Beschreibung des Oberamts Ludwigsburg/Kapitel B 6

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Bissingen, an der Enz,


Gemeinde II. Kl. mit 1579 Einw., worunter 6 Kath.; mit Bleiche, Sägmühle, Ziegelhütte, und Ölmühle. Ev. Pfarrei mit dem Filial Untermberg. Die Kath. sind nach Hohen-Asperg eingepfarrt.
An der nördlichen Bezirksgrenze 21/4 Stunden nordwestlich von der Oberamtsstadt, liegt theils in der Enzthalebene, theils an einem nördlich geneigten, sanften Ausläufer gegen dieselbe, das sehr ansehnliche, mit reinlichen Straßen versehene Pfarrdorf, dessen Gebäude beinahe durchgängig gut unterhalten und zum Theil| im städtischen Styl erbaut sind. Mit wenigen Ausnahmen stammen die Gebäude aus den letzten 2 Jahrhunderten, indem die Kaiserlichen im Jahr 1634 das halbe Dorf – und die Franzosen im J. 1693 42 Häuser abbrannten. Die Lage des Orts ist in dem mäßig breiten, wiesenreichen Enzthal eine äußerst freundliche; nördlich am Dorf fließt die mit Weiden und Pappeln etc. besäumte Enz vorüber, welche hier in der Nähe des Wehrs eine Breite von 350′ erhält und an deren jenseitigem Ufer sich eine steile, mit Reben bepflanzte Terrasse amphitheatralisch erhebt, während im Rücken (südlich) des Dorfs, das Terrain flach ist und die Ersteigung der Hochfläche auf eine leichte Weise gestattet. Übrigens ist der nahe Fluß dem unteren Dorftheil gefährlich, indem derselbe zuweilen austritt und die Gebäude theilweise unter Wasser setzt, wie denn im Jahr 1824 eine Kelter und 2 Häuser von den Hochfluthen weggerissen wurden; in diesem Jahr drang das Wasser bis in das untere Stockwerk des Rathhauses und im Jahr 1851 hat es sich bis zu dem hohen, über einer steinernen Treppe angebrachten Eingang in dasselbe gehoben. In Folge der Ausdünstung des Flusses entstehen nicht selten kalte Nebel, die den Obstbäumen nachtheilig sind, daher auch die Obstzucht nicht in der Ausdehnung gepflegt wird, wie in den höher gelegenen Orten des Bezirks; übrigens ist das Klima im Allgemeinen gesund und erlaubt noch den Anbau aller in milden Gegenden vorkommenden feineren Gewächse. Hagelschlag gehört zu den Seltenheiten.

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Am westlichen Ende des Orts steht die massiv erbaute, ansehnliche Pfarrkirche zum heil. Kilian, welche sich seltener Weise noch in ihrer reinen spät germanischen Bauweise erhalten hat und an der bis jetzt keine stylwidrige Veränderungen vorgenommen wurden. Langhaus und der vierseitig schließende Chor sind mit spitzbogigen germanisch-gefüllten Fenstern, und letzterer überdieß mit Strebepfeilern versehen. An der Westseite des Langhauses steht der viereckige, aus 5 Stockwerken bestehende Thurm, dessen oberstes, aus Holz erbautes Stockwerk in neuerer Zeit aufgesetzt und mit einem schönen, schlanken Zeltdach versehen wurde. Dagegen sind die unteren, aus 5–6′ dicken Mauern bestehenden Theile des Thurms älter als die Kirche und namentlich erinnern die im zweiten Stockwerk angebrachten, schmalen, gedrückten Spitzbogenfenster lebhaft an die Übergangsperiode von dem romanischen in den germanischen Baustyl. Das unterste Stockwerk enthält einen Durchgang, von dem ein spitzer Eingang in das Langhaus führt; über demselben steht die Jahreszahl 1517, welche übrigens nicht die Zeit der Erbauung des| Thurmes, sondern vielmehr die der Kirche angibt. Die beiden Glocken wurden 1699 und 1841 gegossen.

