Beschreibung des Oberamts Ehingen/Kapitel B 31

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31. Munderkingen,

eine der vormaligen östr. 5 Donaustädte, auf dem linken Ufer der Donau, unter 27° 18′ 52″ L. und 48° 14′ 15″ Br. 2 St. südlich von Ehingen, mit 1719 kath. und 1 evang. Einw.; Sitz eines Unteramtsarztes, F. A. Zwiefalten. Zehnten, den großen bezieht der Staat, zum Theil auch die Stadt und der Spital, eben so den kleinen von Flachs, Reps und Erdbirnen, für den Garten- und Länderzehnten wird schon seit 1469 ein Geld-Surrogat von 40 fl. gereicht.

Gefälle beziehen: der Staat 362 fl. 47 kr., die Prädikatur 117 fl. 27 kr., die Frühmesserey 77 fl. 53 kr., die Stadtpflege 61 fl. 24 kr., die Stiftspflege 10 fl. 42 kr., die Stiftspflege Kirchheim 1 fl. 23 kr., zu Unter-Marchthal 2 fl. 36 kr., Frhr. v. Spät zu Unter-Marchthal 67 fl. 22 kr., zusammen 701 fl. 24 kr., davon für 100 fl. an Früchten.

Theils von Zwiefalten her, theils von der Pfarrey besitzt der Staat auch noch eigenthümliche Güter, welche verpachtet sind. Die Einwohner haben das Recht, den Tag über zu fischen; der vormals| Unter-Marchthalische Antheil des Staats an der Fischerey ist verpachtet. Die Baulast des Pfarrhofes und aushülflich auch der Pfarrkirche hat die K. Kammer.

Der Name der Stadt wurde früher gewöhnlich Mundrichingen, Munderichingen geschrieben. Die Stadt liegt, wie auf einer Halbinsel, auf der Spitze einer schmalen, felsigen, von der Donau umflossenen Bergzunge, und senkt sich mit dieser gegen die Donau herab. S. 15. 19. 23. Sie ist eng und unregelmäßig gebaut, hat 2 Hauptthore, und ist mit Mauern und Gräben versehen, auch durch ihre Lage schon schwer zugänglich, so daß sie in Kriegszeiten häufig als fester Platz benutzt wurde. 1810 wurden die Stadtmauern niederer gemacht, und die beyden Thorthürme, dem Geschmack der Zeit gemäß, weggeschafft. Die Stadt hat eine Vorstadt, welche durch einen, jedoch kaum mehr bemerkbaren, Graben getrennt ist. Die Häuser sind mittelmäßig; das schönste Gebäude, das besonders von außen sich sehr vortheilhaft zeigt, ist der Pfarrhof. Ein ansehnliches Gebäude ist auch die Stadt- oder Dionysius-Kirche, welche ihrer Bauart nach sehr alt seyn muß, aber durchaus erneuert ist. Über die Donau führt eine hölzerne Brücke.

