BLKÖ:Soliman, Angelo

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Solera, Antonio
Band: 35 (1877), ab Seite: 248. (Quelle)
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Soliman, Angelo[WS 1] (Neger, geb. im Lande Pangusitlong in Afrika im Jahre 1720, gest. zu Wien 21. November 1796). Soliman ist der Sohn eines afrikanischen Fürsten aus dem Geschlechte der Magui Famori, welcher das Land Pangusitlong beherrschte. In seiner Heimat führte Angelo Soliman den Namen Mmadi Make. Wie bekannt, befehden sich die kleinen Völkerschaften im Binnenlande Afrika’s häufig, bald aus Rache, bald aus Raubsucht, in welch’ letzterem Falle die erbeuteten Gefangenen auf den nächsten Sklavenmarkt gebracht und dort an die Weißen verhandelt werden. Eine solche Fehde brach denn nun auch gegen Mmadi Make’s Stamm aus. Es war aber dieß so plötzlich geschehen, daß der Vater keine Ahnung von der Gefahr hatte, die ihm bevorstand. Angelo Soliman, oder wie er damals noch hieß: Mmadi Make, zählte sieben Jahre. An der Brust seiner Mutter Fatuma, liegend, schreckte ihn mit einem Male Waffengetöse und Geheul von Verwundeten auf. Da stürzte der Großvater in die Hütte, mit dem Rufe: „Feinde! Feinde!“. Der Vater eilte, sich zu bewaffnen und sein Sohn ihm nach. Bald darauf sah der Sohn, wie die Mutter unter den Streichen der Feinde sank. Nicht lange währte es, so wurde er selbst entdeckt, ergriffen und sollte fortgeschleppt werden. Aber die Seinen vertheidigten ihren Königssohn, bis sie der Uebermacht erlagen, worauf die Sieger des Knaben sich bemächtigten und ihn fortführten. Der Herr, in dessen Besitz der Knabe gerieth, vertauschte ihn sofort an einen anderen Neger um ein schönes Pferd. Sein neuer Besitzer brachte ihn dann mit mehreren anderen Gefangenen auf ein Schiff. Nach überstandenem Sturme landete das Schiff an einer Küste und der Knabe wurde einer Frau übergeben, die sich sehr freundlich gegen ihn benahm, ihn liebkoste und zärtlich behandelte, wenn ihr Mann nicht gegenwärtig war. Dieser nannte den jungen Fürstensohn Andreas und befahl ihm, Kameele auf die Weide zu führen und zu hüten. Nachdem er einige Zeit bei diesen Leuten war und gut behandelt worden, kündigte ihm sein Gebieter an, daß er ihn an einen anderen Ort führen werde. Die dem Knaben so freundlich gesinnte Frau trennte sich mit großem Herzeleid von ihm. Der Knabe schiffte sich nun mit seinem Herrn ein und kam nach Messina. Der Name seines früheren Aufenthaltsortes war nicht zu ermitteln. In Messina wurde er in das Haus einer vornehmen und reichen Dame gebracht, die, wie es schien, auf seine Ankunft vorbereitet war. Dort fand er nun eine treffliche Aufnahme, als er erkrankte, eine sorgfältige Pflege und nach seiner Genesung die trefflichsten Vorbereitungen zu seiner weiteren Erziehung und Ausbildung. Vorher aber noch wurde an ihm in festlichster Weise der Taufact vollzogen, in welchem ihm die beiden Namen Angelo Soliman gegeben wurden, deren ersteren, Angelo, er aus Dankbarkeit und Liebe zu jener mohrischen Frau, bei welcher er die erste Zeit seit seiner Trennung von der Heimat zugebracht, [249] selbst gewählt hatte. Den Tag seiner Aufnahme in’s Christenthum, den 11. September, feierte seither Soliman alljährlich als seinen Geburtstag. Im Hause seiner neuen Gönnerin fand Angelo Soliman die liebevollste Behandlung. Die Dame, eine Marquise, liebte den Knaben, der sich ebenso anstellig als verständig zeigte, wie ein eigenes Kind und konnte sich nur schwer entschließen, denselben der Obhut des Fürsten Johann Georg Christian Lobkowitz [Bd. XV, 342] anzuvertrauen, welcher eben damals als General-Feldwachtmeister bei den Truppen in Italien stand und sich den artigen Negerknaben als Pagen erbat. So kam Angelo Soliman zu dem Fürsten Lobkowitz und zog überall mit ihm, wohin diesen sein militärischer Dienst berief. So sehr aber der Fürst dem jungen Neger zugethan war, für seine geistige, ja seelische Ausbildung zu sorgen, wie es vordem die Marquise gethan, hatte er nicht Zeit und so traten denn wieder die wilden Elemente seines Negerblutes in den Vordergrund. Angelo wurde roh und