Beschreibung des Oberamts Kirchheim/Kapitel B 11

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11. Gemeinde Neidlingen,
mit Parzelle Randeck.
a. Neidlingen, evang. Pfarrdorf, mit Marktgerechtigkeit und 1028 evang. und 2 kath. Einwohnern, in ältern Zeiten auch Niedelingen, Niedlingen, 3 Stunden von Kirchheim und 11/2 Stunde von Wiesensteig entfernt. Die Lage am Schlusse des Neidlinger Thales, in dem engen gegen Weilheim sich öffnenden Thalzinken der hohen Alp, deren mächtige Felsen mit den Ruinen von Erkenberg, Lichtenstein, Windeck, Lichteneck und Reißenstein gekrönt sind, ist ebenso | schön als romantisch. Durch den Ort fließt die in der Nähe entspringende Lindach; auch führt die Straße nach Wiesensteig durch denselben. Er gehört zu dem dortigen Kameralamt und in die III. Klasse. Der große und Noval-Zehente gehört dem Armenkasten Weilheim, der ihn alljährlich verpachtet, der kleine und der 1797 in ein Surrogat verwandelte Blut-Zehente aber der Pfarrei Neidlingen. Den Wein- und Heu-Zehenten hat der Staat mit dem gedachten Armenkasten, ausschließlich der sogenannten Lichtensteiner Weinberge, die bis 1700 zehentfrei waren, und ihm allein zehenten, zu theilen. Die Gemeinde besitzt das Fischrecht und hat 1816 die Schloßgutsfrohnen mit 1600 fl. und seit 1818 an grundherrlichen und Jagd-Gefällen aller Art für 4381 fl. 17 kr. dem Staat abgekauft. Namentlich sind die 162 Lehen eigen gemacht und sämmtliche Laudemien abgelöst worden. Außer dem Staate sind noch einige Stiftungspflegen gefällberechtigt. Der Ort war mit Ochsenwang und Randeck Kammerschreibereigut. Die 160 Haupt- und 10 Neben-Gebäude, worunter 1 Kelter, 1 Ziegelhütte und 1 Armenhaus, ziehen sich 1/4 St. lang am Fuße der Alp hinauf. Die Kirche, etwa in der Mitte des Ortes, steht auf einem freien Platze und wurde 1745–1746 auf einem Stücke des Schloßgartens erbaut. Äußeres und Inneres ist sehr gefällig und durchaus symmetrisch. Die gute Orgel von Gall in Weilheim 1757 erbaut, hat 12 Register und 1 Glockenspiel. Die Baulast liegt der Stiftungspflege ob. Auf ihrer südöstlichen Seite gewährt sie ein Echo von seltener Klarheit. Die frühere, nun abgebrochene Kirche, stand auf dem alten Kirchhofe. Nach dem Lagerbuche von 1626 lag unten im Dorfe bei dem Amthaus eine alte Capelle. Das 1598 erbaute Pfarrhaus hat der Armenkasten Weilheim zu erhalten. Oben im Dorfe stand ein altes, sehr vestes Schloß; es bildete ein Viereck mit großem innerem Hofraum. Auf jedem der 4 Ecken war ein Thurm, mit Erkern geziert, und, das Ganze umgaben ein tiefer Wassergraben mit Aufzugbrücken, und Wälle und Mauern. Im Vorhofe stand ein schöner steinerner Brunnen mit 4 Röhren. | Die Lage der nahen Schloßgüter war so, daß sie nach Erforderniß unter Wasser gesetzt werden konnten. Das Schloß diente den Herren des Orts und nachmals den Vögten zur Wohnung; zuletzt wurde es als Fruchtspeicher benutzt, 1821 bis 1825 aber, obwohl noch in ganz gutem Zustande, abgebrochen und mit den Gütern und Ökonomiegebäuden an die Gemeindeglieder verkauft. Bemerkenswerth ist es, daß unter Herzog Friedrich I. der Ort seinen Schutzjuden, und das Schloß seinen Alchymisten zum Aufenthalt diente (Sattler V. 268.). Die Einwohner sind arbeitsam und sparsam. Ihr Wohlstand aber ist, der geringen Ertragsfähigkeit der überdieß noch sehr mit Gülten belasteten Güter wegen, gering. Neidlingen ist reichlich mit vorzüglichem Wasser versehen, das Klima aber rauh, doch gesund. Die Markung gehört zwar zu den größten; die meisten Äcker liegen aber auf der Alp und können wegen der steilen Steigen nur schwer gebaut werden. Ein Morgen wird oft um 5 bis 10 fl. verkauft. Der steinigte Boden ist in der Regel von geringer Ertragsfähigkeit und nur in den Thälern den Futterkräutern und den gewöhnlichen Felderzeugnissen angemessener, (s. auch Schopfloch.) Der Obstertrag, namentlich der Kirschen, die theils frisch verführt, theils gebrannt werden, ist beträchtlich. Der Wein ist nicht haltbar; s. auch Lichtenstein. Ein Morgen Feldes kostet im Durchschnitte 240 fl. Der gesunden Viehweiden wegen ist die Stallfütterung noch nicht eingeführt. Neidlingen hat die größte Weidefläche; doch sind von den 6484/8 Morgen, welche die Tabelle ausführt, nur 481 nicht angebaut und dem Vieh eingeräumt. Die Viehzucht ist von Bedeutung. Ebenso die Bienenzucht. Eine bemerkenswerthe Erscheinung sind hier die schwarzen Forellen. Der Stand der nur als Nebensache betriebenen Gewerbe war 1835: 1 Barbierer, 1 Beindreher, 7 Brenner, 5 Brodbäcker, 1 Feldmesser, 2 Glaser, 3 Hufschmiede, 2 Kübler, 1 Küfer, 1 Kupferschmied, 8 Linnenweber, 10 Maurer, 1 Mezger, 3 Nagelschmiede, 1 Sailer, 6 Schäfer, 6 Schneider, 3 Schreiner, 8 Schuhmacher, 1 Schuhflicker, 3 Wagner, 1 Ziegler und 2 Zimmerleute. Dazu kamen 4 Kleinhändler, 2 Mahl-, 1 Säg- und 1 Gyps-Mühle, | 1 Schildwirthschaft u. s. w. Indessen ist auch eine Fournierschneidmaschine errichtet worden.

