Bekanntmachung, betreffend die Signalordnung für die Eisenbahnen Deutschlands

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Titel: Bekanntmachung, betreffend die Signalordnung für die Eisenbahnen Deutschlands.
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Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1892, Nr. 36, Seite 733–747
Fassung vom: 5. Juli 1892
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 21. Juli 1892
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(Nr. 2045.) Bekanntmachung, betreffend die Signalordnung für die Eisenbahnen Deutschlands. Vom 5. Juli 1892.

Gemäß der vom Bundesrath in der Sitzung vom 30. Juni 1892 auf Grund der Artikel 42 und 43 der Reichsverfassung und im Anschluß an die Betriebsordnung für die Haupteisenbahnen Deutschlands gefaßten Beschlüsse tritt an die Stelle der Signalordnung für die Eisenbahnen Deutschlands vom 30. November 1885 nachstehende

Signalordnung
für die
Eisenbahnen Deutschlands.

I. Signale mit elektrischen Läutewerken und Hornsignale.

Die Signale mit elektrischen Läutewerken sind zu geben wie folgt:
1. Der Zug geht in der Richtung von A nach B (Abmeldesignal):
Einmal eine bestimmte Anzahl von Glockenschlägen.
2. Der Zug geht in der Richtung von B nach A (Abmeldesignal):
Zweimal dieselbe Anzahl von Glockenschlägen.
3. Die Bahn wird bis zum nächsten fahrplanmäßigen Zuge nicht mehr befahren (Ruhesignal):
Dreimal dieselbe Anzahl von Glockenschlägen.
Dieses Signal kann auch angewandt werden, um anzuzeigen, daß ein signalisirter Zug nicht kommt.
4. Es ist etwas Außergewöhnliches zu erwarten (Gefahrsignal):
Sechsmal dieselbe Anzahl von Glockenschlägen.
Diese Signale können außerdem auch mit dem Horn gegeben werden wie folgt:
1a. Einmal die Tonfolge lang, kurz, kurz, lang.
2a. Zweimal die Tonfolge lang, kurz, kurz, lang.
[734]
3a. Einmal vier lange Töne.
4a. Zweimal vier kurze Töne.

II. Handsignale der Wärter und Scheibensignale.

Die Handsignale der Wärter sind zu geben wie folgt:
5. Der Zug soll langsam fahren:
bei Tage: bei Dunkelheit:
Der Wärter hält irgend einen Gegenstand in der Richtung gegen das Gleis.
Der Wärter hält die Handlaterne mit grünem Licht dem Zuge entgegen.
6. Der Zug soll halten (Haltsignal):
bei Tage: bei Dunkelheit:
Der Wärter schwingt einen Gegenstand im Kreise herum.
Der Wärter schwingt seine Handlaterne im Kreise herum, welche, sofern es die Zeit erlaubt, roth zu blenden ist.
An Stelle dieser Signale können auch Scheibensignale gegeben werden wie folgt:
5a. Der Zug soll langsam fahren:
bei Tage: bei Dunkelheit:
Am Anfang und am Ende einer langsam zu durchfahrenden Strecke sind runde Stockscheiben aufgestellt. Dem kommenden Zuge zugekehrt muß die erste Scheibe grün mit weißem Rande gestrichen und mit A bezeichnet, die letzte weiß gestrichen und mit E bezeichnet sein.
Am Anfang und am Ende einer langsam zu durchfahrenden Strecke sind Stocklaternen aufgestellt. Dem kommenden Zuge zugekehrt muß die erste Laterne grünes, die letzte weißes Licht zeigen. [735]
6a. Der Zug soll halten (Haltsignal):
bei Tage: bei Dunkelheit:
Vor einer unfahrbaren Gleisstrecke sind rechteckige Stockscheiben aufgestellt. Dem kommenden Zuge zugekehrt muß die Scheibe roth mit weißem Rande gestrichen sein.
Vor einer unfahrbaren Gleisstrecke sind Stocklaternen aufgestellt. Dem kommenden Zuge muß rothes Licht zugekehrt sein.