jähzornig, beschäftigte sich meist mit Kinderspielen und wäre wohl zuletzt ganz aus der Art geschlagen, wenn nicht der alte Haushofmeister des Fürsten des Negerknaben sich angenommen und ihn unterrichtet hätte. Unter dessen Lehre und Leitung machte Soliman rasche und schöne Fortschritte und entwickelte sich immer mehr und mehr zu seinem Vortheil. So wuchs er im Hause des Fürsten heran, war sein steter Begleiter auf Reisen und im Felde, kämpfte in Schlachten heldenmüthig an des Fürsten Seite, und trug denselben, wenn er im Kampfe verwundet worden, auf seinen Schultern aus dem Schlachtgetümmel. So bildete sich Soliman bald zum tapferen Krieger und erfahrenen Officier, ohne je eine militärische Charge bekleidet zu haben. Er hatte wiederholt mit eigener Hand Gefangene gemacht, diente dem Fürsten als Galopin, zeigte in manchen Geschäften Einsicht und seltenes Verständniß und erwarb sich auf diese Weise sogar das Vertrauen des Feldmarschalls Lascy. Dieser trug ihm eines Tages eine Compagnie an, aber Soliman lehnte das Anerbieten ab, nahm aber einen schönen türkischen Säbel an, als ihm der Feldmarschall einen solchen zum Beweise seiner Achtung und in anerkennender Würdigung der bewiesenen Tapferkeit überreichte. Als Fürst Lobkowitz im Jahre 1755 starb, ging Soliman testamentarisch an den Fürsten Joseph Wenzel Liechtenstein [Bd. XV, S. 156] über, der ihn längst in seinem Hause zu haben gewünscht hatte. Zu gleicher Zeit ließ der Kaiser Franz I. Stephan, der Gemal Maria Theresien’s, Soliman rufen, und trug ihm an, unmittelbar um seine Person zu dienen. Soliman aber hatte bereits den Antrag des Fürsten Liechtenstein angenommen, wollte sein gegebenes Wort nicht brechen und lehnte das kaiserliche Anerbieten ab. So blieb Soliman an des Fürsten Seite und wurde mittelbar der Schutzgeist der Unglücklichen und Bedrängten, deren Bittgesuche und Memoranden er jederzeit dem Fürsten vorlegte und, während er für sich selbst nie etwas bat, seine Bitten auf das wärmste für fremdes Unglück einlegte. Auch seinen zweiten Herrn begleitete er auf vielen Reisen nach Parma, Frankfurt u. a. O. In Frankfurt befand sich S. mit dem Fürsten zur Zeit der Krönung des Kaisers Joseph zum römischen Könige. Eines Tages forderte der Fürst ihn auf, sein Glück bei einer der öffentlich gehaltenen Pharao-Banken zu versuchen. Er gewann an [250] derselben 20.000 Gulden. Am folgenden Tage wollte er dem Bankier Revange geben, gewann aber wieder 24.000 Gulden. Nun wußte es Angelo, indem er dem Bankier nochmals Revange bot, es so einzurichten, daß der Bankier die 24.000 Gulden zurückgewann. Alles, auch der Bankier, hatte Soliman’s Absicht durchgeblickt und sah voll tiefer Bewunderung auf den Neger. Soliman aber, von so ungewöhnlichem Glücke unverführt, spielte nie wieder um hohes Geld und überhaupt meist nur Schach, worin er es zu großer Fertigkeit gebracht und so den Ruhm eines der ersten Schach-Spieler erworben hatte. In späteren Jahren verheirathete sich Soliman mit einer verwitweten Frau von Christiani geborenen Kellermann, einer aus den Niederlanden gebürtigen Dame. Vor dem Fürsten hatte er seine Ehe verheimlicht. Er mochte, wie es sich aus dem Folgenden herausstellt, seine Gründe dazu gehabt haben. Da verrieth eines Tages der Kaiser Joseph ohne Absicht das Geheimniß. Denn der Kaiser nahm großen Antheil an Soliman’s Geschick, zeichnete ihn öffentlich aus, hing sich, wenn er ihn auf dem Spaziergange begegnete, an seinen Arm. Zufällig erwähnte der Kaiser in einem Gespräche mit dem Fürsten der Frau seines Schützlings. Der Fürst ließ nun Soliman rufen, stellte ihn darüber zur Rede, und als Angelo seine Ehe eingestand, verbannte er ihn sofort aus seinem Hause und strich ihn gleichfalls aus seinem Testamente, worin er ihn reichlich bedacht hatte. Angelo, der so oft für Andere seine Fürbitte eingelegt, fand für sich kein Wort. Er verließ gleich das Haus des Fürsten und zog sich in sein Häuschen. das mit einem dazu gehörigen Garten in einer der kleineren Vorstädte Wien’s gelegen war und er längst gekauft hatte, zurück, wo er in ländlicher Abgeschiedenheit seinem