Nr. 12. – Bohemia (Prager politisches und Unterhaltungsblatt, 4°.) 1868, Nr. 28, S. 223. – Fremden-Blatt. Von Gust. Heine (Wien, 4°.) 1861, Nr. 31. – Wanderer (Wiener polit. Blatt) 1868, Nr. 32: „Nekrolog“ (von Johannes Nordmann). – Neues Wiener Tagblatt 1868, Nr. 31. – Neues Fremden-Blatt (Wien, 4°.) 1868, Nr. 32. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. IV, S. 235. – Poggendorff (J. C.), Biographisch-literarisches Handwörterbuch zur Geschichte der exacten Wissenschaften (Leipzig 1859, Joh. Ambr. Barth, gr. 8°.) Bd. II, Sp. 473; – Keeß (Stephan Ritter von), Systematische Darstellung der neuesten Fortschritte in den Gewerben und Manufacturen. Mit besonderer Rücksicht auf den österreichischen Kaiserstaat (Wien 1830, Gerold, 8°.) Bd. II, S. 583, 585 u. 587. – Jonák (Eberhard Dr.), Bericht über die allgemeine Agricultur- und Industrie-Ausstellung zu Paris im Jahre 1855 (Wien 1857/58, Staatsdruckerei, gr. 8°.) VIII. Classe, S. 48 u. 150.