Beschreibung des Oberamts Göppingen/Kapitel B 31

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31. Gemeinde Schlierbach,

evangel. Pfarrdorf mit Marktgerechtigkeit und 1838 Einw., wor. 4 Kath., liegt südwestlich 21/2 St. von Göppingen an der nach Kirchheim führenden Straße und grenzt an das OA. Kirchheim. Der Ort gehört in die II. Classe der Gemeinden, ist Sitz eines Revierförsters und dem Forstamt Kirchheim zugetheilt. Der Zehente gehört größten Theils dem Hospital Kirchheim, kleinerntheils dem Staat. An den dem Staate zustehenden übrigen grundherrlichen Rechten hat die Gemeinde seit 1817 für 735 fl. 54 kr. abgelöst (s. S. 83).

Schlierbach ist das bevölkertste Dorf des Bezirkes. Es liegt theils auf sanften Anhöhen, theils im Thal (oben S. 6) und ist meist gut gebaut. Ein auf Hattenhofer Markung entspringender, hier Bodenbach und Schlierbach genannter, Bach (oben S. 17) fließt durch den Ort; auch ist im Orte selbst ein etwa 2 M. großer sogenannter Feuersee. Schlierbach hat 234 Haupt- und 52 Neben-Gebäude. Die Kirche zum h. Georg steht fast mitten im Ort und zeichnet sich schon von Ferne durch ihren imposanten, aus Quadern massiv erbauten, viereckigten Thurm mit schönen gothischen Formen aus. Eine eingehauene Jahrszahl 1498 scheint eher die Zeit einer Reparation als des Neubaues zu bezeichnen. Der Chor hat ein hübsches Kreuzgewölbe und ist älter als das 1497 erbaute Schiff der Kirche. Ein hier befindlicher Grabstein von sonst unleserlicher Schrift hat die Jahreszahl 1462. Der hoch gelegene Kirchhof war wohl einst ebenso vest, wie jener in Heiningen; auch hat der Thurm einige Schießscharten. Die Baulast liegt dem Heiligen ob. Das etwas erhaben bei der Kirche stehende, 1767 erbaute Pfarrhaus hat der Hospital Kirchheim zu erhalten. Das Gemeinde-Backhaus wurde 1841 erbaut. Die Einwohner sind sehr fleißig und betriebsam und nähren sich sauer vom Ertrag ihrer Felder und vom Spinnen. Die Markung ist hier am Meisten zerstückelt. Der Landbau wird gut betrieben, die Mistjauche sorgfältig benützt und eingemachte Dunglegen sind fast allgemein. Die Stallfütterung ist längst eingeführt. Die wenigen Morgen Weinberge geben einen geringen Wein und | werden daher immer mehr ausgestockt. Um so bedeutender ist die Obstzucht. Rindvieh- und Schafzucht sind von Bedeutung, namentlich seit der vor 4 Jahren von der Gemeinde übernommenen Farrenhaltung. Die Mästung von Ochsen, die dann nach Stuttgart verkauft werden, und von Hämmeln ist auch nicht unbedeutend. Von Gewerben ist nur eine Bierbrauerei hervorzuheben: Etwa 60 Weber arbeiten für die Fabriken in Göppingen und Jebenhausen um den Lohn, die Ausfuhr besteht hauptsächlich in 12 – 1800 Ctr. sehr guten Heues, in Viktualien und in Flachs, der theilweise nach Bayern geht. Als Nebengewerbe wird, wie oben bemerkt, vornehmlich das Flachsspinnen und, seit dieses an Umfang abgenommen, das Rollen von Baumwollengarn für benachbarte Fabriken betrieben. Zu bemerken ist noch, daß der Ort mehr mit dem nahen Kirchheim als mit Göppingen verkehrt.

Das Recht zu einem Vieh-, Flachs- und Kram-Markt, der in ersterer Hinsicht namhaft ist, wurde 1838 ertheilt. Die Pfarrei hat keine Filialien. Das Patronatrecht, das früher der Hospital Kirchheim ausübte, ist seit 1811 königlich. Die Katholiken sind nach Steinbach eingepfarrt. An der schon 1551 errichteten Schule stehen ein Schulmeister und ein Unterlehrer. Der Friedhof wurde 1835 außerhalb des Ortes angelegt.