häuslichen Glücke und der sorgfältigen Erziehung seiner einzigen Tochter [siehe zu Ende] und der Pflege seines Gartens lebte. Nur mit wenigen geistig bedeutenden Menschen unterhielt er geselligen Verkehr. Indessen war der Fürst Joseph Wenzel gestorben (1772). Zwei Jahre nach dessen Tode begegnete sein Neffe Fürst Franz Joseph Liechtenstein [Bd. XV, S. 123, Quelle Nr. 17] Soliman auf der Straße. Der Fürst rief ihn in seinen Wagen, sagte ihm, daß er von seiner Schuldlosigkeit völlig überzeugt und gesonnen sei, die ihm von seinem Oheim widerfahrene Unbill wieder gut zu machen. Er setzte auch Soliman sogleich ein Jahrgehalt aus, das nach Soliman’s Tode die Pension seiner Frau sein sollte, verlangte aber, daß S. eine Art Aufsicht über die Erziehung seines Sohnes, des nachmaligen regierenden Fürsten Alois Joseph [Bd. XV, S. 139], führen solle. Angelo S. kam pünctlich dieser an ihn gestellten Aufgabe nach und erschien täglich im Palaste des Fürsten, bis dieser ihm eine Wohnung in demselben anwies, worauf Soliman zum zweiten Male das fürstliche Palais bezog. Er lebte nun fortan in demselben still und eingezogen, nur im Verkehr mit wenigen Freunden und mit ernsten Studien beschäftigt. Als er nach einiger Zeit seine seit Jahren kränkelnde Frau durch den Tod verlor, schränkte er seinen Haushalt vollends ein und war fortan nur darauf bedacht, seiner Tochter ein kleines Vermögen zu ersparen, in Folge dessen er sich selbst manche Genüsse, so z. B. den Wein, entzog. Soliman machte mehrere Reisen, theils in eigenen Angelegenheiten, theils im Auftrage des Fürsten. Auf [251] einer Reise nach Mailand fand er bei dem damaligen General-Gouverneur der Lombardei, dem Erzherzog Ferdinand, die huldvollste Aufnahme. Soliman erreichte ein Alter von 70 Jahren und selbst in seinen späteren Jahren blieb er sich in seiner äußeren Erscheinung fortwährend gleich, so daß Personen, die ihn vor zwanzig oder dreißig Jahren gesehen hatten, ihn für einen Sohn von sich selbst hielten und darnach behandelten, was zu manchen Mißverständnissen und komischen Qui pro quo’s Veranlassung gab. Im 70. Jahre machte ein Schlagfluß auf der Straße seinem Leben ein Ende. Aus seiner schon erwähnten Ehe hinterließ er eine einzige Tochter, welche die erste Frau eines Freiherrn von Feuchtersleben wurde und demselben den nachmaligen Sudhüttenmeister in Aussee, Eduard Freiherrn von Feuchtersleben, Stiefbruder des Poeten und philosophischen Schriftstellers Ernst [Bd. IV, S. 210], gebar. So geachtet in allen Kreisen Soliman im Leben war, so konnte er im Tode doch nicht einem den Menschen an und für sich entwürdigenden Schicksale entgehen. Er wurde nämlich ausgestopft und plastisch in seiner natürlichen Gestalt im Wiener naturhistorischen Museum aufgestellt, wo er im vierten Stockwerke in einer besonderen, nicht Jedermann zugänglichen Localität zu sehen war – oder wohl noch zu sehen ist. Soliman war von mittlerer Größe, schlank und schön gebaut und selbst seine Gesichtszüge besaßen eine sonst Negern nicht eigene Schönheit. In allen körperlichen Uebungen gewandt, bewegte er sich mit Anmuth und Leichtigkeit. Er besaß nicht gewöhnliche Kenntnisse, sprach italienisch, französisch und deutsch vollkommen, vermochte aber auch lateinisch, böhmisch und englisch sich auszudrücken. Ueber seinen Charakter läßt sich aus der vorstehenden Lebensskizze ein Urtheil fällen. Streng sittlich, hielt er mit orientalischer Zähigkeit unabänderlich an seinem gegebenen Worte. Seine Tracht war orientalisch, einer Art türkischer weiter Kleidung, meist blendend weiß, wodurch die glänzende Schwärze noch schärfer abstach.

Grégoire (Henri conte), De la littérature des nègres ou recherches sur leurs facultès[WS 2] intellectuelles, leurs qualitès morales et leur littérature (Paris 1808, Maradan, 8°.). [Die darin enthaltene Biographie Angelo Soliman’s stammt aus der Feder der berühmten Karoline Pichler und gelangte durch Vermittlung einer anderen Dame an Herrn Grégoire, nachmaligen Bischof von Blois.]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vergleiche dazu Angelo, Soliman.
  2. Vorlage: falcultès.