Die Einwohner nähren sich theils vom Feldbau, theils vom Gewerbe. Es herrscht viele Betriebsamkeit, hauptsächlich in der Dochtgarnbereitung, wofür dem Städtchen jährlich 20 bis 25.000 fl. zufließen. S. 61 u. f. Auch die Musselinstickerey wird stark betrieben. Die Stadt hat eine Apotheke, eine Mahl- und 3 andere Mühlen, eine Ziegelhütte und Tuch- und Garnbleichen. Der Handel und Verkehr werden durch 7 Vieh- und Krämermärkte unterstützt, wovon die Viehmärkte die bedeutendsten im Oberamt sind. Übrigens giebt es viele arme Leute in Munderkingen, und die Gemeinde-Verwaltung hat mit einer bedeutenden Schuldenlast zu kämpfen. S. Tab. IV. An der Pfarrkirche sind neben dem Stadtpfarrer 2 Caplane angestellt. Außerhalb der Stadt befinden sich noch 2 Kirchen, die Frauen- oder Michaelskirche, und die Liebfrauenkirche. Erstere steht auf dem| Gottesacker, und wurde 1347 gestiftet, letztere befindet sich weithin sichtbar, auf der Höhe am linken Donauufer, und ist mit einem Meßnerhaus verbunden. Sie wurde als eine alte Capelle 1504 neu gebaut. 1314 stiftete der Magistrat und der Stadtpfarrer Kircher zu Ehingen eine Caplaney dahin. Früher gab es auch noch eine Martins-Capelle, sie wurde aber i. J. 1784 geschlossen und vor einigen Jahren verkauft. Ihr Kirchensatz war schon 1387 dem Kl. Marchthal überlassen worden. Wie mehrere Kirchen, so gab es ehedem auch mehrere Kirchenstellen in der Stadt. Im Jahr 1393 stiftete die Stadt aus den Beyträgen der Bürger die Veits-Caplaney, und 1481 Peter Mauler die Predigerstelle. Erstere wurde 1790 zu dem östr. Religionsfond eingezogen, mit letzterer wurden 1690 die Michaels- und Spital-Caplaneypfründe vereinigt. Munderkingen war von alten Zeiten her der Hauptort eines ausgedehnten Rural-Kapitels, wie es auch der Hauptort eines kleinen Gaues war, und erst 1814 hörte es auf Dekanatssitz zu seyn: s. u. Dennoch soll die Kirche Filial von Kirchheim gewesen seyn, und wirklich wird sie auch in dem Kaufsbriefe von 1388 über die Kirchheimer Kirche eine Unterkirche von dieser genannt. Der Grund mag gewesen seyn, daß die Einkünfte und Güter der Kirche zu Munderkingen in fremde Hände gekommen waren, so daß kein eigener Pfarrer mehr sich erhalten konnte. Nachdem das Kloster Marchthal i. J. 1387 und 88 das Patronat mit dem von Kirchheim erkauft hatte, besetzte es die Pfarrey mit Klostergeistlichen. S. Kirchheim. Bey der Auflösung des Klosters M. zog Östreich die Güter und Einkünfte des Klosters und der Kirche in Munderkingen mit dem Patronat an sich und setzte dem Pfarrer eine Competenz aus. Wegen der Patronatsrechte der Caplaney hatte die Stadt fast immer Händel mit dem Kloster; durch Vergleich von 1443 wurde das Nominationsrecht dem Kloster, das Präsentationsrecht der Stadt überlassen. Seit 1806 übt der Staat die sämmtlichen Patronatsrechte aus. Zu der Pfarrey gehört Algershofen. Ehedessen hatte Munderkingen auch ein Kloster, ein| Franziskaner-Nonnenkloster, das, wie fast alle Nonnenklöster dieses Ordens, aus einer Beguinen-Sammlung entstand, und allmählig einige Güter, namentlich 2 Höfe zu Deppenhausen erwarb, unter K. Joseph 1782 aber aufgehoben und verkauft wurde. Von noch bestehenden Anstalten sind zu bemerken: eine lateinische und die gewöhnlichen deutschen Schulen; die erstere wird von einem Caplan versehen; ferner

der Spital. Er wurde gegen das Ende des 14ten Jahrhunderts durch einzelne Schenkungen gestiftet, und besitzt nun mehrere Güter und Capitalien, auch einen Hof und Gefälle zu Deppenhausen. Seine Einkünfte belaufen sich jedoch nicht höher, als auf ungefähr 1600 fl., welche auf die Ortsarmen verwendet werden. Die Anstalt hat ein altes, weitläufiges Gebäude, worin aber keine Spitäler mehr, sondern sämmtliche Schulen sich befinden; unter Würtemberg war er eine Zeit lang Kaserne. Im Jahr 1413 wurde die Spitalkapelle gebaut, und 1420 stiftete Heinrich Stücklen eine Pfründe und ewige Messe dazu. Noch vor dem Spital wurde auch ein Sondersiechenhaus gestiftet, dessen schon 1383 Erwähnung geschieht. Es stand vor der Stadt, am Wege nach Rottenacker und hatte eine kleine noch stehende Capelle zum h. Jakob, wozu Joh. Bäuerlein und seine Ehefrau 1452 eine eigene Kaplaney stifteten. Die Stiftung dieses Hauses ist nun mit der des Spitals vereinigt. – Ein Stipendium von jährl. 80 fl. für studirende Bürgersöhne wurde 1692 von dem Pfarrer Schneider zu Veringen gestiftet.