III. Signale am Signalmaste.

Die Signale am Signalmaste sind zu geben wie folgt:
7. Halt:
bei Tage: bei Dunkelheit:
Signalarm nach rechts wagerecht gestellt.
Rothes Licht der Signallaterne. [736]
8. Freie Fahrt:
bei Tage: bei Dunkelheit:
Signalarm schräg rechts nach oben gestellt (unter einem Winkel von etwa 45 Grad).
Grünes Licht der Signallaterne.
Erscheint es erforderlich, die Stellung des Signals bei Dunkelheit auch nach rückwärts erkennbar zu machen, so zeigt die Laterne dorthin bei Haltstellung volles weißes Licht, bei Fahrtstellung theilweise geblendetes weißes Licht (Sternlicht oder mattweißes Licht).
Wo es für nothwendig erachtet wird, die Ablenkung der Züge vom durchgehenden Gleise durch Signale an einem und demselben Signalmaste kenntlich zu machen, erhält der letztere zwei oder drei Arme und die gleiche Zahl Laternen über einander. Die unteren Arme und Laternen werden zur Signalgebung nur verwendet, wenn eine Ablenkung vom durchgehenden Gleise stattfinden soll; beim Haltsignal und beim Fahrsignal für das durchgehende Gleis sind die unteren Arme senkrecht gestellt und zeigen die unteren Laternen kein Licht.
Die dem Zuge entgegen rothes oder kein Licht zeigenden Laternen müssen nach rückwärts volles weißes Licht und die dem Zuge entgegen grün leuchtenden Laternen müssen nach rückwärts theilweise geblendetes weißes Licht (Sternlicht oder mattweißes Licht) zeigen. [737]
Die Signale am Signalmaste mit mehreren Armen sind zu geben wie folgt:
9. Halt für das durchgehende und abzweigende Gleis:
bei Tage: bei Dunkelheit:
Oberster Signalarm nach rechts wagerecht gestellt.
Rothes Licht der obersten Signallaterne.
10. Fahrt frei für das durchgehende Gleis:
bei Tage: bei Dunkelheit:
Oberster Signalarm schräg rechts nach oben gestellt (unter einem Winkel von etwa 45 Grad).
Grünes Licht der obersten Signallaterne. [738]
11. Fahrt frei für ein abzweigendes Gleis:
bei Tage: bei Dunkelheit:
Zwei (beziehungsweise die beiden oberen) Signalarme schräg rechts nach oben gestellt (unter einem Winkel von etwa 45 Grad).
Grünes Licht der beiden (beziehungsweise der beiden oberen) Signallaternen.
12. Fahrt frei für ein anderes abzweigendes Gleis:
bei Tage: bei Dunkelheit:
Alle drei Signalarme schräg rechts nach oben gestellt (unter einem Winkel von etwa 45 Grad).
Grünes Licht der drei Signallaternen.
Die Signale 7 bis 12 dienen als Einfahrtssignale, Ausfahrtssignale, Blocksignale, sowie innerhalb der Stationen zur Deckung einzelner Gleise oder [739] Gleisbezirke und auf freier Bahn zur Deckung von Abzweigungen, Drehbrücken und sonstigen Gefahrpunkten.
Die Anbringung von Signalen für entgegengesetzte Fahrtrichtungen an ein und demselben Signalmaste ist gestattet.

IV. Vorsignale.

Wo es für nothwendig erachtet wird, die Stellung des Signals an einem Signalmaste schon in einer gewissen Entfernung vor dessen Standort kenntlich zu machen, ist ein mit jenem Signal in Abhängigkeit stehendes Vorsignal aufzustellen. Dasselbe soll aus einer um eine Achse drehbaren, runden Scheibe, mit welcher eine Laterne verbunden ist, bestehen. Die Signale sind damit zu geben wie folgt:
13. Das Signal am Signalmaste zeigt
Halt:
bei Tage: bei Dunkelheit:
Die volle runde Scheibe dem Zuge zugekehrt.
Grünes Licht dem Zuge entgegen.
Nach rückwärts zeigt die Laterne volles weißes Licht.
14. Das Signal am Signalmaste zeigt
Freie Fahrt:
bei Tage: bei Dunkelheit:
Die Scheibe parallel zur Bahn oder wagerecht gestellt.
Weißes Licht der Laterne dem Zuge entgegen.
Nach rückwärts zeigt die Laterne theilweise geblendetes weißes Licht (Sternlicht oder mattweißes Licht). [740]

