Beschreibung des Oberamts Eßlingen/Kapitel B 1

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B.


Ortsbeschreibung.




1. Gemeinde Eßlingen[1]
mit den Unter-Schultheißereien Liebersbronn, Mettingen, Rüdern, Sulzgries, Wäldenbronn und der K. Hofdomäne Weil. Gesammt-Einwohner: 10.592. Darunter Evangelische: 10.204. Katholiken: 260. Juden: 128.

| 1. Eßlingen, die Oberamtsstadt, ehemals freie Reichsstadt, liegt (und zwar mit dem Frauenkirchthurm) unter 26° 58′ 6,57″ östl. Länge, und 48° 44′ 38,28″ nördl. Breite, 33/4 geom. St. nach der Landstraße, 23/4 in horizontaler Entfernung ostsüdöstlich von Stuttgart. Die Erhebung über dem Mittelmeer, und zwar die des Neckarniveau unter der Brücke beträgt 715,2, die der Erdfläche an der Frauenkirche 772,6, die mittlere Erhebung 743,0 P. F. Die Stadt, ohne die Filialien, zählt 7170 evangelische, 244 katholische, 128 israelitische, zusammen 7542 ortsangehörige, und nach der Aufnahme vom 15. December 1843 9093 ortsanwesende Einwohner, und ist somit eine Gemeinde erster Classe. Die Stadt ist der Sitz des Gerichtshofs für den Neckarkreis, sämmtlicher Bezirksstellen (mit Ausnahme des Forstamts), eines Postamtes (seit 1843 mit Poststall) und war von 1811 bis Frühjahr 1845 Garnisonsplatz eines k. Reiter-Regiments. Außerdem haben hier ihren Sitz: ein evangelisches Schullehrer-Seminar, das Camerariat des Landcapitels Stuttgart, ein Nebenzollamt erster Classe, und von wissenschaftlichen Practicanten: (außer den 4 Ober-Justiz-Procuratoren) 2 Rechtsconsulenten und 9 practische Ärzte. [2]

Die Stadt am rechten Neckarufer in einer sanften Einbiegung des Thales gelegen, ist von Gärten, Obstpflanzungen und Weinbergen umgeben, und bietet eine der reizendsten Ansichten des Landes. Am vortheilhaftesten stellt sie sich mit ihren Kirchen, Thürmen und den Überresten ihrer mittelalterlichen Befestigung, je nach der Beleuchtung entweder von Ober-Eßlingen oder von den westlichen Höhen bei Weil aus gesehen, dar. [3] Der trefflich angebaute Boden ist besonders im Thal tiefgründig und fruchtbar, die Luft rein und mild, da die gegen Norden vorliegenden Höhen der Neckar- und Ebershalde gegen rauhe Winde Schutz gewähren. Mandel- und selbst Feigenbäume kommen hie und da an warmen Weinberghalden im Freien fort. (Die klimatischen und Gesundheitsverhältnisse s. oben.)

Die Anlage der Stadt ist, wie ein Blick auf den beigegebenen| Plan zeigt, weder im Ganzen noch im Einzelnen regelmäßig. Man hat folgende Theile zu unterscheiden: 1. Die eigentliche oder innere Stadt am rechten Ufer des großen Neckarkanals, gegen den Burghügel sanft ansteigend, sonst eben, früher von starken Mauern mit vielen Thürmen umschlossen, [4] die jetzt größtentheils abgetragen sind. Sieben Haupt- und vier Nebenthore führten nach den Vorstädten, und nur eines, das Lantelin-(Landolin-)Thor, unmittelbar ins Freie (nach der Ebershalde). Von den Thorthürmen ist nur der des Brod- oder Wolfsthors noch vorhanden, an welchem man noch die Hohenstaufenschen Löwen ausgehauen sieht; dieses Thor verbindet die innere Stadt mit der Ober-Thor-Vorstadt. – 2. Die Vorstadt Bliensau auf der Insel zwischen dem Floßkanal und dem Hauptstrom; sie bildet den südwestlichen Haupttheil Eßlingens und ist auf ihren drei Außenseiten mit Mauern umgeben; sie hatte 4 Haupt- und 3 Nebenthore; von ersteren sind noch vorhanden: das Bliensauthor am innern Anfang der Neckarbrücke, mit einem hohen, sehr festen Thurm aus Buckelsteinen mit Zinnen, der kürzlich eine seiner alterthümlichen Structur entsprechende Renovation erfahren hat; das Schelzthor, welches nach dem, von einem früher (1373) hier gelegenen Schelchshofe sogenannten Schelzwasen führt, mit einem ebenfalls sehr massiven alten Thurme. Wenn gleich diese Vorstadt unter dem Namen Bliensowe schon in der Mitte des 13. Jahrhunderts (Blinsauwe aput Ezzelingen, Speir. Necrol.) und bestimmt 1271 und 1292 vorkommt, so ist doch die Vermuthung Kellers (S. 41) nicht unwahrscheinlich, daß ihr Name von dem der Probstei Nellingen gehörig gewesenen Hof des| h. Blasius, der hier gestanden, herrührt, und daß sonach richtiger Bläsau geschrieben würde. An diese Vorstadt schließt sich die neue Anlage der Fabrikstraße, s. unten. – 3. Die Vorstadt Beutau (Beuten, Biten 1279, Bytun 1313, nach Pfaff S. 9 von Bu, Bude hölzernes Haus, der ältesten Art Wohnung; nach Andern von Beuten, Warten, die Warte), der nördlichste und höchste Theil der Stadt, der sich in das Sulzgrieser Thal hineinzieht; sie theilt sich in die obere, mittlere und untere Beutau und ist auf der Nord- und Westseite ummauert. Ihre Thore sind abgebrochen, die Mauern bis auf ungefähr 12–15 Schuh erniedrigt. Durch die untere Beutau, welche besonders uneben und unregelmäßig ist, fließt der Beutenbach, s. oben. – 4. Die Oberthor-Vorstadt (1323 praeurbium Obern Esslingen, 1494 aber suburbium superioris portae), südöstlich von der innern Stadt, seit 1330 ummauert. Der ganze bedeutende Raum, welchen sie einnimmt, war in ältern Zeiten (wenigstens bis 1600) mit Häusern besetzt: jetzt besteht sie nur aus einer einzigen langen Straße, an deren äußerem, östlichem Ende ein jetzt abgebrochenes Thor, das Oberthor, sich befand. Zwei Nebenthore, das Stumpenthor und Grabbronnenthor, sind nun ebenfalls abgebrochen. Zwischen dem Wolfsthor und Neckarkanal, längs der innern Stadtmauer, lag der Turnierplatz, noch jetzt auf dem Kies genannt. Eine eigene Ortschaft, Mühlbronnen (Mulbronn 1300), lag daneben am Neckarkanal, und wurde bei der Ummauerung der Vorstadt mit dieser vereinigt. – 5. Die Mettinger Vorstadt, westlich zwischen der Neckarhalde und dem Roßneckar, früher ebenfalls mehr überbaut und bevölkert als gegenwärtig, hatte zwei, jetzt verschwundene Thore, das sog. äußere Mettinger Thor, und den „äußern Berfrid“, welcher letztere aus zwei mittelst einer Mauer verbundenen Thürmen bestand. Der untere am Neckar gelegene Theil hieß „im Weiher“, wo 1297 eine Quelle fons dictus Miselbronne erwähnt wird. – 6. Der Kesselwasen, die mit mehreren Häusern besetzte untere Spitze der Kanalinsel, links von der innern Bliensaubrücke, so genannt von den ehmals hier befindlich gewesenen Kupferhämmern.

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7. Die Burg, nördlich über der Stadt auf einem ziemlich steilen Hügel, dem Schönenberg, von der rückwärts liegenden Höhe durch einen tiefen Graben isolirt. Die Burg war zu keiner Zeit ein Schloß[ER 1], sondern ein mit starken Mauern und Thürmen eingefriedigter Raum zur Vertheidigung der Stadt gegen Angriffe, welche von den nördlichen Höhen her drohten. Der Name derselben war daher in den ältern Zeiten Berfrid, und noch im 17. Jahrhundert der Pferrich. Die drei, von der Stadt und der Beutau hinlaufenden, mit Staffeln versehenen Mauern, wovon noch eine| gangbar ist, soll König Rudolph erbaut haben. Die Vollendung der Umfangsmauern erfolgte aber erst 1525. Der gewaltige runde, jetzt dachlose Thurm an der südöstlichen Ecke, mit 16′ dicken Mauern, wurde 1527 erbaut. Ein aus der Burg ins Freie führender unterirdischer Gang ist jetzt wieder eröffnet. Auf einer Erhöhung, ehemals eine Redoute, befinden sich drei Lärmkanonen, und auf der südlichen, der Stadt zugekehrten Mauer die Hochwacht. Im innern Raum, der als Gras- und Baumgarten benutzt wird, ist seit neuerer Zeit eine Schießstätte eingerichtet.

Von großer Wichtigkeit, sowohl des öconomischen und gewerblichen Nutzens als auch der Salubrität und Annehmlichkeit wegen, sind die Kanäle, von welchen Eßlingen in der Mitte durchschnitten wird. Oberhalb der Stadt ist schon in sehr alter Zeit ein 1500′ langes Wehr nach dem Eisberg hinüber, dessen Fuß der Neckar bespült, dem Strom entgegen gedämmt worden, wodurch ein großer Theil seiner Wassermasse in einem künstlichen Bette der Stadt zugeführt wird. Am Anfang dieses Hauptkanals, der bis zu seiner Wiedereinmündung in den Neckar eine Länge von 8200′ hat, ist im J. 1824 ein Wasserhaus mit der nöthigen Vorrichtung, um den Kanal sperren zu können, erbaut worden. Bei der oberen Mühle ist ein Arm von ihm links abgeleitet, welcher von einem an seinem Anfang befindlichen Wehr der Wehrneckar heißt, und den Floßkanal bildet. Diese beiden Kanäle vereinigen sich wieder am Westende der Stadt, um in dem alten Flußbette des Beutenbachs unter dem Namen Roßneckar dem Hauptstrom wieder zuzufallen. Noch sind einige Nebenkanäle aus dem Hauptkanal abgeleitet, so der Metzgerbach, welcher die Bliensau quer durchströmt. Ein zweites großes Wehr von 1600′ Länge ist dem Neckar weiter unten vorgelegt, um einen Kanal für die Bliensau-Mühle zu gewinnen, der sich übrigens sogleich wieder mit dem Strom vereinigt. Die verschiedenen Werke, welche ihren Betrieb diesen Wasserkräften verdanken, s. hienach. Das Austreten des oberhalb der Stadt gespannten Flusses hat kostspielige Vorkehrungen und Wasserbauten nöthig gemacht. Der jüngsten Unternehmung dieser Art, eines von dem Bauverwalter Steudel geleiteten Uferbaus ist schon oben gedacht. Eine sehr alte Anlage ist die schon 1350 erwähnte Kiesmauer (Gieß-, Güßmauer?), ein gemauerter Damm mit vielen Pfeilern, von 6–8′ Höhe und gegen 2000′ Länge, zum Schutz der Oberthor-Vorstadt und der dortigen Güter errichtet. Im J. 1825 wurde eine Hauptreparatur damit vorgenommen.

Die Insel zwischen dem Hauptkanal und dem Wehrneckar ist sehr passend zu einer freundlichen, dem Publicum geöffneten Lustanlage mit Linden- und Kastanien-Alleen, Rasen und Blumenbeeten| benützt. Sie führt den Namen Maille, den man von dem Pall-Mall-Spiel oder Ballschlagen (vielleicht also aus den Zeiten der Ritterakademie) herleitet.

Über den Neckar und seine Kanäle führen folgende Brücken: 1. Die äußere oder Heiligkreuz-Brücke über den Neckar, die längste unter den Brücken des Landes, von 900′ Länge und 25′ Breite. Im J. 1286 wurde sie mit Hülfe einer durch eine Ablaßbulle von 7 Cardinälen unterstützten Collecte an der Stelle der früheren hölzernen schön und sehr dauerhaft erbaut. Im J. 1838 hat sie eine Hauptreparatur erfahren. Von den drei Thorthürmen, die an beiden Enden und in ihrer Mitte standen, ist nur der innere noch vorhanden. Die schöne Heiligkreuzkapelle an ihrem äußern Ende wurde ein Opfer der mit gedachter Reparatur verbundenen Verbesserung der Anfahrt. – 2. Die große Kanal- oder innere Bliensaubrücke verbindet in einer Länge von etwas über 500′ die Bliensau mit der innern Stadt und ist zum Theil mit Häusern überbaut. Die Zeit ihrer Erbauung aus Stein ist nicht genau bekannt. – 3. Die Schwäzbrücke aus der innern Stadt über den Hauptkanal auf die Maille, 1738 aus Stein erbaut; sie hat, nur Einen niedrig gesprengten Bogen von 70′ im Licht. [5] – 4. Die neue steinerne Brücke über den Wehrneckar auf die Maille, 1838 eben so zierlich als solid erbaut. – 5. Die St. Agnesbrücke, steinern seit 1576, aber nur für Fußgänger eingerichtet, führt vom Schelzthor über den Roßneckar. Außer diesen finden sich eine steinerne Brücke über den ehemaligen Stadtgraben beim obern Thor, und fünf hölzerne Stege für Fußgänger.

Die Hauptstraße von Stuttgart nach Ulm (so wie die Filderstraße) tritt durch das Bliensauthor in die Stadt ein, durchzieht diese rechtwinklig nach ihrer ganzen Ausdehnung und verläßt sie durch das obere Thor. Durch das Mettinger Thor kommt die Vicinalstraße von Canstatt her. Das Beutau- und Landolinthor, deren Thürme jetzt abgebrochen sind, führen nach den Filialien. Unter den drei ersteren Thoren wird Pflaster- und Brückengeld, je von 1 Pferd 3 kr., eingezogen. Das Pflaster, auch der meisten Nebengassen ist neuerdings sehr gut, die Beleuchtung wenigstens in den Hauptstraßen genügend,[6] die Reinlichkeit sehr lobenswerth.

| Das Aussehen der Stadt zur Zeit der Blüthe ihrer Macht und ihres Wohlstandes muß von außen und innen sehr stattlich gewesen seyn, da die zahllosen Mauerthürme, die unverhältnißmäßig vielen großen und kleinen Thore (gegen 30), die vielen Streit- (oder sog. Raub-)Thürme und Steinhäuser der Geschlechter den Eindruck gewaltiger Festigkeit und Wehrhaftigkeit machten, während die große Zahl von Kirchen und Kapellen, Klöstern und ansehnlichen Bürgerhäusern die Vorstellung ungewöhnlicher Wohlhabenheit erwecken mußte. Von diesem alterthümlichen Charakter hat die Stadt neuerdings sehr viel verloren, ohne sich das heitere gefällige Aussehen moderner Städte angeeignet zu haben. Zwar fehlt es nicht an einzelnen schönen öffentlichen und Privat-Gebäuden, deren Zahl mit jedem Jahr im Zunehmen ist, und eben so wenig an dem Bestreben, mehr Regelmäßigkeit in die Anlage der Stadt zu bringen und den Häusern wenigstens in den Hauptstraßen eine saubere Außenseite zu geben; im Ganzen aber ist die Bauart unschön und wenig solid; Riegelwandungen (oft nur mit Flechtwerk), vorstehende Stockwerke, Hohlziegeldächer mit spitzen Giebeln etc. sind vorherrschend. Die schönste und breiteste Straße ist die Ritterstraße (Ritterbaustraße) die erst nach dem großen Brand im J. 1701 entstand. Die längsten und, nach jener, regelmäßigsten sind die Bliensau- und Oberthorstraße. Die hübschesten Häuser aber sind die neugebauten vor dem ehemaligen Vogelsangthor, in der nunmehrigen Fabrikstraße. Nach dieser Seite hin gewinnt die Stadt eine sehr gefällige Erweiterung. Sämmtliche übrige Gassen sind mehr oder minder schmal und besonders in den Vorstädten mit ziemlich unscheinbaren Häusern besetzt. Öffentliche Plätze sind: der Marktplatz mit dem anstoßenden, durch den Abbruch der Hospitalgebäude 1811 entstandenen Spitalplatz, ein ansehnlicher freier Raum, der besonders in den letzten Jahren bedeutend gewonnen hat. Hier stehen die Stadt- und die ehemalige St. Paulskirche, das alte und neue Rathhaus und mehrere schöne Privatgebäude; der Hafenmarkt, Holzmarkt und der Ottilien-(Ilgen-)Platz, alle drei ebenfalls in der innern Stadt, von geringer Ausdehnung; der Roßmarkt in der Bliensau, eine breite Straße zum Schelzthor; der Kies mit dem jetzt trocken gelegten Entengraben.

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| Die Zahl der Gebäude beträgt 1889; darunter sind 29 Staatsgebäude. Während diese Häuserzahl den Raum der Vorstädte, selbst auch zum Theil der innern Stadt bei weitem nicht mehr ausfüllt, nennen alte Urkunden und zeigt selbst noch das oben angeführte Gemälde eine namhafte Anzahl jetzt verschwundener Gassen und Häuser, so daß schon aus diesem Umstand auf die größere Bedeutung Eßlingens in früheren Jahrhunderten geschlossen werden muß.

Billig beginnen wir die Aufzählung der merkwürdigsten öffentlichen Gebäude der Stadt mit den Kirchen, da sich Eßlingen vor allen Städten des jetzigen Württemberg durch seinen Reichthum an Gebäuden für gottesdienstliche Zwecke auszeichnete, und sich in einer aufgeklärten Zeit selbst den Vorwurf „eines religiösen Luxus" machen hörte (Hausleutner, Schwäb. Arch. I. S. 261). Gleichwohl ist dieser Reichthum in neuester Zeit theils durch Destruction, theils durch Verwendung kirchlicher Gebäude zu andern Zwecken so sehr herabgeschmolzen, daß das Bedürfniß einer weitern Kirche bei einer Gemeinde von 12.000 Seelen nicht wohl zu bestreiten ist.

Die Kirche zum h. Dionysius, oder, weil sie die einzige evang. Pfarrkirche ist, die Stadtkirche genannt, hat eine erhöhte und seit Räumung des Hospitalplatzes freie Lage. Der ansehnliche Bau stammt nach seiner Anlage aus dem 12. Jahrhundert, ist aber wohl nicht vor 1300 vollendet, und im Lauf der Zeit mehrmals vergrößert worden. Die letzte Erweiterung geschah 1437. Der Styl ist im Ganzen der des Übergangs in den germanischen. Die Länge des Gebäudes beträgt im Licht 236′, wovon auf den Chor 73′ kommen. Der schöne Chor hat ein Kreuzgewölbe, gemalte Fenster und eine Höhe von 79′. Besonders sehenswürdig ist in demselben ein steinernes Sacramenthäuschen von äußerst kunstreicher Arbeit, das in zierlichen Gliedern, Pyramiden, Säulchen etc. beinahe bis an das hohe Chorgewölbe hinaufsteigt, ein Werk Lorenz Lechlers aus Heidelberg 1486. Das Mittelschiff hat in einer Höhe von 68′ eine flache Bretterdecke. Die beiden Abseiten sind etwa halb so hoch. An den 12 achteckigen Pfeilern, auf welchen die Arkaden des Mittelschiffs ruhen, findet man die Blätter- und Groteskencapitäle kunstgeschichtlich interessant. Aus dem Schiff führen einige Stufen auf den mittleren Raum zwischen jenem und dem Chor, die sog. Tenne, in welcher sich eine auf vier freistehenden, durch ein zierliches Netzgewölbe verbundenen Säulen ruhende Emporkirche befindet. Aus der Tenne führen wieder einige Stufen auf den Chor. In diesem befindet sich noch ein gemalter Hochaltar; für den gewöhnlichen Gebrauch aber dient der untere Altar an den Stufen, welche auf die Tenne führen. Sonst bestanden in den Zeiten des katholischen Cultus noch 15 Altäre mit den dazu gehörigen Meßpfründen. Nebenkapellen sind das St.| Johannischörlein mit der Sacristei und die Sachsenkapelle (von der Familie Sachs). Epitaphen sind in großer Zahl vorhanden, viele sind in neueren Zeiten weggeschafft worden. Zu beiden Seiten der Kirche, und zwar der Tenne, erheben sich zwei Thürme, von welchem der südliche (der sog. Stein oder Wendelstein) die Wohnung des Wächters trägt, und schon 1386 das geheime Archiv der Stadt verwahrte. Er ist bis an den Kranz von sehr gefälliger Structur im Übergangsstyl. 1437 wurde der nördliche Thurm aufgeführt, bei dessen Bauart man sich offenbar nicht nach dem Geschmack der Zeit richtete, sondern den Styl des schon vorhandenen älteren berücksichtigte. Beide Thürme haben bis unter das Dach eine Höhe von 142′; das pyramidalische Schieferdach des nördlichen ist 60′ hoch, das Geläute ist stark und wohlklingend. Die große Glocke aber, von 107 Centner Gewicht, ist seit mehreren Jahren zersprungen. 1421 wurde sie erstmals, 1661 aber umgegossen. Die zwei übereinander angebrachten hölzernen und bedachten Brücken zur Verbindung der beiden Thürme, so wie die zwei Paare mächtiger Strebpfeiler zur Unterstützung jedes der beiden Thürme, welche im 16. und 17. Jahrhundert schon zu weichen begannen, tragen eben nicht zur Verschönerung des Ganzen bei. Der Begräbnißplatz, welcher die Kirche umgab, ging 1805 ein. Die Kirche ist Eigenthum der Stiftungspflege, welche 1829 und in den folgenden Jahren bedeutende Ausbesserungen vornahm. Die Hochwacht auf dem südlichen Thurm gehört der Stadt und ist von dieser zu erhalten.

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Die Frauenkirche, früher bloße Kapellkirche (Capella ad B. V. M.), seit 7. Juni 1811 katholische Pfarrkirche, in welcher sich jedoch die Protestanten einige Gottesdienste an Apostel- und Wochentagen vorbehalten haben[ER 2]. Diese Kirche mit ihrem prachtvollen Thurm, dem schönsten von den ganz zu Stande gekommenen Bauwerken aus der Zeit des vollendeten germanischen Baustyls, welche Württemberg aufzuweisen hat, ist mit Recht Eßlingens Stolz.[7] Der Magistrat, welcher sich an der Dionysius-Kirche, deren Eigenthum mit dem Patronat und Zehntrecht dem Domstift Speyer zustand, nie sehr erbaute, wollte eine eigene, der Stadt zuständige Kirche, und beschloß 1321 die schon seit längerer Zeit bestehende Marienkapelle vergrößern zu lassen. Weil aber der Bau größtentheils aus Privatbeiträgen bestritten werden mußte, so ging es

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| damit sehr langsam. Erst gegen die Mitte des 15. Jahrhunderts schritt das Werk rascher vorwärts. Damals bauten daran die durch den Ulmer Münsterbau berühmten Meister Ulrich von Ensingen und seine Söhne Mathias und Mathäus. Auf Empfehlung des letztern wurde 1440 Hans Böblinger (gegen 8 fl. Jahrgeld, und Sommers 41/2 Schill. Taglohn) als Baumeister angestellt, der noch in demselben Jahre die herrliche Thurmpyramide begann. Ihm folgten seine Söhne Marx, Mathäus und Dionysius.[8] Erst kurz vor der Reformation wurde der Bau vollendet. Die Kirche ist dreischiffig, mit dem Chor im Licht 175′ lang; der Chor allein hat 41′ Länge und 31′ Breite; das Langhaus 72′ Breite, sein Gewölbe wird von 10 freistehenden, schlanken Säulen getragen. Die Höhe des Thurms bis zum Knopf beträgt 239,5 württ. oder 211,2 P. F. Die drei Portale, eines unter dem Thurm, und zwei an der Mittagsseite sind mit trefflichen Reliefs geschmückt. Eben so vorzüglich sind die Bildhauerarbeiten an den 20 Pfeilern, welche den Chor und die Kirche umgeben und in freien zierlichen Pyramiden endigen. Rings um das Gesims der Kirche und um den Thurm läuft eine steinerne Gallerie. Bewunderungswürdig ist der Thurm, der bis in die Spitze steinern, anfänglich viereckig, dann achteckig, endlich in eine durchbrochene, zart gegliederte Pyramide übergeht, deren Verzierungen zwischen leichten Stäben in weichen Verschlingungen emporranken. Zweierlei ist an dieser schönen Kirche zu bedauern, einmal ihre ungünstige, durch nahe stehende Häuser ganz eingeengte Stellung an der westlichen Stadtmauer, weßwegen es ihr etwas an Licht gebricht, und dann der Umstand, daß seit längerer Zeit Mauerrisse am Chor und an dem Schiffe ernstliche Besorgnisse erregen.| Auf soliderem Grunde scheint der Thurm zu stehen. Das Innere ist schmucklos; nur das schöne Gewölbe mit den zierlichen Säulen und einige gute Glasmalereien der Chorfenster sind sehenswerth. Der Hochaltar hat nichts Ausgezeichnetes. Außer diesem Altar findet man in Urkunden nicht weniger als 17 Altarpfründen genannt, ohne daß, wie es scheint, eben so viele wirkliche Altäre vorhanden gewesen wären. Nach der Reformation hatte die Kirche keinen eigenen Geistlichen mehr, bis sie, wie oben gesagt, dem katholischen Cultus eingeräumt wurde. Von einer Collecte in der Gemeinde wurde 1834 ein sogenannter Kreuzaltar unter dem Chorbogen errichtet, da der Choraltar seiner Entfernung vom Schiff der Kirche wegen gar nicht mehr gebraucht wird. Unter dem Boden in der nordwestlichen Ecke befand sich ein Brunnquell, dem man ehemals Wunderkräfte zugeschrieben haben soll, der aber jetzt versiegt ist. Die Stiftungspflege, als Eigenthümerin, veranstaltete 1835–38 und noch ganz neuerlich namhafte Reparaturen im Innern und Äußern der Kirche.

Die St. Paulskirche (sogenannte Neue Kirche) am westlichen Ende des Spitalplatzes und der Mettinger Thorstraße, war die Kirche des Predigerklosters, 1268 vollendet, 1462 erneuert, ehemals eine ansehnliche Kirche mit 8 Altären. Nach der Reformation wurde sie ganz vernachlässigt, und 1552 ihrer beiden Thürme beraubt. Schon war sie ihrem Einsturz nahe, als 1664 den Magistrat die Besorgniß anwandelte, die Katholiken, die aus allen Kirchen und Kapellen verdrängt worden waren, möchten dieser Mauern sich bemächtigen. Schnell ward eine Collecte zu Stande gebracht, und schon 1665 die restaurirte Kirche, nunmehr neue Kirche genannt, eingeweiht. Sie wurde zu regelmäßigem Gottesdienste gebraucht bis 1804. Darauf diente sie als Magazin, als Zimmerwerkstätte, 1828–32 als Lokal für die Liederfeste. 1830 aber wurde sie unentgeldlich an die Stadt abgetreten, welche sie zu einer Kelter einrichten ließ.

Die Franziscaner oder Barfüßer Kirche zu St. Georg (die hintere, früher auch untere Kirche genannt) in der Mitte der eigentlichen Stadt, wurde 1486 und folgende Jahre erbaut. Die Reformation verschonte diese Klosterkirche, welche dem evangelischen Gottesdienste (mit einer kurzen Unterbrechung 1795 und 1797, wo Magazine in dieselbe verlegt wurden) bis zum Jahre 1840 diente. Auf den Rath der Techniker, welche sie für baufällig erklärten, wurde sie bis auf den hohen Chor abgebrochen, der jetzt als großartige Ruine dasteht. Das 135′ lange, 75′ breite und 80′ hohe Schiff hatte 14 runde, schlanke Säulen. Der gewölbte Chor ist 93′ lang und 30′ breit. Die Kirche war sehr reich an Denkmälern.| Eigenthümerin ist die Stiftungspflege, welche den Wiederaufbau beabsichtigt.

Die Kirche zu St. Catharina wurde 1811 mit dem Hospital, zu welchem sie gehörte, abgebrochen. Sie war 1470–95 von Matthäus Böblinger statt einer schon 1247 erbauten und unbrauchbar gewordenen, aufgeführt worden, zeichnete sich durch eine herrliche Architektonik und besonders einen schönen Chor mit Glasmalereien aus und hatte 1625 hübsche Wandgemälde erhalten. Vieles von dem reichen Schmuck im Innern aber war schon dem Eifer der Reformation, zunächst der Geschmacklosigkeit Blarers, zum Opfer gefallen. Heideloff in seiner Ornamentik des Mittelalters gibt S. 37 ff. eine nähere Beschreibung des trefflichen Bauwerks und eine Abbildung der schönen Portaldecoration, VI. Pl. 7. Durch die gewaltsame Zerstörung dieses architektonischen Kleinods hat sich die damalige (nicht städtische) Administration einen gerechten Tadel zugezogen. Die Klosterkirchen, welche ihre Bestimmung zugleich mit Einziehung der Klöster verloren, werden unten namhaft gemacht werden.

Von den zahlreichen Kapellen, welche in und um Eßlingen der Andacht geöffnet waren, wird keine mehr zum Gottesdienst benutzt; die meisten sind ganz verschwunden. Die Kapelle zu St. Ägidius (zugleich den H. H. Vitus und Erhard consecrirt) auf dem Ottilienhof, schon 1290 erwähnt, ist jetzt zum Theater eingerichtet; St. Agnes (zuerst 1307) am westlichen Ende der Stadt am Roßneckar, ist wie der von ihr benannte Kirchhof eingegangen; die Allerheiligen Kapelle auf dem Pfarrhof (1327) enthält das Stadt- und Spitalarchiv; unter ihr ist vor wenigen Jahren ein merkwürdiges Gewölbe voller Todtengebeine, sehr wahrscheinlich die uralte, schon um 750 erbaute St. Vitalis-Kapelle, entdeckt worden; St. Nicolaus auf der innern Brücke (1430), jetzt die Werkstätte eines Feuerarbeiters; St. Jacob in der Bliensau (1323) ehemals eine ansehnliche Kapelle, jetzt Pferdestall des Posthalters; noch 1680 hatte der Rath beschlossen, sie soll als ein heiliger Ort erhalten werden; die heilige Kreuzkapelle, am äußern Ende der Neckarbrücke (1349), ehemals eine der schönsten und größten hiesigen Kapellen, mit gemalten Wänden, eine Zierde der Brücke und der ganzen Gegend, 1793 zu einer Wachtstube eingerichtet, und 1839 aller Vorstellungen ungeachtet demolirt; St. Cyrillus in der Bliensau vor dem Brückenthor (1509) jetzt verschwunden. Außerhalb der Stadt standen: Zu unsers Herrn Erbärmd (ad misericordias Domini) zwei Kapellen, die eine vor dem Schelzthor (1414), große Kapelle mit 4 Altären, längst abgebrochen; die andere kleinere in der Ebershalde (1463) ebenfalls verschwunden; die| Liebfrauen-Kapellkirche vor dem Vogelsangthor (1351), wenigstens 1798 nicht mehr vorhanden; zu den Siebenschläfern oder zum Elendbild (1515) an der Ebershalde, ihre Stelle bezeichnet ein Feldschützenhäuschen. Privatkapellen befanden sich in den Klosterpfleghöfen, s. hienach.

