Beschreibung des Oberamts Biberach/Kapitel B 39

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
« Kapitel B 38 Beschreibung des Oberamts Biberach Kapitel B 41 »
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|
39. Gemeinde Unter-Dettingen,
bestehend aus 7 Parzellen mit 759 Einwohnern.

1) Unter-Dettingen, kathol. Pfarrdorf mit 317 Einwohnern, 55/8 Stunden östlich von Biberach. C. A. und F. A. Ochsenhausen. Die Lehengefälle und den Großzehenten bezieht die Krone Baiern, den Kleinzehenten die Pfarrei Ober-Dettingen. Der Ort, früher auch Thätingen, Tattingen geschrieben, hat eine freundliche Lage in dem hier sehr weiten Illerthale, ist übrigens weitläufig und ziemlich schlecht gebaut. Das Clima ist mild, der Boden sandig, der Nahrungsstand mittelmäßig. Unter-Dettingen hat eine eigene Pfarrkirche, deren Baulast auf der Kirchenpflege und der Krone Baiern liegt. Bis in die Zeit des 30jährigen Kriegs hatte Unter-Dettingen auch seinen eigenen Pfarrer; in den Jahren 1633 bis 1635 wüthete die Pest in Ober- und Unter-Dettingen und nahm in ganz kurzer Zeit an beiden Orten fünf Pfarrer weg, worauf die Pfarrei mit der von Ober-Dettingen vereinigt wurde. Auch die Schule ist in Ober-Dettingen. Dagegen hat Unter-Dettingen noch seinen eigenen Gottesacker, auf dem auch die Einwohner von Buchau und Kellmünz, als alte Filialisten, ihr Begräbniß haben. Unter-Dettingen zeichnet sich durch eine große Sterblichkeit, sehr vortheilhaft aber auch durch eine geringe Anzahl von unehelichen Kindern aus. Es hat 1 Schildwirthschaft, 1 Bierbrauerei, 3 Mahlmühlen, 1 Öl- und 1 Sägemühle. Im Übrigen s. Kellmünz und Ober-Dettingen.

2) Buchau, kathol. Weiler im Illerthale mit 77 Einwohnern, Filial von Ober-Dettingen. Die Lehengefälle und den Großzehenten bezieht die Krone Baiern, den Kleinzehenten die Pfarrei; die übrigen Verhältnisse wie in Unter-Dettingen.

3) Herrenmühle, Weiler, bestehend aus einer Mühle, Bleiche und Meisterhaus, mit 21 kathol. Einwohnern. Im Übrigen wie in Buchau und Unter-Dettingen.