Der Holzhandel wird etwas betrieben. Der Gemeindebleiche ist schon oben S. 77 Erwähnung geschehen. Im Jahr 1838–1839 waren die Einnahmen der Gemeindepflege 2526 fl. 351/2 kr, darunter 1229 fl. 23 kr. Weid- und Pförchgeld und 607 fl. aus Holz, und die Ausgaben 2529 fl. 231/2 kr. Der Gemeindewald (4773/8 Morgen) gehört zu den größeren des Bezirkes. Am 6. Sept. 1710 bekam die Gemeinde das Recht, einen Jahr-, Roß- und Vieh-Markt zu halten. Sie hat nun das Recht zu zwei Märkten.

Filial der alten Pfarrei ist der Hof Randeck. Bis zur Reformation gehörte auch der nun nach Wiesensteig eingepfarrte Reißensteiner Hof zu derselben. Nachdem am 16. März 1604 der Verkauf des Widumhofes, den der Pfarrer bis dahin genossen, dem Armenkasten Weilheim gestattet worden, wurde die von diesem zu reichende Besoldung auf 48 fl. in Geld, 40 Scheffel Dinkel, 30 Scheffel Haber, 9 Simri Gerste, 6 Eimer Wein und 4 Fuder Stroh, neben dem kleinen und Heu-Zehenten, vestgesetzt. Das Faselvieh sollte der Kasten noch ferner, den Eber aber der Müller halten. Das Nominationsrecht übte letztmals der gedachte Armenkasten aus. Durch Widerhold wurde ihm zwar dasselbe entzogen, nach seinem Tode aber durch herzogliche Resolution vom 22. Juli 1669 wieder eingeräumt. Früher bestanden auch eine Frühmesse, welche die Ortsherrschaft zu verleihen hatte, und eine Caplanei zu St. Johann dem Evangelisten, welche 1461 Frau Guta von Neuhausen, die Wittwe des strengen Herrn Hansen von Lichteneck, Ritters, gestiftet hatte, aber schon 1539 aufgehoben worden ist. Mit der Kirche scheint in alten Zeiten ein Stift verbunden gewesen zu seyn, da sie in einer Urkunde noch 1491 „stiftliche“ Pfarrkirche heißt; weitere Nachrichten fehlen jedoch. Außer der Schule, für welche ein eigenes Gebäude demnächst errichtet wird, und an welcher ein Schulmeister und 1 Provisor stehen, ist auch noch eine Industrieschule im Ort. Der Armenkasten hat dem früheren Ortsherrn, Conrad Widerhold, mehrere Stiftungen zu danken.