Von andern Gebäuden für öffentliche Zwecke sind folgende zu erwähnen:

Das Palais des k. Gerichtshofes für den Neckarkreis, vormaliges Rathhaus, in der Ritterstraße und an dem Neckarkanal. Auf derselben Stelle stand das alte, angeblich von König Heinrich 1233 erbaute Rathhaus, das 1701 bei dem großen Brande ein Raub der Flammen wurde. Der Grundstein zu dem gegenwärtigen ganz massiven Gebäude, dessen Architekt Johann Jakob Börl aus Straßburg, später in Verbindung mit Peter Joachim aus dem Vorarlbergschen war, wurde den 22. April 1705 gelegt. Im Äußern wurde der Bau schon 1708, der innere Ausbau aber erst 1730 vollendet. Das Ganze ist 200′ lang, 150′ breit und besteht aus dem Hauptgebäude und 2 Flügeln. Ein schöner sehr großer Saal, mit Bildwerken aus Stucco und Plafondgemälden reich geschmückt, war eine Hauptsehenswürdigkeit des stattlichen Gebäudes, ist aber jetzt zu einem Aktenmagazin eingerichtet und dadurch sehr beengt und entstellt. Bei der Ausscheidung des Staats- von dem städtischen Vermögen im Jahre 1803 fiel das Gebäude dem ersteren zu. Im Jahre 1806 zog das K. Criminaltribunal, 1807 der Criminal-Gerichtshof für den Neckar- und Schwarzwaldkreis, 1818 der Gerichtshof für den Neckarkreis in diese Räume ein.

Der Ritterbau, neben dem vorhin genannten Gebäude, war von dem Ritterkanton Kocher 1722–1725 zum Sitz seiner Kanzlei und seines Archivs erbaut,[9] mit der Façade gegen die Ritterstraße und zwei Flügeln gegen den Kanal. Das schöne, sehr solide Gebäude ist seit 1806 Staatseigenthum und jetzt dem Oberamtsgerichte und Oberamt zu Kanzleien und Beamtenwohnungen eingeräumt. Das Cameral-Amtsgebäude ist der ehemalige Constanzer-Hof, s. unten.

Als Rathhaus diente das am Markt gelegene, 1430 über der jetzt eingegangenen Fleisch- und Brodbude, aus Eichenholz erbaute Steuerhaus, dessen Hauptzierde ein künstliches Uhrwerk war (verfertigt von Jakob Diem in Tübingen 1586–89). Die 1610 nach der Angabe Heinrich Schickards erbaute städtische Kanzlei| wurde 1828 abgebrochen. Im Jahre 1840 erkaufte die Stadt das 1748 erbaute v. Palmsche Palais auf dem Markt, zuletzt Eigenthum des verstorbenen Herrn Grafen Alexander v. Württemberg, das ansehnlichste unter den Privatgebäuden Eßlingens, und richtete es zu ihrem Rathhaus ein, als welches es seit 1842 dient. Der Ankauf kostete die Stadt 29.000 fl., die zweckmäßige und geschmackvolle Einrichtung c. 15.000 fl. Die untern Räume des Steuerhauses dienen noch als Kornhaus; dem Ganzen steht aber der Abbruch bevor.

Eine ausgezeichnete Zierde hat die Stadt durch das 1842–44 neu errichtete Gebäude des Schullehrer-Seminars erhalten; es hat eine vorzügliche, freie Lage an der Stelle des ehemaligen Dominikanerklosters am westlichen Ende der Stadt. Hierüber, so wie von den übrigen Schulgebäuden, den Pfarrwohnungen, ehemaligen Klosterhöfen, Krankenhaus etc. s. hienach.

Als Kaserne eines K. Reiterregiments diente bisher das ehemalige Sirnauerkloster, s. d.

Das Schlachthaus am großen Kanal, 1503 erbaut, 1668 neu aufgeführt, wurde nach dem Brand (1701) in seiner jetzigen Gestalt 1711 wieder hergestellt. – Das städtische Waghaus befand sich bisher in den Erdgeschossen des Gerichtshofes, wird aber in anderen Räumen untergebracht werden.


Einwohner. Bevölkerungsverhältnisse.

Nach der Aufnahme auf den 15. December 1843 befanden sich in der Stadtgemeinde 10.591 und zwar 5132 männliche und 5459 weibliche ortsangehörige Einwohner; die Stadt für sich zählte deren 7542, nämlich 3640 männliche und 3902 weibliche; darunter waren Evangelische 7170, Katholiken 244, Juden 128. Bei der Zählung im Jahr 1832 befanden sich in der Stadtgemeinde 9021 Ortsangehörige (4307 männliche und 4714 weibliche); hievon waren abwesend 306, dagegen Fremde anwesend 1678; die ortsanwesende Bevölkerung betrug also damals 10.393. Im Jahr 1843 belief sich dieselbe auf 12.094 (6031 männliche, 6063 weibliche.)

Die Zahl der Ehen war im Jahr 1832 1536; es kamen hienach auf 1 Ehe 5,9 Einwohner.

Die Zahl der Familien war im Jahr 1840 2040, im Jahr 1843 2228, wonach also auf 1 Familie 5,4 Ortsanwesende kommen.

Geboren wurden jährlich (nach dem Durchschnitt der 10 Jahre von 1832/42) 440, darunter uneheliche 40; auf 1000 Einwohner kommen also 46 Geburten (oder 1 Geburt auf 22 Einwohner) und| unter 100 Geburten befanden sich 9 uneheliche, oder die unehelichen verhalten sich zu den ehelichen wie 1 : 10,1, dieses Verhältniß ist günstiger als das vom ganzen Lande (1 : 8,7).

Gestorben sind jährlich nach dem Durchschnitt von 1832/42 341; es kommen hienach auf 1000 Einwohner 36 Gestorbene (oder 1 Todesfall auf 28 Lebende). Die Sterblichkeit beim männlichen Geschlecht ist auch hier größer als beim weiblichen; auf 1000 Personen männlichen Geschlechts kommen 37,2, auf 1000 weiblichen Geschlechts aber nur 35,0 Gestorbene.

Auf 100 Gestorbene kommen 127 Geborene, und der natürliche Zuwachs der Bevölkerung der Stadtgemeinde betrug in dem Jahrzehnt von 1832/42 983 Personen (572 männliche und 411 weibliche); die Zunahme durch Einwanderung (über Abzug der Ausgewanderten) 291. Der gesammte Zuwachs also 1274.

Bei der Zählung im Jahr 1832 fanden sich Übersechzigjährige 678 (318 männliche, 360 weibliche) oder auf 1000 Einwohner 75, während nach dem Mittel des Königreichs auf 1000 Einwohner deren 78 kommen. Die größere Sterblichkeit trifft auch hier nur die jüngeren Altersklassen, hauptsächlich die bis zum zurückgelegten ersten Lebensjahre.

Hinsichtlich des sittlichen Zustandes der Stadtbewohner verläugnen sich zwar nicht die Einwirkungen eines immer mehr zunehmenden Fremden-Verkehrs und eines lebhaften Gewerbebetriebs; gleichwohl fällt in dieser Beziehung eine Vergleichung mit anderen Städten von gleichen Verhältnissen noch immer zum Vortheil Eßlingens aus. Religiosität, Ordnungsliebe und Fleiß können im Ganzen als vorherrschende Eigenschaften bezeichnet werden, wenn gleich namentlich in den untern Klassen an die Stelle der früheren strengeren Wirthschaftlichkeit vielfältig mehr Neigung zu Luxus und Genuß zu treten scheint. In früheren, reichsstädtischen Zeiten machte sich öfters eine gewisse Starrheit des Charakters und ein etwas starkes Selbstgefühl geltend. Die Bewohner der Filialweiler sind Menschen von einfachen, unverdorbenen Sitten, an Arbeit und Entbehrung gewöhnt, gefällig und wohlwollend gegen Nachbarn und Fremde.

Die Nahrungsquellen der Einwohner fließen aus der Landwirthschaft (hauptsächlich dem Wein-, Obst- und Gartenbau) und aus der Gewerbsindustrie; letztere ist in der Stadt vorherrschend, während die Bewohner der Filialien sich fast ausschließlich von der ersteren nähren.

Das K. Oberamt machte uns in Beziehung auf den Vermögensstand der Stadtbewohner, namentlich der untern Klassen nachstehende Mittheilung: „Ungeachtet des bedeutenden öffentlichen Vermögens der| Stadtgemeinde mit Einschluß des Stiftungsvermögens (s. unten), und ungeachtet ihres ausgedehnten Fabrik- und Gewerbebetriebes sprechen doch die Resultate nicht für eine fortschreitende Zunahme der Wohlhabenheit im Allgemeinen; vielmehr weist der steigende Aufwand für die Armenversorgung, wenn auch nicht gerade auf ein Sinken derselben überhaupt, wohl aber auf eine zunehmende Verarmung der untern Klassen der Bevölkerung hin. Denn obgleich seit 1834 kein Stadtschaden mehr umgelegt worden ist, keine Grundabgaben, außer den Zehenten, bestehen, für welche letzteren ein überaus mäßiges Surrogatgeld unter der gegen früher vergleichsweise sehr ermäßigten Staatssteuer umgelegt und eingezogen wird, und obgleich die Güter unausgesetzt im Preise steigen, allen Produkten der Landwirthschaft ein stetiger Absatz gesichert ist, alle Anstalten zur Volkserziehung durchaus gut sind, und ihre Benutzung auf alle Weise gefördert wird, endlich die Erwerbsverhältnisse günstig sind, so daß auch fremde Familien und Einzelne, welche sich des Erwerbs wegen hier niederließen, bei Fleiß und Sparsamkeit ihr gutes Auskommen finden, so nimmt doch der Armenaufwand mit jedem Jahre zu, wie dieß folgende Zahlen beweisen: Es betrug nämlich der Armenaufwand
von 1825/28 durchschnittlich jährlich 4612 fl. 42 kr.
von 1836/39 schon      " " 10.146 fl. 37 kr.

Der Etat aber von 1843/44 weist einen Bedarf nach von 11.600 fl. ungerechnet, was aus den ansehnlichen Privatstiftungen auf wohlthätige Zwecke verwendet wird. Mehrere Gewerbtreibende sind reich geworden, andere zu nahmhaftem Wohlstande gelangt, allein es ist nicht wahrzunehmen, daß in demselben Verhältnisse die Wohlhabenheit im Gewerbestande und namentlich im Mittelstande überhaupt fortschreite. Die Wirkungen der Schattenseite des Fabrikwesens lassen sich, wie überall in größeren Industrieorten, so auch hier nicht verkennen."

Das Areal der den Privaten zugehörigen Güterstücke ist verhältnißmäßig ziemlich beschränkt (5000 M.), und in sehr kleine Parzellen vertheilt, der Anbau aber in hohem Grade sorgfältig und fleißig, der Boden im Ganzen ergiebig. Größere geschlossene Güter sind die K. Hofdomäne Weil und das freiherrl. v. Palmsche Schloßgut Hohenkreuz, deren musterhafter Wirthschaftsbetrieb von wohlthätiger Einwirkung auf die Nachbarn ist. Öde Plätze, die nur irgend für die Kultur gewonnen werden könnten, finden sich nirgend mehr. Auch die Rüderner Haide, noch vor wenigen Jahrzehnten öde Hornviehwaide, dann eine Zeitlang als Schafwaide verpachtet, ist jetzt mit Ausnahme einiger sumpfigen Stellen bei der Catharinenlinde ganz angebaut und in Obstgärten verwandelt.| Nur die oberste Höhe bei gedachter Linde ist bloßes Ackerland. Die Stadt hat diese Allmand in kleinen Parzellen an die Filialisten, zum Theil auch an Uhlbacher verpachtet. Flurzwang besteht auf Eßlinger Markung nicht. Der Pflug geht nur auf den Thalgütern; an den Bergabhängen wird auch das Getreideland von Menschenhänden gartenmäßig gebaut. Übrigens ist der Getreidebau sehr beschränkt und für das lokale Bedürfniß bei weitem unzureichend. Der Morgen Acker kostet 600–1000 fl. Kürzlich sind Äcker der Stiftungspflege sogar für jährlich 60 fl. per Morgen verpachtet worden. Die Wiesen sind sehr gut und gesucht; ihr Preis ist 600 bis 800 fl. per Morgen. Die meiste Thätigkeit und Sorgfalt aber wird auf den Weinbau verwendet, dessen Betrieb den Verwerthungs-Verhältnissen ziemlich angemessen ist. Die 1055 Morgen Weinberge hiesiger Markung sind sämmtlich freies Eigenthum der Privaten. Die geschätztesten Lagen sind die Ebershalde, die Neckarhalde zwischen Eßlingen und Mettingen und der südliche Abhang des Ölbergs gegen Untertürkheim. Man rechnet auf den Morgen ungefähr 4000 Stöcke; die häufigsten Sorten sind Silvaner und Drollinger. Mehrere Besitzer sind sehr auf Veredlung und Gleichartigkeit in der Bestockung bedacht. Als höchsten Ertrag nimmt man 5–6 Eimer per Morgen an. Der hiesige Wein gilt für den besten im Oberamts-Bezirk, und findet seinen Absatz meistens in die obern Gegenden des Landes. Man bezahlt den Morgen Weinberg mit 600–1600 fl. – Ein nicht minder wichtiger Erwerbszweig ist für Eßlingen, die Stadt sowohl als die Filialien, die Obstkultur, welche hier in einer Ausdehnung und mit einer Ergiebigkeit betrieben wird, die weit und breit ihres Gleichen sucht. Der Verkauf des grünen (weniger Dörr-) Obstes (1840 nur an Kirschen für 20.000 fl., 1844 für 13.000 fl. hauptsächlich nach Oberschwaben und Bayern) noch mehr des Obstmostes,[10] den man hier vortrefflich zu bereiten versteht (1840 für 43.000 fl.) und ganz besonders der ausgedehnte Handel mit Obstbaumstämmchen sind wesentliche Hebel für das Emporkommen der unermüdet fleißigen und sorgfältigen Einwohner. Die klimatischen und Bodenverhältnisse scheinen aber auch| ganz besonders das Gedeihen aller Arten von Kern- und Steinobst und einen reichlichen Ertrag desselben zu begünstigen. In Beziehung auf den genannten Baumhandel verdanken wir dem Herrn Stadtrath Mangold in Eßlingen folgende Mittheilung: „Schon vor Jahrhunderten erhielten die Einwohner zu Obstpflanzungen dadurch eine Aufmunterung, daß der Senat jedem Bürger erlaubte, auf die zahlreichen Allmandplätze Bäume zu setzen, und eine Zeitlang die Genehmigung ein Haus erbauen zu dürfen, an die Bedingung geknüpft haben soll, wenigstens fünf Obstbäume auf die Allmand zu pflanzen. So entstanden die Obstwälder auf der sogenannten Stadthaide, der Seeracher Haide, dem Schelzwasen, dem Hauptwasen und dem Ober-Thorwasen, welche zur Zeit ihrer Blüthe die Stadt und ihre Filialien mit dem herrlichsten Schmucke umgeben. Da aber zu jenen Pflanzungen eine sehr große Zahl junger Bäume erforderlich und der Ankauf derselben bei fremden Gärtnern mit großen Kosten verknüpft war, so wurden schon sehr früh, hauptsächlich von Weingärtnern, Versuche gemacht, diese Bäume selbst zu erzeugen, was auch vollkommen gelang, so daß schon nach kurzer Zeit nicht nur der eigene Bedarf hinlänglich gedeckt war, sondern der Wetteifer, die schönsten Bäume zu erziehen, bald auch die Folge hatte, daß mehr Bäume als man brauchte, erzeugt wurden, welche sodann, in Eßlingen zu Markte gebracht, bald viele Käufer aus der Nachbarschaft fanden. Die Nachfrage vermehrte sich von Jahr zu Jahr so sehr, daß seit fünfzig Jahren selbst Bayern, Baden, Hessen und die Schweiz eine große Zahl dieser Bäume beziehen. Auf den Eßlinger Baummarkt, welcher von Ende Februar bis April jeden Mittwoch und Samstag stattfindet, werden jetzt alljährlich 50–60.000 Stämme gebracht und verkauft. Lange Zeit beschäftigten sich viele Zwischenhändler mit dem Ankauf und Wiederverkauf dieser Bäume. In neuester Zeit finden es jedoch die auswärtigen Gemeinden und viele Privaten ihrem Vortheil angemessener, den Einkauf in Eßlingen selbst zu besorgen, um die Bäume frisch und zu mäßigen Preisen zu bekommen, während durch die Händler mancher schadhafte und durch das lange Umherschleppen vertrocknete Baum verkauft wurde. An der Stelle der anfänglichen rauheren Gattungen behaupteten sich allmählig als edlere Sorten: der weit verbreitete Luykenapfel, der Weißling, Breitling, rothe und gelbe Stettiner, die Schafnase, der Schnabelapfel, die grüne Reinette; von Birnbäumen die deutsche Bratbirne, die Wadelbirne, die Langstielerin, Palmischbirne, Wasserbirne, Wolfsbirne, Knausbirne und die Gaishirtlensbirne. Nicht minder werden Steinobstbäume, Kirschen, Zwetschen, Pflaumen, Aprikosen und Pfirsichbäumchen gezogen und in den Handel gebracht. Die Bäume werden| gewöhnlich in den Weinbergen gezogen, wo die aus dem Land oder Beet genommenen Stämmchen unterhalb der Wasserfurchen (welche um das Wasser in die Wasserfälle zu leiten, in einer Entfernung von c. 24′ von einander angebracht sind) gesetzt, nach 3–4 Jahren gepfropft und nach weiteren 3–4 Jahren als versetzbare Bäume zu Markt gebracht werden. In neuerer Zeit verschaffen sich die Baumpflanzer auch viele edlere Sorten durch den Handelsgärtner Gulden, dessen bedeutender Baumschule rühmlichste Erwähnung zu thun ist. Im Allgemeinen darf man annehmen, daß auf dem Eßlinger Baummarkt alljährlich ein Kapital von 40–50.000 fl. umgesetzt wird.“[11] Von bedeutendem Belang ist ferner der Gartenbau, begünstigt durch die Bedürfnisse der namhaften Bevölkerung Eßlingens selbst, und die starke Consumtion der nahen Hauptstadt. Von Küchengewächsen sind es hauptsächlich Zwiebel und Gurken, welche letztere besonders in Mettingen in sehr großer Menge gepflanzt und weit umher, bis ins Badische abgesetzt werden. Es gibt mehrere hübsche Privatgärten; die bedeutendste Gartenanlage aber ist die des genannten Handelsgärtners Gulden vor dem Mettinger Thor. Auch verdient der von dem verstorbenen Herrn Grafen Alexander von Württemberg angelegte angenehme Garten in Seerach genannt zu werden. – Die Viehzucht erfährt alle Aufmunterung und wird durch sorgfältig beaufsichtigte Nachzucht empor gebracht, ist aber wegen Mangels an ausgedehntem Grundbesitz nur von untergeordneter Bedeutung. Um so emsiger ist man bei der hochgesteigerten Bodenkultur auf Gewinnung und Zurathehalten von Düngungsmitteln aller Art bedacht. – An Grundabgaben haben noch zu beziehen: das Kameralamt 5 fl. 12 kr., die Stiftungspflege Eßlingen 160 fl. 44 kr.

1

Die Stadtgemeinde ist im Besitz von 2800 Morgen Waldungen, fast durchgängig Laubwald, von welchen 22165/8 Morgen auf hiesiger Markung liegen. Der Ertrag an Holz, welches ausschließlich nur an Eßlinger Bürger verkauft wird, wirft jährlich im Durchschnitt 20.000 fl. ab. Die Stiftungspflege hat auf dießseitiger Markung nur 93/8 Morgen Laubwald. Ungefähr 400 Morgen sind im Privatbesitz. Die Ufer des Neckars und der Bäche sind hier mehr als irgendwo mit ausgedehnten Weidenpflanzungen bekränzt, wie auch das dem Neckar durch zweckmäßige Eindämmung abgewonnene Terrain mit Erlen, Pappeln, Alben etc. bepflanzt worden ist, welche bei dem| großen Verbrauch von Wieden etc. von großem Nutzen sind, und der Stadtkasse einen jährlichen Ertrag von mehr als 1000 fl. abwerfen. Eine Akazienpflanzung ist am Eisberg angelegt. – Ein städtischer Förster, welcher in dem unten bei Liebersbronn anzuführenden Jägerhaus seinen Sitz hat, beaufsichtigt die Communal- und hospitalischen Waldungen.

Höchst wichtig ist, wie schon bemerkt worden, der Gewerbebetrieb,[12] welcher Eßlingen in die Reihe der namhaftesten Städte Württembergs, und, hinsichtlich einiger besonders blühenden Fabrikationszweige, Süddeutschlands überhaupt stellt. Es wird unten in dem geschichtlichen Abriß gezeigt werden, daß schon in ältern Zeiten die hiesige Industrie von bedeutendem Belang war, allein die ungünstigen Verhältnisse zu Ende des vorigen und zu Anfang des gegenwärtigen Jahrhunderts hatten einen Verfall herbeigeführt, aus welchem die Gewerbsthätigkeit erst nach dem Eintritt der Friedensjahre sich zu heben angefangen, bald aber durch die Erweiterung des Marktes in Folge der Zollvereinigung vom Jahr 1828 und 1833 zu einer früher nie gekannten Blüthe sich aufgeschwungen hat.

Nach der neuesten Aufnahme beschäftigen sich in Eßlingen mit eigentlichen Handwerken in 75 Gewerbsarten: 632 Meister mit 521 Gehülfen. Fabrikanstalten verschiedener Art bestehen 18 und 21 Mühlwerke, zusammen mit ungefähr 1300 Gehülfen und Arbeitern. In den verschiedenen Handelszweigen sind 59 Handlungen mit 36 Gehülfen thätig. Im Ganzen berechnet sich die industrielle Bevölkerung auf ungefähr 3000 erwachsene Personen, von welchen übrigens ein Theil nebenbei auch von der Bodenkultur lebt, ein bedeutender Theil aber nicht ortsangehörig ist.

| Von literarischen und Kunstgewerben bestehen hier: 1 Buchhandlung (Dannheimer), durch mehrere solide Verlagsartikel, besonders vorzügliche Karten für den geographischen Unterricht, rühmlich bekannt; 1 lithographische Anstalt (J. Fr. Schreiber) seit 1831; unter den aus dieser Anstalt hervorgegangenen Arbeiten hat das verdienstliche Bilderwerk zum Behuf des Anschauungsunterrichts besonders große Verbreitung; Schreiber beschäftigt 5 Pressen, viele hiesige und auswärtige Zeichner, 40 hiesige und mehrere auswärtige Koloristen. 2 Buchdruckereien; die eine besteht schon seit 1473 (seit 1819 Seeger), sie liefert hauptsächlich Musiknotendruck und gibt wöchentlich zweimal das Amts-Intelligenzblatt aus. Die andere (seit 1842 L. Harburger, 1838 errichtet von Schreiber) ein lebhaftes Geschäft, arbeitet mit vorzüglichen Typen und 2 eisernen Hagarpressen nach neuester Einrichtung. Sie liefert seit einigen Jahren ein Lokalblatt, die Eßlinger Schnellpost. – Unter den bildenden Künstlern ist rühmlichst zu erwähnen der Landschaftsmaler Braungart, von welchem die Zeichnung zu unserem Titelbild rührt.

Zu den Hervorbringungen der Kunstbildnerei gehören die ausgezeichneten Schnitzwerke Karl Webers, aus Holz, Hirschhorn, Elfenbein, Perlenmutter und andern Muscheln, Kokusnuß etc. auch geschnittene Steine, die in den größern Städten Deutschlands und der Schweiz sehr geschätzt und begehrt sind.

Die Werkstätte des Hofoptikers C. Öchsle (seit 1809) hat einen weit verbreiteten, sehr verdienten Ruf; aus ihr gehen treffliche astronomische Instrumente, Fernröhren aller Art, achromatische Mikroskope u. s. w. hervor. Die Sternwarte in Tübingen erhielt 1823 von diesem Künstler einen Tubus von 56 Par. Zoll Länge mit 60–200maliger Vergrößerung. Siehe über die Leistungen dieser Werkstätte das LW. Corr. Bl. 1834 II. S. 71 ff. mit der dort angeführten Literatur. Das Geschäft ist übrigens durch die Zollverhältnisse benachtheiligt. Öchsle wurde 1827 durch die silberne Medaille und 1836 und 1839 durch öffentliche Belobungen ausgezeichnet.

Die Werkstätte des Mechanikers C. Bopp liefert ausgezeichnete Instrumente und Apparate zum Studium und Betrieb aller Zweige der Mathematik, Mechanik, Physik und Chemie, und entspricht auch den neuesten Anforderungen der täglich fortschreitenden Naturwissenschaften. Sachkundige rühmen an den Boppschen Apparaten leichte und bequeme Handhabung bei solidem Bau.

Der Maschinenbauer W. Reißer fertigt größere mechanische Arbeiten von sehr vervollkommneter Einrichtung für Fabriken, Mühlwerke u. s. w. und besonders vorzügliche Feuerspritzen. – Mit| Erbauung von Kunstmühlen, Einrichtung von Wasserwerken etc. beschäftigt sich Mühlarzt G. Weller. – Noch verdienen Erwähnung die Linirmaschinen von Bader d. j., die Kunstarbeiten einiger Schlosser und Zeugschmiede, wie Starz, Stahl, Leypold u. A.

Unter den Fabriken, welche sich mit Verarbeitung von Wolle beschäftigen, behauptet die erste Stelle die Tuchfabrik der Gebrüder Hartmann (geleitet von Fr. Hartmann, Wilh. Wagner, und Carl Brodhag), das bedeutendste Etablissement dieser Art im südwestlichen Deutschland. Aus kleinen Anfängen im Jahr 1826 hervorgegangen ernährt dieses Geschäft gegenwärtig 350 Arbeiter innerhalb, und 40–50 Arbeiter außerhalb der Fabrik, und wendet der Stadt die Vortheile einer Geldcirkulation von c. 100.000 fl. jährlich zu. Gegenstände der Fabrikation sind Tuch, Halbtuch und Biber in feinen Qualitäten, die in das Vereinsgebiet und in die Schweiz ihren Absatz finden. Die mit dem Geschäft verbundene Spinnerei arbeitet mit 3000 Spindeln und zählt 7 Assortiments oder 32 Drousetten. – Nicht unbedeutend ist auch die Tuchbereitung von 9 einzelnen Tuchmacher-Meistern mit 4 Tuchscheerern, welche 40–50 Personen beschäftigen. Die Gebr. Hartmann erhielten 1836 und 1842 öffentliche Belobungen und 1824 die silberne, 1839 die goldene Medaille, die Tuchmacher Vestner und Gneiting 1830 und 1833 die silberne Medaille und wiederholte Belobungen.

Ein ebenfalls großartiges Etablissement ist die Zug-Garnspinnerei und Färberei von Merkel und Wolf (seit 1830); sie beschäftigt c. 150 Arbeiter, zählt 1600 Feinspindeln und hat eine durch die neuesten Erfindungen vervollkommnete Einrichtung (Dampfwäscherei, Maschinenkämmerei); ihre Geschäfte bestehen in Spinnerei von wollenem Kammgarn, als Web-, Stick-, Strick-, Posamentiergarn etc., Zwirnerei und Färberei. Die englische Concurrenz ist bei der gegenwärtigen Handelspolitik des Zollvereins sehr fühlbar. Merkel und Wolff erhielten 1833 die silberne Medaille, und 1836 und 1839 öffentliche Belobungen. – Neuerlich ist auch eine Streichgarn-Spinnerei (Frey u. Comp.) entstanden.

Die mechanische Baumwollenspinnerei von Schöllkopf und Bockshammer (seit 1813) wird von Berg bei Stuttgart aus geleitet, beschäftigt hier 75 Arbeiter mit 2000 Spindeln, und spinnt Garn von Nr. 8–30. Auch hier gilt hinsichtlich der Concurrenz das so eben Gesagte. – Lampendöchte für die Deffnerschen Lampen werden von Ulrich Schmohl in Menge fabricirt.

Die Linnen- und Baumwollenweberei von Schöllkopf und Grünzweig (seit 1840), ein kräftig aufblühendes Geschäft, erhält bereits über 100 Webstühle hier und in der Umgegend in| Thätigkeit und liefert baumwollene Kleiderstoffe, Barchente, halbwollene Möbel- und Hosenzeuge, halbleinene Tischzeuge u. dergl.

Die Fabrik von Weberblättern von J. Salzer u. Comp. (seit 1840) liefert gesuchte Fabrikate aus Messing und Stahl für die Seiden-, Baumwollen- und Linnenweberei, so wie für die Tuchfabrikation. Salzer wurde 1842 durch die silberne Medaille ausgezeichnet.

Die Wollfärberei betreibt Carl Hanisch, Kunstfärber, in fabrikmäßiger, bedeutender Ausdehnung (seit 1835). Er beschäftigt durchschnittlich 15 Personen und färbt jährlich c. 100 Ctr. Tücher und 800 Ctr. Wolle und Garne. – Die Baumwollenfärberei wird von Kettinger lebhaft betrieben.

Unter den Leder verarbeitenden Gewerben ist besonders die Handschuhfabrikation wichtig. Es bestehen gegenwärtig 4 Fabriken, Bodmer (1810 von Neuwied hieher verpflanzt, 1836 belobt), Mangold (seit 1839), Keller (seit 1830) und Lang (1840) welche waschlederne und Glacéhandschuhe, zum Theil auch feine Leibjacken, Unterbeinkleider etc. aus Ziegen- und Schafleder und feineren Rennthierfellen in Menge verfertigen und ungeachtet der starken französischen Concurrenz einen lebhaften Verschluß in und außer den Vereinslanden finden. Diese Fabrikation beschäftigt, wenn auch nicht ausschließlich, gegen 300 Personen, und gewährt besonders den Ärmeren weiblichen Geschlechts einen wohlthätigen Nebenerwerb. – Eine Hosenträgerfabrik (Peterhauser) besteht seit einigen Jahren.

In die Kategorie der Metallbearbeitung gehören die Goldwaarenfabrik von Jac. Levi (seit 1823) und die von Günther d. ä. (seit 1834). Beide arbeiten im Genre der Pforzheimer und setzen ihre Waaren hauptsächlich im Inland und in den Nachbarstaaten ab. Vielen Beifall finden die Güntherschen geprägten Ornamente aus Silber.

