Beschreibung des Oberamts Ellwangen/Kapitel B 7

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
« Kapitel B 6 Beschreibung des Oberamts Ellwangen Kapitel B 8 »
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|
7. Geislingen,
Gemeinde III. Kl., kath. Pfarrdorf, mit 375 Einw., die Ev. sind Fil. von Walxheim.

Der Ort liegt am Ostrande des Bezirks, am Beginn des südostwärts durch Unterwilflingen fließenden Riedbaches. Auf den Hanglen ist eine schöne Aussicht ins Ries und nach der Alb. Die an der Südseite des Dorfes liegende St. Nikolaus-Pfarrkirche stammt aus dem Jahr 1768, der ältere tonnengewölbte Thurm steht ostwärts, wird gegen oben achteckig und endigt in einem Zopfzwiebel mit schönem Schmiedeisenkreuz. Das Innere besitzt 3 neuromanische Altäre mit guten neuen Gemälden, an der Chordecke Malereien aus dem vorigen Jahrhundert. An der Südseite des Schiffes altes gothisches Holzbild des h. Nikolaus. Die 4 Glocken sind nicht alt.

Die Unterhaltung der Kirche ruht auf der Kirchengemeinde, die des Pfarrhauses auf dem Staat. Der ummauerte Friedhof liegt um die Kirche, zwei schöne Vogelbeerbäume stehen am Eingang. Das Schulhaus wurde 1849, das Rathaus 1846 erbaut.

Die Kreuzkapelle mit einem Thürmchen wurde im Jahr 1856, an Stelle einer alten baufällig gewordenen, aus Sandstein im gothischen Stil errichtet.

Das Trinkwasser kommt von 40 Schöpf- und 3 Pumpbrunnen; die auf der Höhe liegenden Wohnungen haben öfter Wassermangel. Auf der Markung sind die bedeutendsten Quellen die in der Sulz, beim Wengweiher, der Kühbrunnen auf der Haide mit starkem Schwefelgeruch, im Ort der Dorfbrunnen; sodann bestehen zwei künstlich angelegte Fischweiher, der Wengweiher und der Stocklenweiher, zusammen über 69 Ar; ein dritter Weiher wurde trocken gelegt.

Die Vermögensverhältnisse sind gut, die Nahrungsquellen Feldbau, Viehzucht, Geflügelzucht und die nöthigsten Gewerbe. Eine Bierbrauerei mit Wirthschaft besteht. Aus den der Gemeinde gehörenden Weihern bekommt man Karpfen. Vom Getreide kann noch ziemlich viel nach außen verkauft werden. Die Gemeinde besitzt 2 Hektar Wald, aus den Weiden löst sie jährlich 800 M., aus dem Pferch 360 M. Fremde Schäfer lassen im Sommer 250 Stück spanische Schafe auf der Markung | laufen. Die Heiligenstiftung beträgt mit sammt dem Baufonds 16.500 M. Ein Haus im Ort heißt „beim Schloßjörgle“, zwischen Geislingen und Zipplingen zieht die „Hochstraß“.

Nach dem Orte, dessen Name früher Giselingen, Gislingen u. s. w. geschrieben wurde und auf den Eigennamen Gisilo zurückzuführen ist, nannte sich eine, wie es scheint in gräflich öttingischen Dienstverhältnissen stehende, ritterliche Familie, deren Burg wohl da stand, wo jetzt der Bauernhof des „Schloßjörgle“ sich befindet. Ihr gehörten an: Ludwig von Geislingen, im Jahr 1153 Zeuge in einer die kirchlichen Verhältnisse zu Unter-Schneidheim betreffenden Urkunde (Wirt. Urkb. 4, 360), Rudolf von G. den 30. Sept. 1270 zu Wallerstein Zeuge Graf Ludwigs von Oettingen bei der Stiftung des Klosters Kirchheim; 1300 Heinrich von G. Mönch in Kaisersheim; Ritter Rudolf von G. den 27. Sept. 1317 mit seiner Gattin Margarethe, seinen Söhnen und Töchtern Verkäufer eines Waldes bei dem Orte Richaltswis um 70 Pfd. Heller und 2 Wiesen, eine bei Sneiten (Schneidheim), die andere mit einer Mühlstatt bei Sechtanhusen (Sechtenhausen) an Kloster Zimmern (Zinkernagel, Riesgau 82), im Jahr 1333 Zeuge beim Oettinger Landgericht (vergl. auch Reg. Boic. 6, 127); sodann 1341 ff. einige Erkinger: so Ritter Erkinger den 23. April 1364 mit seiner Ehewirthin Anna Strentzin Verkäufer mehrerer Güter und Äcker zu G. um 50 Pfd. Heller an Kloster Kaisersheim (Reg. Boic. 9, 101), Erkinger mit seiner Hausfrau Katharine von Mansperg und sein Bruder Hans (1370 ff.) mit dessen Hausfrau Ursula von Eggenberg 1370, 1379, z. Th. auch 1384 Verkäufer ihres Besitzes zu Unter-Schneidheim (s. dieses), Erkinger im Jahr 1407 Verkäufer von eigenen Leuten zu Zipplingen; Erhard von G. (der jüngere) 1411 und 1416 von den Grafen Ludwig und Friedrich von Oettingen mit ihrem Antheil an dem Goldberg, bezw. Holz und Wiesen belehnt, 1501 Hans von G., welcher sich mit den Grafen Wolfgang und Joachim von Oettingen wegen Ansprüche an Liedlohn, die noch von seinem Vater Henslin an Graf Ludwig herrühren, vergleicht [1]. Im Wappen der Familie erscheint ein Stiefel.

