BLKÖ:Schönherr, David

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Schoenherr, Johann
Band: 31 (1876), ab Seite: 160. (Quelle)
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Schönherr, David (Geschichtsforscher, geb. in der ehemaligen Grenzveste Kniepaß bei Reutte in Tirol 20. October 1822). Sein Vater war k. k. Zollbeamter. Mit seinen nach verschiedenen Richtungen bethätigten Studien kehrte der Sohn 1848 von Wien, wo er mit Vorliebe ästhetische und kunsthistorische Studien betrieben hatte, beim Ausbruche der Revolution nach Tirol zurück, wo er sich nach dem noch im selben Jahre erfolgten Tode seiner Mutter in Innsbruck niederließ und zu einstweiliger Beschäftigung die ihm angebotene Redaction der „Schützen-Zeitung“ übernahm. Durch eine glückliche Heirath und den ihm zusagenden publicistischen Beruf an Tirol, und zwar an Innsbruck gefesselt, wendete er nun alle seine Sorgfalt dem Tiroler Schützenwesen zu, das er mit großen Opfern und mit Hilfe seines Blattes, das bald das volksthümlichste und einflußreichste des Landes wurde, zu einer nicht dagewesenen Blüthe und Bedeutung brachte. S. besuchte alle Schießstände des Landes und bei allen Fest- und Freischießen knallte sein Stutzen mit. An diese zahllosen Schützenfahrten knüpften sich die ausgebreitetsten Bekanntschaften im Lande, welche ihm bei seinen Unternehmungen bei jeder Gelegenheit zu Statten kamen. Unter den zahlreichen Gönnern aus allen und den höchsten Ständen befand sich auch weiland der Erzherzog Johann, der ihm bis zu seinem Ableben seine Huld bewahrte. Die auf stramme Centralisirung abzielenden Verwaltungszustände in Tirol in den Fünfziger-Jahren gaben genug Anlaß zu starker Opposition, und die „Schützen-Zeitung“, der Gefahren nicht achtend, die bei dem damaligen Polizeiregime jedes freimüthige, wenngleich loyale Wort mit sich brachte, gab sich zum Sprachrohre der vielen Landes- und Volksbeschwerden her, wurde aber auch deßhalb mit vielen Confiscationen und Preßprocessen bedacht, welche jedoch stets eine Freisprechung des Redacteurs und bei der dadurch geweckten Opposition im Lande die weitere Hebung und den vermehrten Absatz des Blattes zur Folge hatten. Vor dem Herausgeber des Lexikons liegt ein Quartheft, betitelt: „Preßproceß der Volks- und Schützen-Zeitung“ (Innsbruck 1864, Wagner, 16 doppelsp. Seiten, 4°.). Man muß dieses Heft und vornehmlich S. 16 den „Anhang“ gelesen haben, um glauben zu können, was in dieser Aera als Preßvergehen angesehen ward und vor den Untersuchungsrichter kam. Der Einfluß der „Schützen-Zeitung“ und der Aufschwung des Schützenwesens, beide S.’s Werk, kamen namentlich den Kriegsjahren [161] 1859 und 1866 zu Statten. S. selbst wirkte in den genannten Jahren als Kreis- und Landes-Defensions-Commissär und war bei den damit verbundenen kostspieligen Bereisungen zur Bildung von Schützen-Compagnien immer unentgeltlich thätig. Während der zwanzig Jahre seiner Wirksamkeit als Schützenmeister des k. k. Landes-Hauptschießstandes veranstaltete S. und brachten insbesondere seine Bemühungen die großen Schützenfeste in Tirol zu Stande, von denen einige auch eine größere politische Bedeutung erwarben, wie z. B. das im Jahre 