Das hervorragendste Etablissement im Gebiete der Metallbearbeitung ist die berühmte Lakir- und Metallwaarenfabrik von C. C. Deffner. S. ihre interessante Geschichte und das Nähere über ihren Betrieb in dem Lw. C. Bl. a. a. O. S. 66 ff. Hervorgegangen aus einer 1809 durch einen Herrenhuter aus Neuwied hier gegründeten kleinen Lakirwerkstätte, und seit 1819 im alleinigen Besitz des gegenwärtigen Eigenthümers erweiterte sich dieses Geschäft nach und nach, besonders 1825 und in Folge des ausgedehnten Zollgebiets, zu einem der ersten dieses Faches im südlichen Deutschland. Die ebenso zweckmäßigen, als ansehnlichen Fabrikgebäude stehen außerhalb der Stadt an der durch die Neckarbauten des Jahres 1824 gewonnenen Wasserkraft, und enthalten 2 Fallhämmer,| 3 Walzenständer, 15 Drehbänke, 1 Farbreibemaschine, 1 Gießerei, verschiedene Pressen und mehrere Werkstätten der Flaschner, Schlosser, Schleifer, Lakirer, Maler und Verzierer etc. Die Fabrik beschäftigt c. 160 Personen und bringt jährlich eine Summe von wenigstens 75.000 fl. in der Stadt in Umlauf. (Schon im Jahre 1834 bezahlte sie an Arbeitslöhnen jährlich c. 50.000 fl.) Ihre Erzeugnisse sind lakirte Blechwaaren aller Art, Lampen, Waaren aus Messing, Tombak, silberplattirtem Kupfer, gewalzten Metallwaaren etc. Auch ist seit einigen Jahren die Fabrikation von Kochgeschirren aus verzinntem Eisenblech (sog. Gesundheitsgeschirre) wieder aufgenommen worden. Die Bleche werden aus Rheinpreußen und Rheinbayern, das rohe Kupfer aus Rußland und Schweden, Zink aus Preußen und Tyrol bezogen. Der Absatz geht hauptsächlich in das Vereinsgebiet und nach der Schweiz, zu einem kleineren Theile auch in außereuropäische Länder. Das Geschäft hat in neuerer Zeit eine starke Concurrenz so wie den Nachtheil zu bekämpfen, daß die Rohstoffe im Verhältniß zu den ausländischen Fabrikaten mit hohen Eingangszöllen belegt sind. Deffner wurde 1824 mit der silbernen, 1842 mit der goldenen Medaille ausgezeichnet.

Die seit 1830 patentirte Fabrik gezogener bleierner Teichel von J. G. Koch hat sich durch ihre Erzeugnisse in neuerer Zeit sehr vortheilhaft bekannt gemacht. Koch erhielt 1833 die silberne Medaille. – Ganz neu (1844) ist die von Kodweiß und Paravicini etablirte Modelstecherei und Modelgießerei.

In feinen Holzwaaren ist die Fabrik der Gebrüder Weber (seit 1831) thätig; sie beschäftigt 36 Personen, und liefert beliebte, kleine Geräthschaften von vieler Eleganz aus vaterländischen Holzarten (Ahorn, Espen, Erlen, Linden), und zwar gedruckt, gemalt und lakirt, die großentheils ins Ausland gehen.

Des G. C. Keßlerschen Weingeschäfts wird unten bei den Handlungen gedacht werden. – Senffabriken bestehen zwei; die von Kutter und Berkhemer (seit 1835) betreibt zugleich die Firnißfabrikation und das Mahlen von Farb- und Materialwaaren und Gewürzen; die von Schumann d. J. (seit 1832) beschäftigt sich nebenbei stark mit Essigbereitung nach neuerer Verfahrungsart. Eine eigene Firnißfabrik besteht seit 1841 von Koch und Fuchslocher.

Von den verschiedenen Mühlwerken nennen wir zuerst die Papiermühle von Katz. Sie war früher städtisches Eigenthum und findet sich schon im Jahr 1550 genannt. Im Jahr 1843 ist sie ganz neu erbaut und mit einer sehr vervollkommneten Einrichtung, namentlich für Zeichnungspapiere, Preßspäne und Pappendeckelbereitung, versehen worden. (Eine eigene Pappendeckel-Fabrik von Mor. Peil besteht seit 1833 und verfertigt gewalzte Deckel für| Buchbinder). Zugleich wird mit der Papier- auch eine Getreidemühle mit einem Walzenschrotgang, nach dem ganz neuen System der Frauenfelder Gesellschaft, und drei Mahlgängen zur Kunstmehlbereitung verbunden.

Die städtische Kunstmühle (1834 erbaut, und gegenwärtig an Voßler und Öchslin verpachtet) producirt auf 12 Gängen täglich 80–90 Ctr. Mehl in fünf Sorten und verwendet 10–12 Arbeiter. – Zwei andere Mühlen (darunter die städtische Bliensau-Mühle mit 10 Gängen) sind Kundenmühlen. [13] – Von den drei Ölmühlen (Peter Bertsch Witwe seit 1803. Lamparter seit 1835. Geiger u. Comp. seit 1833) ist besonders die Geigersche sehr thätig, namentlich in Speiseöl aus Mad, in raffinirtem Lampenöl und Repsöl. – Die weiteren Mühlwerke werden hiernach aufgezählt.[14]

| Bleichen finden sich zwei, die obere (Haug) und die untere (Leuze); beide Anstalten haben neben der Rasenbleiche auch das chemische Verfahren.

Bierbrauereien zählt man 12, welche jährlich 4–5000 Eimer zum Theil vorzüglichen Biers fabriciren, das seinen Verschluß in- und außerhalb der Stadt und bis ins Badische findet. Wenig bedeutend sind die Branntweinbrennereien (8). Von den 6 Essigfabriken ist eine von namhafterem Belang. Schildwirthschaften bestehen 22, Speise- und Schenkwirthschaften 103.

Ziegelhütte findet sich eine vor dem obern Thor; sie kommt schon 1300 urkundlich vor und war in städtischem Besitz, ist aber schon seit 1595 Privateigenthum.

Neben den vorgenannten mehr oder weniger fabrikmäßigen Geschäften hat sich aber auch der Betrieb theils der gewöhnlichen, theils mancher der seltnerern, gewöhnlich nur in größeren Städten sich findenden Handwerke in den letzten Jahrzehnten auffallend gehoben, und es findet sich auch hier die Bemerkung bestätigt, daß Fabriken, weit entfernt die Thätigkeit der Kleingewerbe in ihrer Nähe zu hemmen, diese vielmehr hervorrufen, ermuntern und auf ihre Ausbildung belehrend einwirken. Dieß gilt namentlich von den Schlossern, Messerschmieden und Zeugschmieden, Kupferschmieden, Flaschnern [15] und Metalldruckern, Gold- und Silberarbeitern, Tuchmachern und Tuchscheerern, Baumwollen- und Leinewebern, Drehern (unter welchen besonders Chr. Wolf zu nennen) Schreinern u. a. (Auch verdienen hier die Drahtwebereien von Bahnmayer und Mössinger Erwähnung). Zum Beweis, daß man auch hier die Vortheile des Zusammenwirkens vereinigter Kräfte zu würdigen versteht, dient ein Verein von 14 Schreiner- und Sattlermeistern, welcher seit dem 1. Mai 1844 ein wohl assortirtes Möbelmagazin unterhält.

Ein kräftiger Hebel zur Förderung wetteifernder gewerblicher Thätigkeit so wie zur Belebung eines würdigen Gemeinsinns ist der im März 1842, besonders durch die eifrigen Bemühungen des Mechanikers Bopp zu Stande gekommene Gewerbeverein, welcher seine verdienstliche Wirksamkeit im September 1843 durch Veranstaltung einer von 168 Gewerbetreibenden beschickten, öffentlichen Ausstellung von Gewerbserzeugnissen aus der Stadt und dem Oberamtsbezirk auf eine eben so zweckmäßige als geschmackvolle und wirklich glänzende Weise bethätigt hat. S. die oben angeführte Schrift, und den summarischen Bericht im schwäb. Merk. 1843 Nr. 289.

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Die Steuerrolle für 1843 führt folgende Handwerker in hiesiger Stadt auf:

37 Bäcker mit 35 Gehülfen und Lehrlingen,
5 Barbiere 0 4   
2 Bleicher 0 4   
2 Blättersetzer 0 1   
6 Bortenmacher 0 3   
2 Brunnenmacher
9 Buchbinder 0 9   
2 Buchdrucker 0 2   
1 Büchsenmacher
2 Bürstenbinder 0 6   
9 Dreher in Holz, Bein und Metall (Drucker) 0 14   
4 Kunst- und Schwarzfärber 0 5   
3 Feilenhauer 0 1   
3 Feldmesser
1 Fischer 0 1   
10 Flaschner 0 9   
62 Fuhrleute und Hauderer 0 14   
8 Glaser 0 7   
5 Gold- und Silberarbeiter 0 3   
2 Graveure
5 Gürtler 0 1   
4 Hafner 0 4   
1 Handelsgärtner 0 1   
3 Holzmesser
11 Hufschmiede 0 13   
4 Hutmacher 0 1   
2 Instrumentenmacher 0 2   
3 Ipser 0 5   
2 Kaminfeger 0 2   
7 Kammmacher 0 2   
2 Knopfmacher
9 Kübler 0 6   
14 Küfer 0 10   
6 Kupferschmiede 0 5   
1 Kürschner 0 1   
3 Garköche
1 Korbmesser
2 Kornmacher
1 Lakirer (Wagen-)
1 Leimsieder 0 1   
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11 Leineweber mit 8 Gehülfen und Lehrlingen
2 Lithographen 0 14   
2 Mechaniker 0 5   
10 Messerschmiede 0 4   
41 Mezger 0 25   
10 Nadler 0 6   
12 Nagelschmiede 0 6   
1 Optikus
2 Perückenmacher
14 Pflästerer
7 Putzmacherinnen
15 Rothgerber 0 1   
10 Saifensieder 0 3   
7 Sailer 0 3   
7 Sattler 0 8   
13 Schlosser 0 22   
55 Schneider 0 33   
29 Schreiner 0 47   
61 Schuhmacher 0 60   
6 Seckler 0 3   
1 Siebmacher 0 1   
6 Steinhauer und Maurer 0 25   
2 Strumpfstricker
3 Strumpfweber
9 Tuchmacher 0 12   
4 Tuchscheerer 0 8   
3 Uhrmacher 0 2   
5 Wagner 0 4   
1 Wendenmacher 0 2   
4 Weißgerber
5 Zeugmacher 0 8   
5 Zimmerleute 0 28   
3 Zinngießer 0 2   
2 Zirkel- (Zeug-) Schmiede 0 4   
7 Zuckerbäcker 0 5   

Von Fabriken und Mühlwerken befinden sich hier:
1 Tuchfabrik mit 2 Wollspinnereien
und 2 Tuchwalken
mit c. 300 Gehülfen u. Arbeitern,
1 Kammgarnspinnerei und Färberei 000 30   
1 Streichgarnspinnerei 000 70   
1 Baumwollenspinnerei 000 70   
|
1 Linnen- u. Baumwollenwaaren-Fabrik mit c. 140 Gehülfen u. Arbeitern
1 Bijouterie-Fabrik 000 25   
1 Lakir- und Metallwaaren-
Fabrik auch Messingwalzwerk
000 160   
1 Holzwaaren-Fabrik 000 36   
4 Handschuh-Fabriken 000 300   
1 Papier-Fabrik 000 15   
1 Bleiröhren-Fabrik
1 Modelstecherei und Modelgießerei
1 Hosenträger-Fabrik
1 Pappendeckel-Fabrik
2 Senf-Fabriken
3 Ölmühlen mit 14 holländischen Pressen
3 Mahlmühlen und zwar
die Kunstmühle mit 12 Gängen
die Bliensaumühle mit 10 Gängen
die Katz’schen Mühlen mit 13 Gängen
1 Welschkornmühle mit 2 Gängen
3 Gypsmühlen mit 27 Stampfen
2 Hanfreiben
1 Lohmühle
1 Obstmahlmühle
1 Sägmühle mit 2 Sägen
3 Schleifmühlen mit 6 Schleifwerken
1 Tabaksmühle mit 6 Stampfen
1 Walkmühle für Weißgerber.

Nach dem neuesten Gewerbe-Kataster ergeben sich folgende Sätze:

Handwerker 2789 fl. 0– kr.
Manufakturen und Fabriken 1334 „ 12 „
Mühlen 0148 „ 03 „
Andere Werke 0141 „ 54 „
Schildwirthschaften 0316 „ 48 „
Andere Wirthschaften 0397 „ 58 „
Bierbrauereien und Essigsiedereien  0427 „ 0– „
Andere Getränkefabriken 0082 „ 12 „
Handel. Wenn auch kein eigentlicher Großhandel und keine erhebliche Spedition ausländischer und überseeischer Erzeugnisse hier Statt findet, was in früheren Zeiten in bedeutenderem Grade als jetzt der Fall war, während seit einigen Jahrzehnten die Betriebskapitalien sich mehr der Industrie zuwendeten, so führt dagegen die Ausfuhr sowohl der vielen Gewerbsprodukte als auch mancher Erzeugnisse der fleißigen Bodenkultur einen um so lebhafteren| Verkehr herbei, so wie die Bedürfnisse der hiesigen Industrie an Rohstoffen aller Art eine nahmhafte Einfuhr nothwendig machen. War Eßlingen in alten Zeiten der Hauptsitz des schwäbischen Weinhandels nach Oberschwaben und Bayern, so hat sich dieß zwar im Lauf der Zeit geändert; dafür besitzt die Stadt in ihren Mauern ein Etablissement, welches in viel weiteren Kreisen bekannt und bestens empfohlen ist, nämlich die Weinhandlung der Nachfolger von G. C. Keßler u. Comp. (Georgii, Weiß und Stitz), deren beliebte Schaumweine in einer Quantität von wenigstens 120 Eimern jährlich nicht nur in das ganze Vereinsgebiet, sondern mehr noch in die entferntesten Länder des Nordens und des Orients ausgeführt werden. Begründet wurde das Geschäft 1826 von dem 1843 verstorbenen G. C. v. Keßler, welcher das in der Weinhandlung der Wittwe Clicquot-Ponsardin in Rheims beobachtete Verfahren in Bereitung moussirender Weine auf das vaterländische Weinerzeugniß übertrug, und ungeachtet der durch den glücklichen Erfolg im In- und Ausland hervorgerufenen starken Concurrenz den Betrieb so sehr erweiterte, daß vom Jahr 1834 an durchschnittlich 80.000 Flaschen jährlich gezogen werden. Das Nähere über die Verfahrungsart s. Lw. Corr. Bl. 1834 II. S. 58 ff. Auch nicht moussirende rothe Weine werden in guten Jahren, und zwar vorzugsweise aus Clevnertrauben gekeltert und nach der in der Champagne und Bourgogne üblichen Weise behandelt; und indem die Keßlersche Handlung es verschmäht, durch französische Etiketten zu täuschen, sind ihre Erzeugnisse vorzugsweise geeignet, die vaterländischen Weine in der Anerkennung des Auslandes zu heben. Zugleich aber wirkt die Handlung durch die hohen Preise, welche sie für die edeln Traubensorten bezahlt, und welche die gewöhnlichen Herbstpreise um das drei und vierfache übersteigen, sehr aufmunternd für die Verbesserung des württemb. Weinbaus. Für die Stadt selbst ist das Geschäft durch den vermehrten Verkehr wichtig, welcher durch die Beifuhr des Weinmostes und der verschiedenen Betriebsbedürfnisse, und durch die Versendung der Weine herbeigeführt wird.

1

Des erheblichen Handels mit Obstbäumen, mit Obst und Obstmost, so wie mit Gartenerzeugnissen ist oben gedacht worden. Der Fischhandel, der früher beträchtlicher war, hat abgenommen. – Die Handlung Geiger u. Comp. beschäftigt sich insbesondere mit Landesprodukten und verkauft von hier aus c. 10.000 Ctr. Mehl, welches ihr jährlich von ihrer Kunstmühle in Owen bei Kirchheim geliefert wird. – Besondere Erwähnung verdienen die beiden Eisenhandlungen von J. Steudel und J. L. Bahnmayer (Haag), deren gußeiserne Öfen, Maschinen und andere Eisenartikel, welche sie durch hiesige Mechaniker und Schlossermeister theils| vollenden, theils verfertigen lassen, eines lebhaften Verschlusses sich erfreuen; besonders gilt dieß von den bekannten Steudelschen tragbaren Sparheerden und Kochgeschirren.

Man zählt 51 Handlungen mit einem Steueransatz von 972 fl., darunter 11 Handlungen mit Ellenwaaren, 20 mit Spezereien, 2 mit Eisen, 4 mit Bijouterie, 11 mit Quincaillerie, Glas-, Porcellan-, Nadlerwaaren u. dergl., und 3 Apotheken. Kleinhändler sind es 28 (Steueransatz 30 fl. 54 kr.)

Jahrmärkte hält die Stadt drei, mit welchen jedesmal ein Viehmarkt verbunden ist. Der bedeutendste ist der Katharinenmarkt, welcher drei Tage dauert, und auch wegen des damit verbundenen Hanf- und Flachsmarktes lebhaft besucht wird. Wochenmärkte mit Getreide und Viktualien werden Mittwochs und Samstags gehalten. – Die Durchfuhr ist vermöge der Lage der Stadt an einer der frequentesten Straßen des Landes von großer Bedeutung. Kaufmannsgüter, Salz, Wein etc. sind die Hauptgegenstände, die aufwärts gehen; abwärts gehen hauptsächlich Bretter (zur Achse) und Bauholz (zu Wasser). Die Frachtfahrer und regelmäßigen Botenfuhrwerke s. oben.


Gemeindewesen.

Die Stadt besitzt 33791/8 Morg. Grundeigenthum, unter welchem die schon oben S. 110 genannten Waldungen begriffen sind; sodann 24.512 fl. verzinsliche und 11.243 fl. sonstige Forderungen; sie ist dagegen zur Zeit mit 28.000 fl. verzinslichen Passiven belastet.

Zu den Ausgaben für städtische Zwecke, welche sich im letzten Jahre auf 46.765 fl. beliefen, findet eine Umlage nicht Statt, da sich die Revenüen in dem gleichen Jahre auf 51.649 fl. stellten.

Sehr ansehnlich ist das Stiftungsvermögen. Die früher in abgesonderter Verwaltung bestandenen zwei öffentlichen Stiftungen, nämlich das St. Catharinenhospital und die sogenannte geistliche Verwaltung oder der Kirchen- und Schulfond, wurden durch stiftungsräthlichen Beschluß vom 16. Juni 1823 (Reg.-Genehmigung vom 6. April 1824) in Eine Verwaltung (Stiftungspflege) vom 1. Juli 1823 vereinigt.

I. Das Vermögen besteht: A. in Grundeigenthum, und zwar: a. Gebäuden (Verwaltungsgebäuden, Pfarr- und Schulhäusern, Kirchen- und Begräbnißplätzen, Forstgebäude, Armenhaus; aus vermietheten Räumen sind neuerlich erlöst worden 328 fl. 45 kr.). b. verpachteten Grundstücken (1) dem Hofgut Sirnau mit 6437/8 M., welches einen jährlichen Pachtschilling von 9488 fl.| abwirft; 2) dem Ottilienhofgut,[16] verpachtet für jährliche 8492 fl.; 3) verpachteten einzelnen Gütern auf den Markungen Eßlingen, Altbach, Deizisau, Denkendorf, Ober-Eßlingen, Plochingen, Zell, und außerhalb des Oberamtsbezirks auf den Markungen Canstatt und Möhringen, zusammen 2174/8 M., verpachtet für jährliche 3513 fl. Summe des Grundeigenthums: 11775/8 M.; jährlicher Pachtschilling: 21.403 fl. 2 kr.; c. Waldungen auf den Markungen Eßlingen 93/8 M., Plochingen 3511/2 M., der Sirnauer Wald auf den Markungen Sirnau, Berkheim und Denkendorf mit 4921/4 M. Der Katzenbach-Wald bei Vaihingen auf den Fildern mit 8231/4 M. Zusammen 17763/8 M. mit einem jährlichen Brutto-Ertrag von 11.000 fl.

B. Geld- und Naturalgefälle, und zwar Grundzinsen und Gülten von Eßlingen (160 fl. 44 kr.) und Berkheim (14 fl. 27 kr.). Theilgebühren von Berkheim 25 Schffl. 6 Sri. nach R. In auswärtigen Oberamtsbezirken 156 fl. 53 kr. und 156 Schffl. 4 Sri. Roggen, Dinkel und Haber. Alle übrigen sehr beträchtlichen Grundgefälle, bestehend in Grundzinsen, Gülten und Landrechten, Bodenwein, Theilgebühren, sind in den Jahren 1818/44 zur Ablösung gekommen, und zwar in verschiedenen Gemeinden des Oberamts mit einem Ablösungs-Capital von 58.846 fl. 55 kr., in 92 Orten 16 auswärtiger Oberamtsbezirke mit 156.426 fl. 2 kr., zusammen in einem Capitalbetrag von 215.272 fl. 57 kr. – ein Ergebniß, wovon vielleicht bei keiner ähnlichen Corporation in Württemberg ein gleich umfassendes Beispiel vorliegt, und welches nur durch die beharrlichen Bemühungen namentlich von Seiten des Stiftungsverwalters Bacmeister, nach Besiegung der mannichfaltigsten Schwierigkeiten möglich geworden ist. – Die Zehenten in Eßlingen mit Weil, Berkheim, Deizisau und Ober-Eßlingen ertragen an Geld 7240 fl. 35 kr., an Frucht nach R. 761 Schffl. 3 Sri.; in einigen Orten außerhalb des Oberamts an Geld 1732 fl., an Frucht 1379 Schffl. Zusammen Geld 8972 fl. 35 kr., an Frucht 1379 Schffl.

C. Verzinsliche Aktiv-Capitalien, größtentheils aus den Ablösungsschillingen, den 30. Juni 1844 im Betrag von 204.315 fl. 32 kr., aus welchen die Jahresinteressen (zu 4, 41/4, 41/2 und 5 %) berechnet sind auf 8945 fl 50 kr. Die sonstigen| Einnahmen aus den Rubriken des Cultus, der Schulen und des Armenfonds, als: Opfer, Taxen, Leichengebühren, Schulgelder, Almosenbeiträge, Hundetaxe, Ersatz für Armen-Aufwand u. dergl. sind berechnet auf 6018 fl. 8 kr.

Die auf dem Stiftungsvermögen haftenden Verbindlichkeiten bestehen hauptsächlich: 1) in der Verzinsung eines unablöslichen Passivcapitals (der v. Palmschen Armenstiftung s. unten) von 10.000 fl. zu 5 % – 2) auf den Zehentrechten ruhend: in der Besoldung der evangel. geistlichen Stellen und der Baulast an den Kirchen und Pfarrwohnungen, in der Stadt und auf den Filialien; in der Besoldung der Pfarrer und Erhaltung der Pfarrhäuser in Deizisau, Möhringen, Vaihingen und zu 5/16 in Ober-Eßlingen; in kleineren Beiträgen zu den Pfarrbesoldungen von Ober-Türkheim und Ruith, und zur Faselviehhaltung in Möhringen und Berkheim. – 3) auf dem Ottiliengut ruhend: in der Faselviehhaltung in Eßlingen, s. die obige Anm. – 4) auf dem Capitalbesitz ruhend: Stiftungszinse und Stipendien, 291 fl. 45 kr. – 5) in der Armenversorgung, und zwar der Unterhaltung des Hospitals und Krankenhauses, der Almosenpflege und des Kinder-Arbeits-Instituts (wovon das Nähere unten). – 6) auf langem Herkommen beruhend: in dem Aufwand für die Gesundheits-Polizei (Hebammen, Geburts- und Rettungsapparate, Bestattungspersonal und Leichengeräthe, Begräbnißplätze). – 7) in dem Aufwand für das Schulwesen, dessen Kosten ausschließlich von der Stiftungspflege (mit einem jährlichen Staatsbeitrag von 1000 fl. für den Ober-Reallehrer) getragen werden. – An Steuern und Anlagen entrichtet die Stiftungspflege 4200 fl.

Nach dem Etat für 1. Juli 1844/45 berechnet sich die

Gesammteinnahme der Stiftungspflege auf 68.618 fl. 44 kr.
die Gesammtausgabe auf 67.048 fl. 32 kr.

Die Einfachheit der Verwaltung hat sowohl durch die vorhin erwähnten Gefällablösungen, als auch durch das im J. 1833 gegen ein Geld-Surrogat von 6775 fl. eingetretene Aufhören des Naturalbezugs des bedeutenden Wein- und Fruchtzehenten auf der gesammten Stadtmarkung, so wie durch Aufhebung aller Weinverwaltung und vieljährige Verpachtung der Zehentgefälle in sechs auswärtigen Gemeinden, bedeutend gewonnen.

Für den Fall eines Revenüen-Deficits hat die Stadtgemeinde (Verhandl. vom 17. Sept. 1841) die Verbindlichkeit zur Deckung desselben anerkannt.

Die verschiedenen Privatstiftungen zu wohlthätigen, Studien- und andern Zwecken s. unten.

Das Wappen der Stadt ist ein heraldischer Adler mit einem| Brustschild und den Buchstaben C. E. (civitas Esslingensis). – Das Wappen des Hospitals ist ein halbes Rad, mit Beziehung auf die Legende von der h. Catharina.


Kirchliche Verhältnisse.

Evangelische Parochie. Angestellte Geistliche der Parochie sind: 1) der erste Stadtpfarrer, zugleich Decan der Eßlinger Diöcese; 2) der zweite Stadtpfarrer (so benannt seit 1820, eigentl. Archidiacon); 3) der erste Diacon (Oberhelfer, zugleich Hospitalprediger); 4) der zweite Diacon. Die Garnisonsgemeinde hat keinen eigenen Gottesdienst; ihr Parochus ist seit 1820 der erste Diacon. Die Filialien sind mit Taufen und Trauungen ausschließlich in die Stadtkirche gewiesen, übrigens nach den in den Weilern Mettingen, Sulzgries und St. Bernhard befindlichen Kirchen in drei (vor 1839 in vier, da auch Rüdern eine Kirche hatte) Filialgemeinden vertheilt und den beiden Diaconen als Filialpredigern anvertraut, so daß der eine die beiden ersteren, der andere die dritte, jenen beiden an Zahl der Pfarrgenossen gleich kommende Gemeinde zu St. Bernhard zu versehen hat. Die Filialgemeinde Mettingen begreift die Unterschultheißerei dieses Namens, die Filialgemeinde Sulzgries die Unterschultheißereien Rüdern und Sulzgries, die Filialgemeinde St. Bernhard die Unterschultheißereien Liebersbronn und Wäldenbronn. Die K. Hofdomäne Weil aber ist ein Filial der Pfarrei Hedelfingen, Oberamts Canstatt. – Eigenthumsrecht und Baulast der Stadt- und Filialkirchen ruht auf der Stiftungspflege, welcher auch die Bestreitung aller übrigen Ausgaben für kirchliche Zwecke obliegt.

Die Pfarrkirche zu St. Dionysius sammt den Zehenten schenkte König Friedrich II. 1213[17] dem Domkapitel Speyer und bestätigte diese Schenkung 1225. Letzteres that auch Konradin, am 31. März 1267 in Eßlingen selbst anwesend, und verordnete, daß die Kirche zu Eßlingen frei von Ungelt seyn solle (Urk. im Karlsruher Archiv).| Das Kapitel ernannte daher die Geistlichen, mußte sie aber auch besolden, und der Stadt einige Frohndienste leisten. Dem Chor der Kirche gegenüber steht noch der dem Domstift zugehörig gewesene Pfarr- und Zehenthof, jetzt Eigenthum der Stiftungspflege, der die Wohnungen des Decans und des zweiten Stadtpfarrers enthält. Nach der Reformation unterhielt das Stift einen Pfarrer und sechs Diaconen. Die endlosen Streitigkeiten aber, welche in Folge der Religionsveränderung zwischen dem Domstift und der Stadt obwalteten, führten (nachdem ein Anerbieten der Stadt, den Kirchensatz und Zehenten käuflich zu übernehmen, die päpstliche Zustimmung nicht erhalten hatte) 1547 einen Vergleich herbei, wonach Kirche, Pfarrsatz, Zehenten nebst Zehenthof, gegen einen jährlichen Pachtschilling von 1504 fl. 48 kr. für ewige Zeiten der Stadt überlassen wurden. Diese, 1803 an Baden gekommene Rente wurde den 21. April 1827 von der württemb. Sparkasse um 27.500 fl. erkauft, von dieser aber den 17. März 1835 der Stiftungspflege Eßlingen gegen die Summe von 36.000 fl. käuflich überlassen. – Die beiden Diacone wohnen zur Miethe.

Katholische Parochie. Die katholische Religionsübung beschränkte sich nach der Reformation auf Predigt und Messe, die von zwei Geistlichen im Kaisersheimer Hof gehalten wurden. Im Jahr 1806 aber gründete die K. württemb. Regierung eine Pfarrei mit Ausübung aller pfarrlichen Rechte für die Katholiken in und um Eßlingen. Der Pfarrer ist zugleich der Garnisonsgeistliche. Anfänglich war die Hospitalkirche dem katholischen Cultus eingeräumt; seit dem 7. Juni 1811 aber ist die Frauenkirche die kathol. Pfarrkirche[ER 3], s. oben. Eine eigene Schule haben die Katholiken dermalen noch nicht. Auch besteht keine eigene Pfarrwohnung, noch ein besonderer Begräbnißplatz.

Die israelitische Gemeinde hat eine Synagoge, einen Begräbnißplatz, seit 1824 eine eigene Schule, mit welcher ein Waisenhaus verbunden ist, und gehört zum Rabbinat Stuttgart.

Eßlingen hatte vor der Religionsveränderung sechs Klöster, die 1531 und folgende Jahre aufgehoben wurden (s. unten), und deren Gebäude jetzt theils abgebrochen, theils zu andern Zwecken bestimmt sind. Sie sind nach der Zeitfolge:

Das Franziskaner- oder Barfüßer-Kloster. Schon 1206 siedelte sich ein Franziskaner-Convent außerhalb der Stadt auf dem Steckenberg bei Liebersbronn an, zog aber 1237 in die Stadt, wo sie ein geräumiges Kloster mit einer Kirche gebaut hatten. Eine Inschrift an einem Pfeiler der Kirche lautet: Anno Dmni 1237 nos Fratres Minores intravimus hanc civitatem Esslingensem ad manendum. Das Kloster kam durch Ablaß und Schenkungen| (namentlich des Pfalzgrafen Heinrich von Tübingen, der 1275 starb und im Kreuzgang begraben wurde) bald in gute Umstände und hatte ansehnliche Gebäude, in welchen selbst Kaiser und deutsche Könige ihr Quartier nahmen, wie Karl IV. 1360, Karl V. 1541. Ein Minorit Berthold von Eßlingen war Beichtvater Herzog Ludwigs II. von Baiern, † 1294 (Lang Jahrb. S. 147, 274). Im Jahr 1487 wurde durch den Ordens-Provinzial eine Reformation vorgenommen, deren Wirkungen aber nicht von Dauer waren. Die Gebäude wurden auch nach Aufhebung des Klosters lange in gutem Stand erhalten, und dienten zuerst zur Aufnahme der Ordensgeistlichen aus den aufgehobenen übrigen Klöstern (deren letzter 1560 starb), dann zu Rathssitzungen und zur Beherbergung vornehmer Fremden, 1566 und 1571 aber, während der Pest in Tübingen, zur Aufnahme eines großen Theils der Universität. Seit 1668 brach man sie nach und nach ab, so daß zuletzt nur noch ein Flügel stand, in welchem sich die Hauptwache und eine deutsche Knabenschule befanden. 1811 wurde dieser Flügel auf Staatskosten neu aufgebaut und das Schullehrerseminar in denselben verlegt, welches bis 1844 darin blieb, wo der Raum wieder für einige Schulklassen eingerichtet wurde.[18] Über die ehemalige Klosterkirche s. oben.