4) Kelmünz, in neueren Zeiten auch Kellmünz, kathol. Weiler mit 66 Einwohnern, an der Iller, der seine Verhältnisse| ganz mit Unter-Dettingen theilt. Bei dem Weiler führt eine Brücke über die Iller. Auf dem jenseitigen Ufer, 1/8 Stunde entfernt, liegt auf einer vorspringenden Höhe der baierische Markt Kelmünz, wovon der diesseitige Weiler früher ein Anhang war. Dort stand einst der berühmte Römerort Coelius mons, woher auch der Name Kelmünz rührt.[1] Kelmünz mit seiner Umgebung bildete eine besondere Herrschaft, welche dem Ritter-Canton Donau einverleibt war. Zu der Herrschaft gehörten jenseits der Iller – jetzt im Königreich Baiern – der Markt Kelmünz, das Dorf Filzingen und 2/3 von dem Pfarrrdorf Unterroth, diesseits der Iller – im Königreich Würtemberg – der Weiler Kelmünz, Unter- und Ober-Dettingen und überhaupt der ganze Gemeindebezirk Unter-Dettingen. Die Herrschaft war Eigenthum des Fürsten von Schwarzenberg, dem auch die angrenzende Herrschaft Illeraichen auf dem rechten Illerufer gehörte. 1806 kam die Herrschaft unter Baierische, durch den Pariser Staatsvertrag aber mit der Krone Baiern vom 18. Mai 1810 unter würtembergische Hoheit, soweit nämlich dieselbe auf dem linken Illerufer lag. Im Jahre 1833 verkaufte der Besitzer, der Fürst Johann Joseph von Schwarzenberg, die Herrschaft Kelmünz mit der Herrschaft Illeraichen, und mit ersterer auch den als „Rittergut Dettingen“ in Würtemberg gelegenen Theil an den königlich baierischen Staatsminister, Grafen v. Montgelas, dieser ließ aber den israelitischen Hofbanquier v. Hirsch in München in den Kauf einstehen, worauf dann die Krone Baiern am 24. März 1834 die Dominical-Gefälle und andere Rechte einlöste, so daß jetzt Baiern im Besitze der Grundherrschaft, der Banquier v. Hirsch aber im Besitze des Grundeigenthums und des Jagdrechts ist, das zu den Herrschaften gehörte. Was die ältere Geschichte der Herrschaft Kelmünz betrifft, so verweisen wir darüber auf die vortrefflichen Abhandlungen des königl. baierischen Regierungs-Direktors Ritters v. Raiser (Wappenkunde der B. Städte und Märkte, Augsburg 1834, und die dort angeführten weitern Schriften des Verf.), und berühren dieselbe hier nur soweit, als sie auch in die würtembergische Geschichte und Topographie eingreift. Die auf den römischen Ruinen zu Kelmünz erbaute deutsche Burg war einst der Mittelpunkt einer großen Grafschaft, in deren Besitz man schon sehr frühe die Pfalzgrafen von Tübingen findet. Als der Pfalzgraf Hugo 1171 das Kloster Marchthal wieder herstellte,| stiftete er dazu auch drei Canonikat-Pfründen – darunter die Kirche Kirchbierlingen – die er von seiner Großmutter Bertha von Kelmünz ererbt hatte. (s. O. A. Ehingen S. 142 und 175.) Diese Bertha ist 1128 als Gattin des Grafen Rudolphs beurkundet. Schon der Name Rudolph weist auf das Geschlecht der Pfalzgrafen von Tübingen hin, in dem er gar häufig war; ein Pfalzgraf Rudolph von Tübingen erscheint auch 1188 als Besitzer von Kelmünz. Ob aber Bertha eine geborne Gräfin v. Kelmünz war, die ihrem Gemahl die Besitzung zubrachte, oder ob das pfalzgräfliche Haus Tübingen schon vorher im Besitze von Kelmünz war, und Rudolph, der Gemahl der Bertha, von Kelmünz als von seinem Sitze, sich auch Graf von Kelmünz nannte, wie Andere seiner Stammgenossen sich Grafen von Böblingen, Herrenberg, Asperg, genannt haben, bleibt zweifelhaft.