Beschreibung des Oberamts Eßlingen/Kapitel B 13

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13. Steinbach

mit dem Freitagshof, Pfarrdorf mit 787 katholischen und 15 evangelischen Einw. (Filialisten von Wendlingen), 31/4 geom. Stunden (über Plochingen) südöstlich von Eßlingen, 11/4 St. nördlich von Kirchheim, an der Post-Straße, welche diese beiden Städte verbindet und mitten durch das Dorf führt, und an dem von Notzingen herkommenden Boden- oder Steinbach. Der Ort ist etwas unregelmäßig gebaut, aber still und freundlich in einem ziemlich engen Thälchen zwischen Hügeln gelegen.[1]

Grundherr von Steinbach und Patron der Pfarrei ist der Freiherr Jonathan von Palm zu Mühlhausen. Es befindet sich hier ein gutsherrl. Schloß, das von dem Rentbeamten bewohnt wird, doch auch mit Wohngelaß für die Gutsherrschaft versehen ist, die bisweilen Sommers oder im Herbst zur Jagdzeit sich hier aufhält. Das Ökonomiegut begreift 25 M. Gärten und Länder, 100 M. Äcker, 38 M. Wiesen, dazu 256 M. Laubwald. Die vorzügliche Bewirthschaftung dieses Gutes ist für die Bewohner des Orts und der Umgegend ein belehrendes und aufmunterndes Beispiel.

Die Pfarrkirche zum heil. Magnus, im untern Theil des Ortes gelegen, ist ein sehr altes Gebäude, dessen Character aber durch die 1629 vorgenommene Erneuerung verwischt ist; das Innere ist hell, einfach, der Raum aber zu beschränkt. Eine gute neue Orgel hat die Kirche seit Kurzem erhalten. An dieser Kirche stand der verdienstvolle Ober-Kirchenrath Ben. Maria v. Werkmeister eine Zeitlang als Pfarrer; sein Denkstein ziert die südliche Kirchmauer. Die Baulast und die Cultkosten trägt der Heilige, welcher 14.500 fl. Cap. und einige Morgen Güter besitzt. – Auf einer Anhöhe am östlichen Ende des Orts liegt der Begräbnißplatz mit einem Calvarienberg und einer Capelle zur heil. Maria. Diese freundliche Capelle ist 1667 von der Gemeinde und ihrem Pfarrer Menian zum Andenken an die Befreiung von einer Seuche erbaut worden. Ihr Fond, früher bedeutender als der der Pfarrkirche ist 1809 mit dem letzteren vereinigt worden; somit liegt die Erhaltung der Stiftungspflege ob. – Das Pfarrhaus wurde 1756| von der Gutsherrschaft erbaut, und ist auch von dieser im Bau zu erhalten. Im Pfarrgarten, an der Südseite des Hauses, befindet sich ein kleiner Weiher, der Feuersee des Orts, welchen 1472 der Pfarrer Plunkner als Fischteich zur Pfarrei stiftete. Er ist aber verschlammt und zur Besetzung mit Fischen nicht mehr tauglich, da es an Zufluß fehlt. Ein Versuch mit Blutegelzucht mißlang. – Vor der Reformation, deren Einführung die Grundherren und Pf. Dettinger hier verhinderten, gehörte die Pfarrei zum Capitel Kirchheim, nachher zu Neuhausen; jetzt ist sie dem Decanat Stuttgart zugetheilt. Patron ist der Grundherr. Die Katholiken im OABez. Kirchheim sind mit einigen wenigen Ausnahmen ihre Filialisten. – Die Schule hat Einen Lehrer. Seit 1836 besteht auch eine Industrieschule. Im Sommer 1843 ist ein neues sehr geräumiges Schul- und Rathhaus mit einem Kostenanschlag von 13.000 fl. zu bauen angefangen worden. Die Schule verdankt Herrn v. Werkmeister eine Stiftung von 200 fl. zur Anschaffung von Büchern für arme Kinder. Der gegenwärtige Lehrer leitet ein Schulpräparanden-Institut. [2]

Steinbach ist wohl die durch Feudallasten aller Art am meisten gedrückte Gemeinde im Bezirk gewesen, da neben den einzelnen vielen Grund- und Personalabgaben beinahe das sämmtliche Ackerfeld der Markung drei- und viertheilig war. Die Ermahnungen und Belehrungen des vieljährigen Pfarrers Schmid, sein eigenes und das Beispiel der gutsherrlichen Rentbeamtung haben den landwirthschaftlichen Sinn geweckt und gesteigert und hiedurch den Grund zur allmäligen Verbesserung des ganzen Zustandes gelegt. Sie war die erste und lange die einzige Gemeinde im Bezirke, welche den Schwerzschen Pflug durchgängig eingeführt hatte. Die Vollziehung der Ablösungsgesetze von 1836 hat ganz besonders wohlthätig auf diese Gem. eingewirkt, die hiedurch ermuntert im J. 1841 alle ihre Grundlasten mit Ausnahme des Zehentens abgelöst und für diesen Zweck auch große Opfer nicht gescheut hat. Das Ablösungscapital betrug 41.956 fl. 59 kr.