Das Prediger- oder Dominikaner-Kloster. Anfangs, und zwar schon 1219, war ein Kloster des Predigerordens in der Mettinger Vorstadt; 1233 aber wurde es in die Stadt selbst (an die Stadtmauer nordwestlich von der Dionysiuskirche) verlegt, wo es bald in Aufnahme kam, und von König Rudolph begünstigt, 1291 sich ansehnlich erweiterte. 1300 erhielten die Predigermönche von dem Bischof Heinrich von Constanz die von dessen Nachfolgern bestätigte Erlaubniß, zu predigen, Beichte zu hören und die Sacramente zu spenden. Eine Reformation erfolgte 1476. Nach der Säcularisirung wurden die Räume des Klosters anfänglich als Zeughaus, dann als Findelhaus, in der Folge um 1680 als Waisenhaus, benutzt, auch ein Zucht- und Arbeitshaus dahin verlegt. 1810 kamen die deutschen Schulen in dieselben. Ein geräumiger Hof östlich an dem Kloster war der Schwörhof, in welchem alljährlich der Bürgereid abgelegt wurde. Jetzt ist das Kloster abgebrochen und an dessen Stelle das schöne Schullehrer-Seminargebäude errichtet worden. Über die dazu gehörige St. Paulskirche s. oben.

| Das Kloster zum heil. Kreuz in Sirnau, ein Frauenkloster Dominikaner Ordens, übersiedelte 1241 von Kirchheim (siehe OA.-Beschr. von Kirchheim S. 132) nach Sirnau (siehe unten Gem. Deizisau), 1292 aber, größerer Sicherheit wegen nach Eßlingen. Hier wurden in der südöstlichen Ecke der Bliensau ziemlich geräumige Klostergebäude errichtet, auch der Anfang mit dem Bau einer großen Kirche gemacht, von welcher aber nur der Chor zu Stande kam. Ungeachtet mancher ansehnlichen Erwerbungen war das Kloster doch meistens in bedrängten Umständen, und kam, nicht ohne eigene Schuld des Convents, nie zu rechtem Gedeihen, bis es 1525 sich von selbst auflöste und mit seinen Gütern dem Spital sich gegen Leibgeding übergab. Die Gebäude dienten in der Folge zu Ställen und Kornmagazinen, und wurden 1736 von dem Magistrat dem schwäbischen Kreis überlassen, der die Hälfte der Kreisartillerie hier unterbrachte und die Kirche als Zeughaus benützte. Seit 1811 ist ein K. Reiterregiment hier kasernirt.

Das Carmeliter-Kloster, auf dem Kies in der Oberthor-Vorstadt, gestiftet von den Ungeltern von Heusteig 1271, wurde nach einem Brandunglück (1455) wieder aufgebaut, kam aber durch schlechte Haushaltung in Verfall, so daß 1476 und 1482 durchgreifende Reformationen nöthig wurden. [19] 1532 ging der Convent auseinander, der Prior entwich mit dem Siegel und allen Documenten nach Nürtingen, mußte sich aber am Ende mit einem Leibgeding abfinden lassen. Die Gebäude dienten längere Zeit als Magazine, Pfründnerwohnungen etc., und wurden 1783 zum größten Theil abgetragen, nachdem die baufällige Kirche schon 1662 niedergerissen worden war.

Das Augustiner-Kloster in der Burgvorstadt beim Landolinthor, 1282 erbaut, erhielt 1300 und 1303 die bischöfliche, von Papst Bonifaz VIII. bestätigte Erlaubniß des Beichthörens, Sacramentespendens und eines eigenen Kirchhofes. Seine ökonomischen Umstände waren nie glänzend und um 1480 so sehr in Verfall gerathen, auch die Disciplin so verdorben, daß eine Reform nöthig wurde, die aber erst 1512 nach langen Streitigkeiten zu Stande kam. Das Kloster hatte eine schöne Kirche, deren Neubau 1481 mittelst Collecten ausgeführt wurde. Diese Kirche wurde 1550 in das städtische Zeughaus verwandelt, das 1688 die Franzosen ausplünderten, und als 1705 das neue Rathhaus erbaut wurde, trug man die baufällig gewordene Kirche ab, und verwendete dazu das| Material derselben. Gleiches Schicksal hatten schon früher die übrigen Klostergebäude. Crusius, der sich während des Exils der Tübinger Universität hier aufhielt, rühmt das schöne Conventhaus und besonders den angenehmen Klostergarten.

Das Kloster St. Clara in der Oberthor-Vorstadt, ein Frauenkloster, wird 1304 zum erstenmal genannt. Nachdem es 1350 abgebrannt war, erstand es in größerem Umfang. 1353 wurden die Klosterfrauen dem Barfüßer-Orden einverleibt. 1536 übergaben sie ihr Kloster freiwillig an den Spital und Armenkasten, und traten aus dem Orden. Das Gebäude wurde 1674 zu einem Lazareth eingerichtet, 1818 aber die Kranken- und Armen-Anstalt des Spitals dahin verlegt. Die Kirche, welche an den Gottesacker stieß, diente zu Leichen-Gottesdiensten, bis sie 1704 zusammenstürzte und hierauf abgetragen wurde.

Noch ist zu erwähnen, daß auch Beginnen, die in der Folge in den Franziskaner-Orden traten, sich in Eßlingen niederließen (1300) und ein Schwester- oder Regelhaus (auf dem sog. Heppächer beim Nadlerbrunnen) besaßen, neben welchem sich bald auch ein Haus von Brüdern (Begharden) erhob. 1400 bestätigt Papst Bonifaz IX. „den Meistern, den Brüdern und Schwestern vom Hause des heiligen Bernhards zu Eßlingen, der dritten Ordnung des heiligen Franziskus, genannt von der Buße“ alle ihre Freiheiten, Privilegien und Ablaßbriefe. Die Reformation machte auch diesem Institut ein Ende.

Da aber auch mehrere auswärtige Klöster und Stifter in und bei Eßlingen einzelne Besitzungen und Rechte hatten, so unterhielten sie in der Stadt eigene, theils steuerfreie, theils nur von Diensten, Zöllen etc. gefreite, und von der Stadt besteuerte Pfleghöfe, und ließen daselbst durch Beamte oder Conventualen aus ihrer Mitte ihre Einkünfte verwalten und ihre Interessen wahren. In unruhigen Zeiten boten solche Klosterhöfe in der wohlbefestigten Stadt überdieß eine willkommene Zuflucht. Des Stift-Speyerschen Zehenthofes ist oben gedacht worden. Das Hochstift Constanz hatte einen, 1377 von Steuer, Zoll, Diensten etc. gefreiten Hof an der Weber- und Burggasse, wo es einen weltlichen Pfleger unterhielt. Nach dem Anfall an Württemberg wurde das Cameralamt in dieses Gebäude verlegt.[20] – Der Kl. Adelberger Freihof, eine Schenkung Heinrichs von Wendlingen an dieses Kloster, wurde von der Stadt 1248 gefreit, und von Kaiser Friedrich III.| den 20. Febr. 1482 mit dem Asylrecht begabt, welches viele und lange Streitigkeiten mit der Stadt veranlaßte, übrigens auch nachdem der Hof durch Einziehung des Klosters an Württemberg übergegangen war, aufrecht erhalten wurde und nur nach und nach in Vergessenheit kam. Die Gebäude standen in der Oberthor-Vorstadt und wurden 1791 als baufällig abgetragen. – Der Bebenhäuser Hof zwischen der Heu- und Webergasse, der Mittelpunkt ansehnlicher Besitzungen des Klosters in dieser Gegend, welche Kaiser Friedrich II. schon 1232 freite, wird als „Steinhaus“ zuerst 1257 genannt; er hatte eine von Albrecht von Owen 1330 gestiftete und dotirte Capelle mit Pfründe. Württemberg unterhielt hier bis 1806 einen Pfleger. Jetzt befindet sich in dem, 1770 besser eingerichteten, Gebäude die Stiftungsverwaltung. – Den Hof des Klosters St. Blasien in der Bliensau, eine Schenkung Heinrichs von Ybach 1165, kaufte die Stadt 1650 sammt den Gütern (100 M. Wald) um 5000 fl., trat aber 1697 den Wald um 2500 fl. an Württemberg ab. S. Nellingen. – Das Kl. Blaubeuren erhielt schon 1150 hier Güter, und 1230 einen Hof und Kelter an der Beutaustraße unweit der Frauenkirche; seine Verwaltung war unter Württemberg bis 1806 mit dem Denkendorfer Hof combinirt. Das Gebäude ist jetzt Privateigenthum. – Der Denkendorfer Klosterhof am Holzmarkt, wird 1387 zuerst genannt; Württemberg unterhielt hier einen Pfleger; jetzt ist der Hof im Privatbesitz (Gasthaus zum Schwan). – Dem Kl. Fürstenfeld (-Bruck in Bayern) gestattete der Rath 1317 gegen Entrichtung von 100 Pfd. Heller Häuser und Güter auf städtischem Gebiet bis zum Werth von 500 Pfd H. zu kaufen und steuerfrei zu besitzen. Seine Besitzungen wurden 1330 von Kaiser Ludwig und 1408 von König Ruprecht gefreit. Der Hof, zuerst 1390 genannt, 1541 und 1701 eingeäschert und jedesmal wieder aufgebaut, ein gefälliges Gebäude, ehemals mit einer Capelle, steht an der Heu- und Strohgasse, und ist jetzt Privateigenthum. Bis 1802 war er von einem Conventual als Pfleger bewohnt. – Das Kloster Kaisersheim erhielt 1303 von Meister Trutwin, dem Arzt, Haus und Güter nebst einer Capelle zur heil. Jungf. Maria auf dem Schönenberg; so entstand der 1322 durch Ankäufe erweiterte Kaisersheimer Klosterhof am Burgweg, zu welchem schon 1314 der vorzügliche Burgweinberg und andere von 1318 bis 1353 vermehrte Besitzungen gehörten. Die Steuerfreiheit wurde von der Stadt gegen 132 Pfd. H. ertheilt. Der stattliche Pfleghof wurde 1775 größtentheils neu gebaut; er war von zwei Capitularen, einem Pfleger und einem Pater Prediger bewohnt. Der Gottesdienst in der dazu gehörigen Capelle für die in der Stadt wohnenden Katholiken führte viele Streitigkeiten mit dem| Rath und der protestantischen Geistlichkeit herbei, bis man sich 1666 dahin verglich, daß nur Predigt und Messe gehalten werden, Geläute und Umgänge ganz untersagt seyn, Taufen und Trauungen aber nur mit magistratischer Erlaubniß vorgenommen werden sollten. Dieses Verhältniß bestand bis zur Säcularisation 1802. Jetzt ist dieser Klosterhof im Privatbesitz. – Das Kl. Sallmannsweil war schon 1231 hier begütert und wurde damals von König Heinrich gefreit. 1466 besaß es außer seinem Hof 9 Häuser, 4 Scheunen, 2 Gärten und 111/2 M. Weinberg, aus denen es der Stadt 8 Pfd. Heller (1667 aber 13 fl. 37 kr.) Steuer zahlte. 1682 aber tauschte das Kloster diese Besitzungen an Württemberg aus, welches den Hof mit der Bebenhäuser Pflege vereinigte. Dieser Hof, ein sehr altes, ganz massives Gebäude neben dem Blaubeurer Hof und bei der Frauenkirche, mit einer Capelle (zuerst 1282 erwähnt), war lange unbewohnt und enthält jetzt die herrschaftlichen Fruchtvorräthe, die oberamtsgerichtlichen und oberamtlichen Gefängnisse, und die Wohnung des Gerichtsdieners.

Begütert, ohne eigentliche Pfleghöfe zu besitzen, waren in Eßlingen und auf der Markung noch folgende Klöster: Söflingen mit Weingärten, Haus und Kelter im Hainbach, und Weingärten bei Eßlingen, die es, letztere 1258 von Graf Hartmann von Dillingen geschenkt bekommen, erstere von Lehensleuten des Markgrafen Heinrich von Burgau gekauft hatte, welcher 1278 dem Kloster das Eigenthumsrecht schenkweise überließ. Es kaufte die Steuer an die Stadt 1712 mit 400 fl. ab, veräußerte aber 1765 seinen Besitz an einen Privatmann. Das Kl. Pfullingen erhielt 1261 von Walter von Hausen, genannt Hochschlitz, einen Weinberg in Mettingen geschenkt, und verkaufte 1434 Gülten in Eßlingen und Rüdern. Dem Kl. Steinheim schenkte 1275 die Wittwe Wolframs, des Vogts zu Rems, Judenta, Güter in Sulzgries; es hatte hier einen Hof, den es aber 1328 und 1332 mit andern Gütern verkaufte. Das Wengenkloster in Ulm hatte 1455 4 Häuser und Höfe mit 201/4 M. Weingarten, Wiesen und Wald im Hainbach. Edelstetten bekam 1276 von Graf Ulrich von Württemberg einen Weingarten zu Mettingen. Auch das Kloster Weil besaß verschiedene Güter und Einkünfte und einen Pfleghof zu Eßlingen, welcher letztere aber frühe schon eingegangen zu seyn scheint.


Bildungs- und Schulanstalten.
In Eßlingen hat eines der beiden evangelischen Schullehrer-Seminare seinen Sitz. Es ging aus dem 1810 aufgehobenen Collegium Alumnorum hervor (s. unten) und erhielt 1811 seine| Einrichtung. Als Vorstand desselben übte der 1838 verstorbene Prälat Denzel eine vieljährige verdienstvolle Wirksamkeit. Außer dem Vorstand und ersten Hauptlehrer (Rector) sind drei weitere Hauptlehrer, zwei Unterlehrer und ein Musikgehülfe angestellt. Der Unterricht wird in zwei Jahrescursen, für Jünglinge vom 17. bis 19. Jahre (in der Regel) ertheilt, deren Zahl auf 80 angenommen ist, und welche mit Staatsstipendien von 25–50–65 fl. unterstützt werden. Die Anstalt, mit welcher eine Musterschule zu praktischer Übung, und (seit 1824) eine Taubstummenanstalt verbunden sind, war in dem ehemaligen Franziskaner-Kloster, nachmaligem Schulhaus (s. oben) untergebracht, ist aber jetzt (1844) in das für diesen Zweck auf Staatskosten mit einem Aufwand von 60.000 fl. aufgeführte schöne Gebäude verlegt worden.

Eine Ober-Realclasse besteht mit einem Staatsbeitrag von jährlichen 1000 fl. seit 1839. Ein eigenes Lokal für dieselbe wird im alten Seminar eingerichtet.

Die lateinische Schule (Pädagogium) mit drei Classenlehrern (Präzeptoren), deren erster den Titel Rector führt; in Verbindung mit derselben steht die 1839 errichtete Realschule mit drei Realclassen. Zwei Elementarclassen bereiten auf beide Anstalten vor. Das Personal besteht im Ganzen aus acht Haupt- und zwei Hülfslehrern. 1818 erfuhr das Pädagog-Gebäude auf dem Stadtkirchhof (Eigenthum der Stiftungspflege) eine Erneuerung und Erweiterung. Das Geschichtliche des Pädagogs s. unten.

Zeichnen-Unterricht für Handwerker wird Sonntags ertheilt.

Die Volksschulen bestehen 1) aus der Knabenschule in vier Classen mit einem Schulmeister, einem Unterlehrer und einem Lehrgehülfen; 2) der Mädchenschule in vier Classen mit einem Schulmeister, zwei Unterlehrern und einem Lehrgehülfen; 3) der Weingärtnerschule (1828 errichtet) in einer Classe; 4) der Filialistenschule mit vier Classen, mit einem Schulmeister, einem Unterlehrer und einem Lehrgehülfen. Der mit dem Seminar verbundenen Musterschule (drei Mädchenclassen mit einem Musterlehrer und zwei Lehrgehülfen) ist vorhin gedacht worden. Die Schullokale befinden sich jetzt in dem alten Seminar (s. oben) und in den früheren, nunmehr erweiterten Räumlichkeiten des Dominikanerklosters oder ehemaligen Waisenhauses (Eigenthum der Stiftungspflege).

Eine besondere Schule für die Einwohner katholischer Confession besteht nicht.

Eine 1816 gegründete, 1821 (mit Aufhebung der Speiseanstalt) erweiterte Industrieschule oder Kinderarbeitsinstitut wird von der Stiftungspflege (mit jährl. 450 fl.) und aus freiwilligen Beiträgen der Armenfreunde unterhalten. Eine Kleinkinderschule| wurde 1834 errichtet. – Die Israeliten haben eine eigene Schule, s. oben. – Stiftungen für Schulzwecke s. hienach.


Wohlthätigkeitsanstalten.

Hospital zu St. Catharina. (Die Geschichte des Hospitals wird unten nach ihren wichtigsten Momenten kurz zusammengestellt werden.) Das Hospital besaß ein, zunächst der Hauptkirche gelegenes, schönes und großes 1233 aufgeführtes, nach dem Brand 1484 neugebautes, 1589 vergrößertes Gebäude, mit einem sehr geräumigen, seiner Zeit berühmt gewesenen Keller, [21] und einer zuerst 1247, dann 1483 und in den folgenden Jahren durch Matthäus Böblinger neu aufgeführten sehr schönen Kirche, der St. Catharinenkirche, s. oben. Alle diese Bauwerke wurden 1810 und folgende Jahre niedergerissen und so der geräumige Spitalplatz gewonnen. Auch der dem Hospital gehörig gewesene Ottilienhof wurde 1825 verkauft und seine Gebäude größtentheils abgebrochen. – Die von dem hospitalischen Vermögen (s. oben) gewährte Natural-Verpflegung beschränkt sich jetzt auf eine 1818 in das ehemalige St. Clara Kloster in der obern Vorstadt verlegte Armen- und Krankenanstalt, für welche die Stiftungspflege einen jährlichen Aufwand macht von 5771 fl. (Etat 1844/45). In diesem wohleingerichteten Krankenhaus haben 30–40 Kranke Raum; es wurde aus dem ehemaligen Lazareth mit ansehnlichen Kosten neu eingerichtet, und theilt sich in eine innerliche und eine chirurgische Abtheilung, deren jeder ein besonderer Arzt vorsteht.

Eine, als besondere Verrechnungsstelle bestehende Almosenpflege erhält ihren Bedarf im Betrag von jährlichen 10.900 fl. aus der Kasse der Stiftungspflege, und verabreicht alle an arme Stadtangehörige verwilligte Geld- und Brodalmosen und sonstige Unterstützungen.

Die Wilhelmsstiftung, eine Rettungsanstalt für verwahrloste Kinder zunächst des Oberamtsbezirks. Den ersten Anlaß zur Errichtung derselben gab der Fabrikbesitzer Deffner, indem derselbe 1841 die Summe von 1000 fl. als Zeichen dankbarer Freude über die Regierungs-Jubelfeier des Königs Wilhelm, der Oberamtsleitung| zum Zweck öffentlicher Wohlthätigkeit übergab. Die Ober-Amtsversammlung glaubte den Sinn des Gebers und die Bedeutung des Festes nicht würdiger ehren zu können, als durch den einstimmig gefaßten Beschluß, eine Rettungsanstalt für verwahrloste Kinder zu stiften. Der Fond der Stiftung beträgt 4000 fl. worunter ein Beitrag Sr. Majestät des Königs mit 500 fl. und ein solcher der Centralstelle des Wohlthätigkeitsvereins mit 250 fl. begriffen sind. Die Oberamts-Corporation leistet einen jährlichen Beitrag von 400 fl., die Stiftungspflege von 300 fl.

Das Israelitische Waisenhaus, die Wilhelmspflege aus Veranlassung des Regierungsjubiläums genannt, dankt seine Entstehung und Erhaltung größtentheils den Beiträgen und Legaten der Israeliten Württembergs. Für diesen Zweck wurde ein eigenes angenehm gelegenes Haus mit einem Aufwand von 14.500 fl. erworben und eingerichtet. Der Kapitalfond beträgt gegenwärtig 11.272 fl. 50 kr. Die wohlthätige Anstalt ist besonders durch die eifrigen Bemühungen des Dr. Dreyfuß in Stuttgart ins Leben gerufen worden.

Es besteht eine ansehnliche Zahl von Privatstiftungs-Kapitalien für wohlthätige Zwecke [22] verschiedener Art und zwar:

Für Studienzwecke: Die Stiftung von A. Burkhardt mit 13.000 fl. (Familienst.); G. Wagner mit 2154 fl.; Pauli mit 1295 fl. (Familienst.); Bregenzer mit 1020 fl.; Beatrix Ritter mit 1000 fl., G. F. Wagner mit 1000 fl., v. Harpprecht und v. Burgmeister mit 3000 fl., Halm mit 200 fl., Speidel mit 1050 fl. (Familienst. für Lehrzwecke überhaupt).

Für gewerbliche Ausbildung: Hiller mit 967 fl., Eckher mit 1025 fl., Noderer mit 444 fl., v. Rhaw mit 600 fl., Faulhaber mit 200 fl., Williardts mit 500 fl.

Für Schulgeld: Vereinigte Stiftung Mehrerer mit 5456 fl., Beatrix Ritter mit 327 fl.

Für Schulbücher: Köstlin mit 368 fl., Schwab mit 1800 fl., Langjahr und Eckher mit 600 fl. (für geistliche Bücher); zum Theil auch die obige Hillersche.

Für Armenunterstützungen überhaupt: Bonz und Salzmann mit 10.644 fl., v. Palm mit 13.230 fl. (zum Theil Familienst. [23]); Beurlin mit 200 fl., Senger mit 200 fl., Beurlin und Neundorf| mit 1100 fl., Renata v. Palm mit 10.000 fl., Caspart mit 1000 fl., Jacobine Schaffer mit 200 fl., Marie Weikersreuter mit 100 fl., Marie Albeck mit 100 fl., Vereinigte Stiftung von Schloßberg, Machtolf etc. mit 11.000 fl., Krämer, Tritschler etc. mit 1937 fl., Strauß und Widmann mit 325 fl., Burkhardt, Keller etc. mit 2000 fl., Plattenhardt, Mauchart etc. mit 5210 fl., Dav. Heinr. v. Palm mit 150 fl., Christina v. Palm mit 500 fl., Kauter mit 750 fl., Widmann mit 100 fl. – Die Stiftung von G. Wagner mit 500 fl. und Elis. Ege, geb. Öchslin mit 1200 fl. sind Familienstifte, zwei Fleinersche im Betrag von 505 fl. Stammlegate.

Für Predigerswittwen: Datt mit 300 fl., Marg. Baumann mit 200 fl., Elise Keller mit 100 fl., Anna Hermann mit 200 fl.

Einem Steuernachlaß für die 1822 durch Hagelschlag beschädigte Markung im Betrag von 2500 fl. hat der Stadtrath die Bestimmung einer Stiftung für arme Weingärtner gegeben, so zwar, daß 1633 fl. den Fond einer Leihkasse zu Anschaffung von Rindvieh bilden, und die Zinsen hieraus, so wie aus dem Rest mit 867 fl. zur Unterstützung solcher Bürger dienen sollen, die Unglück in ihrer Viehhaltung erlitten. – Außerdem besteht eine auf Gegenseitigkeit gegründete Spar- und Leihkasse.

Vereine zu wohlthätigen, nützlichen und schönen Zwecken bestehen hier: ein Hülfs-Bibelverein (für das Oberamt, seit 1820), ein Hülfsverein für entlassene Strafgefangene (1831), ein Frauenverein zur Erziehung verwahrloster Kinder (1835), ein Verein zur Belohnung treuer weiblicher Dienstboten (1839; vorerst beschränkt auf Dienstboten, deren Herrschaften Vereinsmitglieder sind), ein Gewerbsverein (s. oben), ein Liederkranz (1827) und ein bürgerlicher Gesangverein (1839). Die vaterländischen Liederkränze und Liederfeste verdanken ihr Entstehen hauptsächlich den Anregungen, welche von hiesigen Freunden eines veredelten Volksgesanges ausgingen, unter welchen wir besonders den verdienstvollen Musiklehrer an dem Schullehrer-Seminar, J. G. Frech, nennen. Hier wurden die ersten Liederfeste, und zwar von 1828–32 in der ehem. St. Paulskirche gefeiert, (s. oben). Ein Sonntags-Leseverein für Handwerksgehülfen und Lehrlinge ist 1842 (besonders durch die Bemühungen des Diac. Schumann) zu Stande gekommen, und findet sehr erfreuliche Theilnahme und Benützung. Ein botanischer Reiseverein hat hier seinen Sitz und steht unter der Leitung der beiden Begründer Prof. Hochstetter | und Oberamts-Arzt D. Steudel. Seit 1842 besteht ein Leichenkassen-Verein, in welchen nur Gesunde, welche das 50ste Jahr noch nicht zurückgelegt haben, aufnahmsfähig sind und dessen Ausschußmitglieder dem Verein ihre Dienste unentgeldlich leisten. Des landwirthschaftlichen Bezirksvereins ist oben gedacht.

Ein bürgerliches Schützenkorps bildete sich 1829, löste sich aber nach einigen Jahren wieder auf.

Eine Schützengesellschaft hält ihre Übungen in dem städtischen Schießhause auf der Burg.

Für literarische und gesellige Unterhaltung besteht unter dem Namen Museum eine aus der alten reichsstädtischen Bürgerstuben-Gesellschaft hervorgegangene Anstalt. Die Bürgerstuben-Gesellschaft, welche alle Rathsglieder, Patrizier und angesehenere Bürger oder sogenannte Honoratioren in sich begriff, hatte ihr von Kaiser Karl V. 1555 privilegirtes Versammlungs- oder Zunfthaus auf dem Markte, in dessen Erdgeschoß sich das Kornhaus befand. Im Jahr 1807 wurde in demselben Lokal ein Casino gegründet, das 1818 in das jetzige Museum verwandelt wurde. Eine ähnliche Anstalt für Bürger, die Bürgergesellschaft, wurde 1831 gegründet. Auch besteht ein besonderer Fabrikleseverein.

Von sonstigen Anstalten sind zu nennen: das wichtige städtische und hospitälische Archiv, beide jetzt in der ehem. Allerheil. Kapelle, besonders letzteres früher in großer Zerrüttung, jetzt durch die Bemühungen des Conr. Pfaff geordnet. Namentlich enthält das Spitalarchiv viele Urkunden aus dem 13. und 14. Jahrhundert, auch viele Lagerbücher, das älteste von 1304.

Die städtische Bibliothek, 1533 aus den Büchern und Handschriften der aufgehobenen Klöster gebildet, bekam nach und nach durch Ankäufe und Schenkungen ansehnlichen Zuwachs. Bibliothekar war ein Diacon. Weil die Beiträge aus öffentlichen Kassen seit 1829, was zu bedauern, aufgehört haben, wird sie nicht mehr fortgesetzt.

Das Stadttheater ist in der ziemlich beschränkten ehem. St. Ägidius-Kapelle auf dem Ottilienplatz.

Ein Amts- und Intelligenzblatt für das Oberamt Eßlingen, 1820 von Buchdrucker Seeger gegründet, erscheint seit 1828 zweimal wöchentlich. Ein weiteres Intelligenz- und Unterhaltungsblatt erscheint unter dem Titel Eßlinger Schnellpost dreimal wöchentlich. Allgemeine Commissionsbureaux befinden sich hier drei (Stadtr. Mayer, V. Act. Blaicher, Gottl. Koch); das Commissionsbureau von Im. Steudel besorgt Aufträge in Betreff hiesiger Gewerbserzeugnisse.

Brunnen- und Badeanstalten. Das Brunnenwasser der| Stadt ist wegen seiner Vortrefflichkeit längst berühmt; indessen beruhte der frühere Ruf hauptsächlich auf der reichen Wäldenbrunner-Quelle, welche ehemals auf einem weiten Umweg in die Stadt geleitet wurde. Nachdem man aber diese Wasserleitung wegen der großen Kosten der Unterhaltung aufgegeben hatte, wurden mehrere in der Nähe der Stadt liegende Quellen gefaßt, womit die 12 laufenden Brunnen mit 28 Röhren, wenn gleich hie und da nothdürftig, gespeist werden. Übrigens liefern zahlreiche Pumpbrunnen an den Punkten der Vorstädte, wo laufende Brunnen fehlen, immer noch gutes Trinkwasser. Badeanstalten sind das Ottilien-Bad und das Dr. Neuffersche. Ersteres befindet sich neben dem St. Ottilienhof in der innern Stadt in einem 1843 neu errichteten Hause. [24] Die Anstalt des Dr. Neuffer bei der St. Agnesbrücke, gegründet 1839, hat eine Hahneneinrichtung, und wird so wie die damit verbundene Neckarbad-Anstalt, häufig benutzt.

Begräbnißplätze waren früher der Kirchhof zu St. Dionysius, der St. Agnes-Kirchhof, und die Kirchhöfe des Sirnauer-, Prediger-, St. Clara- und Barfüßer-Klosters. Jetzt sind diese sämmtlich eingegangen. Dafür wurde 1614 ein Friedhof auf dem Schelzwasen angelegt und 1805 bedeutend vergrößert; und in den neuesten Zeiten ist vor dem Landolinthor, am Weg nach Kennenburg, ein sehr großer Platz für diesen Zweck eingerichtet und den 1. April 1844 in Gebrauch gesetzt worden. Letztere Anlage ist mit einem schönen gußeisernen Geländer rings umgeben, und vereinigt mit freundlicher Anordnung den Ausdruck ihrer ernsten Bestimmung. Diese Friedhöfe stehen in Eigenthum und Unterhaltung der Stiftungspflege. Der Israelitische Begräbnißplatz liegt vor dem Beutauthor.

Des angenehmen Spaziergangs der Maille ist schon oben Erwähnung gethan worden.


Geschichte der Stadt.
Älteste Geschichte, Verhältniß zu Kaiser und Reich.
Eßlingen verdankt seinen Ursprung einer Kapelle, die ein Alemanne Namens Hafti baute und in welcher die Gebeine des heiligen| Märtyrers Vitalis aufbewahrt wurden. Zu ihr geschahen besonders am Gedächtnißtage des Heiligen viele Wallfahrten und dieß gab, wie an andern Orten unter ähnlichen Umständen, Veranlassung zur Gründung eines Jahrmarkts, welcher schon zu Kaiser Karls des Großen Zeit sehr besucht war, und einer Ortschaft, welche ihren Namen Hetsilinga wahrscheinlich von einem der ersten und angesehensten Ansiedler erhielt. Später heißt die Stadt in Urkunden Ezelingen, Ezzelingen oder Ezzilingen, zuerst in einer Originalurkunde vom 15. December 1273 Esselingen, erst seit 1330 aber wird diese Schreibart die herrschende. Die Vitalis-Kapelle schenkte schon ihr Erbauer dem Abt Fulrad von St. Denys, welcher sie 777 in seinem Testamente diesem Kloster vermachte. König Ludwig der Deutsche schirmte letzteres am 28. Juli 866 im Besitz dieser Kapelle und nahm das Marktrecht Eßlingens in seinen Schutz. Nach dem Absterben des fränkischen Königsstamms, als die Feindseligkeiten der deutschen und französischen Könige gegen einander begonnen, hörte die Verbindung Eßlingens mit St. Denys auf und 1147 machte ein Mönch dieses Klosters einen vergeblichen Versuch, demselben dessen Besitz wieder zu verschaffen.[25] Der Besitz von Kl. St. Denys war damals schon längst mit dem Reichsgut verschmolzen, zu welchem der Bezirk des jetzigen Eßlingen wohl meist gehörte. Im Jahr 1077 erscheint Eßlingen als ein ansehnlicher, fester Ort, wo Herzog Rudolph von Schwaben, kurz nach seiner Wahl zum deutschen König, eine zahlreiche Versammlung seiner Anhänger hielt. Diese aber hatte für Eßlingen die schlimmsten Folgen: es wurde noch im nämlichen Jahre von König Heinrich IV. gänzlich zerstört.