[2] Nach v. Raiser wäre die Grafschaft Kelmünz als pfalzgräfliches Amts- und Reichs-Lehen an die Pfalzgrafen von Tübingen gekommen. Dem sey aber wie ihm wolle, so ist jedenfalls außer Zweifel, daß diese schon in der Mitte des 12. Jahrhunderts im Besitze von Kelmünz waren; denn als in der Fehde, welche der Herzog Welf mit dem Pfalzgrafen Hugo von Tübingen, dem Stifter von Marchthal hatte, nach der unglücklichen Schlacht bei Tübingen der Welfe noch einmal von Ober-Schwaben her gegen den Pfalzgrafen auszog, zerstörte er auch die dem Pfalzgrafen gehörige Burg Kelmünz.[3] Die Pfalzgrafen blieben im Besitze von Kelmünz bis zu dem Tode des Pfalzgrafen Gottfried oder Götz von Tübingen, der Böblinger genannt. Dieser Götz, gestorben nach Gabelkofer den 30. Januar 1316, hatte eine Tochter Namens Agnes, welche an Ulrich von Rechberg d. ä. verheirathet war, und von dem väterlichen Erbe Kelmünz und Sindelfingen erhielt. Dadurch kamen nun die von | Rechberg in den Besitz von Kelmünz. Aber die alte Grafschaft war jetzt mannigfaltig zerstückelt und in einzelne Herrschaften vertheilt. Doch gehörten noch Babenhausen und Osterberg dazu, auch wurde die Herrschaft Illeraichen wieder damit vereinigt. Ulrich v. Rechberg d. ä. theilte nach Sattler (Geschichte der Gr. I. 160) seine und seiner Gattin Güter unter seine zwei Söhne Ulrich und Hans. Der Erstere erhielt Sindelfingen und andere benachbarte Güter, der Sohn Hans aber die oberländischen Besitzungen und darunter Kelmünz. Ulrich veräußerte Sindelfingen schon 1351 wieder an die Grafen Eberhard und Ulrich v. Würtemberg; Kelmünz aber blieb im Rechbergischen Besitze. Doch besaßen die Rechberg die Herrschaft, wenigstens theilweise, nur in lehenbarer Eigenschaft, das Obereigenthum blieb mit der Pfalzgrafschaft Tübingen verbunden, und kam, als diese von den Pfalzgrafen Göz und Wilhelm, den Neffen (nicht den Brüdern und noch weniger dem Vater und Onkel) der Agnes v. Rechberg 1342 an den Grafen Ulrich verkauft wurde, mit derselben an das Haus Würtemberg, das von dieser Zeit an Lehensherr nicht nur von Kelmünz, sondern auch von Babenhausen und andern alten Bestandteilen der ehemaligen Grafschaft Kelmünz war. Im Jahr 1344 wurden die v. Rechberg erstmals mit Kelmünz und der Waibelhub von Würtemberg belehnt. Nach einem fast 500jährigen Besitze wurde die Herrschaft Kelmünz 1789–90 von den v. Rechberg an die v. Schwarzenberg für 700.000 fl. verkauft.[4] Erst nach diesem Verkauf wurde die würtembergische Lehenschaft aufgehoben, und durch einen Vertrag vom 27. Februar 1791 auf die Rechbergischen Besitzungen Treffelhausen und Nenningen übertragen. Von kürzerer Dauer war der Rechbergische Besitz der Herrschaften Babenhausen, Osterberg und Illeraichen. Babenhausen, das nach mehrfachem Wechsel 1363 von den Herren v. Rothenstein – Heinrich v. Rothenstein wurde 1346 von Würtemberg damit belehnt – durch Kauf an die v. Rechberg gekommen war, wurde 1539 von Gaudenz v. Hohen-Rechberg zu Kelmünz und seinem Bruder Georg, zu Osterberg gesessen, mit Brandenburg und Dietenheim an den Freiherrn Anton Fugger verkauft. Die Würtembergisch-Tübingische Lehenschaft hatte der Käufer schon voraus, am 20. December 1538, bei dem Herzog Ulrich von Würtemberg für die Summe von 36.000 fl. abgelöst. S. Raisers Viaca S. 91, wonach sich auch die Sattlerischen Angaben berichtigen und erläutern. | Die Herrschaft Osterberg wurde von den Rechberg 1679 verkauft. Die Herrschaft Illeraichheim aber, die sich jedoch schon in früheren Zeiten von allem Lehensverband befreit fand, kam 1677 durch Heirath der Anna v. Rechberg an den Grafen Max. Wilhelm von Lymburg-Styrum, von den Styrum durch Kauf 1772 an den Freiherrn Carl v. Palm, von dem sie dann 1789 ebenfalls an den Fürsten v. Schwarzenberg für 750.000 fl. verkauft wurde. S. v. Raiser a. a. O.