Übrigens ist bei aller Sparsamkeit und Ordnungsliebe, und bei fleißiger, zum Theil mühsamer Bodenbenützung der Wohlstand der Einwohner doch nur ein mittlerer. Reiche giebt es keine, Arme mehrere. Die klimatischen und Bodenverhältnisse sind hier weniger günstig als in den übrigen Orten des Bezirks. Die Luft ist etwas| feucht (kalte Fieber sind keine seltene Erscheinung), Frühlingsfrost nicht selten, Hagelschlag aber früher häufiger, als seit mehreren Jahren; der Boden ist im Ganzen Lehmboden von mittlerer Fruchtbarkeit, häufig naß, kalt und schwer mit steiniger Unterlage. Bei der herrschenden fleißigen Cultur und Besserung gedeihen jedoch die gewöhnlichen Fruchtarten, wie in den Nachbarorten. In der Brach werden viel Flachs und Hanf (auf den Verkauf) Reps und Cichorien gebaut. Die Ackerpreise stehen auf 250–300–350 fl. Die Wiesen (von mittelmäßiger Ergiebigkeit und zum Theil sauer) kosten 250–300–400 fl. pr. M. Der Weinbau ist sehr unbedeutend, dagegen die Obstzucht, vorzugsweise der Mostsorten, von großer Ausdehnung und fortwährend im Zunehmen. Die Rindviehzucht hebt sich sehr durch Verbesserung des Schlags; sie ist so ausgedehnt, als es die Markung erlaubt, und durch den Betrieb zweier Käsereien unterstützt. Dem Vieh-Einstellen hat die Errichtung einer Leihkasse ein Ende gemacht. Die Schafzucht ist besonders auf dem Freitagshof von einigem Belang, im Ganzen aber im Abnehmen: der Waidepacht trägt 425 fl. Geflügel wird viel gehalten, das an die Händler von Neuhausen verkauft wird. Der Gewerbetrieb ist nicht ganz unerheblich; es bestehen zwei Strohhutfabriken, von welchen besonders die Bopp’sche (seit 1829) ansehnliche Geschäfte macht und viele Kinder und arme Leute beschäftigt; namentlich ist die Bopp’sche Hutwasche beliebt. Den größeren Theil der Handwerker machen die Maurer aus, die Sommers auswärts Verdienst suchen, außer diesen finden sich die gewöhnlichen Professionen; ferner eine Mahlmühle mit häufig unzureichender Wasserkraft, zwei Ziegeleien, drei Schildwirthschaften. In der Nähe des Ortes findet sich ein ergiebiger Bruchstein- (Lias-Sandstein-) Bruch.

Zehentherr ist der Grundherr, nachdem die Pfarrei 1790 den kleinen Zehenten gegen eine Geld- und Natural-Entschädigung an denselben abgetreten hat. Übrigens wurde der kleine Zehenten 1841 mit Vorbehalt des Zehentrechts gegen ein Äquivalent der Gemeinde überlassen. Den Blutzehenten überließ die Pfarrei 1832 der Gemeinde gegen ein Almandstück. Unerhebliche Beträge an ewigen Zinsen beziehen die Stiftungspflege und die Gemeindepflege des Orts, die Stiftungspflege und Frühmeß-Pfründe in Pfauhausen, die v. Thumbsche Gutsherrschaft in Unterboihingen. Es bestehen einige Ortsnutzungen.