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Bald erhob es sich jedoch von Neuem und kam unter der Herrschaft der Hohenstaufen schnell zur Blüthe. Diese Könige hielten allhier häufig Hoflager, namentlich König Friedrich I. am 18. Mai 1181, sein Sohn König Philipp im Junius 1200, im Jahr 1202 und im Februar 1206. Der Gegenkönig dieses Hohenstaufen, der Welfe Otto IV., welcher erst nach der Ermordung König Philipps († 1208) und nach seiner Verheirathung mit dessen Tochter Beatrix das den Hohenstaufen angehörige Schwaben gewinnen konnte, begabte unsere Stadt mit bürgerlichen Freiheiten[26] und weilte hier am | 4. März 1209. Schon im Jahr 1212 wich dieser Welfe den Hohenstaufen, König Friedrich II., welcher durch Gründung von Mauern sich um den emporblühenden Reichsort verdient machte. Friedrich II. (1212–50) hatte in Eßlingen sein Hoflager im Juli 1217, dessen Söhne König Heinrich (VII.) am 26. September 1226, am 23. März 1228, am 21.–31. August 1228, am 5. Februar 1231, am 2.–5. Juni und 26.–29. October 1233, am 1.–13. November 1234 und König Konrad IV. am 19. Mai 1241, als er Eßlingen zum Sammlungsort für den Kreuzzug gegen die Mongolen bestimmte, und am 6. Mai 1246. Auch den unglücklichen Konradin umfingen die Mauern dieser Stadt, den 31. März 1267.

Ein hohenstaufischer Vogt oder Schultheiß hatte seinen Sitz auf der Burg oberhalb der Stadt. Die Eßlinger blieben fortwährend treue Anhänger der Hohenstaufen und ihr erster Kampf mit den Grafen von Württemberg wurde durch den Abfall des Grafen Ulrich von diesen herbeigeführt (1246).

Wie die meisten Reichsorte, so hatte auch Eßlingen wiederholt das Schicksal zeitweise in Pfandschaft gegeben zu werden. Im März 1243 wurde diese Stadt von König Friedrich II. dem Grafen Hartmann von Grüningen zur Sicherheit für die Zahlung von 3200 Mark verpfändet, wofür er von dem letzteren die Grafschaft im Albgau erkauft hatte. Diese Pfandschaft wurde bald wieder eingelöst. Am 26. August 1260 verpfändete König Richard dem Grafen Ulrich von Württemberg die Reichseinkünfte von Eßlingen eventuell für 1000 Mark, welche er diesem Grafen versprochen.

Die Bewohner der Stadt bestanden aus Freien und Unfreien. Die Freien gehörten theils zu den Geschlechtern, d. h. dem in der Stadt angesessenen Adel, theils zu der Ehrbarkeit, d. h. zu den nicht adelichen Freien, die auch allein am Grundbesitz und an der städtischen Verwaltung Antheil hatten und zusammen Burger (Burgenses) hießen. Zu den Geschlechtern gehörten die Bürgermeister von Deizisau, die Remser, die Ungelter von Heusteig, die Lutram, Ahnherren des v. Leutrumschen Geschlechts, die Kürn, die Truhlieb, die Schöllkopf u. s. w. Auch hatten mehrere in der Stadt nicht angesessene Fürsten- und Adels-Geschlechter, die Grafen von Württemberg, Aichelberg, Hohenberg und Helfenstein, die Markgrafen von Burgau, die von Kirchheim, Rechberg, Steußlingen, Altbach u. s. w., Güter, Rechte und Einkünfte im Stadtgebiet. Eine eigene Klasse der Bewohner bildeten die von auswärts hereingezogenen sogenannten Pfahlbürger, welche gar häufig zu Streitigkeiten mit benachbarten Landesherren Veranlassung gaben. Neben ihnen gab es auch noch Ausbürger, welche zwar nicht in der Stadt angesessen waren, aber das Bürgerrecht in ihr besaßen.

| Das Eßlinger Stadt-Recht ist eines der ältesten in Schwaben; es wurde 1274 in Ulm eingeführt und ist eines der fünf Mutterrechte, in welche sich die, in Schwaben liegenden Städte getheilt haben (Jäger, Ulm 144). Ein Reichsvogt, als königlicher Statthalter, handhabte die peinliche Rechtspflege und höhere Polizei und zog die königlichen Einkünfte ein; der Schultheiß, als Stadtrichter, besorgte die bürgerliche Rechtspflege und niedere Polizei, er wurde alljährlich an Jacobi durch die Geschlechter und die Ehrbarkeit gewählt; das Stadtgericht bestand aus 12 geschworenen Richtern. Aber auch zu Eßlingen, wie in anderen Reichsstädten, entstanden zu Ende des 13. Jahrhunderts innere Unruhen, indem die Handwerker, seitdem sie sich aus dem Stande der Unfreien emporgearbeitet und in Zünften vereint hatten, ebenfalls Antheil an der städtischen Verwaltung begehrten. Diese Unruhen beendigte im August 1284 König Rudolph I. dadurch, daß er anordnete „um Frieden und Zucht zu erhalten“ sollten in Eßlingen Zünfte und Zunftmeister seyn und die Gemeinden, d. h. die Handwerker schwören ließ, daß „zu Ehre und Frieden der Stadt“ künftig jedes Handwerk seinem Zunftmeister beholfen sey. [27]

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Hiemit begann für Eßlingen eine Zeit raschen Emporblühens und schneller Entwicklung und es errang sich eine immer größere Unabhängigkeit. Das Reichsschultheißen-Amt erwarb die Stadt 1360 und später ebenso das Reichs-Vogtamt pfandweise; den Zoll, welchen verschiedene Geschlechter vom Reiche zu Lehen trugen, kaufte sie während der Jahre 1363 bis 1392 an, die Reichssteuer aber, die 1330 auf 800 Pf. H. festgesetzt wurde, 1414 um 6000 fl. vom Secretär des Königs Sigismund, Johann Kirch, dem sie verpfändet war. Später aber begehrten die Kaiser mehrmals die Wiederbezahlung dieser Steuer und zuletzt kam es deßwegen sogar zu einem Prozeß beim Reichshofrath (1781), der aber nach und nach einschlief. Der Matrikularanschlag der Stadt wurde 1521 auf 10 Mann| zu Pferd und 67 zu Fuß oder 388 fl. festgesetzt, 1545 auf 5 zu Pferd und 40 zu Fuß oder 200 fl. vermindert. Seit dem Ende des 16. Jahrhunderts baten die Eßlinger, wegen des schlechten Finanzzustandes der Stadt, wiederholt um noch weitere Herabsetzung desselben, erlangten dieselbe aber erst 1729 und durften seitdem nur 72 fl. entrichten. Von den deutschen Königen und Kaisern erlangte die Stadt nach und nach wichtige Privilegien, das Recht der Gesetzgebung (1375, 1398), der Aufnahme von Bürgern (1315) und von Juden (1375), des Blutbanns und der peinlichen Gerichtsbarkeit (1398, 1401, 1402, 1493), der Befreiung von fremden Gerichten (1315, 1346, 1431), der Appellation (1506), der besonderen Austragsgerichte (1541), der Besteuerung (1373, 1398), das Markt- und Jagdrecht (1408, 1433, 1541). Auf Reichstagen nahm sie unter den schwäbischen Reichsstädten die fünfte, bei Kreistagen auf der Städtebank die dritte Stelle ein und gehörte nach der 1593 gemachten Eintheilung des schwäbischen Kreises zum württembergischen Viertel. Am 4. Januar 1455 begab sich die Stadt in den Schirm der Markgrafen von Baden, am 6. Januar 1473 aber auch in den des Grafen Ulrich von Württemberg, dem sie jährlich „zu einer Liebung“ 200 fl. zu zahlen versprach. Der Schirmsverein mit Württemberg wurde seitdem öfters erneut, mehrmals aber dauerte es auch eine Reihe von Jahren, bis dessen Erneuerung wieder erfolgte und dann mußte sie von der Stadt gewöhnlich mit großen oder kleinen Opfern erkauft werden. Das Stadtsiegel enthielt Anfangs nur den einfachen schwarzen Reichsadler im goldenen Feld, später erst bekam er einen in der Mitte senkrecht getheilten, links grünen, rechts purpurrothen (Anfangs braunen) Brustschild mit den verschlungenen Buchstaben CE.


Verfassung und Verwaltung.
Die durch König Rudolph I. eingerichtete Verfassung befestigte sich erst nach und nach, 1316 erschien die erste Regimentsordnung, welche den Bürgern sowohl als auch den Zünften und der Gemeinde ihre Rechte sichert, die Wahl der Raiter (Steuereinnehmer), des Schultheißen und Bürgermeisters u. s. w. bestimmt. Kaiser Karl IV. hob zwar 1376 diese Ordnung und die auf sie gefolgten sie ergänzenden Verordnungen auf, „weil sie ihm und dem Reich kein Frommen bringen, sondern schädlich seyen;“ allein die Zünftigen erzwangen nun 1376 eine neue Regimentsordnung, welche sie und die Bürger noch mehr gleichstellte; die dritte Regimentsordnung erschien 1392 und veränderte die Wahlart wiederum, die vierte und fünfte (1407 und 1414) aber enthalten keine wesentlichen Veränderungen; 1491 wurden| die sämmtlichen Statuten der Stadt in ein „Statutenbuch“ zusammen getragen. Die Würde des Schultheißen hörte im 14. Jahrhundert auf, an seine Stelle trat nun der Stadtammann als oberster Gerichtsbeamter und Vorstand des Stadtgerichts. An die Spitze der gesammten städtischen Verwaltung aber kam jetzt der Bürgermeister, der schon 1303 den Vorrang vor dem Schultheißen hat. Neben ihnen beiden saßen im kleinen Rath 6 Rathsherren, 12 Richter und 13 Zunftmeister; der große Rath bestand aus den Zweenern und Zwölfern der Bürger und der 13 Zünfte, wurde jedoch nur, „wenn es dem kleinen Rath gutdünkte“ zusammen berufen. Der Stadtschreiber war nicht nur Protokollführer bei Rath und Gericht, sondern wurde auch zu Versendungen in wichtigen Staatsgeschäften und in Prozessen bei auswärtigen Gerichten gebraucht, erst 1548 wurde die Besorgung der letzten Geschäfte einem eigenen Rathsyndikus übertragen. Das Stadtgericht bildeten die 12 Richter unterm Vorsitz des Stadtammanns, 1521 stellte man dabei als „Beistände und Fürsprecher der Partheien“ Rathsadvokaten an. Die Einung, aus dem Stadtammann und 3 Rathsmitgliedern bestehend, hatten Partheien, welche wegen kleiner Schulden, Schmäh- und Raufhändel stritten, zu vereinigen, bestrafte geringere Polizeivergehungen und untersuchte peinliche Verbrechen, sie erhielt 1306 eine eigene Ordnung. Die gewöhnlichste Steuer war die Vermögenssteuer, welche entweder nach einer obrigkeitlichen Schätzung oder nach den eidlichen Angaben jedes Bürgers erhoben wurde und in letzterem Falle geschworene oder Eidsteuer hieß. Im Jahr 1322 wurde auch der Abzug eingeführt, eine Abgabe von allen Gütern, welche durch Erbschaft, Vermächtniß oder Auswanderung „aus der Steuer fielen“ und die 5 von 100 betrug. Außerordentliche Steuern waren der Wochenpfenning und der gemeine Pfenning. Die Steuer- und Zinsherren, die Raiter oder Steuerer und die Umgelder waren Finanzbeamte; das städtische Bauwesen besorgten der Ober- und Unterbaumeister, die ansehnlichen Waldungen der Stadt der Ober- und Unterforstmeister.

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Diese Verfassung wurde wie in andern Reichsstädten so auch in Eßlingen durch Kaiser Karl V. umgeändert. Am 15. Januar 1552 nämlich erschien Heinrich Hans von Lauffen als kaiserlicher Kommissär und erklärte, er habe den Befehl zu Eßlingen „eine Änderung und Einziehung des Regiments“ vorzunehmen und trotz der Protestation des Raths wurde diese Änderung auch vorgenommen, die Zünfte aufgehoben und die demokratische Regierungsform in eine aristokratische verwandelt (18. Januar). Die neue „Regimentsordnung“ setzte fest, künftig sollten 3 Bürgermeister seyn und jeder 4 Monate das Amt versehen, sie mit noch 2 das Geheime Collegium und mit| 16 weiteren Mitgliedern den kleineren oder innern Rath bilden, welcher die eigentliche Regierungsbehörde war und den aus 18 Personen bestehenden großen oder äußeren Rath nur bei wichtigen Angelegenheiten zusammenberufen durfte. Die neue „Wahlordnung“ verlegte die Wahlzeit in den Januar und überließ die Wahl den Rathsmitgliedern und Beamten, hauptsächlich dem innern Rath. Zwar wurde der neue sogenannte Hansenrath, als die gegen den Kaiser verbündeten Fürsten im Januar 1552 mit Heeresmacht nach Schwaben kamen, auf das allgemeine Verlangen der Bürgerschaft wieder abgesetzt, allein nun erschien am 8. September der Kaiser selbst und stellte die neue Verfassung wieder her, welche nun auch bis 1803 fortbestand, mit der aber die Zeiten des Verfalls für Eßlingen begannen.

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Im Jahre 1555 wurden neue Statuten bekannt gemacht, diese 1563 und 1633 mit wenigen Veränderungen erneut, 1723 aber in eine bessere Ordnung gebracht und in 24 Titel eingetheilt, 1752 nochmals durchgesehen. Die Zeit der Wahl verlegte 1555 der Kaiser auf Bitten des Raths wieder auf Jacobi, 1590 wurde eine Ordnung der Rathswahlen verfaßt und jedes Jahr nach vollendeter Wahl die Verfassung verlesen und beschworen; dieser sogenannte Schwörtag war das auch von auswärts stark besuchte Hauptfest der Eßlinger. (S. Kellers Beschreibung des jährlichen Schwörtags der Reichsstadt Eßlingen 1789). Die Mitglieder des innern Raths hießen Senatoren, die des äußeren Assessoren, die Zahl der Mitglieder des erstern wurde 1748 auf 13, die des letztern auf 10 herabgesetzt, er wurde aus der ganzen Bürgerschaft gewählt und vornämlich, wenn Gesetze verfaßt oder Steuern ausgeschrieben werden sollten, berufen. Die Zahl der Bürgermeister wurde 1748 auf 2 festgesetzt, der regierende oder Amtsbürgermeister war das eigentliche Staatsoberhaupt. Die Rathssyndikusstelle hob man 1672 auf und setzte dafür 2 Rathskonsulenten ein. Der Stadtschreiber erhielt 1728 den Titel Kanzleiverwalter, 1746 Kanzleidirektor. Das Archiv, das sich aber selten in gutem Zustande befand, verwalteten gewöhnlich 2 Registratoren. Oberste Gerichtsbehörde war das Stadtgericht, in welchem der Stadtammann, der seit 1555 nur auf 3 Jahre gewählt wurde, den Vorsitz führte. Das Gastgericht entschied in erster Instanz über Schulden, Injurien und ähnliche Sachen von größerer Wichtigkeit, zum Einungsgericht kamen der Reihe nach alle Rathsmitglieder, seine Hauptgeschäfte waren Taxirung der Weine und liegenden Güter, Inventuren, Theilungen, Beeidigungen und Vergleichungen von Erben. Neben dem Ehegericht bestand auch eine Ehegerichts-Deputation, Mitglieder beider waren die Geistlichen. Das Waisengericht und Oberpflegeamt bestand aus den 2 Bürgermeistern und dem| Pflegrechnungs-Probator, und führte die Aufsicht über die Waisen, ihr Vermögen und ihre Pfleger; eine Pupillenordnung erschien 1721, das alte Erbrecht wurde 1625 und nachmals 1712 verbessert und durch den Druck bekannt gemacht, ebenso 1787 eine Dispensations-Taxordnung. Gantordnungen erschienen 1590, 1602, 1725 und 1730, eine Criminalordnung aber 1725. Oberste Finanzbehörde war das Umgelderamt oder die Stadtrechnerei, welches aus dem Ober-Umgelder und 2 Umgeldern bestand und außer den Steuern und deren Abzug alle städtischen Einkünfte einzog und alle Ausgaben besorgte; 1748 kam an die Stelle der 2 Umgelder der Stadtkassirer. Das Steueramt, das Steuern, Abzug und Beisitzergeld einzog, bestand aus dem Obersteurer und Steurer. Andere Finanzbeamten waren der Umgeldsschreiber, der Accisverwalter, die Renovatoren u. s. w. Auch jetzt noch wurden häufig Eidsteuern ausgeschrieben. Das Bauamt bestand aus dem Oberbauverwalter, dem Bauverwalter, Baukassirer und den Bauurkundern, das Forstamt aus dem Oberforstmeister und Forstmeister. Der Finanzzustand der Stadt verschlimmerte sich übrigens immer mehr und schon 1557 klagte der Rath dem Kaiser, daß die Ausgaben die Einnahmen jährlich um ein Merkliches überstiegen. Der Kaiser verordnete daher 1593 eine Untersuchung des Finanzzustandes, wo sich denn gegen 1/2 Million Gulden Schulden fanden, weßwegen nicht nur das Weggeld erhöht, sondern der Stadt auch erlaubt wurde, die Spitalorte zu verkaufen. Herzog Friderich von Württemberg zeigte sich zum Kauf geneigt, allein man konnte des Preises wegen nicht übereinkommen. Der 30jährige Krieg und die französischen Einfälle 1688 und 1693 verschlimmerten den Finanzzustand noch mehr, 1724 und 1747 wurden neue Untersuchungen vorgenommen, die Stadt von ordentlichen und außerordentlichen Kreisbeiträgen auf 10 Jahre befreit, eine Schuldentilgungskasse errichtet und überall Einschränkungen vorgenommen. Wirklich kamen die Schulden der Stadt nun von 520.000 auf 159.000 fl. herab, allein die Unordnungen in der Verwaltung, besonders im Rechnungswesen, vornämlich das häufige, fast zur Gewohnheit werdende, Restsetzen dauerten fort, und der französische Revolutionskrieg verschlimmerte den Finanzzustand von Neuem.

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In frühern Zeiten war jeder Bürger wehrpflichtig; schon im 14. Jahrhundert bestand zu Eßlingen eine Stahl- und Armbrust-Schützengesellschaft, welche bis in die Zeiten des 30jährigen Krieges fortdauerte, und bald nach Einführung der Feuergewehre entstand auch eine Büchsen-Schützengesellschaft, welche sich später in die zwei Gesellschaften der Pürsch-Büchsenschützen und langen Büchsenschützen theilte, welche 1537, 1551, 1598, 1623 und 1664 Ordnungen erhielten; 1602 und 1604 kamen auch die Federfechter und Marxbrüder| vor. An Geschütz und anderen Kriegsbedürfnissen hatte die Stadt immer einen guten Vorrath und das Zeughaus unter der Aufsicht der Zeugherren war wohl versehen, bis 1688 die Franzosen es ausplünderten. Das Kriegsamt besorgte, was zum Kriegswesen gehörte, der Stadthauptmann war Oberbefehlshaber der sämmtlichen Wehrmannschaft, die Bürgerschaft war im 18. Jahrhundert in 1 reitende und 4 fußgehende Compagnien getheilt, die jüngern unverheiratheten Leute bildeten die „ledige Compagnie.“ Das Contingent betrug 131 Fußgänger und 12 Reiter, seit 1748 aber durfte die Stadt es ihrer bedrängten Lage wegen nicht mehr stellen, dafür warb sie nun besonders zum Wachdienst unter dem Thore die sogenannten Garnisöner (gewöhnlich 35 Mann) an.

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Die Bewohner der Stadt und ihres Gebiets waren theils Bürger, theils Pfahlbürger und Beisitzer, letztere zahlten ein bestimmtes Beisitzergeld, erstere waren zur Entrichtung von Abgaben und Leistungen von Frohnen verpflichtet, wofür sie nur eine Abgabe von Holz in geringerem Preise genoßen. In den Weilern stellte man 1607 statt der Untergänger 3 „Unteramtleute und Schultheißen“ auf. Die Honoratioren, Bürger wie Beisitzer, bildeten die Bürgerstuben-Gesellschaft; die 13 Zünfte, seit 1552 anfangs Gesellschaften genannt, erhielten bald ihren alten Namen wieder, niemals mehr aber ihren früheren Antheil an der Regierung, auch die Zunfthäuser wurden beibehalten. Für gute Polizeianstalten trug man stets eifrig Sorge, allein auch sie verfielen besonders in den letzten Zeiten und der Straßenbettel nahm gewaltig überhand. Die erste Zuchtordnung erschien 1532, später 1598, 1665, 1673, 1682, 1707, und 1722 wurde die letzte durch den Druck bekannt gemacht; ferner kamen heraus Kleiderordnungen 1659 und 1711, Hochzeitordnungen 1532, 1556, 1558, 1560, 1592, 1604 und 1659, eine Leichentax-Ordnung 1724. Öffentliche Frauenhäuser gab es zu Eßlingen schon 1300 zwei, erst nach der Reformation gingen sie ein. Ein Hauptfest waren vor der Reformation die Fastnachts-Lustbarkeiten; Schauspiele wurden an und nach diesen durch die Schüler, bisweilen auch durch die Bürger aufgeführt, später kamen von Zeit zu Zeit fremde Schauspielergesellschaften nach Eßlingen, für die zuerst das Barfüßer Kloster, dann die Ägidius-Kapelle zum Theater eingerichtet war. Das erste beständige Kaffeehaus ward 1747 errichtet. Die Feueranstalten waren gut, die erste Feuerordnung erschien zu Ende des 15. Jahrhunderts, spätere wurden 1550, 1556, 1568 bis 1712 zwölfmal, 1739, 1746, 1755 und 1761 bekannt gemacht. Das Gebiet der Stadt bestand blos aus den Weilern und war etwa 3/4 QM. groß, 1725 zählte man darin 1172, 1784 951 Gebäude und 1800 7200 Einwohner; das gesammte steuerbare Vermögen wurde 1757| auf 1.359.577 fl. angeschlagen, mit den Staats- und Spitalgebäuden betrug es etwa 11/2 Millionen Gulden; das Einkommen wurde auf 36.000 fl., die Schulden auf 285.000 fl. geschätzt. S. unten S. 159 Anm. Das Spitalgebiet war beinahe 1 QM. groß und zählte 1800 – mit den Plochinger Unterthanen etwas über 4000 Einwohner.


Gewerbsamkeit und Handel.
Ein Hauptgewerbe war von den frühsten Zeiten an in Eßlingen der Weinbau; schon 778 kommen Weingärtner in der hiesigen Gegend vor. Die Weingärten gehörten ursprünglich wie das übrige Grundeigenthum den Geschlechtern oder auch fremden Fürsten und Adelichen, welche sie gegen eine gewisse Abgabe an die Weingärtner verliehen, woher es kommt, daß auch noch in späten Zeiten ein großer Theil der Eßlinger Weingärten aus Lehen- und Zinsgütern bestand und über das Verhältniß der Lehensleute zu den Lehensherren viele Verordnungen erlassen wurden. Durch den 30jährigen Krieg litt auch zu Eßlingen der Weinbau sehr. Das Eßlinger Weinmaaß wurde in mehreren benachbarten Reichsstädten gebraucht und 1557 in Württemberg zum Landmaaß erhoben; die erste Weinrechnung wurde 1463 gemacht, alljährlich mußten 5 Rathsmitglieder sie festsetzen. Der Weinhandel ging vornehmlich nach Ulm; man verfertigte auch nun anderwärts künstliche, Kräuter-, Gewürz- und Span-Weine, schon im 15. Jahrhundert aber wird auch sehr über Weinverfälschungen geklagt. Später trieben den Weinhandel vornehmlich die Geschlechter, er nahm aber immer mehr ab, woran besonders auch die Vermischung mit Obstmost, die man deßwegen häufig streng verbot, Schuld war. Nächst dem Weinbau wurden der Obst- und Gartenbau am stärksten getrieben, weit weniger der Getreidebau, doch trieb die Stadt in frühern Zeiten einen bedeutenden Fruchthandel und 1557 wurde auch das Eßlinger Dinkelmaaß in Württemberg als Landmaaß eingeführt. Die Aufsicht über die Mühlen führten das Mühl- und Sturzamt und die 2 Mühlenverwalter, 1553, 1616 und 1654 kamen Mühlordnungen heraus. Die Viehzucht war blos ein Nebengewerbe, das besonders auf den Weilern getrieben wurde. Um den Unordnungen im Holzhandel zu steuern, erschienen 1523 und 1605 Holzordnungen; wegen des Holzflößens schloß Eßlingen zu verschiedenen Zeiten Verträge mit Württemberg und der Grafschaft Hohenberg (Östreich) 17. Oktober 1458, 27. August 1476, 18. Oktober 1484, 26. Juni 1590, 15. Juni 1593, 20. April 1664, 20. September 1740. Versuche nach Erz zu graben wurden im Eßlinger Gebiet in früheren Zeiten mehrere gemacht, 1403 und 1433 ließ die Stadt sich deßwegen kaiserliche Privilegien| geben, es kam aber gar Nichts dabei heraus. Eine Waidwerksordnung erschien 1557; die Fischerei wurde vor der Reformation stark betrieben, der gesammte Bezirk im Neckar, wo die Eßlinger fischen durften, war in Fischwasser getheilt, welche den Richtern zu Eßlingen eine jährliche Abgabe, die sogenannten Richterdienste, entrichteten; Fischordnungen wurden bekannt gemacht 1508, 1520, 1544 u. s. w. Von verarbeitenden Gewerben wurde die Weberei, Tuch- und Zeugmacherei am stärksten betrieben, gerieth aber nach dem 30jährigen Kriege ebenfalls in Verfall; 1456 wurde ein Färbehaus erbaut und 1435 ließ der Rath 7 Barchentweber kommen und eine Bleiche einrichten. Außerdem gab es auch viele Metallarbeiter. Über die Bäcker führte das Brodschauamt, über die Mezger das Fleischschatzamt die Aufsicht, seit dem 30jährigen Krieg wurden auch häufig Lebensmittel- und Handwerks-Taxen bekannt gemacht, die Fleischtaxe wurde alljährlich mit Canstatt und Stuttgart gemeinschaftlich festgesetzt. Das Bierbrauen fing man 1644 bei großem Weinmangel im Spital an, gab es aber später wegen der vielen Klagen, daß es dem Verschluß des Weines schade, wieder auf und erst 1745 wurde nun eine neue Brauerei errichtet, der 1793 noch 2 andere folgten. Die Baugewerbe befanden sich während des Mittelalters zu Eßlingen in einem blühenden Zustand, sehr wahrscheinlich war auch eine Bauhütte hier, wenigstens kommt ein Werner Steinhauer, Steinmetzenmeister vor, der 1402 Reichsvogt zu Eßlingen war (Chmel Regesta Ruperti Regis p. 72) und dem König Ruprecht 1406 ein eigenes Wappen verlieh, und noch 1563 wurden die Eßlinger Steinmetzen zu den Versammlungen der Haupthütte in Straßburg berufen. Die berühmtesten Eßlinger Baukünstler waren Hans Böblinger und seine Söhne, über welche die württ. Jahrbücher 1836 Heft II. S. 178 ff. nachzulesen sind. Die Stadt selbst hatte immer ihren eigenen Werkmeister. Den Gewerben wie dem Handel waren die Lage Eßlingens, fast ganz von württembergischem Gebiet umschlossen, und die Verhältnisse zu Württemberg nachtheilig, denn obwohl in den Schirmsvereinen stets auch Freiheit des Verkehrs festgesetzt wurde, so beschränkte Württemberg diesen doch auf mancherlei Art und schadete ihm durch häufige, oft lange dauernde Sperren sehr. Dieß, die Kleinheit des Gebiets und der Mangel an Unternehmungsgeist und Eifer bei den Bürgern sich in ihren Gewerben zu vervollkommnen, waren auch Hauptursachen, warum in Eßlingen Fabriken und Manufakturen nie gedeihen wollten, obgleich es nicht an Versuchen fehlte, solche zu errichten, so 1679 eine Tuch- und Zeugmanufaktur, 1739 eine Porcellanfabrik, 1743 eine Kattun- und Zeugfabrik, 1766 eine Fabrik gefärbten Papiers, 1769 eine Zitzfabrik, 1773 eine Türkisch-Rothfärberei u. s. w. Handwerksordnungen| erhielten zu Eßlingen die Bäcker 1532, 1613, die Mezger 1370, 1667, die Fischer 1562, 1565, 1580, 1603, die Küfer 1577, die Tuchmacher 1505, 1609, die Zeugmacher 1618, die Tuchscheerer 1501, 1570, die Leineweber 1607, 1717, die Bleicher 1550, 1599, 1659, die Strumpfstricker 1663, die Strumpfweber 1718, 1730, die Schneider 1558, 1717, die Bortenmacher 1710, 1777, die Gerber 1431, 1564, 1574, die Kürschner 1557, die Schuhmacher 1609, die Hafner 1530, 1670, die Schmiede 1559, die Goldschmiede 1490, 1593, 1603, die Nagelschmiede 1709, 1737, die Schlosser 1715, die Wendenmacher 1607, die Schleifer 1609, die Zinngießer 1589, 1670.

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An dem lebhaften Handel, welchen die süddeutschen Städte im Mittelalter trieben, nahm auch Eßlingen Antheil; seine Kaufleute handelten nach Italien und Frankreich und besuchten auch entferntere Messen, namentlich zu Frankfurt. Seit der Entdeckung Amerikas und des Seewegs nach Ostindien aber nahm der Eßlinger Handel immer mehr ab und in den neuern Zeiten war er völlig unbedeutend; der Salzhandel war Monopol. Das uralte Recht der Stadt, einen Jahrmarkt zu halten, erneute ihr den 25. Juni 1408 König Ruprecht, er sollte vom Katharinen-Abend an 8 Tage lang dauern; später wurde seine Dauer verkürzt und dafür an Pfingsten ein zweiter Jahrmarkt gehalten, den man 1790 auf die Woche nach dem Sonntag Oculi verlegte. Jeden Mittwoch und Samstag wurde ein Wochenmarkt gehalten, wobei die 2 Marktherren die Aufsicht führten. Die Kramläden der Kaufleute standen wie die Bänke der Mezger und Bäcker in den Brod- und Fleischlauben auf dem Marktplatz, aber auch auf der innern Brücke legten Handwerker und Handelsleute ihre Waaren aus, und außerdem gab es noch einen Obst-, Kraut-, Holz-, Fisch- und Roßmarkt. Die fremden Waaren mußten alle ins Kaufhaus gebracht, hier besichtigt und verzollt werden. Schon 1300 zwar wird Eßlinger Münze und Währung angeführt, doch ist sonst fast keine Spur vorhanden, daß in der Stadt selbst Münzen geprägt worden wären, übrigens schloß Eßlingen manche Münzverträge mit benachbarten Fürsten und Reichsstädten (6. December 1396, 25. Juli 1435 u. s. w.); die 2 Münzherren führten die Aufsicht auch über das Wechselwesen und 1503 nahm Eßlingen die Ulmer Wechselordnung an. Juden gab es in der Stadt schon frühe, sie hatten ihre eigene Synagoge und Schule, einen Freihof und Begräbnißplatz; 1349 aber als die große Verfolgung über sie erging, fielen auch zu Eßlingen die Bürger über sie her, zerstörten den Freihof und setzten sie so in Schrecken, daß sie selbst sich in ihrer Synagoge verbrannten; hierauf gab Kaiser Karl IV. der Stadt das Recht keine Juden mehr aufzunehmen (30. Januar 1349). Schon 1392 aber waren wieder 4 Familien zu Eßlingen, sie| wanderten jedoch von Neuem aus und erst 1451 wurden wieder einige Familien angenommen und 1539 für sie 4 Häuser auf dem Ilgenplatz gebaut; 1544 aber mußten sie, vornehmlich auf die Vorstellungen Herzogs Ulrich von Württemberg, von Neuem auswandern und seitdem durften sich keine mehr in der Stadt ansiedeln, die aber welche durchreisten, mußten einen Leibzoll zahlen. Bedeutende Kosten verursachten der Stadt die Landstraßen, die sie von Ober-Türkheim und Hedelfingen bis Plochingen unterhalten mußte, namentlich die seit 1545 am Eisberg vorbei führende Poststraße. Sie beschwerte sich darüber auch öfters und verlangte von den Kaisern mehrmals die Erhöhung des Weggeldes (15. November 1447, 2. October 1467, 18. Juli 1510, 18. März 1521, 7. October 1570, 1596, 3. März 1603, 30. September 1636, 20. September 1657). Am 21. Februar 1750 aber übernahm Württemberg für 11.000 fl. und die Aufgebung des Weggeldes die Unterhaltung der Landstraßen im Stadtgebiete und nun wurde die noch bestehende Chaussee über Hedelfingen nach Plochingen erbaut. Ein Umgeld vom Weine einzuziehen erlaubte den 23. August 1391 König Wenzlaw der Stadt; die Accise wurde zu Eßlingen 1639 zuerst und nachdem sie 1666 wieder abgeschafft worden, 1672 für immer eingeführt.