1853 zur Feier der Rettung Sr. Majestät veranstaltete allgemeine Landesschießen, dessen für Lord Palmerston eben wenig schmeichelhafte Scheibensprüche ihren Weg sogar in die englischen Blätter fanden und eine diplomatische Note nach Wien zur Folge hatten; ferner das großartige Schützenfest zu Innsbruck, welchem der Kaiser und Erzherzog Karl Ludwig beiwohnten, und an dem 5400 Schützen mitgeschossen haben, eine Schützenzahl, wie eine ähnliche bisher kein Festschießen im In- und im Auslande aufzuweisen hatte; endlich die Tiroler Schützenzüge nach Frankfurt im Jahre 1862 und nach Wien im Jahre 1868. Seine publicistische Beschäftigung, wie auch seine zeitweise sehr anstrengende Thätigkeit als Schützenmeister hinderten S. nicht, als ordentlicher Hörer die Vorlesungen der rechts- und staatswissenschaftlichen Facultät der Innsbrucker Hochschule zu besuchen, und mit dem ersten, mit gutem Erfolge bestandenen Rigorosum beschloß er seine juridische Laufbahn, aber nicht seine öffentliche Thätigkeit, denn seit 1857 wirkte S. als Curator und Fachdirector des Landesmuseums (Ferdinandeums), seit 1864 als Correspondent des österreichischen Museums für Kunst und Industrie in Wien, und als vom Landtage bestellter Beirath des Landes-Oberstschützenmeisters, ferner als Mitglied verschiedener Comité’s in Bewaffnungs- und Landesvertheidigungs-Angelegenheiten. Durch die militärische Organisirung der Landesschützen (Tiroler Landwehr) hatte das alte Tiroler Schützenwesen seine Aufgabe erfüllt; 1871 legte S. die Stelle des Oberstschützenmeisters des Landes-Hauptschießstandes nieder. Ist schon aus Vorstehendem ersichtlich, daß S. mit seinem Amte nicht blos die Würde, sondern auch die Bürde trug, so ist noch zu bemerken, daß er auch als Schütze seinen Mann stellte. In Frankfurt, beim Schützenfeste des Jahres 1862, hatte er innerhalb drei Stunden 212 Puncte geschossen und zehnmal hintereinander schoß er die Mannsfigur auf der Feld- (Weit-) Scheibe mitten durch die Brust, Schützenleistungen, die in Schützenkreisen Aufsehen erregten. Ende 1872 gab S. die Redaction der „Schützen-Zeitung“ auf. In Folge der politischen Wendung der Dinge und gegenüber den zwei schroff gegen einander stehenden Parteien, zwischen denen die „Schützen-Zeitung“ als Organ der Mittelpartei stand und welcher durch den Tod Schuler’s und den politischen Unfall Wildauer’s die Hauptstützen entzogen worden waren, hatte das Blatt auch seine frühere Bedeutung verloren. S. wendete sich nun ausschließlich der historischen Forschung zu; für die er durch den steten Umgang mit Historikern schon längst Alles Interesse gewonnen hatte. Von einigen Freunden, die auf gleichem Gebiete thätig waren, wie Durig, Alf. Huber u. A., wurde S. in seinem Vorhaben ermuntert und das Innsbrucker Statthalterei-Archiv diente ihm hierbei als die reichste Fundgrube. Im Jahre [162] 1864 gab S. im Vereine mit Huber, Durig, Ladurner und I. Zingerle das „Archiv für Geschichte und Alterthumskunde Tirols“ heraus, welchem Unternehmen im Anbeginn der Tiroler Landtag fördernd entgegenkam, ihm aber später die ohnedieß kleine Subvention entzog, da die Parteien des Landtag wohl für ihre Interessen, aber nicht für