Steinbach mit dem Freitagshof war theils unmittelbare Besitzung theils Lehen der Herzoge von Teck.[3] Die Brüder Kiever| von Tiefenbach verkaufen 1287 mit Zustimmung der Herzoge dem Kloster Kirchheim curiam apud Stainbach. Noch andere Teck’sche Ministerialen findet man hier begütert: die Käner (von Kirchheim), die Randeck, die Thumnau (von Notzingen), welche 1303 ihre Besitzungen hier um 300 Pfd. H. an Salmansweiler verkaufen (Cod. salem. 3, 321). Im J. 1299 aber verkauft Herzog Hermann von Teck an das Kloster Salmansweiler all seine Besitzungen in Steinbach mit dem Kirchensatz und dem „Vritagshofe“ für 1800 Pfd. Hll. (A.U.). Dieses Reichsstift brachte 1302 und 1303 einen Theil der übrigen Güter käuflich an sich und incorporirte 1324 die Kirche, verkaufte aber wieder 1355 sein hiesiges Besitzthum an Ritter Conrad Rüß (von Reußenstein) für 1300 Pfd. Hll. mit Vorbehalt des Kirchensatzes, Widumgutes, Zehentens, Heiligengutes und was zur Kirche gehört, einiger Hofgüter, zweier Gärten, der Mühle etc. Hans Rüß verkauft 1379 seine Burg zu Steinbach und was dazu gehört seinen Kindern Johann, Friedrich, Diethoch, Eberhard, Heinrich und Agnes. 1384 verkaufte Friedrich Rüß, Probst zu St. Germanus in Speier seinen Antheil um 945 Pfd. Hll. an Vollmar Mager, der ihn 1385 seiner Gemahlin Anna Hochschlitz zum Unterpfand für ihre Heimsteuer verschrieb. Diese Rüß’schen Antheile kamen nun durch Erb, Kauf etc. an verschiedene Besitzer. So erscheinen 1430 als theilweise Eigenthümer die Bombaste von Hohenheim und die Blankenstein, und 1438 Gerstle Schilling von Canstatt, der wahrscheinlich die Besitzungen der Bombaste und Blankenstein an sich gekauft hatte, und 5/8 von Steinbach besessen haben soll. Daneben waren auch die Stubenrauch (von Freiberg auf Wielandstein) und ohne Zweifel die Hochschlitz (da Ulrich Hochschlitz einen Jahrstag hier stiftete) in Steinbach begütert. 1439 verkaufte Hans Stubenrauch seinen Antheil an Heinrich v. Werdnau um 1080 fl. rh. Die Werdnau brachten hierauf auch die übrigen Theile von Steinbach mit Ausnahme des Salmansweiler Antheils an sich, verkauften aber Alles 1470 an Dietrich Spät von Sulzburg. Von diesem Geschlecht kam der Besitz durch Heirath und Erbschaft auf die Laubenberg (zu alten Laubenberg) ums Jahr 1540 und von diesen um 1608 in gleicher Weise auf Freiberg-Eisenberg. [4] Von den Freibergischen Erben | kaufte ihn 1653 Joh. Ulrich von Bubenhofen, und von dessen Wittwe 1666 Veit Wolf von Werdnau zu Pfauhausen. 1681 kaufte Franz Joseph von Werdnau auch den Salmannsweiler Antheil mit dem Patronatrecht etc. und war nun alleiniger Besitzer von Steinbach. 1687 kam der Ort durch Kauf von diesem an Philipp Conrad von Liebenstein um 42.000 fl., und von dessen Sohn Philipp Conrad ebenfalls durch Kauf 1744 um 86.150 fl. an Gottlieb von Palm von der Heinrichschen Linie, nach deren Aussterben aber an die Jonathansche Linie, und 1805 unter die Hoheit der Krone Württemberg. Das Rittergut war dem Canton Kocher immatriculirt. Zum OA. Eßlingen gehört Steinbach seit 1809. Von 1806 bis 1808 hatte es mit Bodelshofen und dem Freigut in Deizisau ein dem Souveränitäts-Oberamt Köngen untergebenes Patrimonial-Amt gebildet. Dem Cam.-Amt Eßlingen ist es 1836 von Kirchheim zugetheilt worden.

Der Freitagshof, 1/2 St. oberhalb Steinbach an der Straße nach Kirchheim, mit 27 Einw., die in obiger Gesammt-Seelenzahl begriffen sind; s. vorhin. Hadewig und Kraft, Wittwe und Sohn Käners von Kirchheim verkaufen 101/2 Jauchert Äcker beim Fritagshof um 26 Pfd. Heller an Salmansweiler, 1302 prid. cal. Jan. (31 Dec. 1301). Cod. sal. 3, 313.


  1. Man hat eine von Gauger lithographirte Ansicht von Steinbach nach einem im Besitz des H. Braumiller des ält. in Stuttgart befindlichen Original.
  2. Ehrende Erwähnung verdient hier der den 17. Mai 1837 verstorbene Musterlehrer Joseph Anton Frey, ein Mann von sehr verdienstvoller Wirksamkeit als Lehrer und Bürger. Dem Privat-Seminar, welches er leitete, verdankten über 50 junge Männer ihre Heranbildung zum Schullehrer-Berufe.
  3. Der verstorbene O. K. R. v. Werkmeister stellte aus Urkunden des gutsherrlichen Archivs im Schlosse zu Steinbach und aus Mittheilungen aus dem Salmansweiler Klosterarchiv im Jahr 1800 eine sorgfältige Chronik von Steinbach zusammen, welche in der Pfarr-Registratur zu Steinbach handschriftlich vorhanden ist, und deren Benutzung uns durch die Güte des Herrn Decan Ritz in Stuttgart und des Herrn Pfarrers Som möglich gemacht wurde.
  4. 1631 wurde Friedrich Wilhelm von Freiberg, angeblich von den Schweden, nach der Tradition aber von einem seiner Unterthanen wegen unerträglicher Grausamkeiten und Bedrückungen erschossen.


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