Auch die in den gleichen Bezirk gehörige Herrschaft Kronburg war in Rechbergischem Besitz, und zwar kam sie nicht erst 1594 in denselben, denn ein vor uns liegendes Vollmachtschreiben des „Jörg v. Rechberg von Hohen-Rechberg zu Kronburg und Weissenstein“ an den Rath zu Ulm, womit derselbe zwei in Ulm niedergelegte Fäßlein Geld durch seinen Vogt in Kelmünz abholen ließ, ist datirt vom 24. März 1553.

5) Ober-Dettingen, kathol. Pfarrweiler mit 291 Einwohnern, 1/4 Stunde von Unter-Dettingen im Illerthale. Den großen und kleinen Zehenten bezieht die Pfarrei. Die Lehen- und übrigen Verhältnisse sind wie in Unter-Dettingen. Das Patronat steht der Krone Baiern zu. Der Markungsbezirk liegt zum Theil in der freien Pürs. In Ober-Dettingen ist eine Öl- und eine Lohmühle. Die Baulast der Kirche ruht auf dem Ortsheiligen und subsidiarisch auf der Pfarrei, die Baulast des Pfarrhauses auf der Pfarrei. Die Pfarrkirche ist sehr alt, die Zeit der Erbauung aber nicht nachzuweisen. Im Jahr 1835 wurde bei der Reparation des Hochaltars in demselben eine Urkunde gefunden, der zu Folge derselbe den 29. Juni 1271 von dem Weibbischof Georg Sigismund in Constanz geweiht wurde. Der Ort Dettingen selber kommt schon sehr frühe vor; i. J. 876 schenkte Egino dem Kloster St. Gallen mehrere Güter in Dettingen (Tetinga), Hochdorf und Sulmetingen. Neugart (C. D. Nr. 496) erklärt zwar Dettingen für Dettingen im Oberamt Ehingen: allein die Nachbarschaft der mitgenannten Orte beweist, daß das Dettingen an der Iller darunter zu verstehen ist. Im Übrigen s. Kelmünz.

6) Werthe, ein an der Iller liegendes Haus mit 8 kathol. Einwohnern, Filial von Kirchberg. Lehengefälle und Großzehenten bezieht die Krone Baiern, den Kleinzehenten die Pfarrei Ober-Dettingen.


40. Gemeinde Unter-Sulmetingen

  1. Die Verwandlung von Mons in Münz, haben wir auch bei Münzdorf, O. A. Münsingen u. a. O. schon gesehen.
  2. Nach Sulgers Zwiefalter Annalen I. 145 war Bertha aus dem Geschlechte der Allem. Herzoge. Vergl. damit Beschreibung des Oberamts Ehingen bei Kirchbierlingen. Nicht unwahrscheinlich ist es, daß der Gemahl Rudolph derselbe Rudolph war, den die ochsenhausischen Chroniken einen curischen Grafen nennen, und der als Mitstifter und erster Advokat des Klosters erscheint.
  3. Nach den meisten Schriftstellern im Jahre 1166. Aber am 9. März 1166 wurde der Pfalzgraf Hugo schon auf der Reichsversammlung zu Ulm von K. Friedrich I. in welfische Gefangenschaft übergeben, und bis dahin hatten nach der Zerstörung von Kelmünz die Feindseligkeiten und Verheerungen noch längere Zeit gedauert, und war namentlich Welf auf seinem Rückzuge von dem Herzog Friedrich, der dem Pfalzgrafen zu Hülfe gekommen war, bei Gaisbeuren geschlagen worden. Die Zerstörung von Kelmünz muß also schon 1165, wenn nicht schon 1164 vorgefallen seyn. Vergl. Sattlers Topog. Beschr. v. Würtemb. S. 326.
  4. Nach dem topogr. Lex. von Schwaben blieben von der Verkaufssumme 400.000 fl. unablöslich als Familienfideicommiß auf dem Gute stehen. Diese Angabe wurde von den baierischen Commissarien zur Zeit, da die Herrschaft sequestrirt war, 1809 für grundlos erklärt.