| Wie der Ort in den Besitz der oberschwäbischen Familie von Königsegg gekommen, ist nicht sicher bekannt, allein den 28. Dezbr. 1485 verkauften ihn Erhard (sonst 1472–1503 genannt) und Eck (1476–1517) von Königsegg, Gebrüder, Söhne des Erhard von Königsegg und der Genovefa von Hürnheim (bayr. AG. Nördlingen), sammt dem Kirchensatz an den Deutschorden. Zieht man übrigens bei dieser nicht zu bezweifelnden Nachricht noch in Betracht, daß der Tradition zufolge (s. u.) der Kirchensatz dahier früher hürnheimisch war, sowie daß etwa um den Schluß des ersten Viertels des 15. Jahrhunderts die Linie Hürnheim-Rauhhaus-Katzenstein im Mannsstamm ausstarb (Steichele a. a. O. 3, 1229), so liegt die Vermuthung nahe, Geislingen sei durch Genovefa von Hürnheim als eine Erbtochter obiger Hürnheimer Linie aus deren Besitz an die Königsegg gekommen. Bereits den 8. Juni 1509 verkauften der Landkomthur zu Franken und Komthur zu Ellingen, Wolfgang von Eisenhofen, und der Hauskomthur zu Nürnberg, Wolfgang von Bibra, und die Brüder des letzteren Hauses das Dorf Geyßlingen genannt mit dem Weiherlein dabei im Ries sammt Leuten, Gülten und Gütern, wie sie das alles von den Königsegg erkauft, um 2421 fl. wieder an Graf Joachim von Oettingen, wozu sie noch das Patronatsrecht und die Lehenschaft der Pfarrkirche nicht kaufsweise, sondern aus gutem Willen übergaben (vergl. Wildeisen, Oettingische Landesgeschichte, Handschr. z. B. der k. öff. Bibliothek in Stuttgart; [Strelin], Geschichte der Grafen von Oettingen, Nördl. 1799 S. 186). Aber auch schon den 11. März 1391 hatten die Grafen Ludwig und Friedrich Gebrüder von Oettingen von dem Nördlinger Bürger Pauls Herttrich die Hofstatt zu Gislingen zunächst bei der Kirche, mehrere Äcker und Wiesen um 190 Pfd. Heller erkauft gehabt und Graf Joachim erwarb noch weiter im Jahr 1510 3 Weiher bei dem Orte von Stephan Eckard für 103 fl., Graf Friedrich im Jahr 1567 eine Hofraithe von Kaspar Lang zu Geislingen um 35 fl. 1 | In öttingischem, speziell öttingen-wallersteinischem Besitz blieb der Ort, in welchem die Dorfherrschaft und 64 Güter öttingen-wallersteinisch waren, bis er im Jahr 1806 unter bayrische, 1810 unter württembergische Landeshoheit kam (vergl. auch unten Unter-Wilflingen).