Bildung, Unterricht und Wohlthätigkeits-Anstalten.
Eßlingen brachte weder viele Gelehrte noch Künstler hervor, von letztern sind nur Böblinger und seine Söhne zu erwähnen, von erstern Johannes Crydwiß (Kreideweiß), Rector der hohen Schule zu Padua um 1455 (Denis Codd. Mss. theol. Vind. II, 1, col. 774 Facciolati Fasti gymn. Patav. I, 11.); Peter Kese (Keß) ordinis Herimitarum professus, Professor in Leipzig im 15. Jahrhundert (Wimpina, ed. 1839), Michael Helding, genannt Sidonius, zuletzt Bischoff von Merseburg, einer der Verfasser des Interims (geb. 1506, gest. 1560), der Augustiner-Mönch Michael Stiefel, der wegen seiner Anhänglichkeit an die Reformation die Stadt verlassen mußte (geb. 1487, gest. 1567), der gelehrte Orientalist Georg Weiganmeir, Professor in Tübingen (geb. 1555, gest. 1599), Johann Datt, der Verfasser des bekannten Werks de pace imperii publica (geb. 1654, gest. 1722) und der als Orientalist und Lehrer der Theologie verdiente Dr. Joh. Christian Fried. Steudel, geb. den 25. October 1779, gest. als erster Professor der Theologie in Tübingen den 24. October 1837. Nächst Ulm war Eßlingen übrigens die erste württembergische Stadt, in der eine Buchdruckerei angelegt wurde, dieß geschah im Jahr 1473 durch Konrad Fyner von Gerhausen, der zuerst mit hebräischer Schrift druckte. Später aber| entbehrte Eßlingen lange Zeit einer Buchdruckerei und nie war mehr als eine in der Stadt; im 18. Jahrhundert bestand eine Zeit lang auch eine Buchhandlung; eine „Reichsstadt Eßlingische Zeitung“ ging schon nach einem halben Jahre wieder ein (1796). Eine Meistersängerschule kommt noch 1594 in Eßlingen vor,[28] sie ging wahrscheinlich während des 30jährigen Kriegs unter. Eine lateinische Schule finden wir schon 1278, nach der Reformation wurde sie verbessert und erhielt eine eigene Ordnung (1548), die 1599 erneut wurde. Jetzt bekam die Anstalt auch drei Klassen und der oberste Lehrer den Rektorstitel, 1656 wurde eine vierte Klasse errichtet, 1664 der Konrektorstitel für den zweiten Lehrer und um die Mitte des 18. Jahrhunderts die Benennung Pädagogium für die Anstalt eingeführt; neue Schulordnungen erschienen 1670, 1679, 1721. Arme Schüler, fremde sowohl als einheimische, gab es auch zu Eßlingen, sie wurden vom Spital gespeist und hießen von den hölzernen Gefäßen, in denen sie ihr Essen hier holten, Häfelensbuben. 1598 stiftete der Rath auf Lukas Osianders Antrag das sogenannte Alumneum oder Collegium Alumnorum zur Bildung von Schullehrern und „zur Aufrichtung und Erhaltung der Kirchenmusik.“[29] In ihm wurden 8 bis 16 junge Leute auf öffentliche Kosten unterhalten und gebildet, sie mußten sich bei der Kirchenmusik, zur Aushülfe beim Pädagogium und auch zu Privatlektionen brauchen lassen. Da während des 30jährigen Krieges diese Anstalt zerfiel, stellte sie der Bürgermeister Wagner 1658 wieder her, 1810 wurde sie aufgehoben und ihr Fond dem neuerrichteten Schullehrerseminar zugetheilt (S. Keller, das Jubiläum der 300jährigen Stiftung des Collegii Alumnorum 1798, Schwäbische Chronik 1788 S. 256 ff.).| Eine eigene Mädchenschule errichtete man 1538, Knabenschulen waren es drei, eine Schulordnung erhielten sie 1580. Ein „adeliches Contubernium,“ auch Ritterakademie genannt, zur Erziehung von Edelleuten, eröffnete 1726 M. Christian Carl Müller, es ging aber schon 1733 wieder ein. Die Oberaufsicht über alle Bildungsanstalten führte das Scholarchat.

Ärzte werden seit 1272 in Eßlingen erwähnt, 1413 kommt der erste Stadtarzt vor (welches Amt im Jahr 1449 der berühmte Schriftsteller Heinrich Steinhöwel aus Weil der Stadt bekleidete), seit 1521 waren es deren zwei, 1748 aber wurde die Zahl wieder auf einen beschränkt; ein Stadtwundarzt wurde 1502 angestellt, sie und die übrigen praktischen Ärzte zusammen bildeten das Collegium medicum. Die Barbiere und Bader erhielten 1435, 1478, 1579, 1628 und 1679 eigene Ordnungen. Im 15. Jahrhundert gab es zu Eßlingen 6 Badstuben, sie gingen aber nach und nach im 16. und 17. Jahrhundert ein, dafür nahm 1562 das Ilgenbad seinen Anfang (s. oben). Geschworene Hebammen gab es schon im 15. Jahrhundert, ein Apotheker wird 1300 genannt, 1515 wurde eine zweite und 1635 eine dritte Apotheke errichtet. Apotheker-Taxen kamen 1510 und 1550, Apotheker-Ordnungen 1632, 1641, 1665 und 1677 heraus. Bei ansteckenden Krankheiten machte man gewöhnlich „Ordnungen der sterbenden Läufe halber“ bekannt.

Es fehlte zu Eßlingen weder an Wohlthätigkeitsanstalten, noch an Stiftungen für Arme, Nothleidende u. s. w., es gab ein Holz-, Licht-, Brod-, Schuh-, Tuch-Almosen, Stiftungen zu Salz und Mehl, zu Arzneien, zum Schulgeld, zu Winterstrümpfen, zur Erlernung von Handwerken für Arme, Stiftungen für Studirende u. s. w.; eine der ältesten ist die zum Unterhalt eines Todtengräbers von 1344. Die Aufsicht über diese Stiftungen und über das Armenwesen führte die Armenkastenverwaltung, zur Verwaltung des Almosens bestand eine Almosendeputation. Allein durch gewissenlose und nachläßige Verwaltung nahm der so reiche Fond der Stiftungen immer mehr ab. Ein Haus für Aussätzige in der Stadt kommt 1280 vor, seit 1331 aber das „Ussessetzelhaus“ bei Mettingen, später Sondersiechenhaus genannt, 1449 von den Württembergern verbrannt, wieder hergestellt und 1535 von Grund aus neu aufgebaut und mit einer eigenen Ordnung versehen. Es ist nun schon längst Privateigenthum. Conrad Lehmann schenkte 1411 dem Spital ein Haus zu einem Seel- und Siechenhaus und zur Elendenherberge, dieses brannte 1574 ab, wurde wieder aufgebaut, erhielt 1575 eine eigene Ordnung, ist aber auch längst eingegangen, eben so wie das zur Aufnahme venerischer Kranken zu Ende des 15. Jahrhunderts errichtete Warzenhaus. Zur Aufbewahrung von| Geisteskranken waren etliche „wohlgeordnete und gebaute“ Gemächer im Spital bestimmt, arme verwaiste Kinder aber wurden in das Fundenkinderhaus aufgenommen, das man nach der Reformation ins St. Clara-Kloster, dann 1564 ins Prediger-Kloster verlegte und 1745 in ein Waisen-, Zucht- und Arbeitshaus verwandelte; 1812 machte man daraus ein Arbeitshaus für sechs Oberämter, 1822 eines für den ganzen Neckarkreis, 1824 ein Polizeihaus, und hob es im December 1825 ganz auf. Über das Feldsiechenhaus s. Ober-Eßlingen.

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Der Spital wurde kurz vor 1233 gegründet, am 12. Junius dieses Jahrs bestätigte ihn Papst Gregor IX., nahm Meister und Brüder desselben nebst ihrem Eigenthum in Schutz und verhieß allen Gönnern der Anstalt die Theilnahme an den sämmtlichen Wohlthaten, welche die heilige Kirche gewährt; den 24. März 1238 verlieh er dem Spital eine zweite Bulle gleichen Inhalts, und von dem Kardinal Hugo (1253), den Bischöfen von Constanz und Eichstädt erhielt er Ablaßbriefe; Dekan, Schultheiß und alle Bürger in Eßlingen aber verliehen ihm einen Sammelbrief. Papst Paul II. bestätigte 1466 die Freiheiten und Vorrechte des Spitals und dessen Güter, dasselbe that 1489 Papst Innocenz VIII., indem er ihm zugleich die Pfarrkirchen in Möhringen, Unterboihingen und Deizisau einverleibte, was 1489 die Kardinäle, 1494 und 1495 der Bischof von Constanz bestätigten, 1502 verlieh der päpstliche Nuncius Rainer all seinen Wohlthätern 100tägigen Ablaß. Mit solchen Gnadenbriefen versehen und durch die Wohlthätigkeit der Eßlinger und Fremder reichlich unterstützt, kam der Hospital schnell zu trefflichem Gedeihen und hatte zu Ende des 15. Jahrhunderts schon ansehnliche Besitzungen, Möhringen, Deizisau, Vaihingen, halb Plochingen, den Hohenheimer Hof und Grundstücke, Gülten und Zehenten in fast anderthalbhundert fremden Ortschaften. Er hatte aber auch manche Drangsale auszustehen, manchen Streit mit Fürsten, Adelichen und Privatpersonen; Güter und Einkünfte wurden ihm vorenthalten und seine Besitzungen verheert, so daß schon 1503 über die Abnahme seines Wohlstandes geklagt wird. Seine Bewohner, die Spital-Brüder und Schwestern, standen unter einem Meister und einer Meisterin, sie bekamen 1247 die Ordensregel des heil. Augustins, und 1318 erlaubte ihnen der Bischof von Constanz, dasselbe Zeichen auf ihrem Oberkleide zu tragen, wie die Brüder des Spitals auf dem Berge Sinai, wo die Gebeine seiner Schutzheiligen, Katharina, ruhten, nämlich ein Rad mit rothen Speichen und fünf schwarze Punkte, was nun auch Spitalswappen wurde. Neben den Brüdern und Schwestern wohnten auch Pfründner darin, welche sich theils einkauften, theils unentgeltlich aufgenommen wurden. Die älteste| Spitalordnung ist aus dem 15. Jahrhundert. Mit der Reformation hörte die geistliche Oberherrschaft des Bischofs von Constanz über den Spital auf, er bekam durch Einziehung der Klöster einen Zuwachs von Gütern und Einkünften, mußte aber zugleich auch neue Leistungen übernehmen. Sein Oberherr war jetzt der Rath, der zweite Bürgermeister als Spitalvogt und ein Geheimer als Spitalpfleger führten die Aufsicht über ihn, Oberbeamte waren der Spitalmeister und Spitalverwalter, außer ihnen waren ein Gegenschreiber, Hausmeister, Küchenmeister, Kasten- und Futtermeister, Kellermeister, Stadt- und Landzinser, viele Diener und anderes Gesinde da; auch hatte der Spital seinen eigenen Marstall. In den Spitalorten waren Schultheißen, eine Zeitlang auch ein Amtmann, auf den Höfen Hofmeister. Diese zahlreiche Dienerschaft aber, die unaufhörlichen Anforderungen der Stadt an ihn, die übertriebene Meinung, die man von seinen unerschöpflichen Hülfsquellen hegte, die verschwenderische Haushaltung, gewissenlose und untreue Beamte, Kriege und andere Unglücksfälle zerrütteten nach und nach seinen Wohlstand ganz, obwohl man von Zeit zu Zeit seinen Zustand untersuchen ließ, Verbesserungen einführte und eine Menge Verordnungen seinetwegen erließ. Schon 1627 hatte er 103.456 fl. Schulden, 1704 mußte er eine Forderung von 93.372 fl., 1711 von 20.205 fl. an die Stadtkasse schwinden lassen und 1728 hatte er an sie 509.861 fl. zu fordern, seine Ausgaben übertrafen die Einnahmen damals jährlich um 5900 fl., seine Schulden waren auf 180.015 fl. gestiegen. Später erholte er sich zwar wieder etwas, allein der französische Revolutionskrieg verschlimmerte seinen Zustand von Neuem und 1802 hatte er wieder 128.000 fl. Schulden. In Folge der Besitzergreifung von Eßlingen durch Württemberg sollte der Spital als ein ursprünglich geistliches Stift nach §. 35 des R.-D.-Schlusses incamerirt werden. Man stand jedoch hievon ab, entzog aber demselben nicht nur seine Hoheitsgefälle, sondern auch einen ansehnlichen Theil seines Grundeigenthums und seiner gutsherrlichen Revenüen, zusammen im jährlichen Betrage von 10.377 fl. Zugleich wurden von der städtischen Schuldenmasse 100.000 fl. auf den Hospital überwälzt. So sah sich dieser zur Erfüllung seiner fundationsmäßigen Bestimmung außer Stand gesetzt, und erlitt in der Folge ein jährliches Deficit von c. 9000 fl. Den 12. Juni 1823 kam endlich zwischen der Staatsfinanz-Verwaltung und dem Hospital ein Entschädigungs-Vergleich zu Stande, wonach für die entzogenen Realitäten und Domanialgefälle ein Waldareal von 500 M. (im Rev. Plochingen) von c. 1000 fl. jährl. Ertrag, und eine Grundrente von 4500 fl. in Zehenten, Gülten und Küchengefällen (in Berkheim, Deizisau, Möhringen, Ruith und Vaihingen) vom Staatsgut dem Hospital| abgetreten wurde. – Den 16. Juni 1823 wurde der Hospital mit der geistlichen Verwaltung in Eine Administration vereinigt, s. oben. Inzwischen hat sich das Stiftungsvermögen durch zweckmäßige Verwaltung zu dem oben dargestellten günstigen Verhältnisse gehoben.

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Die Reformation machte Michael Stiefel zuerst in Eßlingen bekannt, und der von ihm ausgestreute Samen ging, als er entfliehen mußte, nicht zu Grund, vielmehr nahm die Zahl der Anhänger der Reformation immer mehr zu; in den Weilern aber fand auch die Lehre der Wiedertäufer, trotz allen Verfolgungen, starken Eingang und erhielt sich hier während des ganzen 16. Jahrhunderts. Dem immer ungestümeren Verlangen der Bürger nach Einführung der neuen Lehre aber widerstand der Rath lange, weil sein Haupt, der Bürgermeister Holdermann, der eifrigste Gegner dieser Lehre war. Endlich aber gewann die protestantische Partei, den Stadtschreiber Machtolf an ihrer Spitze, die Oberhand, Ambrosius Blaurer von Constanz wurde berufen (September 1531) und führte die Reformation ein, für welche bei einer bei der Bürgerschaft angestellten Umfrage sich bei weitem die meisten erklärten. Vergebens protestirten die katholischen Geistlichen und das Domkapitel Speyer, vergebens mahnte der Bischof von Constanz ab und auch die österreichische Regierung in Württemberg suchte eben so erfolglos die Sache zu hintertreiben. Messe und andere Ceremonien wurden abgethan, die Bilder aus den Kirchen weggenommen, wobei es ohne Bilderstürmerei nicht abging; die Klosterpersonen, welche nicht austreten wollten, wurden zusammen ins Barfüßer-Kloster untergebracht. Auch trat die Stadt im September 1531 dem schmalkaldischen Bunde bei. Durch Gesetze und Verordnungen suchte man die neue Lehre zu befestigen, 1533 ward eine Ordnung des Gottesdienstes, 1534 eine Kirchenordnung bekannt gemacht. Anfangs schwankten die Eßlinger zwischen Zwingli und Luther, ein Schreiben des letztern aber (4. Oct. 1535) entschied, die Stadt trat nun auch der württembergischen Konkordia bei (1536). Die Klöster bekamen besondere Pfleger, das gesammte übrige Kirchengut wurde mit den Gütern und Einkünften den frommen und wohlthätigen Stiftungen im „gemeinen Kirchen- und Armenkasten“ vereint. Am schmalkaldischen Kriege 1546 nahm auch Eßlingen Theil, mußte dafür aber auch durch Einquartierung spanischer Truppen, durch Lieferungen und durch Bezahlung von Strafgeldern, im Betrag von mehr als 60.000 fl. (40.000 fl. dem Kaiser, 13.000 seinem Bruder Ferdinand u. s. w.) büßen, 1552 aber an die wider den Kaiser verbündeten Fürsten sich anschließen und ihnen 11.000 fl. zahlen. Auch das Interim (1548) anzunehmen, zwang der Kaiser, der deßwegen im August 1548 selbst nach Eßlingen kam, die Stadt, und die Katholischgesinnten,| den Bürgermeister Anton Fleiner an ihrer Spitze, wußten es bis 1566 zu erhalten, während schon längst wieder auch der protestantische Gottesdienst eingeführt war. Nun kaufte der Spital auch das Carmeliterkloster um 2000 fl. (1556) und das Predigerkloster um 4800 fl. (1564) an sich, das Barfüßerkloster zog er ein, nachdem 1560 der letzte Mönch darin gestorben war, die Nonnen von Sirnau hatten schon 1525, die von St. Clara 1536 ihre Klöster freiwillig übergeben und das Augustinerkloster war 1532 nach Entweichung des Priors besetzt worden. Die Konkordienformel nahm die Stadt erst 1579 auf wiederholte Bemühungen Herzogs Ludwig v. Württemberg an und befahl 1614, daß künftig jeder, der als Geistlicher angestellt werden wollte, sie unterschreiben müsse. Man führte 1680 die Katechismuslehre, 1723 die Konfirmation ein, 1703 wurde eine neue Kirchenordnung, 1691 eine Kirchen-Censur und 1709 ein Kirchenedikt bekannt gemacht, auch erschienen sonst noch viele Verordnungen, welche den Gottesdienst und andere kirchlichen Angelegenheiten betrafen. Von Religionsstreitigkeiten waren die wegen des Separatismus und Pietismus, die von 1703 bis 1709 dauerten, die bedeutendsten. Oberste Kirchenbehörde war das Konsistorium, zu dem zwei Bürgermeister, zwei Geheime, zwei Konsulenten, der Oberpfarrer, der Kanzleidirektor, Spital- und Kastenpfleger gehörten; der Oberpfarrer, Kastenpfleger und der ältere Konsulent bildeten das Kirchencensur-Kollegium. Die Kirchen- und Armenkasten-Verwaltung bestand aus zwei Pflegern und einem Verwalter nebst mehreren Unterbeamten und Dienern, auch hier aber ging es wie beim Spital, verschwenderische Haushaltung und gewissenlose Beamte brachten den Kasten in einen immer schlechteren Zustand, sein Grundvermögen nahm ab, die Ausgaben übertrafen die Einnahmen und die Schuldenlast stieg bis auf 60.000 fl. Das Haupt der Geistlichkeit hieß bis 1699 Superintendent, von da an Senior, und führte die Aufsicht auch über die Geistlichen in den Spitalorten. Neben ihm waren in der Stadt vier Diaconen, deren einer zugleich Spitalprediger war, angestellt, die 1678 geschaffene Stelle eines fünften Diaconus aber ging schon 1696 wieder ein, dagegen war in den letztern Zeiten gewöhnlich noch ein Stadtvikar da. Gottesdienst wurde in der Pfarrkirche, der Frauenkirche, der Barfüßer- und Predigerkirche (hier erst seit 1665 wieder) gehalten. Die fremden Klosterhöfe bestanden auch nach der Reformation fort. Neben dem Adelberger, Bebenhäuser, Blaubeurer und Denkendorfer, gehörte seit 1682 auch der Salmansweiler Hof Württemberg, das hier seine Pfleger und wegen der Gerichtsbarkeit, der Steuern und anderer Beiträge häufig Streitigkeiten mit der Stadt hatte. Mit den katholischen Pfleghöfen aber, dem Constanzer, Fürstenfelder und| Kaisersheimer, gab es vornehmlich wegen Ausübung des katholischen Gottesdienstes viel zu verhandeln, wobei man sich hierorts nicht immer vom Geist der Toleranz leiten ließ.


Merkwürdigste Schicksale der Stadt.[30]
Während der letzten Zeiten des Mittelalters war auch Eßlingens Blüthezeit; im Bunde mit den andern Reichsstädten kämpfte es mit Erfolg gegen die Fürsten und spielte unter seinen Schwesterstädten in Schwaben eine wichtige Rolle. Seit der Reformation aber und mehr noch seit dem 30jährigen Kriege wurde es ganz machtlos, wie es sich besonders in den Verhandlungen mit Württemberg zeigte, wo die Stadt am Ende stets nachgeben und sich manche Beschränkung ihrer Unabhängigkeit, manchen Eingriff in ihre Rechte gefallen lassen mußte. Mit Württemberg kam Eßlingen überhaupt vermöge seiner Lage am häufigsten und zwar gar oft in feindselige Berührung, und selbst seit es sich in dessen Schutz und Schirm begeben hatte, fehlte es nicht an Streitigkeiten mancherlei Art, selbst nicht an Feindseligkeiten zwischen beiden Staaten. Früher freilich waren diese noch häufiger; nach der kurzen Fehde von 1281 kam der längere Krieg von 1311 bis 1316, den Eßlingen hauptsächlich im Namen des Reichs gegen den geächteten Grafen Eberhard den Erlauchten führte, die Burgen Württemberg und Beutelspach, nebst dem dortigen Stifte, und noch mehrere andere zerstörte, viele Ortschaften eroberte und den Grafen in große Noth brachte. Im Sommer 1316 belagerte König Friedrich die Stadt. [31] König Ludwig eilte ihr zu Hülfe und am 21. September kam es im Neckar zu einem nicht entscheidenden Treffen. Durch den Vertrag vom 20. Decbr. 1316 wurde der Frieden zwischen Eßlingen und Württemberg wieder hergestellt. Als im December 1359 Kaiser Karl IV. eine Fürstenversammlung in der Stadt hielt, empörten sich die Bürger und zwangen den Kaiser zur Flucht, dafür aber mußte die Stadt 100.000 fl. zahlen, 1360 aber standen sie dem Kaiser gegen die Grafen von Württemberg bei, mit denen sie erst am 20. August 1361 wieder ausgesöhnt wurden. An dem hierauf folgenden großen Städtekrieg (1372–1389) nahm auch Eßlingen eifrig Antheil, 1377 verheerte| es das württemb. Gebiet, den 22. Julius 1389 aber schloß es mit Württemberg Frieden. Im November 1373 hielt die schwäbische Ritterschaft zu Eßlingen ein stattliches Turnier. Im 15. Jahrhundert gestalteten sich die Verhältnisse zwischen Württemberg und Eßlingen freundlicher, bis 1449 der verheerende Krieg der Stadt mit dem Grafen Ulrich dem Vielgeliebten ausbrach, worin Eßlingen einigemal belagert, sein Gebiet gänzlich verwüstet und den 3. Nov. 1449 seine und seiner Bundesgenossen Schaaren auf der Blienshalde geschlagen wurden. Erst 1454 wurden beide Theile völlig ausgesöhnt. Den 31. Decbr. 1472 wurde der sogenannte Trierische Vertrag geschlossen, durch welchen Graf Ulrich für 1000 fl. die Güter und Einkünfte der Eßlinger in seinem Gebiet von allen Abgaben und Diensten befreite. Am 19. Februar 1488 aber kam in Eßlingen der schwäbische Bund zu Stande, dessen Archiv in dieser Stadt aufbewahrt und wo auch abwechselnd mit Ulm die Bundestage gehalten wurden. Am Krieg dieses Bundes gegen Herzog Ulrich 1519 nahm auch Eßlingen Theil und im September belagerte der Herzog die Stadt, mußte aber bald wieder abziehen. Im Bauernkrieg 1525 blieb es zu Eßlingen ruhig, da der Rath sowohl eine Aufforderung der Bauern als ihren Angriff entschlossen zurückwies. In langwierige Streitigkeiten mit Württemberg gerieth Eßlingen 1540, ihre Folge war eine Sperre, die mit wenig Unterbrechungen von 1541 bis 1557 dauerte, in welchem Jahr endlich der Streit durch den Rastatter Vertrag (11. November) beigelegt wurde. Auch später gabs zwischen Württemberg und Eßlingen noch manchmal Streit, der Schirm wurde nochmals aufgekündet, die Sperre auch einigemal erneut, da aber Eßlingen im Gefühl seiner Schwäche zuletzt immer nachgab, so kam es nie mehr zu wirklichen Feindseligkeiten. In den Jahren 1566 und 1571 wurde die Universität Tübingen der Pest wegen auf einige Zeit nach Eßlingen verlegt. Den 9. Mai 1590 wurden viele Zwistigkeiten zwischen Württemberg und Eßlingen durch den sogenannten großen Vertrag beigelegt. Der evangelischen Union trat Eßlingen erst 1615 bei, und auch ihm schlug, wie andern deutschen Reichsständen, der 30jährige Krieg schwere Wunden. Schon 1619 begannen seine Kriegsbeschwerden, 1621 ff. litt die Stadt durch das Unwesen der Kipper und Wipper, 1628 kamen die ersten Quartiere und auf sie 1629 das Restitutionsedikt, welches die Stadt sogar mit dem Verlust des Spitals bedrohte. Zwar schenkte ihr den 4. Mai 1632 der König von Schweden den Kirchensatz, Zehnten und sämmtliche katholische Klosterhöfe in der Stadt, allein die Freude darüber war von kurzer Dauer, 1634 ging nun das Elend erst recht an, Einquartierungen, durch die Zügellosigkeit der Soldaten noch drückender gemacht, und Durchmärsche, Lieferungen| und Kontributionen erschöpften die Stadt, welche 1635 den Prager Frieden ebenfalls annahm, aufs Äußerste, und erst der westphälische Frieden machte ihren Drangsalen ein Ende; der Schaden aber belief sich auf mehrere Millionen Gulden. In den Jahren 1662 bis 1665 wurden in Eßlingen merkwürdige Hexenprocesse geführt, gegen 200 Personen verhaftet und 31 hingerichtet. Neue Beschwerden brachten die französischen Kriege, 1688 kostete der Einfall Melacs [32] die Stadt ihr Zeughaus und im Ganzen 253.076 fl., der zweite Einfall der Franzosen 1693 aber 189.552 fl. und der dritte 1707 50.000 fl. Seitdem blieb die Stadt von Kriegsbeschwerden und feindlichen Einfällen verschont, bis der französische Revolutionskrieg ausbrach. Schon 1790 begannen die Truppendurchmärsche und Quartiere, 1794 kam eine kaiserliche Gewehrfabrik, 1795 ein Artillerie-Park in die Stadt; am 21. Junius 1796 aber, während der Schlacht bei Canstatt, wurde auch um Eßlingen heftig gekämpft und am nächsten Morgen zogen die Franzosen in die Stadt ein, jetzt gabs neben den Durchmärschen und Quartieren auch Requisitionen von mancherlei Art, und Eßlingen mußte den Frieden mit Frankreich mit 120.000 fl. erkaufen. Als aber die Franzosen nach kurzer Zeit wiederkehrten, wollten sie den Frieden nicht mehr anerkennen, und nur mit Mühe vermochte es die Stadt endlich dahin zu bringen, daß sie keine neue Kontribution zahlen durfte, mit Naturallieferungen aber wurde sie nicht verschont, und so dauerten die Kriegsbeschwerden bis 1801 fort.

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Die letzten Zeiten der Unabhängigkeit Eßlingens trübten auch noch innere Zwistigkeiten. Seit längerer Zeit nämlich herrschte Unzufriedenheit über den Rath und seine Verwaltung der Stadt, welche sich in Schmähreden nicht nur, sondern auch in Schmähschriften stark äußerte. Endlich übergaben den 10. September 1789 etliche Bürger beim Reichshofrath eine Klagschrift gegen den Rath und wußten ihre Sache so geschickt zu betreiben, daß sie gegründete Aussicht hatten, ihren Proceß zu gewinnen, und der Rath selbst, der Anfangs mit großer Strenge wider die Urheber jener Klagschrift zu verfahren entschlossen war, nachgab und sogar die Einrichtung eines „bürgerlichen Syndikats“ gestattete (April 1793). Da jedoch die Syndikatsdeputirten einige unvorsichtige Schritte thaten, so| gelang es dem Rath, sie als Revolutionäre und Anhänger der Franzosen zu verdächtigen, und nun nahm der Proceß eine für die Bürgerschaft schlimme Wendung, die Syndikatsdeputirten wurden abgesetzt und zur Verantwortung gezogen, der Proceß beim Reichshofrath jedoch nahm erst mit der Reichsunmittelbarkeit der Stadt ein Ende. Sie wurde durch den Lüneviller Frieden als Entschädigung dem Hause Württemberg zugetheilt und im November 1802 von diesem in Besitz genommen.[33] Eßlingen erhielt nun eine Municipalverfassung (21. Julius 1803) und wurde der Sitz eines zur neuwürttembergischen Landvogtei Ellwangen gehörigen Oberamts, zu dem außer der Stadt und den Weilern auch Möhringen, Vaihingen und Deizisau gehörten. Bei der neuen Eintheilung des Landes 1806 kam das Oberamt Eßlingen zum Kreis Stuttgart, 1810 zur Landvogtei Rothenberg, 1817 zum Neckarkreis.