eine rein wissenschaftliche Publication sich zu erwärmen im Stande waren. So mußte denn auch dieses Unternehmen, unfähig, sich selbst zu erhalten, mit dem 5. Jahrgange geschlossen werden. In diesem „Archiv“ legte S. seine durch dasselbe auch in weiteren Kreisen bekannt gewordenen kunsthistorischen Aufsätze nieder, welche, größtentheils ganz Neues bietend, von den Fachmännern als sehr dankenswerthe Beiträge zur allgemeinen Kunstgeschichte bezeichnet wurden. Auf Grund seiner kunsthistorischen und historischen Arbeiten ertheilte 1866 die Universität Tübingen S. das Doctor-Diplom. Durch seine geschichtlichen Forschungen hatte sich S. mit dem Archivwesen vertraut gemacht und suchte nun einen für seine dießfälligen Kenntnisse entsprechenden Wirkungskreis. Eben, als er im Begriffe stand, unter sehr vortheilhaften Bedingungen eine Archivarstelle im Auslande – wenn Herausgeber nicht irrt, bei Fürst Thurn und Taxis in Regensburg – anzutreten, erhielt er ein minder vortheilhaftes Anerbieten von Seite der österreichischen Regierung, welches S., um in seiner Heimat zu bleiben, annahm, und so wurde S. durch Verleihung einer Stelle am Innsbrucker Statthalterei-Archive mit dem Titel Archivar seinem Vaterlande erhalten. Durch diese Bestellung eines eigenen Archivars ist nun das Innsbrucker Archiv im Stande, seine bedeutenden Schätze der historischen Forschung zu erschließen: von Jahr zu Jahr steigert sich in Folge dessen der Besuch gelehrter Forscher aus Oesterreich. Deutschland und der Schweiz, und seit dieser Zeit begegnet man oft in Geschichtswerken und zerstreut gedruckten historischen Forschungen das Innsbrucker Statthalterei-Archiv – das früher dem Namen nach kaum gekannt war – als benützt ehrenvoll erwähnt. Der vorstehenden Lebensskizze lassen wir eine Uebersicht der selbstständigen und in Sammelwerken zerstreut gedruckten Arbeiten S.’s folgen, welche sich vornehmlich auf rein historischem, cultur- und kunsthistorischem Gebiete bewegen. Selbstständig hat S. herausgegeben: „Ein Schützenfest in Tirol und Vorarlberg. Denkbuch zur Erinnerung an den 19. März 1853“ (Innsbruck, Wagner); „Franz Schweyger’s Chronik der Stadt Hall. 1303–1572“ (ebd. 1867, 8°.); – „Der Einfall des Churfürsten Moriz von Sachsen in Tirol 1552“ (ebd. 1868, 8°.); – „Ueber die Lage der angeblich verschütteten Römerstadt Maja“ (ebd. 1873); – „Das Schloss Runkelstein bei Botzen. Mit einem Inventar des Schlosses von 1493“ (ebd. 1874). S.’s größere, in Zeitschriften und Sammelwerken gedruckte historische und culturhistorische Aufsätze sind: „Das Lutherthum im Kloster Stams im Jahre 1524“ (Archiv f. tirol. Geschichte, Bd. II, S. 82–91); – „Dr. Wilhelm Biener’s Gattin und Kinder. Ein Beitrag zu des Kanzlers Geschichte. Nach urkundl. Quellen“ (Tiroler Bote 1873, Nr. 77 bis 86); – „Biener’s Richtstätte und letzte Augenblicke“ (Schützen-Zeitung 1869, Nr. 102–107); – „Der Zauberer Matthäus Niederjocher, vulgo Loisl v. Schwaz. Ein Criminalproceß aus dem Jahre 1650“ (Tiroler Bote 1873, Nr. 181–190); – „Max Treitz-Sauerwein. Geheimschreiber Kaiser [163] Maximilian’s I., dessen Heimat und Familie“ (Archiv für österr. Geschichte, 48. Bd.); – „Die fünf Galeerensträflinge. Ein