Nach Molls Beschreibung des Rieses von 1773 war Geislingen früher Marktflecken gewesen, im Verlaufe der Zeit jedoch nur noch ein geringes Dorf geworden, in welchem kein Gericht mehr, sondern nur ein aus 7 Personen bestehender Untergang sich befand. Weiter heißt es daselbst: es sind dahier „nur 49 Gemeindegerechtigkeiten, darunter das Pfarrhaus, 7 aber, so nur Häuser haben, darunter 5 gräfliche (d. h. wallersteinische) und 3 der besten Höfe kaisersheimisch, die übrigen Sölden. Eine Gemeindegerechtigkeit wird dahier auf 100 fl. ästimirt, weil ein Jeder sie besitzt, mit dem Krautgarten 1/2 Morgen Ackers genießt. Es hat auch ein Gemeindholz, das aber, weil es nicht an einem Stück, nicht alle Jahr geholzt werden kann, sondern ausgetheilt wird.“

Der öttingische Besitz dahier war jedoch nicht der einzige. Wie im benachbarten Baldern erscheint hier frühe das entlegene Benediktiner-Nonnenkloster Lindau berechtigt: nach dem Jahrtagbuch desselben aus dem 13. Jahrhundert schenkte Graf Uzzo „ein Stifter“ (? von der Familie der im 12. Jahrhundert ausgestorbenen Argen- und Linzgaugrafen, der sog. Udalrichinger) in nicht näher angegebener Zeit Güter zu Gisilingen dahin (Zeitschr. f. Schwaben und Neuburg 9 [1882], S. 64.) und es verkaufte am 13. Nov. 1346 seinen hiesigen Besitz unter Vorbehalt des Einlösungsrechts zusammen um 50 Pfd. Heller an den oberschwäbischen Landvogt Heinrich von Schwenningen (bayr. AG. Höchstätt; Schriften des Vereins f. Gesch. d. Bodensees II, Anh. S. 21.). – Im J. 1363 besaß Kloster Zimmern 3 Pfd. Hllr. Gülten aus hiesigen Wiesen in Folge einer Schenkung der † Gräfin Irmengard von Nellenburg, Tochter Herzog Ludwigs von Teck und der Margarethe von Truhendingen (Alten-, Hohen-, Wassertrüdingen in Bayern), zu deren mütterlichen Erbe dieser Besitz gehört haben wird.

Der, wie oben erwähnt, im J. 1364 begründete kl. kaisersheimische Besitz gab den 21. Mai 1483 Veranlassung zu einem Vergleiche zwischen dem Kloster und Ludwig von Hürnheim zu Belzheim wegen der Dienste dreier kaisersheimischer Bauern an Ludwig, im J. 1569 zwischen dem Kloster und Graf Friedrich von Oettingen wegen der Obrigkeit über des Klosters Unterthanen, er erhielt sich noch bis in das laufende Jahrhundert in 4 Kaisersheimer Gütern.

Nach seinem Saalbuch vom J. 1366 besaß das Hochstift Augsburg hier einen Widumhof und wurde am 24. Juni d. J. der hiesige Zehnte verkauft, d. h. vielmehr in der Weise abgelöst, daß nunmehr statt des Naturalzehnten ein Fruchtgefäll zu leisten war, welches in der Folge zu Martini auf den bischöflichen Kasten zu Nördlingen geliefert werden | mußte (5. und 6. Jahresbericht für Schwaben und Neuburg 1841 S. 65. 70). Bis in die neuere Zeit herein war denn auch der große Zehnte bischöflich augsburgisch.

Das Patronat der Pfarrkirche soll von der Familie von Hürnheim an die Oettingen-Wallerstein gekommen sein, die sich noch heutzutage in dessen Besitz befinden (vgl. S. 588), Mit dem Bezug des großen Zehnten durch Augsburg dagegen hing es zusammen, daß die Gemeinde im Jahr 1583 den dortigen Bischof um eine Beisteuer zur Erbauung ihrer baufälligen Kirche bat, indem die Baukosten auf das „Gottes- und Pfarrhaus“ je und allezeit und „von undenklichen Jahren her“ Ihr fürstlichen Gnaden von Augsburg auferlegt worden seien (Neher, Personalkatalog des Bisthums Rottenburg S. 125). Von 1742–1812 hatte der hiesige Pfarrer das Dorf Unter-Wilflingen durch einen Exkurrentvikar zu versehen.


  1. Heinrich von G., welcher nach einer Reihe anderer zum Theil dieser Gegend angehöriger Zeugen den 10. Dez. 1215 als solcher K. Friedrichs II. bei der Bestätigung eines Tauschvertrags zwischen dem Bischof von Regensburg und dem Abt von Ellwangen in Betreff ihrer Burgen Baldern und Möhrn vorkommt (Wirt. Urkb. 3, 33.), ist wahrscheinlicher dieselbe Person wie der im 2.–4. Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts in der Umgebung Kaiser Friedrichs II. und König Heinrichs (VII) erwähnte staufische Kämmerer Heinrich von Geislingen, dessen Familie sich jedenfalls nicht nach unserem Geislingen, vielleicht nach Geislingen OA. Hall nannte.


« Kapitel B 6 Beschreibung des Oberamts Ellwangen Kapitel B 8 »
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).