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Bedeutende ansteckende Krankheiten herrschten zu Eßlingen 1349 der schwarze Tod, 1502, 1529 der englische Schweiß, 1541, 1634 und 1635, wo 9000 Menschen starben, 1709, 1724 die Kindsblattern. Die bedeutendsten Feuersbrünste waren den 25. Oktobr. 1701, wo innerhalb 36 Stunden 200 Gebäude, darunter das Rathhaus und sechs Zunfthäuser abbrannten, und den 30. Novbr. 1742, wo 17 Gebäude abbrannten. Große Theurung herrschte 1372, 1413, 1485, 1517, 1530, 1662, 1770 bis 1771, 1816 bis 1817. Verheerende Überschwemmungen gab es 15. Junius 1529, 13. Jan. und 21. Juni 1560, 6. und 7. Jan. 1651, 6. Aug. 1661, im Mai 1686 und 1698,| 1. Juni 1738. 9. Juli 1741, 22. Juni 1744, 14. Juni 1754, 25. Oktbr. 1776, im Mai 1801, 27. Mai 1817 und 29. 30. Oktober 1824.


Die Filialien.

Die Stadt ist von allen Seiten, mit Ausnahme der Südseite, von größeren und kleineren Weilern umgeben, die außer Mettingen, das ein geschlossener Ort ist, aus zerstreuten, auf den Berghöhen und in den Thälern umherliegenden und meistens in Obstwäldern malerisch versteckten Wohnungen von Weingärtnern und Obstzüchtern bestehen. Sie machen mit der Stadt Eine ungetheilte Gemeinde mit gemeinschaftlicher Markung aus, bilden in kirchlicher Beziehung mit der Stadt eine Gesammt-Parochie, und sind (bis jetzt noch) zur Filialistenschule in Eßlingen schulpflichtig. Die fünf Anwaltamts- oder Unter-Schultheißenamts-Bezirke, in welche sie zerfallen, sind sonach dem Stadtschultheißenamt untergeordnet.

In alten Zeiten waren sie nach Weidegerechtigkeiten in Hirtenschaften eingetheilt; man weiß aber nicht anzugeben, wann diese „Bürger vor den Thoren,“ wie sie hießen, das Bürgerrecht erhielten. Bis in das 14. Jahrhundert befanden sich mitten unter diesen Bürgern und bürgerlichen Gütern gar viele Güter und Hintersassen fremder Fürsten und Adeligen, auch mehrerer Klöster; und erst nach und nach erwarb die Stadt das Vogt- und Steuerrecht auch über diese, besonders durch den Vertrag mit Württemberg 1399 (s. OA-Beschr. von Canstatt S. 213), und nun erst konnten sämmtliche Bewohner in das Eßlinger Bürgerrecht aufgenommen werden.

1) Unter-Schultheißenamts-Bezirk Liebersbronn mit 656 ev. Gesammt-Einwohnern.

a) Liebersbronn, auch der vordere Berg genannt, Weiler mit 350 ev. Einw., liegt 3/4 St. östlich von der Stadt sehr hoch, am Südabhang des Waldrückens zwischen dem Hainbach und Haldenbach. Am Südost-Ende des Orts und am Saum des Waldes Braunhalde, ganz auf der Höhe des Gebirgszuges, liegt das Eßlinger Jägerhaus, berühmt wegen seiner unvergleichlichen Aussicht. Es entstand aus einer Holzwartshütte, die 1729 zu besserer Hütung der städtischen Waldungen erbaut, 1773 aber vergrößert und zu einer Försterswohnung eingerichtet wurde.

Liebersbronn (richtiger Lüblersbrunn) hat seinen Namen von der Familie Lübler, die schon 1300 in Eßlingen vorkommt.

b) Kenneburg, Weiler mit 26 ev. Einw. am Hainbach zwischen Liebersbronn und der Stadt, 3/8 St. östlich von dieser, in stiller, ungemein freundlicher Lage. Auf einem Hügelvorsprung rechts über dem Bach lag die „Burg im Hainbach“ (1339 auch der| Berfried genannt) und neben ihr (1388) die Wallfahrtskapelle zu U. L. F. Die Burg gehörte denen von Kirchheim, Teck’schen Lehensleuten. Simon von Kirchheim verkaufte sie sammt Kelter, Wiese, Mühle und andern Zugehörungen 1360 an Hans Ulrich, Bürger in Eßlingen, dem sie die Stadt von Steuern und Diensten freite. Später kam sie auf lange Zeit in den Besitz des Geschlechtes der Kürn und erhielt daher den Namen Kürnenburg, aus welchem der jetzige verderbte Name des Weilers entstanden ist. Sie wurde 1452 in zerfallenem Zustande von Eberhard Kürn verkauft, und kam nach verschiedenem Wechsel der Besitzer 1589 an den Hospital, der sie vollends abbrechen ließ.

In neuester Zeit hat Kenneburg eine namhafte Celebrität durch die 1840 von einer Actien-Gesellschaft hier gegründete Wasserheilanstalt Wilhelmsbrunnen erhalten, welche zunächst des Weilers auf einer kleinen Anhöhe sich befindet. Die oben erwähnten Quellen liefern das ausgezeichnet gute und reine Wasser in das nur einige hundert Schritte vom Ursprung entfernte, in edlem Styl erbaute, wenn gleich einfache Kurhaus, vor welchem in einer Terrassen-Mauer die Douchen angebracht sind. Die Räume für die Badewannen befinden sich in einem unmittelbar mit dem Hause verbundenen Anbau, so daß der Badende auf dem Weg zu und von der Quelle das Haus nicht zu verlassen hat. In die geräumigen Wannen fließt fortwährend das klarste, frischeste Wasser zu. Wenn dieses nicht für die Bäder und Douchen benützt wird, so gelangt es in einen Springbrunnen, der einen dicken Strahl gegen 25″ emportreibt und ein Bassin unterhalb der Terrasse füllt. Die seit drei Jahren gemachten Erfahrungen haben, wenn gleich nicht alle sanguinischen Hoffnungen – so wenig als in andern Heilanstalten – erfüllt werden konnten, doch in der größern Anzahl sehr befriedigende, zum Theil unerwartet glückliche Resultate gegeben, über welche eine eigene Schrift (Über Wasserheilanstalten, Eßlingen 1842) Rechenschaft gegeben hat. [34]

c) Wiflingshausen, auch der hintere Berg genannt, Weiler mit 280 ev. Einw., liegt sehr zerstreut am linken Thalgehänge des Hainbachs. Der Name, früher (1346 ff.) Wülfelingshausen geschrieben, rührt wahrscheinlich auch von einer Familie her, die hier begütert war.

2) Unter-Schultheißenamts-Bezirk Mettingen mit 373 ev. Einw., besteht nur aus dem Weiler (Dorf) dieses Namens, 3/8 St.| westlich von der Stadt am Neckar und an der Straße nach Unter-Türkheim und Canstatt. Der Ort hat eine sehr freundliche, sonnige Lage am Fuß der Neckarhalde mit vorzüglichen Weinbergen, und ein reinliches Aussehen. Es befindet sich hier eine Filialkirche, die ehemalige Kapelle zu U. L. F. (schon 1267 genannt), deren Unterhaltung früher dem Domstift Speyer oblag, jetzt aber auf der Stiftungspflege ruht. Chor und Thurm sind von ansehnlicher Größe und Höhe, letzterer mit vier Eckthürmchen versehen; das Kirchlein selbst aber ist klein und sehr unscheinbar. Dieses Mißverhältniß erklärt sich aus den zerrüttenden Kriegsunruhen, welche den mit Chor und Thurm 1446 angefangenen Kirchenbau unterbrachen, so daß man das aus dem 14. Jahrhundert herrührende Schiff stehen ließ. [35] – Daß Mettingen in früheren Zeiten eine größere Ausdehnung hatte, will man aus Häuserfundamenten schließen, die vor einigen Jahrzehenten in der Richtung gegen Ober-Türkheim aufgegraben wurden. Die erste Nennung des Orts findet man 1261 (Mettingen juxta Esslingen). Die Truchsessen von Urach (1300), die Herren von Rechberg (1337) und das Kloster Salmannsweiler (1267) hatten hier Güter, das Kloster Weil Gefälle und eine Kelter (1493). Das Kloster Edelstetten verkaufte hier ein Haus mit Gütern an einen Bürger 1649. Die Fehden mit Württemberg wurden dem Ort öfters verderblich, zuletzt wurde er von Herzog Ulrich 1519 verbrannt. – Rechts von der Straße nach der Stadt stand das Leprosenhaus, welches in Privatbesitz übergegangen ist. – Der Begräbnißplatz ist außerhalb des Orts gegen Ober-Türkheim.

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3) Unter-Schultheißenamts-Bezirk Rüdern mit 441 ev. Einwohnern, eine kleine Stunde nordwestlich von der Stadt, auf der Höhe des Rückens zwischen dem Guggenthal und dem Beutenbach, der hier entspringt. Das Ganze stellt sich als Ein anmuthiger Obstgarten mit regellos zerstreuten Häusergruppen dar. Eine Filialkirche (Kapelle zur heil. Dreifaltigkeit, 1450), 1805 erneuert, wurde vor einigen Jahren abgebrochen, s. Sulzgries. Rüdern wird 1321 zum erstenmal genannt. Um 1434 hatte das Kloster Pfullingen hier einen Weinberg, den Mönchsacker. – Zwischen hier und Ober-Türkheim, hart über diesem Ort liegt der Ölenberg (Ölberg), mit der oben erwähnten reizenden Aussicht ins Neckarthal und trefflichen Weinbergen. Auf diesem Vorsprung wurde 1574 in Folge testamentarischer Verfügung des Stadtammanns Jost Burkhardt „zu dessen Gedächtniß und gemeiner Stadt zur besondern| Zier ein Lusthäuschen“ erbaut, in Gestalt eines Wartthurms, der noch vorhanden ist und in neuerer Zeit eine Ausbesserung erhalten hat. Das Volk trägt sich mit der Sage von einem Gespenst, das, wenn ein reicher Weinsegen zu erwarten steht, um Mitternacht aus diesem Thurme tritt und schlürfenden Ganges die Runde durch die Weinberge macht, daher der Thurm beim Volk der „Ailenberger Schlurger“ heißt. In älterer Zeit soll hier eine Wallfahrtskapelle gestanden haben.

Auf der höchsten Kuppe der ehemaligen Haide von Rüdern (s. oben) steht die weit umher sichtbare Catharinenlinde auf der Stelle, wohin die Volkssage das Grab der heil. Catharina, der Patronin des Eßlinger Hospitals, verlegt. Ein paar 100 Schritte östlich ist eine zweite Linde gepflanzt worden. Die prachtvolle Rundsicht von diesem Punkte ist nur durch den Stromberg, den Schönbuch und die Alp, östlich auch durch den Schurwald begränzt.

4) Unter-Schultheißenamts-Bezirk Sulzgries, mit 696 ev. Gesammteinwohnern.

a) Sulzgries, Weiler mit 306 ev. Einw., mitten zwischen Rüdern und der Stadt, ebenfalls aus zerstreuten Wohnungen bestehend, mit einer für Rüdern, Sulzgries, Hohen- und Krummenacker gemeinschaftlichen Filialkirche, die 1838 von der Stiftungspflege mit einem Aufwand von 24.000 fl. erbaut wurde. Diese Kirche steht ganz frei, ist hell und geräumig, hat aber kein sehr kirchliches Aussehen. Hinter derselben befindet sich der Begräbnißplatz. Die alte Kapelle zu St. Cosmas und Damian, die schon 1348 erwähnt wird und 1602 erneuert wurde, ist neuerdings abgebrochen worden. Der Ort kommt 1275 zum erstenmal vor. Württemberg und Helfenstein (1354) hatten hier verliehene Güter. Der Name Sulzgries und die 1411 erwähnte Salzackersteig scheinen auf eine jetzt verschwundene salzhaltige Quelle zu deuten.

b) Hohenacker, Weiler mit 102 ev. Einw., vereinzelte Häuser vom Beutauthor bis hinauf nach Sulzgries, zuerst 1358 genannt, auch unter dem Namen „auf dem hohen Acker“ 1447 und 1455 erwähnt,

c) Krummenacker, zerstreuter Weiler zwischen Rüdern, Sulzgries und Serach, mit 288 ev. Einw., kommt 1307 zum erstenmal vor.

5) Unter-Schultheißenamts-Bezirk Wäldenbronn, mit 873 ev. Gesammteinwohnern.

a) Wäldenbronn, Weiler mit 365 ev. Einw., besteht aus zerstreuten Wohnungen, die mannigfaltig gruppirt im stillen, romantischen Thalgrund des Hainbachs liegen. Der Mittelpunkt ist von der Stadt 3/4 Stunden nordnordöstlich entfernt. Wäldenbrunnen ist| eigentlich der Name eines trefflichen Brunnens, der hier in seltener Fülle dem Fuß des Bergabhanges entströmt, und früher der Stadt Eßlingen das Trinkwasser lieferte, s. oben. 1342 erscheint dieser Name zum erstenmal. Sonst war der Name des Orts auch Nieder- oder Unter-Hainbach (1350), oder das Untere Thal (1460).

Im Hainbach“ (auch das Hainbach) ist noch jetzt der allgemeine Name für diesen ganzen Unter-Schultheißenamts-Bezirk und für den von Liebersbronn, welche zusammen auch eine Filialgemeinde mit der Kirche zu St. Bernhard bilden. Zuerst kommt diese Benennung 1251 vor. Markgraf Heinrich von Burgau besaß das Vogtrecht im Hainbach als Reichslehen, verkaufte es aber sammt Gütern 1280 an Heinrich Steinbis, dessen Enkel diesen Besitz 1343 an Eßlingen veräußerte. In demselben Jahr wurde die Stadt von K. Ludwig damit belehnt. So erhielt die Stadt, die schon früher theilweise Besitzerin des Hainbachs war, diesen Distrikt ganz und das Recht, hier einen Schultheißen zu setzen, wie denn 1350 und 1373 welche genannt werden.

b) Oberthal, Weiler mit 175 ev. Einw., ebenfalls zerstreut oberhalb Wäldenbronn im Hainbachthal, wo dieses anfängt, seinen milden und freundlichen Charakter zu verlieren, erscheint unter dem Namen Oberthal seit 1345, früher Ober-Hainbach genannt (1270).

c) St. Bernhard, Weiler mit 198 evang. Einw, unterhalb Wäldenbronn, aus einer Anzahl Häuser bestehend, welche theils im Thal, theils an dessen westlichem Abhang liegen. Auf der Höhe, 1/4 St. nordöstl. über der Stadt, steht die Kirche St. Bernhard zum hohen Kreuz, die Filialkirche für das ganze sog. Hainbach, mit anstoßendem Begräbnißplatz, Meßnerhaus und Zehentscheuer. Sie wird als Kapelle 1388 zuerst genannt. Der hohe Thurm mit weithin sichtbarem Spitzdach ist alt; die im Verhältniß zum Thurm ziemlich kleine Kirche wurde 1774 und 1775 neu erbaut. Eigenthümerin ist die Stiftungspflege.

d) Serach mit Schloß Hohenkreuz, Weiler mit 135 ev. Einw. Vereinzelte Wohnungen auf der Höhe zwischen dem Hainbach und dem Beutauthal und am östlichen Abhang des letzteren machen diesen Weiler aus, der 1257 zuerst als Seherach, später auch als Säherach, erwähnt wird. Die Kürn trugen hier Güter von den Grafen von Hohenberg, in der Folge von Österreich zu Lehen, die 1489 Eberhard Kürn geeignet werden. – Der Graf Alexander von Württemberg richtete hier ein sehr angenehmes Landhaus im Schweizer Geschmack ein, umgeben von schönen Gartenanlagen, die durch einen reichen Blumenflor ausgezeichnet sind.

Unweit der Kirche St. Bernhard liegt das Freiherrl. v. Palmsche Schloß Hohenkreuz, das 1608 zuerst als Eigenthum der| Eßlingen’schen Familie Bonz vorkommt, 1722 aber, nachdem es durch mehrere Hände gegangen war, um 4000 fl. an Jonathan v. Palm verkauft wurde. Die v. Palm’sche Familie erwarb dazu noch einen angemessenen Gütercomplex und das Recht der kleinen Jagd. Übrigens hatte das Gut immer die Eigenschaft eines der Jurisdiction der Stadt untergebenen und dahin steuer- und zehentbaren Privatgutes. Das wohlgebaute Herrschafthaus und verschiedene Ökonomiegebäude schließen zusammen einen geräumigen, viereckigen Hof ein. Man rühmt die musterhafte Bewirthschaftung dieses Landgutes, das auch durch seine freie, reizende Lage große Annehmlichkeit darbietet.

Ein abgegangener Weiler Steinigenhart, so genannt von dem steinigen Gelände oben am Wald, lag oberhalb Serach, und wird 1330 erstmals genannt.

6) Die königliche Hofdomäne Weil, mit 10 Einwohnern, nämlich 5 evangel. Filialisten von Hedelfingen O.A. Canstatt, und 5 kathol. Filialisten von Eßlingen. [36]

Eine halbe Stunde westlich von Eßlingen, in der grünen Thalbucht zwischen dem Fluß und dem bewaldeten Abhang des Neckarthals, wo die liebliche Gegend ihre reizendste Seite dem Auge zuwendet, liegt in friedlicher Stille das ehemalige Dominikaner-Frauenkloster Weil. Diese Staatsdomäne erwarb Se. Majestät der König 1817 gegen Austausch anderer Hofkammerbesitzungen für die k. Hofkammer, um dem in Scharnhausen schon früher angelegten Privatgestüt eine angemessene Ausdehnung zu geben, und zugleich den verödeten Ort in einen freundlichen Landsitz mit einer musterhaften Meierei umzuschaffen. Das Areal des Gutes nimmt theils die Thalfläche, theils den Abhang auf der Mittagseite ein und breitet sich oben auf der Nellinger Höhe aus; es beträgt 8615/8 Morgen, 15,2 R. von welchen 3647/8 37,4 R. auf diesseitiger Markung, die übrigen auf der von Nellingen liegen. Während der früheren Bewirthschaftung des Gutes als einer Staatsdomäne lieferte es wegen seines für die Kultur ungünstigen Bodens einen geringen Ertrag. Bei der neuen Bestimmung, welche demselben| gegeben worden ist, wird ausschließlich auf die Erzeugung von möglichst vielem und gutem Futter und auf Anlegung gesunder und nahrhafter Waiden Rücksicht genommen. Getreidebau findet somit keiner Statt. Die Äcker sind zu Grasland angelegt, die Waldungen zum größten Theile ausgestockt, und nur hie und da einzelne ganz lichte Gruppen stehen gelassen. Der ganze Park ist mit den schönsten Obstbäumen bepflanzt, in Koppeln eingetheilt, und jede derselben mit einem lebendigen Gehäge umgeben. Auch ließen Se. Majestät der König Maulbeer-Pflanzungen in größerer Ausdehnung sowohl in Form von Hecken als mit Hochstämmen und Buschbäumen anlegen, und seit zwei Jahren ausgedehntere Versuche mit Erziehung von Seidenraupen machen, welche ungeachtet der nassen und veränderlichen Witterung, namentlich im heurigen Jahrgange (1844) sehr befriedigende Ergebnisse geliefert haben. [37]

Weil ist für den Haupt-Mutterstutenhof des k. Privatgestüts bestimmt. Hier sind 80–90 Mutterstuten theilweise von orientalischer Race, hauptsächlich aber vom Halbblut-englischen und vom Trakhener Wagenschlag aufgestellt. Der in verschiedenen Gegenden des Orients, besonders aber in Arabien früher aufgekaufte Stamm der edelsten Pferde, hat sich nicht nur vollkommen acclimatisirt, sondern auch Nachkommen geliefert, welche ihre Voreltern sowohl an Körpergröße und Stärke der Knochen, als auch an edeln Formen übertreffen. Mit den Pferden des Wagenschlags wurde durch Paarung unter sich und mit den größten arabischen Hengsten eine namhafte Anzahl edler und guter Wagenpferde gezüchtet. Der ausgebreitete gute Ruf, welchen sich das Gestüt erworben hat, wird durch den Verkauf seiner überzähligen Pferde, welche sich durch edle Formen, guten Gang, Schnelligkeit und Dauer vortheilhaft auszeichnen, und selbst für hohe Summen gerne gekauft werden, jedes Jahr aufs Neue befestigt und erweitert. Eine bedeutende Anzahl Privaten und Landleuten angehöriger Stuten aus der näheren und ferneren Umgegend werden von den Gestüthengsten unentgeltlich bedeckt.

| Im Jahr 1821 ließen Se. Majestät der König einen in Milchnutzung ausgezeichneten Rindviehstamm der holländischen oder friesischen Race in Nordholland aufkaufen und hier aufstellen. Der gegenwärtig aus 85 Stücken bestehende nachgezogene Stand zeichnet sich vor den Originalthieren durch vermehrte Körpergröße, geraderen Rücken, weniger abhängiges Kreuz, überhaupt durch gefälligere Formen aus. Die Race hat sich als sehr milchergiebig erprobt, und wird wohl hierin vor allen anderen den Vorzug behaupten. Dabei ist dieses Vieh sehr wenig Krankheiten unterworfen und hinsichtlich der Qualität des Futters durchaus nicht lecker, hat aber schon wegen seiner Größe eine starke Futterration nöthig. Die Kühe werfen schöne Kälber, welche in der Regel gut gedeihen und vortreffliches Fleisch liefern. Die Ochsen eignen sich gut zum Zug und sind, wie die nicht milchenden Thiere, sehr zum Fett und Fleischansatz geneigt. Viele junge Farren werden jährlich zur Zucht an Privaten und Gemeinden abgegeben.

Die an der Stelle der größtentheils schon früher (s. unten) abgegangenen alten Klostergebäude, neu errichteten Wirthschaftsgebäude sind gefällig, ihren Zwecken in der innern Einrichtung wie im Äußern entsprechend, und es ist nicht zu verkennen, daß hiebei Zweckmäßigkeit mit Solidität und Ökonomie sich vereinigten, um in denselben Muster von landwirthschaftlichen Bauten darzustellen.

In kleiner Entfernung von den Ökonomiegebäuden steht in Mitten angenehmer Anlagen das 1819 und 1820 erbaute königliche Landhaus, ein geschmackvoller Pavillon mit einer Aussicht, welche eine um so trefflichere Wirkung macht, als das Auge von diesem Krümmungspunkt des Neckarthals aus das ganze eben so große als anmuthige Gemälde von den Eßlinger Bergen und den ehrwürdigen Thürmen der Stadt bis hinab nach Canstatt überschaut. Das Gebäude, ein Viereck von 67′ Länge auf jeder Seite, besteht aus einem Erdgeschoß und einem obern Stockwerk, und bietet in seiner angemessenen innern Einrichtung eine Räumlichkeit, die man nach dem äußern Umfang kaum erwarten sollte. Das Erdgeschoß enthält eine Vorhalle, ein Vorzimmer, einen Speisesaal, einen großen Saal in Form einer Galerie und die nöthigen Räume zu ökonomischen Zwecken. Mitten im Gebäude führt eine zierliche Treppe aus Neresheimer Marmor, welche ihr Licht von oben empfängt, nach dem obern Stock, welcher in 4 Eckzimmer, vier dazwischen liegende kleinere Sääle und die erforderlichen Nebenzimmer vertheilt ist. Ein reiner Geschmack hat in Ausschmückung dieser freundlichen Räume Eleganz mit Bequemlichkeit gepaart. Von außen zieht sich ein Bogengang aus Gußeisen um das ganze Gebäude, und über demselben ein ebenfalls eiserner Altan herum.

| Eine neu angelegte Straße windet sich an dem Bergabhang hinauf und führt durch den Park nach dem jenseits der Höhe im Kerschthal liegenden Scharnhausen.


Geschichtliches über das Kloster Weil.
Ums Jahr 1230 tauschten einige Schwestern (conversae) von Eßlingen von dem Probst zu Nellingen gegen den Zehenten aus 9 Jaucharten, 1 Jauchart Bauland in der Absicht ein, auf dieser Stelle (in loco Wilare, Bes. 447) sich klösterlich niederzulassen und eine Kirche zu erbauen. Dieß geschah mit Zustimmung des Bischofs von Constanz, und so entstand das Frauenkloster Weiler (wie statt Weil bis ins 17. Jahrhundert durchgängig geschrieben wird) welches Papst Gregor IX. bestätigte und in seinen Schutz nahm.[38] Im Juni 1240 stellte König Konrad zu Gmünd eine Urkunde aus (Bes. 445), worin er dem Kloster seinen Schutz verspricht und dem Schultheißen zu Eßlingen und dem Vogt auf Achalm anbefiehlt, den Convent in seinem und seines Vaters, des Kaisers Friedrich II. Namen zu schirmen. Die Klosterfrauen, von der Ordensregel des heil. Augustinus, traten in den Dominikaner-Predigerorden und wurden unter die Aufsicht des Priors zu Eßlingen gestellt. Am 1. März 1246 schloßen sie einen Vertrag mit dem Pfarrer in Nellingen, welcher ihnen 14 Jauchart Äcker und Wiesen, ein Gehölz und alle zur Kirche in Nellingen gehörigen Zehenten in Weiler überließ, wogegen sie ihm ein steinernes Haus in Nellingen, zwei Morgen Weingärten und einige Gefälle daselbst abtraten. Diesem Vertrag ertheilte der Bischof von Constanz den 15. März 1246 seine Bestätigung zugleich mit der Erlaubniß einen eigenen Kaplan als Seelsorger des Klosters intra septa sua, zu halten, welchen der Pfarrer zu Nellingen in seinen gottesdienstlichen Verrichtungen nicht hindern solle, wofern die Zahl der beim Kloster befindlichen Häuser nicht vermehrt werde; in diesem Fall sollten dem Pfarrer seine kirchlichen Rechte vorbehalten bleiben. Als noch in demselben Jahre der Vertrag von dem Nachfolger des Pfarrers angefochten wurde, erkaufte der Convent die gänzliche Aufgebung der Ansprüche desselben durch Abtretung des dem Kloster gehörigen Hofes nebst 2 Jauch. Ackers in jeder Zelg zu Nellingen. Ein merkwürdiges Geschenk erhielt das Kloster im Jahr 1248. Margaretha, die Wittwe des Königs Heinrich, hatte dem Dominikaner-Prior in| Eßlingen, Hermann von Würzburg ihre goldene Krone mit der Bestimmung übergeben, sie zu verkaufen und den Erlös unter die Armen zu vertheilen. Der fromme Prior aber wendete die erzielte Summe den Dominikaner-Klöstern Eßlingen, Sirnau und Weil zu. – Eine Kaplaneistiftung Ernsts von Bernhausen und seiner Gattin Adelhaid wird den 13. Juni 1249 von Papst Innocenz IV. bestätigt, welcher auf den 10. April 1250 die Befreiung des Klosters von Entrichtung irgendwelcher Zehnten an Geistliche oder Laien aussprach.

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Die neue Klosterstiftung wurde gleich in den ersten Jahrzehenten ihres Bestehens durch verschiedene Schenkungen und Vergünstigungen emporgebracht. Bertold von Bernhausen vergabte 1255 Äcker, die er suiis laboribus et industria erworben hatte. (A. U.) Albert von Plieningen erließ 1264 dem Kloster eine jährliche Zahlung von 60 Pfd. Hell., und schenkte ihm zwei Weingärten und verschiedene Gülten aus Mühlen und Äckern. Richenza, Gräfin von Löwenstein und Wittwe Bertolds von Neuffen, übergiebt 1291 (Bes. 447 ff.) alle ihre Güter und Rechte in Allmerspach O.A. Backnang, welchen Ort das Kloster in der Folge ganz, mit Obrigkeit, Stab, Grund und Boden besaß. Werner der Kirchherr von Leonberg schenkt 1294 51/2 M. Weinberge u. s. w. Im J. 1303 befreite König Albrecht das Kloster von allen fremden Gerichten außer seiner geistlichen Obrigkeit und dem Schultheißen von Eßlingen, und den 17. Mai 1305 auf einige Zeit von den Steuern, welche sie zugleich mit den Bürgern von Eßlingen zu zahlen hatten (Bes. 451) den 19. Mai 1305 erlaubt der Kaiser den Bau einer Mühle mit drei Gängen am Neckar im sogenannten Buchwag zwischen Weil und Hedelfingen (Bes. 452.). Endlich befreite König Heinrich VII. das Kloster für ewige Zeiten von Steuern, Schatzungen und andern Anforderungen aus allen seinen Gütern, von Zoll, von Lieferung, von Wagen in Kriegen, von Frohnen und andern Diensten, und gebot allen Unterthanen des Reichs, namentlich aber den Eßlingern, das Gotteshaus zu schirmen, was Kaiser Karl IV. den 14. Sept. 1360 bestätigte (Bes. 454 f.). Die Stadt Eßlingen besaß fortwährend die Schirmvogtei über das Kloster und setzte gewöhnlich einen Bürgermeister und ein Rathsmitglied zu Pflegern desselben. Daß Kaiser Karl IV. die Stadt 1359 in Folge des gegen ihn erregten Aufstandes (s. oben) ihres Schirmrechts entsetzt und solches dem Grafen Eberhard von Württemberg übergeben habe, ist eine wahrscheinliche Vermuthung (Cleß II.). Aber eben so wahrscheinlich ist auch daß der Kaiser während seiner im folgenden Jahr geführten Fehde mit Graf Eberhard (württ. Jahrb. 1835 I. S. 179) diesem die Vogtei wieder genommen; denn in der obigen Urk. d. d. Reutlingen| den 14. Sept. 1360 befiehlt er dem Bürgermeister, Rath, und den Bürgern von Eßlingen den Schutz des Klosters ausdrücklich an. Nichtsdestoweniger übte Württemberg hinfort die Schirmsherrlichkeit wenigstens faktisch, weßwegen Weil in den folgenden Kriegen die Feindseligkeit der Eßlinger gleich den württembergischen Ortschaften zu empfinden hatte. Um die Mitte des 15. Jahrhunderts war das Kloster in blühenden Umständen und die Zahl der Conventualinnen war 1362 so angewachsen, daß auf Verlangen des Provinzials ein Maximum von 70 festgesetzt wurde, jedoch mit dem Vorbehalt weitere Personen aufzunehmen, deren Annahme besondern Nutzen, oder deren Abweisung dem Convent Schaden bringen könnte (Bes. 457). Der Städtekrieg 1377 aber brachte die erste große Calamität über Weil, denn nun wurde es von den Eßlingern und Ulmern niedergebrannt (Chron. Denkend. mscr. s. württ. Jahrb. 1835 I. S. 183) und mußte „wegen Armuth, und weil seine Güter stark verwüstet waren“ viele Gefälle und Besitzungen verkaufen. Wenn es sich in der Folge auch wieder erholte, so daß 1448 die Zahl der Nonnen sogar auf 130 gestiegen war, so ist doch seine weitere Geschichte nur die seines Verfalls und seiner Bedrängnisse. Im Kriege mit dem Grafen Ulrich von Württemberg 1449 verbrannten die Eßlinger die Mühle des Klosters, verwüsteten seine Güter, fielen den 15. August über das Gotteshaus selbst her, plünderten die Fahrniß und alle Vorräthe, mißhandelten die Nonnen und steckten endlich die Gebäude in Brand (Cleß III, S. 402). Acht Jahre später, als eine neue Fehde zwischen Württemberg und der Stadt auszubrechen drohte, entflohen die erschreckten Klosterfrauen eilends nach Stuttgart. Durch diese Verheerung wurde der Wohlstand des Klosters tief und auf lange Zeit zerrüttet; 1478 zählte es nur noch 20 Bewohnerinnen, und mußte so viel verpfänden und verkaufen, daß der General des Predigerordens alle solche Veräußerungen von Klostergütern ohne seine besondere Erlaubniß, ernstlich untersagte, Urk. d. d. Cöln, 15. Mai 1464 (Bes. 459). Übrigens ist nicht zu verschweigen, daß der Frauenconvent durch die um jene Zeit sehr zerrüttete Disciplin und mancherlei Ausschweifungen diesen Verfall mitunter selbst verschuldete. [39] Daher nahm Graf Ulrich von Württemberg 1478 eine Reformation| vor, indem er die Priorin Kürn aus Eßlingen absetzte und Nonnen aus einem Straßburger Kloster berief. Ein Vergleich mit Eßlingen vom 6. Mai 1507 beseitigte gewisse Markungsirrungen und befreite das im Stadtgebiet gelegene Klostereigenthum von allen Steuern und Schatzungen. Dieses gute Vernehmen dauerte aber nicht lange. Den 4. April 1519 drangen die Eßlinger als Executoren gegen Herzog Ulrich in das Kloster ein, dessen Bewohnerinnen sich nach Stuttgart geflüchtet hatten, verbrannten die Gebäude, führten über 100 beladene Wagen fort, legten später auch die Mühle des Klosters und dessen Höfe in Scharnhausen, Horw (bei Ruith) und Obereßlingen in Asche, zerstörten den Wehrbau am Neckar, verwüsteten die Waldungen, und entzogen dem Kloster seine Gefälle. [40] Nur mit Hülfe der württembergischen Landschaft vermochte der nun gänzlich verarmte Convent sein Gotteshaus nothdürftig wieder aufzubauen, führte aber beim schwäbischen Bund und bei König Ferdinand vergebliche Entschädigungsklagen gegen Eßlingen.