| Neidlingen ist sehr alt. Schenkungen an das Kloster Lorsch »in villa Nitlinga« kommen schon 796 vor. S. oben S. 97. Die Vergabung an das Stift Wiesensteig im Jahr 861 s. ebenda. Daß hier König Karl der Dicke in Dürftigkeit gestorben, giebt J. C. von Pfister (Geschichte des Württembergischen Hauses etc. S. 24) an, läßt sich aber nicht nachweisen.[1] Später wird der Ort als eine teck’sche Besitzung gefunden, die mit andern Gütern an die Grafschaft Aichelberg gelangte. Als Vasallen derselben, die hier saßen, treten die von Neidlingen auf, aus deren Geschlecht, wie wir bei Hepsisau sahen und unten sehen werden, die von Lichteneck und von Randeck hervorgegangen sind. Heinricus de Niedelingen dictus ist als teckscher Ministerial Zeuge im J. 1258. In derselben Eigenschaft treten 1277 Eberhardus et Ulricus de N. Milites, auf. Im J. 1283 kommt ein „M. Ulrich von Niedelingen, der Schreiber des H. Hermann v. Teck“ vor. Ein Ulricus dictus de Niedelingen ist 1293 Zeuge für Graf Ulrich von Aichelberg. (S. auch Lichteneck). Der Abt von Bebenhausen vergleicht sich 1295 mit Ulrich v. N. und seinen Söhnen Ulrich und Heinrich wegen der Güter zu Plieningen. Ein dritter Sohn hieß Marquart. Dieser ist Stifter des Lichtenecker und Heinrich Stifter des Randecker Hauses. M. Krafto de Niedelingen ist 1303 Scholasticus zu Augsburg. Derselbe schenkt 1320 dem Capitel daselbst die Kirche in Ketterschwang. Märklin, der Alt von N. kommt mit seinen Söhnen Märklin, Kraft und Conrad 1361 vor. Er nennt Herrn Kraft und Herrn Hans v. N., beide Ritter, seine liebe Vetter. Ulrich von N. der ältere zu Sulzburg und Wernherr v. N. zu Aichelberg gesessen, werden 1370 Bürgen für Herzog Friedrich v. Teck. (S. auch Sulzburg). 1375 kommen Hans und Diepold v. N., Ritter, vor. Der letztere fiel in der Schlacht bei Reutlingen. Wernherr von Neidlingen ist 1390 Burgherr von Asberg. Wernherr v. Neidlingen und Hans v. N., sein Sohn vermachen 1421 dem Kloster zu Weiler bei Eßlingen ihren Hof zu Kemnath, damit es ihnen und Wernherrs Vater, auch Wernherr v. N., einen Jahrtag halte mit 5 Priestern. Anna v. N., Wernherrs v. N. seligen Tochter, verkauft an eine Klostercaplanei in Kirchheim eine Gülte aus dem Wasser zu Ebersbach. Mit Hans v. N., der noch 1436 vorkommt, scheint das Geschlecht erloschen zu sein.[2] Ihr Wappen | war wie das lichteneck’sche, nur lief der Querstrich entgegengesetzt durch den Schild und fehlte die halbe Kugel auf dem Helme. Sie scheinen das teck’sche Canzleramt bekleidet zu haben, s. Teck. Noch ehe dieses Geschlecht erlosch, kam ein Theil der Güter an die von Lichtenstein. Hans v. Lichtenstein, „ain Edelknecht, gesessen zu Neidlingen“ kommt 1385 vor. Salmi (Salome) von Lichtenstein, Herrn Hansen seligen von L. Tochter, Heinrichs v. Mannsberg ehliche Hausfrau, verkauft 1430 an den Heiligen zu Weilheim ihr „eigen Gut zu Niedlingen gelegen, mit Namen die halbe Mühle, die Kirche daselbst, mit Widdum mit eigen Leuten vnd Guten, Zehenten, Fällen, Zinsen, Zwingen, Bännen, Äckern, Wiesen etc.; wie die ich Salmi von meinem Vater selig ererbt han für frei vnd ledig vmb 910 fl.“ Sofort finden wir die Späth, Mannsberg und Liebenstein im Besitze. An St. Veitstag 1431 erlaubt Kaiser Sigmund „Vnsern vnd des Reichs lieben Getrewen Dietrich Späth, Heinrich von Mannsberg vnd Peter von Liebenstain, daß sie, ihre Erben vnd Nachkommen ain gemain Gericht in dem Dorf Neidlingen vnter dem Reißenstein, haben, vnd das mit Richtern vnd Schöppen aus demselben Dorf besetzen sollen vnd mögen, Vrtel zu sprechen vnd zu richten vmb alle vnd jegliche Sach von Erben vnd aigen, Geldschuld vnd vmb Vnzucht wegen, die für solch Gericht fürbracht werden, doch daß solche Leut, die zu solchem Gericht gesetzt vnd gekört werden, fromm, vnuersprochen geschworne Mann seyn vnd Recht thun nach ihrer besten Vernunft vnd Erkenntnuß, vnd sollen die Urteile, die das Gericht spricht, Kraft haben, vnd von allermänniglich gehalten werden.