An der Südseite des Langhauses steht die Sacristei, die ebenfalls weit älter als die Kirche ist, was aus der ganzen Bauart, namentlich aus dem Maßwerk in den Fenstern, das zum Theil noch kleeblattartig ist, sowie aus den an ihr angebrachten Steinmetzzeichen entschieden hervorgeht. Die Sacristei scheint der Rest der früheren Kirche (Kapelle) zu sein, welche theilweise abgebrochen wurde und an welche man die gegenwärtige Kirche anbaute.

Das geräumige Innere der Kirche hat eine weiße Tünchung an den Emporenbrüstungen sind gewöhnliche Malereien, die 12 Apostel vorstellend, angebracht. Die Spitze des unteren, aus Stein gefertigten Theils der Kanzel, geht von einem Zweig aus, auf dem das Wappen des heil. Geist-Spitals in Markgröningen und die Buchstaben C. S. 1518 sich befinden. Der sehr alte, hohle Taufstein stammt noch aus der romanischen Periode. Über dem spitzigen Triumphbogen zwischen Langhaus und dem einige Stufen höher gelegten Chor steht „1520 renovirt 1808“; aus dieser, wie aus den übrigen am Kirchenbau angebrachten Jahreszahlen geht hervor, daß derselbe in den Jahren 1517–1520 ausgeführt wurde. Den Chor deckt ein schönes Netzgewölbe, dessen Schlußsteine platte Schilde vorstellen, die ohne Zweifel früher mit Wappen etc. bemalt waren, wie überhaupt an den Wänden des Chors und Langhauses überall ehemalige Wandmalereien hervorschimmern, die im Jahr 1808 mit weißer Tünche gedeckt wurden. An der nördlichen Innenseite des Chors stehen noch Reste von gut geschnittenen Chorstühlen. Die Unterhaltungskosten bestreitet zu 5/6 die Stiftungspflege gemeinschaftlich mit der Gemeindepflege und zu 1/6 die Filial Gemeinde Untermberg.

Der um die Kirche gelegene Begräbnißplatz wurde aufgehoben und dagegen im Jahr 1844 ein neuer außerhalb (östlich) des Orts mit einem Gemeindeaufwand von 1500 fl. angelegt.

Das zunächst der Kirche gelegene, im Jahr 1835 gründlich erneuerte Pfarrhaus befindet sich in ganz gutem baulichen Zustande; es ist von dem heil. Geist-Spital Markgröningen im Bau zu unterhalten.

Im Ort sind 2 Schulhäuser, das alte und das neue, das alte, ganz nahe an der Kirche, enthält außer 2 Schulzimmern die Wohngelasse des Lehrers und des Lehrgehilfen; der noch weiter an der Schule angestellte Unterlehrer wohnt gegen Entschädigung von Seiten der Gemeinde in einem Privatgebäude. An die südwestliche Ecke des alten Hauses stößt das neue, welches im Jahr 1822 als Scheune| erkauft, und mit einem Aufwand von 1700 fl. zur Schule eingerichtet wurde; es enthält im untern Stockwerk ein Gemeindemagazin und eine Mostpresse, im obern ein helles geräumiges Schulzimmer. Eine Industrieschule, welche von der Centralleitung des Wohltätigkeitsvereins Unterstützung erhält, besteht seit 1821 und eine Kleinkinderschule seit 1852.

Das gut erhaltene Rathhaus mit blechbeschlagenem Thürmchen und Glocke auf dem First, wurde nach einer über der Kellerthüre angebrachten Jahreszahl 1567 erbaut und ist Anfangs dieses Jahrhunderts namhaft erneuert worden.

Ein Gemeindebackhaus wurde im Jahr 1839 mit einem Aufwand von 400 fl. erbaut; überdieß bestehen im Ort ein Schafhaus, ein Armenhaus und eine Kelter mit 2 Bäumen[1].

Als zur hiesigen Holzverwaltung gehörig, besitzt der Staat das am westlichen Ende des Dorfs an dem Eingang in den Holzgarten stehende Haus des herrschaftlichen Holzmessers und in der Nähe desselben das sog. Werkhaus, das neben der Wohnung des Holzhüters zur Aufbewahrung der Geräthschaften zum Ausziehen und Wegführen des Holzes dient. Im Rücken dieser Gebäude beginnt der 92/8 Morgen große, herrschaftliche Holzgarten, der sich längs des Floßkanals hinzieht.