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In den Kämpfen der Reformation haben diese Frauen von ihrem Standpunkt betrachtet, eine würdige und standhafte Haltung behauptet. Den 24. Juli 1556 wurde ihnen, wie den übrigen unter württembergischem Schirm stehenden Frauenklöstern, der gemessene Befehl ertheilt, ihren Kultus abzuschaffen und die württembergische Reformation und Klosterordnung anzunehmen. Da sie dessen sich weigerten, auch den lutherischen Pfarrer von Heumaden von ihrer Kirchthüre abwiesen, erschien den 19. Nov. 1558 eine fürstliche Commission, welche vorerst mit gütlichem Zuspruch, dann mit Drohungen sie zu bereden suchte, daß sie, wie sich Besold p. 159 ausdrückt, den Apfel anbißen. „Aber sie haben in diesem Gottshaus keine einzige Evam angetroffen.“ Sämmtliche Schwestern, die Priorin Ursula Ehinger aus Ulm an der Spitze, gaben ihre Erklärung dahin ab, daß sie, was die weltliche Verwaltung betreffe, sich gefallen lassen müßten, wie über sie verfügt werde; aber was sie gelobt und gelernt haben, das wollten sie halten und bis in den Tod nicht verlassen. Diese Erklärung wiederholten sie, als den 28. Nov. 1559 eine neue Commission noch ernstlicher als die erste, ihnen zugesetzt hatte. Endlich wurden nach langen Bedrängnissen 1571 den Klosterfrauen, deren noch vier am Leben waren, die Verwaltung des Klostervermögens mit Gewalt abgenommen und einem| besoldeten Klostershofmeister übertragen, die Güter gegen Theilgebühren verliehen, und die Frauen auf ein Leibgeding gesetzt, ihnen jedoch der Aufenthalt im Kloster bis zu ihrem Aussterben gestattet. Noch im J. 1590 hat sich „im Gottshaus die Priorin bei ihrer Religion und Habit befunden.“ [41] (Bes. 263. 270.)

Das Kloster bestand damals, wie ein in Eßlingen noch vorhandenes Gemälde zeigt, neben der Kirche noch aus mehreren mit einer starken Mauer umgebenen Gebäuden, wo nach dem Absterben der Nonnen der Klostershofmeister, ein Jäger und das Meiereipersonal wohnte. Im Februar 1643 aber brannte es ab (Sattl. Herz. VIII. S. 45) und wurde nun nicht mehr völlig hergestellt. Im Julius 1796 während des Treffens zwischen Moreau und dem Erzherzog Karl, richteten die Kanonen der Östreicher das Kloster bis auf wenige Gebäude vollends zu Grunde. Der Sitz des Beamten (des Klostershofmeisters mit dem Stab über das Kloster) wurde jetzt nach Eßlingen verlegt und die Stelle war mit der dortigen Bebenhäuserpflege vereinigt, bis sie 1806 aufgehoben und Weil dem Ober- und Cameralamt Eßlingen zugetheilt wurde. In kirchlicher Beziehung war Weil nach Aufhebung des katholischen Kultus zuerst der Pfarrei Ruith, dann Heumaden zugetheilt, den 17. Juli 1772 aber mit der Parochie Hedelfingen verbunden worden, deren Geistlicher hier alle 14 Tage zu predigen hatte. Die 1796 kläglich verwüstete Klosterkirche wurde zwar einigermaßen wieder eingerichtet, aber die jährlichen Gottesdienste auf 6 Predigten beschränkt, und 1817, da der Kirche eine andere Bestimmung gegeben wurde, ganz eingestellt.

Der 1819 hier entdeckten römischen Straßenüberreste ist oben gedacht worden. Zur Bestätigung ihres römischen Alterthums dient eine bei derselben Gelegenheit aufgefundene Münze des Kaisers Maximin (235–238). Über ein altes Gemälde, auf der einen Seite die Kreuzigung Christi, auf der andern den h. Ludwig mit den Heiligen Thomas de Aquino und Peter von Mailand vorstellend, s. württ. Jahrb. 1819 S. 201 f.



  1. Literatur: Von ältern Beschreibungen der Stadt ist die wichtigste die von Martin Crusius in dessen Chronicon sueviae Paralipomena p. 60 sq. Die beste und ausführlichste der neueren ist: Eßlingen Stadt und Gebiet. Chorographisch und topographisch bearbeitet von J. J. Keller, Conrektor. Mit einem Grundriß der Stadt (von Ernst Stoll). Eßl. 1798. 8. Derselbe Verfasser ließ 1814 auch eine „Geschichte der Stadt Eßlingen“ 8. erscheinen. (Vgl. auch den Abschnitt Eßlingen in Röders Neu-Württemberg.) Schon 1795 kamen heraus: Eberhard Nagels Vermuthungen über den Ursprung der Reichsstadt Eßlingen. 8. Vgl. auch Jäger: Jurist. Magazin Bd. V. und VI. Im Jahr 1840 aber lieferte Dr. Karl Pfaff, Conrekter zu Eßlingen unter dem Titel: „Geschichte der Reichsstadt Eßlingen, nach Archivalurkunden und anderen bewährten Quellen dargestellt etc. Eßl. 1840. 8.“ ein sehr umfassendes und reichhaltiges Werk, wie man wohl von keiner andern Stadt des Landes ein gleich erschöpfendes, namentlich auch hinsichtlich der Kulturgeschichte, aufzuweisen hat. Der Güte des Herrn Verfassers verdanken wir den unten folgenden Abriß der Geschichte der Stadt, wozu die Belege und Beweisstellen in dem genannten Werke enthalten sind. Ein handschriftliches Werk über die Geschichte und Verfassung Eßlingens ist Eberhard Friedrich Eckhards Archivum portabile. 1732 Fol. Von ältern Grundrissen sind in Kupfer gestochen einer von Tobias Meyer 1739 und der oben erwähnte von Ernst Stoll. Ansichten der Stadt sind mehrere vorhanden; am merkwürdigsten ist ein 7′ langes und 5′ hohes Gemälde der Stadt und Umgegend aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts, noch jetzt auf dem Rathhaus befindlich. Die Ansicht von Quaglio wird unten bei der Frauenkirche erwähnt.
  2. Die Zehenten hat die Stiftungspflege (welche das Zehentrecht 1835 acquirirte, s. kirchl. Verhältnisse) gegen eine Geldsumme von 6775 fl. an die Stadtgemeinde auf 25 Jahre verpachtet. Grundherrliche Abgaben lasten auf dem ganzen städtischen Bezirk keine. – Die niedere Jagd auf der Stadtmarkung ist Eigenthum der Stadt und wird verpachtet. Die Fischerei ist zum großen Theil ebenfalls städtisches Eigenthum; ein kleinerer Theil gehört dem Staat und ein noch kleinerer einem Privaten.
  3. Einen unvergleichlichen Überblick genießt man auch von der Höhe der Neckarhalde, wo der Lithographie-Besitzer Schreiber einen artigen, kleinen Pavillon erbaut hat.
  4. Die Stadt mit ihren Vorstädten war in ältern Zeiten wohl befestigt. Unter König Friedrich II. (1212–1250) begann die Ummauerung der eigentlichen Stadt; die der Vorstädte wurde in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts vollendet. Besonders war es König Rudolph, der die Festungswerke der Stadt verstärkte. Die Zahl der Mauerthürme belief sich über 50. Die Stadtmauer war von einem Zwinger, einer starken Vormauer, und einem breiten, tiefen und ausgemauerten Graben umgeben. Mehrere Thore waren mit Vorwerken, und die Neckarinseln mit einem starken Bollwerk versehen. Diese Befestigungsanlagen sollten auf den Befehl des französischen Generals Montelas d. d. Pforzheim, 29. Dec. 1688, binnen 4 Tagen geschleift werden; dieser Befehl aber, mit dessen Ausführung der berüchtigte Melac beauftragt war, wurde wegen des Herannahens der kaiserl. Truppen nur zum Theil vollzogen. Inzwischen sind die Mauern, Vorwerke etc. theils verfallen, theils und hauptsächlich in neuester Zeit abgetragen und die gewonnenen Räume zu Bauplätzen und zur Gartenkultur benutzt. Am meisten hat sich von der Ringmauer und ihren Thürmen bis jetzt noch in der Bliensau erhalten.
  5. Sie war früher von Holz und mit einem Dach versehen. Das letztere erklärt ihren Namen. „Weil die Bedachung bisher ein s. v. Ludernest verursacht und dem Rath den Prospekt das Wasser hinaufgenommen“ lauteten die Motive des Bauamts, als es auf die Veränderung antrug.
  6. Die Gassen waren schon im 15. Jahrhundert gepflastert. Die Beleuchtung wurde seit dem 17. Jahrhundert mittelst Pechpfannen bewerkstelligt, welche an den Häusern befestigt waren. Die Laternen, welche 1761 an deren Stelle traten, kamen später wieder in Abgang und erst vor kurzer Zeit wurde die Beleuchtung der Hauptstraßen wieder eingeführt. – Vernünftigerweise hat die Stadt die Namen der Plätze, Straßen und Gassen, wie sie sich nach und nach von selbst gebildet haben, und seit Jahrhunderten im Munde des Volks leben, nicht mit willkührlichen neuen vertauscht.
  7. Über das Geschichtliche dieses Werkes s. Pfaff: „Der Bau der Frauenkirche in Eßlingen und die Familie Böblinger“ in den württ. Jahrb. 1836 Heft II. S. 177 ff. Eine schöne Ansicht des Thurms zugleich mit einem Theil der alterthümlichen Stadt gibt Quaglio, Denkmäler der Baukunst. Heft 1.
  8. Hans Böblinger wurde (nach 1460) in der Frauenkirche begraben, wo an einer Säule die Worte stehen: „Hier lit begraben Hans Böblinger, Maister dis Hus, des gedenkendt durch Gott.“ Die jetzt ziemlich unleserlich gewordene Grabschrift Mathäus Böblingers befindet sich ebenfalls in der Kirche und lautet:

    O HERE GOT
    ICH BIT DICH
    VM DIN BAR
    MHERCIKAIT

    MATHEVS BEB
    LINGER VON
    ESLINGEN.

  9. Auch besaß der Kanton hier eine nicht unbedeutende Bibliothek, die in der Folge in die Staatsbibliothek nach Stuttgart, zum Theil auch nach Tübingen kam.
  10. Eßlingen ist ein Hauptmarkt für den Obstwein, der wegen seiner Güte besonders hier gesucht wird. Es gibt Leute, welche 50–60 Eimer Obstmost machen, welcher aller in den Keller gelegt, und von da aus verkauft wird. Bronner der Weinb. in Württ. I. S. 193. – Das Obstmosten kam während des 30jährigen Krieges auf, wurde aber anfänglich vom Rathe verboten und mit einer Strafe von 10 fl. belegt als „ein Mißbrauch, den man mit dem von dem lieben Gott zu gedeihlicher Speise, nicht aber zu muthwilligem Vertrinken geordneten Obst triebe“ Pfaff Gesch. S. 660.
  11. Diese Annahme dürfte jedoch zu hoch seyn. Nach einer, übrigens nur „ungefähren niedrigsten Berechnung“ vom Jahr 1844 kommen jährlich zu Markte c. 24.000 St. Kernobstbäume, und 2000 St. Steinobst- und Nußbäume, für welche der Erlös zusammen auf 11.200 fl. angenommen wird.
  12. Quellen zur Kenntniß des Gewerbewesens der Stadt und des Bezirks sind die im Jahr 1835 amtlich erhobenen statistischen Übersichten über den Gewerbestand, nach der Aufnahme für das Gewerbe-Steuerkataster, mit den nachträglichen Anmerkungen vom Jahr 1837 und die aus Anlaß der Gewerbe-Katasterrevision im Jahr 1842 zusammengestellte statistische Übersicht der Fabriken, Manufakturen und Handlungen, deren Mittheilung wir der Gefälligkeit des K. Steuerkollegiums verdanken. Von gedruckten Nachrichten hat man: 1) einen Aufsatz des Prof. Plieninger „die Gewerbs-Industrie in Eßlingen" in dem Corr. Bl. des Ldw. V. 1834. II. S. 56 ff. 2) das interressante und lehrreiche Schriftchen des Eßl. Gewerbevereins: Bericht über die erste Gewerbeausstellung zu Eßlingen im Sept. 1843 nebst einer gewerblichen Statistik der Stadt und des Oberamts. Eßlingen 1844. Es enthält einen bei der Eröffnung der Ausstellung von dem Fabrikanten C. Deffner gehaltenen Vortrag über den gegenwärtigen Zustand der Eßlinger Gewerbe, welchem wir für unsere Darstellung das Wesentliche dankbar entnommen haben.
  13. Die Bliensau-Mühle nebst dazu gehöriger Wasserkraft ist die Stadt unentgeldlich an den Staat für den Fall abzutreten bereit, daß diesem Gebäude die Bestimmung einer Maschinen-Werkstätte für den Eisenbahnbetrieb gegeben werde.
  14. Über die verschiedenen Mühlen gibt Herr Conr. Pfaff folgende geschichtliche Notizen: Mühlen: Die obere Mühle trugen schon 1306 unterm Namen Vogelsangmühle zu Mühlbronnen die Truchlieb von Kaiser und Reich zu Lehen, sie kam von ihnen an verschiedene Familien und wurde nach und nach Eigenthum der Stadt, welche 1339 erstmals einen Antheil daran um 50 Pfd. Heller erkaufte. (A. U.) Neben ihr standen eine Lohmühle, welche 1379 schon abgebrochen war, worauf an ihre Stelle eine Ölmühle kam, die obere Schleifmühle (1422) und die Tuchmacher-Walkmühle. In den neuesten Zeiten wurde sie abgebrochen und an ihrer Stelle die Kunstmühle aufgeführt. Die Olventenmühle beim Miselbronnen (1269) gehörte den v. Hochschliz, die sie von den Grafen von Helfenstein und Hohenberg zu Lehen trugen, der Spital baute 1269 eine andere Mühle neben ihr und kaufte sie von den v. Hochschliz, v. Spät und Kirchheim 1324–1356: seitdem hieß sie Spitalmühle; gegenüber auf dem daher so genannten Lohwasen stand 1457 eine Sägemühle, die vor 1550 einging und schon 1391 die Lohmühle; 1550 wird auch die Papiermühle neben ihr zuerst angeführt, 1556 wurde sie von der Stadt verkauft. Die Spitalmühle kam neuerdings auch in Privatbesitz (des Papierfabrikanten Katz). Im Jahre 1297 erlaubte die Stadt dem Marquard Im Kirchhof, zunächst der Bliensaumauer am Neckar eine dritte Mühle zu bauen, mit der ihn 1299 König Albrecht belehnte; auch diese, die Bliensau-Mühle brachte die Stadt nach und nach an sich. Andere Mühlwerke waren: die schon 1379 abgebrochene den Remsern gehörige Mühle in der obern Beutau, die Kirchgassenmühle auf dem Kesselwasen, welche die von Hochschliz 1279 an Eßlinger Bürger verkauften, sie ging im 16. Jahrhundert ein. Auf dem Kesselwasen standen ferner noch eine Ölmühle 1428, eine Pulver- und Schleifmühle 1528, die man, nachdem sie kurz nacheinander mehrmals aufgeflogen waren, eingehen ließ; eine Würzmühle 1549, eine Gerbe-Walkmühle, eine Sägmühle, welche 1681 die Stadt verkaufte, und 4 Schleifmühlen. Eine neue Pulvermühle, die jetzt aber auch eingegangen ist, wurde im 16. Jahrhundert im Vogelsang erbaut.
  15. Unter diesen erhielt Flaschner Fuchs 1836 eine öffentliche Belobung.
  16. Dieses Hofgut, von welchem die in der Stadt stehenden, früher vom Gesammtpächter zu der als Last auf dem Gute ruhenden, jetzt für jährliche 1255 fl. veraccordirten Faselviehhaltung, benutzten Gebäude schon vor 18 Jahren verkauft wurden, ist in 43 einzelnen Stücken auf den Markungen Eßlingen (825/8 M.), Ober-Eßlingen (2024/8 M.) und Zell (311/8 M.) zerstreut liegend in kleineren Parcellen in der Regel von je 1 M. verpachtet.
  17. Die Vergabung erfolgte aus Veranlassung der Translation der Gebeine König Philipps von Bamberg nach Speier, und diese fand an Weihnachten 1213 statt (Reineri Chronic. Leodiense im Recueil des Histor. des Gaules. 18, 628. Im Juli 1225 bestätigte König Friedrich II. in S. Germano dem Domkapitel in Speier ecclesiam in Ezzelingen dudum predicte majori ecclesie iu deportatione corporis regis Philippi patrui nostri a majestate nostra collatam. Cod. minor Spirens. fol. 57 auf dem Karlsruher Archiv.) – Ecclesia, quae nuncupatur Ezelingen, und ejusdem ecclesiae praelati kommen zwischen 1099 und 1107 vor (Lünig 21, 1296.)
  18. Nach einem 1841 mit dem Stadt- und Stiftungsrath abgeschlossenen Vertrag wurde das Gebäude nebst dem dazu gehörigen Turnplatz und Garten an die Stiftungspflege für 12.000 fl. und gegen Abtretung des Bauplatzes und Gartenraumes für das neue Seminar, überlassen.
  19. Daß in diesem Kloster große Mißbräuche eingerissen haben müssen, ergibt sich aus Corp. Jur. canon. L. I. T. 9. Extrav. comm. de Treuga et pace, wo desselben nicht in Ehren gedacht ist.
  20. Durch den R. Deput. Schluß 1803 kam dieser Pfleghof an Baden, und wurde 1807 mit andern Realitäten von der Krone Württemberg eingetauscht.
  21. Man zeigte darin unter Anderem ein ausgetrocknetes Krokodil, das einst in diesem Keller gehaust haben solle. Pfaff sagt hievon S. 502: „Das vermeinte Krokodil war so ganz zusammengeschrumpft und beschädigt, daß sich nimmer erkennen ließ, was es eigentlich war. Die Sage jedoch, daß es einen Küferknecht verschlang, ist gewiß eine Fabel. Möglich ist, daß ein Spitalbruder oder Pfründner es einst von einer Pilgerfahrt ins Morgenland mitbrachte.“
  22. Eßlinger Familienstiftungen von Dr. Heuglin Pf. a. D. 1. Heft 1844 (noch fehlen zwei Hefte).
  23. Im Jahr 1720 stifteten die Freiherren Jonathan Franz, Johann Heinrich, Franz Gottlieb und Leopold Karl von Palm ein Kapital im ursprünglichen Betrag von 10.000 fl. beim Hospital mit der Bedingung, daß die Zinsen, so fern nicht bedürftige Mitglieder der Familie nähere Ansprüche haben, den Armen der Stadt und der Filialien zu Gut kommen sollen. Seit etwa 80 Jahren wurden die Interessen mit Ausschluß aller anderen Zwecke ganz auf solche Kranke verwendet, welche von anderer Seite her keine Unterstützung anzusprechen hatten. In neuester Zeit aber ist die Verwendung für Krankenunterstützung sehr beschränkt worden.
  24. Im Mai 1562 entdeckte Georg Ziegler in seinem Hof angeblich eine Schwefelquelle, und der Rath richtete eine Badeanstalt, das Ilgen- (Ottilien-) Bad ein, das bald sehr starken Zuspruch erhielt. Man verlegte es 1595 in das Zunfthaus der Tuchmacher; 1597 aber wurde es Privateigenthum, 1707 vergrößert und die Quelle neu gefaßt. Das Collegium medicum in Eßlingen ließ 1745 „eine kurze Beschreibung des sogenannten Ilgenbades“ erscheinen, nach welcher das Wasser ein subtiles acidum und eine kalkartige Erde enthalten sollte. Neuere Untersuchungen zeigten keinen Unterschied von gewöhnlichem Quellwasser, als einen etwas größeren Antheil an Kalkerde.
  25. Odo de Diogilo in Chifflet S. Bernardi genus illustre. S. 55. 56.
  26. Iste Otho villas Esslingen et Reutlingen civilibus libertatibus donavit, quas postea Fridericus muris ac fossatis muniri fecit. Hermannus Gygas [Martinus Minorita] S. 123 ed. Meuschen.
  27. König Rudolf machte sich vielfach um Eßlingen verdient und hielt sich öfters in dieser Stadt auf, die anfänglich auf ihn sehr ungehalten, später aber ihm treu ergeben war. Die Annales Leob. a. 1287 bei Pez I, 859 erzählen eine Anekdote, die beweisen mag, welch ein kecker Geist damals die reichsstädtischen Bürger beseelte. Da einst der König Rudolf in die Stadt kam und das Volk, wie gewöhnlich in Menge sich um ihn drängte, trat ihm ein Eßlinger in den Weg und rief, vor der großen Nase des Königs (regium nasum, qui fuerat aquilinus) könne er nicht vorbei kommen. Der König wandte sich seitwärts und sagte: „Geh immer vorbei, meine Nase soll dir keinen Riegel vorschieben.“ Das Volk lachte den Kerl aus und Rudolf setzte das königliche Wort hinzu: „In einer freien Stadt muß auch Sinn und Rede des Mannes frei seyn.“
  28. Der oben erwähnte, unter dem Namen „der Schulmeister von Eßlingen“ bekannte Minnesänger war vielleicht der Vorsteher einer Schule des Meistergesanges. Er sang in der Zeit des Königs Rudolf, als dessen heftiger Gegner er in den von ihm noch übrigen Liedern auftritt. Seine Poesie ist nicht ohne Geist und Kraft, doch mitunter auch nicht frei von grobsinnlicher Rohheit. Von der Hagen hält ihn für den von Crusius Annal. Suev. III, 150 erwähnten Magister Heinricus, rector scholarum seu doctor puerorum in Ezzelingen der 1280 Schiedsrichter in einem Rechtsstreit war. S. v. d. Hagen Minnesänger IV. S. 448 ff. – Ein bisher unbekannter Dichter ist Dietbrecht, Bürger zu Eßlingen, welcher „manche gute Mähre“ niederschrieb. Er gab auch dem Johannes von Würzburg in lateinischer Sprache den eigenhändig aufgezeichneten Stoff zu dessen Gedicht Wilhelm von Österreich, geschrieben im Jahr 1314 (Haupt, Zeitschrift I. 222).
  29. Der durch seine großen Verdienste um die Kirchenmusik, namentlich Württembergs, ausgezeichnete Justin Heinrich Knecht aus Biberach, († 1816) wurde hier gebildet.
  30. Die Belege zu dem was hier erzählt wird, findet man in Pfaffs Geschichte Eßlingens 1. Buch 2. Abschnitt und 2. Buch 2. Abschnitt.
  31. Celeri accessu Fridericus rex in loco qui cantus Avium (Vogelsang) dicitur castra in suburbio civitatis et diversa instrumenta, ut fluvium Nekarum a suo alveo dividat, elaborat. Sed frustra etc. Johannes Victoriensis bei Böhmer Fontes 1, 387; vgl. auch Pfister 3, 192.
  32. Die bekannte, durch ein Gemälde im ehemaligen Rathhaussaal überlieferte und von Dichtern (Hübner und Tromlitz) verschönerte Sage von dem „Mädchen von Eßlingen“ welches durch seine Hingebung an Melac das Geschick der Einäscherung von seiner Vaterstadt abgewendet haben soll, läuft nach den Rathhaus-Protokollen vom Jahr 1689 auf eine sehr prosaische Geschichte hinaus, wie bei Pfaff S. 860 Anm. des Näheren zu ersehen.
  33. Im Umfang des Eßlingenschen Territoriums lebten bei dem Anfall an Württemberg 10.704 Menschen, und zwar in der Stadt 5207, in den Filialien 1958, im Hospitalischen Gebiet (Möhringen, Vaihingen auf den Fildern, und Deizisau mit Sirnau) 3539. Die Plochinger Unterthanen des Hospitals sind hier nicht gezählt, weil Württemberg daselbst die hohe Obrigkeit hatte. – Die Organisationskommission, welche 1803 das Eigenthum und Einkommen, welches der Stadt verbleiben sollte, von demjenigen ausschied, das für die Herrschaft in Anspruch genommen wurde, verfuhr hiebei nach Grundsätzen, gegen welche die Stadt vergeblich protestirte. Es waren 285.079 fl. Schulden vorhanden, von welchen der Staat nur 30.000 fl. übernahm, dagegen eignete sich dieser von 40.000 fl. städtischen Revenüen beinahe zwei Drittheile zu. Nicht minder übel kam der Spital weg, der 10.377 fl. seiner Einkünfte an den Staat abtreten, und 100.000 fl. Schulden von der Stadt übernehmen mußte. S. oben. Im Jahr 1823 wurde endlich von den städtischen Schulden 104.000 fl. und zwar von der Stadt selbst 90.000 fl. (von Deizisau, Möhringen und Vaihingen 14.000 fl.) vom 1. Juli 1820 an verzinslich auf den Gesammtstaat übernommen. – Noch mag hier die Bemerkung ihren Platz finden, daß die Stadt den letzten schwäbischen Kreistag, der gehalten wurde, 1804 in ihren Mauern sah.
  34. Ein dichterisches Gemälde dieser Anstalt enthalten die „Kenneburg-Lieder von A. E. Magenau.“ Stuttgart 1841. 8.
  35. Die an dem Eingang in die Kirche befindliche Jahreszahl 1443 darf nicht irre machen. S. Keller Geschichte S. 130.
  36. Von Weil in seinem jetzigen Zustande handeln: Memminger in den württ. Jahrbüchern 1819 S. 190 ff. v. Weckherlin im Corr. Bl. des landw. Ver. VII. S. 7 ff. Die Darstellung der gegenwärtigen Verhältnisse des K. Gestüts und der Meierei verdanken wir der gefälligen Mittheilung des Herrn Hof-Cameral-Verwalters Essich. – Das geschichtliche Material findet sich theils bei Besold. Virgg. sacrr. Monimm. p. 444 sq. et pass. Sattler Topogr. S. 89 ff. Cleß Landes- und Kultur-Geschichte III. S. 148 u. a., theils ungedruckt bei Gabelkh. und in Arch. U.
  37. Zu der ehemaligen Markung Weil gehörten Weinberge, jetzt Privateigenthum, welche dem Staat
    pro 1843 065 fl. 56 kr.
    pro 1843/51  026 fl. 32 kr.
    002 fl. 49 kr.
    auf unbest. Zeit 051 fl. 46 kr.
    147 fl. 03 kr.

    Wein-Zehenten entrichten. – Der große, kleine und Heuzehenten ist von der Stiftungspflege Eßlingen der k. Hofkammer gegen ein Geld und Fruchtlocar von 147 fl. und 61 Schffl. 4 Sri. nach R. in mehrjährigen Pacht überlassen.

  38. Nach einer Nachricht in antiqua quadam scriptura bei Bes. 446, ist Weil „von rittermessigen frumen Lütten gestifft, sind Wallen (Pilger) gwest, von Demüetigkeit wegen jhre Namen nicht nennen wellen.“
  39. Die Sinnlichkeit nahm auch hier die Maske eines verliebten Mysticismus an. „Man hat noch eine Sammlung von Nachrichten aus dem Frauenkloster Weil, wo von mehreren Nonnen Ekstasen erzählt werden, in denen ihr Angesicht blühte wie eine Rose, und da sie wieder zu sich selbst kamen, konnten sie sich nicht enthalten und sprachen, ich bin Gottes voll.“ Cleß III. S. 457. nach Arch. Nachr.
  40. In diesem Jahr, nicht 1449, war es, daß die Eßlinger sich auch an geheiligten Gegenständen vergriffen. Unter andern geplünderten oder verderbten Geräthen zählen die Nonnen in ihrer Entschädigungsforderung (A. U.) auch auf: „3 U. L. Frauenbild ist das 1 Vesperbild unser Patronin gewesen. Item 1 Balmessel mit 1 Herrgott.“
  41. Das Kloster besaß Allmerspach mit Obrigkeit, Stab, Grund und Boden (Bes. 135. Das dortige Vogtgericht ist 1562 zum erstenmal von Württemberg besetzt worden); Güter und Gefälle in Eßlingen (wo ein Pfleghof war) und seinen Weilern, Beinstein, Bonlanden, Canstatt, Deizisau, Eltingen, Fellbach, Hedelfingen, Heppach, Kornwestheim, Marbach, Nellingen, Neuhausen, auf den Fildern, Nürtingen, Ober-Eßlingen, Ober-Türkheim, Plieningen, Reichenbach, Ruith, Scharnhausen, Schmiden, Sielmingen, Strümpfelbach, Stuttgart, Tübingen, Uhlbach und Vaihingen auf den Fildern.

Errata

  1. Unter Nachträge und Berichtigungen S. 250 wird ergänzt: die Angabe: „Die Burg war zu keiner Zeit ein Schloß“ ist dahin zu berichtigen, daß wenigstens in der Hohenstaufen-Zeit ein solches dort bestanden haben muß, indem der kaiserliche Vogt seinen Sitz daselbst hatte, S. 139.
  2. Korrigiert nach Beschreibung des Oberamts Nürtingen#Berichtigung: S. 100 der Oberamtsbeschreibung von Eßlingen ist dahin zu berichtigen, daß die Frauen-Kirche in Eßlingen die zweite evangelische Stadtpfarrkirche und, im unbestrittenen Eigenthum der evangelischen Stadtgemeinde, den Katholiken bloß zur Mitbenützung für ihren Gottesdienst eingeräumt ist.
  3. Korrigiert nach Beschreibung des Oberamts Nürtingen#Berichtigung: S. 126 der Oberamtsbeschreibung von Eßlingen ist dahin zu berichtigen, daß die Frauen-Kirche in Eßlingen die zweite evangelische Stadtpfarrkirche und, im unbestrittenen Eigenthum der evangelischen Stadtgemeinde, den Katholiken bloß zur Mitbenützung für ihren Gottesdienst eingeräumt ist.


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