“ Dietrich Späth scheint die Mitinhaber ausgekauft zu haben, denn einer seiner Nachkommen, Dietrich, ums Jahr 1530 Obervogt zu Urach, verkaufte seinem Tochtermanne Wilhelm Vetzer um 12000 fl. das Dorf Neidlingen, den Stab zu Ochsenwang, wie er und seine Voreltern den hatten, und die Höfe und Weiler Krebsstein, Randeck, Heimenstein und Pfundhard. Dietrich Vetzer verkaufte am 7. Juli 1551 an Wilhelm Eberhard von Freyberg zum | Eisenberg und Haldenwang, Ritter, kaiserlicher Rath[3], die 2 Dörfer Neidlingen und Ochsenwang und seine Schäferei zu Randeck und Krebsstein mit allen Obrigkeiten, Rechten u. s. w., wie solche ihr Vater Wilhelm selig ingehabt, um 29.400 fl. Am 10. Merz 1559 wird dem gedachten Eberhard und seinen Nachkommen von Kaiser Ferdinand die Begnadigung von 1431 bestättigt, und nach seinem Tode, am 20. Juni 1564, werden seine Söhne Karl, Philipp, Otto, Marquard und Leo von dem Kaiser mit „dem Halsgericht vnd dem Bann vber das Blut zu richten,“ womit schon Eberhard von Kaiser Karl V. begnadet worden sey, belehnt. Leo von Freyberg vermachte 1587 Schloß und Dorf mit Ochsenwang und Randeck dem Herzog Ludwig von Württemberg als Erbschaft, der ihm zu Tilgung von Schulden eine Summe vorgeschossen hatte, indem er sofort die Herrschaft dem Herzog übergab und sie von ihm als Mannlehen zurückempfing. Er überließ diesem sogleich die weltliche und geistliche Obrigkeit: die Unterthanen huldigten, der Meßpriester wurde abgeschafft und am 19. Juli 1590 durch den Special von Kirchheim der Anfang der Reformation mittelst einer Predigt gemacht, nachdem Leo selbst einige Jahre zuvor zu der neuen Lehre sich bekannt hatte. Aber erst nach Leo’s Tod, am 26. März 1594, nahm Herzog Friedrich von Neidlingen Besitz. Weil aber die Brüder des Verstorbenen, Karl und Marquard, dem Testamente sich widersetzten, so erbot sich der Herzog, gegen Widerersatz der dem Verstorbenen geliehenen 39.150 fl. die Herrschaft zu räumen. Jene giengen zwar den Vergleich ein, vergriffen sich aber an der im Freihofe zu Kirchheim wohnenden Wittwe des Leo, und gaben damit dem Herzoge Veranlassung, den Vertrag für gebrochen zu erklären; (Sattler V. 195) worauf dieser das Schloß Neidlingen durch die reißigen Schultheißen und Forstknechte des Amtes und 300 Mann aus den Amtsorten am 24. April 1596 wieder einnehmen ließ, und am 9. Dec. 1597 die von Freyberg | mit der Summe von 70.000 fl., gegen welche sie auf alle Ansprüche „zu Verhütung mehrerer Ungnad und anderer Weitläufigkeit“ verzichteten, abfertigte. Es wurde sofort ein Vogt hieher gesetzt, und die Herrschafft im J. 1618 dem Lande inkorporirt. Herzog Eberhard III. verlieh sie aber 1633 seinem Kanzler Löffler, der sie jedoch unter der österreichischen Regierung schon 1634 dem bayerischen Geheimenrath von Reichel abtreten mußte. (Sattler IX. 72.) In Folge des Westphälischen Friedens wurde das Lehen wieder offen, worauf Herzog Eberhard den tapfern Conrad Widerhold wegen seiner Verdienste damit belehnte, der bald hier und bald in Kirchheim, wo er Obervogt war, sich aufhielt. Da Widerhold keine männlichen Erben hinterließ, so fiel es 1666 an die Kammerschreiberei (das herzogl. Familien-Kammergut) zurück, worauf eine unter ihr gestandene, von der Vogtei Kirchheim in allen Beziehungen unabhängige, Vogtei[4] Neidlingen gebildet wurde, die mit allen oberamtlichen Attributen ausgestattet war, Neidlingen, Ochsenwang und Randeck umfaßte und schon 1675 einen „separaten Landstand“ hatte, dessen Rechte sie auch bis zu ihrer 1807 erfolgten Aufhebung und Vereinigung mit dem Staatsgute und Einverleibung in das Oberamt Wiesensteig (oben S. 101) geltend machte. Die Rechte, welche mit der Herrschaft an Württemberg übergegangen, sind zum Theil aus dem Vorgetragenen zu ersehen. Die Landeshoheit scheint zwar schon mit Aichelberg an dasselbe gekommen zu seyn; allein es ist nicht unwahrscheinlich, daß sich die Besitzer nicht nur dieser, sondern auch der Lehenspflicht frühe schon zu entledigen gewußt hatten. Nach Steinhofers Chronik (II. 759.) wären zwar Neidlingen und Ochsenwang mit Weilheim 1432 an die von Wernau verpfändet worden. Allein Württemberg hatte damals urkundlich keine andern Rechte daselbst, als einige Leibeigene, und erkannte 1443 an, daß die Beiziehung derselben zur Leibsteuer | dem Besitzer der Herrschaft „an seiner Gewaltsami“ keinen Eintrag thun solle. Bis zum Jahr 1587 war dieselbe der Ritterschaft einverleibt, wie aus der Urkunde vom 20. October 1637, wodurch die von Kaiser Ferdinand II. gemachte Schenkung derselben an Reichel bestättigt wird, erhellt.[5] Die Bestandtheile waren: Neidlingen, Schloß und Dorf, Ochsenwang und Randeck. Zu Randeck scheint, wie aus der Frohnpflicht dahin hervorgeht, ein gewisses Abhängigkeits-Verhältniß bestanden zu haben.