Munderkingen war, wie Ehingen, vormals eine selbstständige Municipalstadt mit Gerichtsbarkeitsrechten und Ortszugehörden ein sogen. Dominium, stand übrigens unter der östr. Landvogtey in Schwaben. Die zugehörigen Orte waren Deppenhausen und theilweise Algeshofen. In landständischer Beziehung war M. einer der vier Directorialstädte. S. 95. Die Geschichte von Munderkingen reicht bis in das 8te Jahrhundert hinauf. Prugger in seinem| Versuche, die Heerstraße der Römer von Passau bis Windisch zu erklären,[1] nimmt Munderkingen für das römische ad Lunam an, und stützt sich dabey noch auf die Ähnlichkeit des Namens im Deutschen (Mond). Allein so sehr auch für diese Annahme sowohl die Lage der Stadt, als auch insbesondere die in einiger Entfernung hinziehende Römerstraße spricht, so wenig wird dieselbe durch die geringste Spur an dem Orte selber bestätigt. Gewiß ist hingegen, daß der Ort schon von 792 an in Urkunden vorkommt, und der Hauptort einer von ihm benannten Mark oder Cent, wenn nicht eines Gaues selbst war, worin als untergeordneter Ort auch Ehingen lag. S. 5. Es läßt sich deßwegen auch annehmen, daß Munderkingen schon frühe ein ummauerter Ort wurde. Ob es Sitz des Grafen war, wollen wir dahin gestellt seyn lassen; aber eine alte Burg war vorhanden, wovon man noch Überreste und den Graben am Mühlthor sieht. Nach den Zwiefalter Annalen sollen die Herren von Emerkingen einen Sitz in der Burg gehabt; ja nach andern Nachrichten sollen sie Munderkingen selbst besessen und an K. Albert verkauft haben.[2] Mit Sitz| und Gütern findet man die Familie auch noch in späterer Zeit zu M. 1362 verkauft Götz von Burladingen, ein Bruder Heinrichs von Amerkingen (Emerkingen) seinen Layenzehnten zu M. an das Kl. Marchthal; Egelolf von Stein zu Emerkingen verkauft 1327 einen Theil der Fischenz; und 1382 verkauft Berthold von Stein von Reichenstein, Ritter „ze diesen Zeiten ze Mundrichingen gesessen,“ Zehnten und Güter in Kirchheim. S. 145. Die übrigen Zehnten besaß das Kloster Reichenau, es verkaufte dieselben 1362 ebenfalls an Marchthal, mit Ausnahme eines Viertels, welches die Stein von dem Kl. Reichenau zu Lehen hatten, mit dessen Einwilligung aber 1414 auch an Marchthal verkauften. Das Kloster Marchthal selbst hatte schon früher Güter und Rechte zu Munderkingen erworben, und ebenso besaß solche auch das Kl. Zwiefalten durch allmählige Erwerbungen bis an sein Ende. K. Albrecht verweilte i. J. 1300 selbst und sein Sohn Friedrich 1303 in Munderkingen, und von ihrer Zeit an findet man die Stadt unter östr. Herrschaft; sie hatte aber das Schicksal aller vorderöstr. Städte, häufig verpfändet zu werden. Als Pfandschaft kam es auch mit den andern Donaustädten 1406 für 9000 fl. an die Truchsessen von Waldburg und blieb auch 375 Jahre bey denselben, bis es Östreich 1680 wieder einlößte, wobey aber Munderkingen selbst den größten Theil der Einlösungssumme übernehmen mußte. Wie Ehingen, mit dem die Stadt ziemlich gleiche Verfassung| hatte, erhielt auch Munderkingen ansehnliche Rechte und Freyheiten, so z. B. 1374, daß alle zu Munderkingen Angesessenen, Edle und Unedle zu den Gemeindelasten beysteuern müssen, 1375, daß alle Leibeigenschaft aufgehoben und jedem Bürger freyer Abzug gestattet seyn solle; 1379, daß kein Bürger für ein auswärtiges Gericht gezogen werden solle; 1442, daß der Stadtrath die peinliche Gerichtsbarkeit und das Recht über Leben und Tod zu richten haben solle; Rechte, die mit andern auch von allen Kaisern, zuletzt noch von K. Franz 1793, bestätigt wurden. Im J. 1806 nahm Würtemberg, kraft des Preßburger Friedens, Munderkingen in Besitz, nachdem vorher auch Bayern eine Besitznahme versucht hatte; 1807 wurde es dem Oberamt Ehingen zugeteilt, blieb aber bis 1818 der Sitz eines Unteramts. Sowohl in dem dreißigjährigen, als in dem spanischen Erbfolgekriege hat M. sehr Vieles gelitten, so daß es von dieser Zeit an nie mehr zu einiger Wohlhabenheit gelangen konnte. Besonders hart wurde es 1647 von Gustav Wrangel, und 1703 von den Franzosen und Bayern mitgenommen; 1704, 21. Febr. wurde die Stadt sogar von den Franzosen beschossen, und im August desselben Jahrs, nach der Schlacht bey Höchstätt, ward sie der Sammelplatz für das fliehende französisch-bayrische Heer; der Churfürst von Bayern selbst hielt sich einige Tage da auf. Bemerkenswerth ist auch noch, daß den 7. Aug. 1560 sich zu Munderkingen die Ritterschaft zu einem unmittelbaren Reichskörper erklärte.