V. Signale an Wasserkrahnen.

Der Ausleger des Wasserkrahnes ist am Ausgusse desselben bei Dunkelheit mit einer Laterne zu versehen.
15. Der Ausleger des Wasserkrahnes läßt die Durchfahrt frei:
bei Tage: bei Dunkelheit:
Der Ausleger steht parallel zur Richtung des Gleises.
Weißes Licht der an dem Ausleger des Wasserkrahnes befindlichen Laterne.
16. Der Ausleger des Wasserkrahnes sperrt die Durchfahrt:
bei Tage: bei Dunkelheit:
Der Ausleger steht quer zur Richtung des Gleises.
Rothes Licht der an dem Ausleger des Wasserkrahnes befindlichen Laterne.

VI. Weichensignale.

Die Signale an den Weichen müssen sowohl bei Tage als bei Dunkelheit durch ihre Form erkennen lassen, ob die Weiche auf das gerade Gleis gestellt ist, oder nach welcher Seite die Ablenkung erfolgt. Das rothe und das grüne Signallicht sind für die Weichensignale nicht zu verwenden, sofern dieselben nicht im einzelnen Falle zugleich als Haltsignal oder Langsamfahrsignal dienen sollen. [741]

VII. Signale am Zuge.

Die Signale am Zuge sind zu geben wie folgt:
17. Kennzeichnung der Spitze des Zuges:
a. wenn der Zug auf eingleisiger Bahn oder auf dem für die Fahrtrichtung bestimmten Gleise einer zweigleisigen Bahnstrecke fährt:
bei Tage: bei Dunkelheit:
Kein besonderes Signal.
Zwei weiß leuchtende Laternen vorn an der Lokomotive.
b. wenn der Zug ausnahmsweise auf dem nicht für die Fahrtrichtung bestimmten Gleise einer zweigleisigen Bahnstrecke fährt:
bei Tage: bei Dunkelheit:
Eine roth und weiße runde Scheibe vorn an der Lokomotive.
Zwei roth leuchtende Laternen vorn an der Lokomotive. [742]
Befindet sich in Ausnahmefällen die Lokomotive nicht an der Spitze des Zuges oder fährt dieselbe mit dem Tender voran, so sind die Signale am Vordertheil des vordersten Fahrzeuges anzubringen.
18. Kennzeichnung des Schlusses des Zuges (Schlußsignal):
bei Tage: bei Dunkelheit:
An der Hinterwand des letzten Wagens eine roth und weiße runde Scheibe.
An der Hinterwand des letzten Wagens in ungefährer Höhe der Buffer eine roth leuchtende Laterne (Schlußlaterne) und außerdem am letzten Wagen zwei nach vorn grün und nach hinten roth leuchtende Laternen (Ober-Wagenlaternen).
Für einzeln fahrende Lokomotiven auf freier Bahn genügt eine roth leuchtende Laterne und bei Bewegung der Lokomotiven auf Stationen die Anbringung je einer Laterne mit weißem Licht vorn an der Lokomotive und hinten am Tender, bei Tenderlokomotiven vorn und hinten. [743]
19. Es folgt ein Sonderzug nach:
bei Tage: bei Dunkelheit:
Außer dem Schlußsignal eine grüne Scheibe oben auf dem letzten Wagen oder zu jeder Seite desselben.
Signal 18 mit der Abänderung, daß eine der beiden vorgeschriebenen Laternen auch nach hinten grünes Licht zeigt.
Für einzeln fahrende Lokomotiven genügt die Anbringung einer grün leuchtenden Laterne hinten außer der rothen Schlußlaterne.
20. Es kommt ein Sonderzug in entgegengesetzter Richtung:
bei Tage: bei Dunkelheit:
Eine grüne runde Scheibe vorn an der Lokomotive.
Eine grün leuchtende Laterne über den weiß leuchtenden Laternen vorn an der Lokomotive. [744]
21. Die Telegraphenleitung ist zu untersuchen:
bei Tage: bei Dunkelheit:
Eine weiße runde Scheibe vorn an der Lokomotive oder an jeder Seite des Zuges.
Kein besonderes Signal.
22. Der Bahnwärter soll sofort seine Strecke untersuchen:
bei Tage: bei Dunkelheit:
Ein Zugbediensteter schwingt seine Mütze oder einen anderen Gegenstand dem Wärter zugewendet.
Ein Zugbediensteter schwingt seine Laterne dem Wärter zugewendet.