Auf der Markung befand sich einst ein 3 Tagewerke großer See, der 1623 trocken gelegt und an die Gemeinde verkauft wurde. In dem stillen, südwestlich von dem Orte beginnenden, Neidlinger Thale, (oben S. 3) in welches links die Ruinen des Reißensteins, rechts der oben S. 14 beschriebene, wegen seiner Höhle merkwürdige, Heimenstein, von den hohen Alpgebirgen herab blicken, etwa 100 Schritte von jenen, erwartet den Wanderer der Anblick eines gleichfalls oben S. 10 schon erwähnten, herrlichen Wasserfalles. Auch der Liassandsteinbrüche und der selteneren Pflanzen in der Umgebung ist oben S. 33 und 36 schon Erwähnung geschehen.

b. Randeck, Hof, die Einw. sind unter N. begriffen. Er liegt auf der hoben Alp, doch in einem Thal-Einschnitte, der, von schönen Wasserfällen belebt, nach Hepsisau hinabzieht. Von Neidlingen ist er durch einen 1 Stunde langen Berg getrennt. Der Hof theilt alle seine Verhältniße mit Neidlingen. Er hat nur 1 Wohnhaus, ist Staatseigenthum und war schon 1626 an einen Beständer verliehen. Nach Höslin war hier zu Ende des vorigen Jahrhunderts ein herrschaftl. Fohlenhof. Nunmehr ist er auf 18 Jahre verpachtet; er besteht aus 3137/8 M. 45,7 R. Gütern, worunter 1671/8 M. Weiden und hat das Zutriebs-Recht auf etwa 80 M. Mäder in Schopflocher Markung. Außer dem dem Armen-Kasten Weilheim zustehenden Zehenten haften gar keine Beschwerden auf dem Hofe. Zu| demselben hatten bis jüngst Neidlingen und Ochsenwang neben Fuhr-Diensten eine sog. „unterthänigste Ehrenfrohn“ zu leisten, d. h. die Sommerweide abzuräumen.