Beitrag zur Geschichte des Salinen-, Justiz- und Gefängnißwesens im vorigen Jahrhunderte. Nach amtlichen Acten“ (Tiroler Bote 1875, Nr. 119 bis 125): „Die Erdbeben in Hall im 16. und 17. Jahrhunderte“ (ebd. 1875, Nr. 2 u. 3); – „Der Studenten-Clubb beim Fasserl in Innsbruck im Jahre 1763“ (Schützen-Zeitung 1862, Nr. 7 u. 9); – „Erzfürstliche Jäger und Schützen. I. Erzherzog Sigismund (ebd. 1862, Nr. 20); – „Die Landes-Oberstschützenmeister (Geschichte des Amtes und Verzeichniß seiner Inhaber)“ (ebd. 1863, Nr. 34 u. 35); – „Das Löwenhaus in Innsbruck“ (ebd. 1863, Nr. 31); – „Das Landhaus in Innsbruck“ (ebd. 1863, Nr. 33); – „Das Bad Brenner“ (ebd. 1863, Nr. 3 u. 10); – „Ueber eine Kneipstube in Bruneck aus dem 16. Jahrhunderte“ (ebd. 1861, Nr. 119 u. 120); – „Innsbruck vor 300 Jahren“ (ebd. 1875, Nr. 87–93); – „Die Ausgrabung in Hätting 1864“ (Archiv f. tirol. Geschichte. Bd. I, S. 328 bis 332, mit lith. Beilage); – „Hanns Ried, der Schreiber des Heldenbuches (ebd. Bd. I, S. 100–106); – „Das älteste katholische Gesangbuch in Deutschland, die älteste Buchdruckerei und die älteste Papierfabrik in Tirol“ (ebd. Bd. II, S. 199–202); – schließlich S.’s kunsthistorische Abhandlungen: „Geschichte des Grabmals K. Maximilian’s J. 1505–1519“ (Archiv f. tirol. Geschichte. Bd. I, S. 1–60); – „Gregor Löffler’s Antheil am Grabmale Kaiser Max I.“ (ebd. Bd. I, S. 61–70); – „Christoph Geiger, der Meister der Grabmonumente des letzten Grafen von Görz und der Freifrau Barbara v. Wolkenstein zu Lienz“ (ebd. Bd. I, S. 71 bis 78); – „Meister Hanns Radolt und das Grabmal Herzog Friedrich’s mit der leeren Tasche und Erzherzogs Sigismund zu Stams“ (Bd. I, S. 80 bis 83);– „Der Harnisch König Franz I. von Frankreich“ (ebd. Bd. I, S. 84–99); – „Paul Dax, Maler, Glasmaler, Feldmeister, Baumeister, Freundsbergscher Landsknecht, Hauptmann der Innsbrucker beim Schmalkaldner Einfalle, und dessen Sohn und Enkel Kaspar, Christoph und Hanns Dax, Maler in Innsbruck (ebd. Bd. II, S. 317–354); – „Thomas Neidhart in Hall, 1533–1604“ (ebd. Bd. III, S. 1–22); – „Die Glashütte in Hall 1533–1604“ (ebd. Bd. III, S. 1–22); – „Kaspar Rosenthaler (kein Maler), gest. 1542“ (Mittheilungen der Central-Commission u. s. w. 1865, Bd. X, S. 21–24); – „Bernhard und Arnold Abel, Bildhauer, und Florian Abel, Maler von Cöln“ (Meyer’s Allgem. Künstler-Lexikon 1870); – „Erzherzog Ferdinand von Tirol als Baumeister. Mit einem Rückblicke auf die Kunstbestrebungen der Habsburger in Tirol. Repertorium“ (Zeitschrift des österr. Museums für Kunst und Industrie in Wien. I. Bd.). Die Schweizer allgemeine geschichtsforschende Gesellschaft erwählte S. bereits im Jahre 1867 in ihrer General-Versammlung zu Aarau zu ihrem Ehrenmitgliede. In Anerkennung seiner umsichtigen und erfolgreichen Thätigkeit anläßlich des Frankfurter Schützenfestes ist S. mit ah. Entschließung vom 21. August 1862 von Sr. Majestät mit dem Ritterkreuze des Franz Joseph-Ordens ausgezeichnet worden.

Wiener Zeitung 1862, im Tagesberichte Nr. 175, S. 1102. – Zarncke (Friedrich), Literarisches Centralblatt für Deutschland [164] (Leipzig, Avenarius, 4°.) Jahrg. 1867, Nr. 51, Sp. 1440; Jahrg. 1869, Nr. l, Sp. 8. –