Der Ort entstand, wie Albershausen u. a. durch die Vereinigung etlicher Höfe, deren Namen noch genannt werden. Die Hohheit stand wahrscheinlich den Herzogen v. Teck zu, da die grundherrlichen Rechte meist in Händen ihrer Dienstleute waren, von denen hauptsächlich das Kl. Kirchheim sie erwarb. Ritter Friedrich v. Sperberseck verkauft 1294 demselben sein Gut mit Gunst und Willen Herzogs Herrmann v. Teck, und 1302 übergibt Friedrichs Wittwe eben dahin einen Hof. Adelheid die Scherbin von Kirchheim stiftet 1302 mit Gunst des gedachten Herzogs ihre Hube zu einem rechten Almosen in das gedachte Kloster. Frau Berchta, Albrechts des Münchs von Dettingen Hauswirthin, schenkt 1303 einen Hof (den Brülmannshof) und ein Gut dem Kloster, dem auch 1346 Ulrich v. Neidlingen einen Hof und 1403 Burkhart v. Gültlingen ein Gut verkaufen. Vollmar v. Mannsberg verkauft 1408 und Stäsla (Anastasia) v. Neidlingen schenkt 1428 ebendahin Güter. Über alle diese Güter erwarb Württemberg die Hohheit und Vogtei durch den Ankauf der Stadt Kirchheim, deren Herr auch Schirmvogt des Klosters war. An dem Gericht hatten jedoch noch die Nothaft Theil; 1/4 desselben und des Hirtenstabes (der 12 Käse Laudemium gab) kaufte 1366 Graf Eberhard II. von Ritter Johann Nothaft. Die übrigen vogteilichen Rechte und mehrere Güter waren aber noch in den Händen Dritter, und erst 1459 kaufte Graf Ulrich | von Wolfgang v. Zillenhardt dieselben „mit Lüten, Guten, Zwingen, Bännen, Zinsen, Stüren, Gülten“ etc. um 1800 fl. in Gold. So besaßen denn 1524: Württemberg den Älbinshof und 10 Lehengüter, das Kl. Kirchheim den Bihelhof, 2 halbe Höfe und 4 Lehen, die Zwölfboten-Pfründe in Kirchheim 1 Lehen, die Präsenz in der Stadt daselbst 1 Lehen, eine Caplanei im dortigen Kloster 1 Lehen und die Caplanei Notzingen 4 Güter. Sodann besaßen das Kloster Adelberg 1 Lehen, die hiesige Frühmeßpfründe 5 Lehengüter und die Propstei Nellingen, Namens des Klosters St. Blasien, den sog. Maierhof. Schlierbach stand bis 1485, wo es zum Amte Göppingen gezogen wurde, stets mit Kirchheim in näherer Verbindung.

Im dreißigjährigen Kriege hatte der Ort viel zu leiden, (S. 103.) Mit dem Rathhause verbrannten damals auch alle Urkunden und Lagerbücher des Ortes.

Was die Geschichte des Kirchlichen betrifft, so wird schon 1353 „Marchelin v. Nydelingen der Kilchherr von Schlierbach“ genannt. Salmi (Salome) von Lichtenstein, Herrn Hansen von Lichtenstein seligen Tochter, verkaufte 1430 mit ihrem Ehemann Heinrich von Mannsberg, dem Hospital Kirchheim des Ungers Gut, den Kirchensatz und die zur Kirche gehörigen Leute, Zehenten und Güter hier und zu Bünswangen (früheres Filial), um 1850 fl. für frei und unvogtbar, wie sie das Alles von ihrem Vater ererbt hatte. Eine Frühmesse stiftete die Gemeinde 1460. Der frühzeitigen Einführung der Reformation stand hier kein Hinderniß im Wege. Auf die Vorstellung der Gemeinde vom 21. August 1551: sie habe „eine große Anzal Volks vnd treffenlich viel Kinder, aber keinen Schulmeister,“ wurde ihr sofort die Frühmeß-Pfründe zu Errichtung einer Schule überlassen. Die Zehenten erwarb, wie schon bemerkt, der Hospital Kirchheim, ausgenommen jene, welche die von Mannsberg besaßen und 1428 an Württemberg verpfändeten. Diesen Zehenten, „der Lemerzehent“ genannt, nahm noch 1524 der Vogt von Kirchheim ein, und von diesem rührt der nunmehrige Zehent-Antheil des Staates her.

Durch die Markung scheint eine Römerstraße gezogen zu haben, da die Lagerbücher mehrerer Äcker gedenken, die „auff dem Hochgesträß“ oder „uff der „Hochsträß“ liegen.


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