Zwischen der Domäne und dem Heimenstein findet man noch Spuren der Burg Randeck, die aber höchst unbedeutend sind. Wann sie zerstört wurde, ist nicht bekannt; der Bericht von 1535 bemerkt, sie sey „jitzt gar in Abgang“ und im Besitze Wilhelm Vetzers zu Neidlingen. Von ihren ehemaligen Bewohnern aber wissen wir, daß sie von denen von Neidlingen abstammten.

Heinricus de Randecke kommt 1295 neben Ulrich v. Neidlingen vor. Herr Cunrad v. R. war 1329–1339 Custos in Augsburg. Ein Wernher v. R. kommt 1331 vor. Herr Marquard v. R. war nach Urkk. von 1348–1354 Bischof zu Augsburg. Er wurde Patriarch von Aquileja und starb als solcher 3. Jan. 1381. Eberhard v. R. Ritter, tritt in derselben Zeit auf. Er wird 1355 Bürge für den Grafen Albrecht v. Aichelberg. 1361 sind Zeugen Herr Eberhard und Herr Berchtold v. R. Ein Eberhard v. R. ist in demselben Jahre Decan zu Speyer. Wieder ein Eberhard v. R. (derselbe?) ist 1363 Probst in Wiesensteig. Die ersamen vesten Albrecht, Cunz, Hans und Herrmann v. R. Edelknechte, saßen 1384 in der Stadt Kirchheim. Conrad v. R. hat 1387 Reissenstein als Pfandschaft inne. Rudolf v. R. tritt 1421 auf. Heinrich v. R., der sich 1431 Ritter und Hauptmann der Ritterschaft in Schwaben der Gesellschaft mit St. Jörgen Schild nennt, ist der Letzte, der in Urkunden getroffen wird. (S. auch Kirchheim, Schlattstall und Weilheim). Mit ihm scheint dieses Geschlecht erloschen zu seyn. Zwei andere Familien gleichen Namens dürfen nicht mit ihr verwechselt werden: die eine, welche 3 Lilien im Schilde führte und im 14. u. 15. Jahrhunderte bei Straßburg begütert war, und die andere, mit einem Löwenkopfe als Wappen, deren Schloß in der Landgrafschaft Nellenburg lag. Unser Geschlecht stand im Dienstverhältniße zu der Grafschaft Aichelberg und führte dasselbe Wappen, wie die von Lichteneck.