VIII. Signale des Zugpersonals.

Die Signale des Zugpersonals sind zu geben wie folgt:
mit der Dampfpfeife:
23. Achtung:
Ein mäßig langer Ton.
24. Bremsen anziehen:
a) mäßig:
Ein kurzer Ton.
b) stark:
Drei kurze Töne schnell hinter einander.
[745]
25. Bremsen loslassen:
Zwei mäßig lange Töne schnell hinter einander.
Die Signale 23, 24 und 25 können auf einzelnen Strecken und Stationen mit Genehmigung der zuständigen Landes-Aufsichtsbehörde unter Zustimmung des Reichs-Eisenbahn-Amts – abgesehen von Gefahrfällen, in denen die Dampfpfeife anzuwenden ist – auch mit Signalhörnern gegeben werden.
mit der Mundpfeife:
26. Das Zugpersonal soll seine Plätze einnehmen:
Ein mäßig langer Ton.
27. Abfahrt:
Zwei mäßig lange Töne.

IX. Rangirsignale.

Die Rangirsignale mit der Mundpfeife oder dem Horn sind zu geben wie folgt:
28. Vorziehen:
Ein langer Ton.
29. Zurückdrücken:
Zwei mäßig lange Töne.
30. Halt:
Drei kurze Töne schnell hinter einander.
Die Rangirsignale mit dem Arme sind zu geben wie folgt:
28a. Vorziehen:
bei Tage: bei Dunkelheit:
Senkrechte Bewegung des Armes von oben nach unten.
Senkrechte Bewegung der Handlaterne von oben nach unten. [746]
29a. Zurückdrücken:
bei Tage: bei Dunkelheit:
Wagerechte Bewegung des Armes hin und her.
Wagerechte Bewegung der Handlaterne hin und her.
30a. Halt:
bei Tage: bei Dunkelheit:
Kreisförmige Bewegung des Armes.
Kreisförmige Bewegung der Handlaterne.

Allgemeine Bestimmungen.

1. Die vorstehend für einen Zug gegebenen Bestimmungen finden auch auf einzeln fahrende Lokomotiven Anwendung, soweit für letztere nicht Ausnahmen zugelassen sind.
2. Eine Abweichung in der Darstellung der Signale von den beigegebenen Abbildungen ist zulässig, soweit der Wortlaut der einzelnen Signalbestimmungen nicht entgegensteht.
3. Diese Signalordnung tritt mit dem 1. Januar 1893 in Kraft; sie findet Anwendung auf allen Haupteisenbahnen Deutschlands und auf den Nebeneisenbahnen, soweit bei den letzteren Signale zur Anwendung kommen. Ausnahmen können unter besonderen Verhältnissen von der zuständigen Landes-Aufsichtsbehörde mit Zustimmung des Reichs-Eisenbahn-Amts zugelassen werden.
Diese Signalordnung wird durch das Reichs-Gesetzblatt veröffentlicht.
Die von den Aufsichtsbehörden oder Eisenbahnverwaltungen erlassenen Ausführungsbestimmungen sind dem Reichs-Eisenbahn-Amt mitzutheilen.
4. Sofern auf einzelnen Bahnen die Einführung der Signaleinrichtungen ohne besondere Schwierigkeiten bis zum 1. Januar 1893 nicht zu bewirken ist, können für deren Ausführung von der betreffenden Landes-Aufsichtsbehörde mit Zustimmung des Reichs-Eisenbahn-Amts angemessene Fristen bewilligt werden. Bereits bewilligte Befristungen werden hiervon nicht berührt.
5. Für die an den Grenzen Deutschlands gelegenen Bahnstrecken, welche von ausländischen Bahnverwaltungen betrieben werden, können Abweichungen von dieser Signalordnung von der betreffenden Landes-Aufsichtsbehörde unter Zustimmung des Reichs-Eisenbahn-Amts bewilligt werden.
Berlin, den 5. Juli 1892.
Der Reichskanzler.

Graf von Caprivi.