  1. Hist. Abhandl. der K. Bayr. Akademie der Wissensch. Bd. I. S. 1. u. ff.
  2. Diese Behauptung wird noch durch das i. J. 1303 vollendete östreich. habsburgische Urbar (s.o.) bestätigt, worin es heißt: Die Stat ze Munderchingen, die köffet ist umb die (gekauft ist von den) von Emmerchingen, ist der Herschaft eygen.“ In diesem Urbar befinden sich auch noch folgende, theils die ältere Geschichte, theils den gegenwärtigen Zustand erläuternde Aufzeichnungen. Nach denselben gab die Stadt jährlich Hofstettezinse und Gartenzinse 7 Pfd. 12 Schill. 7 Hllr.; ein Acker und das Bannwartlehen gaben statt Käse 7 Schill. 9 Hllr., das Hirtenamt gab 1 Pfd.; des Schmalviehes Hirte 12 Schill., (noch jetzt werden für den Hirtenstab 54 kr. 6 Hllr. bezahlt) die Bäcker gaben 25 ß. Hllr, (noch jetzt jeder 1 fl. 20 kr.) Weitere Gülten fielen von einem Acker, Baumgarten und Wiese, dann von 1 Mühle 32 Pfd. Hllr., vom kleinen Umgelt 3 Pfd., vom großen 26 Pfd. Die Bürgersteuer ertrug 25 bis 40 Pfd. (In dem Ehinger Cam.-Amts-Grundbuch befindet sich die Bemerkung: „Hier fallen an Bürgersteuer 35 fl. 81/2 kr., deren Ursprung und rechtliche Beschaffenheit bis jetzt unbekannt geblieben;“ hier haben wir wenigstens eine Nachweisung.) Die nach Veringen gehörigen Leute (also hatten auch die Grafen von Veringen hier Leute) gaben jährlich 2 bis 4 Pfd. Steuer. Die oben genannte Mühle – „die zu M. nächst außerhalb der Ringmauern gelegene Mühle mit Ein- und Zugehörung – die 1/2 Bleiche „der Baumgarten“ genannt, dabey gelegen mit dazu gehörigem Fischwasser und Wieswachs“ besaßen die Fhrn. v. Spät. Unter-Marchthal als östr. Kunkel- und Zinslehen für 75 fl., daher noch die obigen Gefälle. Die Mühle verkauften sie 1817.