Auf dem über alle benachbarten Berge emporragenden, freistehenden, nordöstlich von Neidlingen gelegenen, Erkenberge oder Merkenberge sind auf bewaldeter Spitze noch einige Spuren von altem Gemäuer zu entdecken: gleichfalls die wenigen Reste eines vormaligen alten Schlosses, das, nach diesen zu schließen, ehemals stark bevestigt war. Das Wenige, das von ihm auf uns kam, ist, daß es einst | die Zähringen bewohnt haben sollen und daß sich eine Nebenlinie der Grafen von Aichelberg, auf welche die Burg mit Weilheim gekommen, davon nannte.

»Nos, dei gratia Diepoldus comes de Merkenberg« verzichtet 1264 auf die Eigenschaft einiger Güter zu „Celle in dem Gehoi,“ welche eine Schwester Gerolds von Essenberg dem Kl. Sirnau geschenkt hatte. Sein Wappen ist das Aichelbergsche. Auch Ulrich II. Graf v. Aichelberg nannte sich v. Merkenberg.

Westlich, gegen Hepsisau, am Fuße des Erkenberges, läuft ein zweiter kleinerer Berg in einen stumpfen Kegel aus, der wie jener, eine prächtige Aussicht in das Unterland aufschließt. Es ist der Lichtenstein, der ein um so freundlicheres Ansehen gewährt, als er bis an den Gipfel mit Weinreben bedeckt ist. Auch hier stand eine Burg, die übrigens von Erkenberg aus beherrscht werden konnte. Die Bevestigungen sind noch etwas sichtbar. Sie muß aber schon frühe gebrochen worden seyn, da ihrer der Bericht von 1535 nicht mehr gedenkt. Das Geschlecht, welches hier hauste, haben wir bei Neidlingen etwas kennen gelernt; wie lange es geblüht und welche Männer es sonst noch aufweisen könnte, ist uns unbekannt. – Der Lichtensteiner Wein gehört zu den besseren des Bezirkes; er ist angenehm und gesucht.

Eine weitere Burg lag östlich von Neidlingen, eine halbe Stunde unter Reißenstein, gegen den Aichelberg. Sie ist aber so spurlos verschwunden, daß kaum noch der Burggraben erkannt werden kann. Sie hieß Windeck. Welches Geschlecht hier saß, dessen Schicksal und das der Burg ist gänzlich unbekannt.

Von dem Tempelherren-Kloster, das auf dem Plateau der Alp in der Richtung gegen Wiesensteig gestanden haben soll, wird in der Beschreibung des Oberamts Geislingen die Rede seyn.


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  1. Nach Stälins Wirt. Gesch, S. 262 starb er in Neidingen an der Donau.
  2. Ihre Besitzungen s. Pfaff Gesch. v. Württ. I. 276.
  3. Aus derselben Familie, welche mit den Herrschaften Alt- und Neu-Steußlingen (Beschr. des OA. Ehingen 106) belehnt war.
  4. Im Jahr 1606 wurde das 60 Jahre zuvor von Eberhard v. Freyberg errichtete, baufällig gewordene, Hochgericht wieder neu aufgeführt. Nach dem Berichte waren „die Sayl, daran anno 1563 vnd 1584 Weiber verbrennt worden,“ in das Hochgericht eingegraben worden.
  5. Hienach wurde sie „wiederum in den alten Stand der Eigenthums-Gerechtigkeit der adeligen Freiheit und unmittelbaren Subjektion des Reichs restituirt, auch von der neuerlich unbefugter Weiß darauf gebrachten württ. Landsäßerei und Lehenschaft frei und ledig gemacht,“ wie dieß hinsichtich aller andern adeligen Güter, welche zuvor der Reichsritterschaft zugehört, von Württ. aber an sich gebracht und mit der Landsäßerei und Lehenschaft beschwert worden, durch kaiserl. Mandat vom 9. Dec. 1636 angeordnet sey.