Von der Enz wird nämlich etwa 1/2 Stunde oberhalb des Orts ein Kanal abgeleitet, der an dem Holzgarten vorbeifließt und zunächst am Dorf sich wieder mit der Enz vereinigt. An dem Anfang des Kanals wird mittelst der sog. Hügelwehrbrücke das auf der Enz herbei geflößte Scheiterholz aufgehalten und in den Kanal geleitet, aus dem es theilweise in den Holzgarten (etwa 8000 Klafter jährlich) gezogen und aufgestellt wird. Das übrige Holz kommt mittelst des Kanals wieder in den Fluß und auf diesem bis zur Einmündung des Wobachs, wo es ausgezogen und auf der Achse zur Eisenbahnstation Bietigheim geführt wird. Das in dem Holzgarten zu Bissingen aufgestellte Holz wird theilweise in Bissingen abgesetzt, der größere Theil aber auf der Achse zur Holzstation Thamm und von da auf der Eisenbahn nach Ludwigsburg und Stuttgart gebracht. Die Langholzflößerei geschieht auf der Enz selbst, und bringt, da die Flöße meist nur am Ort vorüber ziehen, wenig Verkehr, dagegen bildet das Ausziehen, Aufsetzen und besonders das Verführen des| Scheiterholzes nicht unbeträchtliche Erwerbsquellen für die Einwohner.

Der Ort erhält hinreichend ziemlich gutes Trinkwasser aus 4 laufenden und 2 Pumpbrunnen; den laufenden Brunnen wird mittelst 2 Leitungen, von denen die eine 1/4 Stunde, die andere 1/2 Stunde südlich vom Ort beginnt, das Wasser zugeführt. Von den auf der Markung häufig vorkommenden Quellen sind der Hohbrunnen, der Liederlesbrunnen und der obere Feldbrunnen die bedeutendsten. Eine periodisch fließende Quelle, das sog. Theuerbrünnele, befindet sich 1/4 Stunde vom Ort am alten Gröninger Weg. Am Saume des Waldes Rothenacker, etwa 1/2 Stunde südlich von Bissingen, lag ein 6 Morgen großer See, der längst in Wiesengrund umgewandelt wurde. Außer der Enz, welche in einer Länge von etwa 5/4 Stunden an der westlichen und nördlichen Markungsgrenze hinzieht, fließt noch über die Markung der Saubach (Weilerbach) und der Wohbach, welcher etwa 3/8 Stunden lang die östliche Markungsgrenze bildet.

In Bissingen ist geboren den 19. Febr. 1792 Ludw. Friedr. Heyd, Sohn des Raths und Holzfactors, 1820 Diacon, 1824 Stadtpfarrer in Markgröningen, wo er am 6. März 1842 starb. Ein namentlich um die württembergische Geschichte vielfach, besonders durch seine Geschichte Herzog Ulrichs verdienter Gelehrter.

Im Allgemeinen sind die Einwohner kräftig und gesund, nur zeigen sich unter ihnen, wie beinahe in sämmtlichen Orten des untern Enzthales, Spuren des Cretinismus. Was die ökonomischen Verhältnisse betrifft, so dürfen nur einzelne wohlhabend genannt werden, während viele mittelbegütert, die meisten aber unbemittelt und zum Theil so verarmt sind, daß gegen 50 Personen von der Gemeinde Unterstützung erhalten.

Mit Ausnahme eines Ortsbürgers, der 60 Morgen Güter besitzt, beträgt das Grundeigenthum der Vermöglicheren 20–30 Morgen, der Mittelbegüterten 8 Morgen und der Minderbegüterten 1/2 bis 1 Morgen. Der am häufigsten vorkommende Flächeninhalt eines Grundstücks beträgt 1/2–1 Morgen.

Ein etwa 135 Morgen großes Gut besitzt der Staat, der es in verschiedenen Parcellen an die Ortsbürger verpachtet. Die Haupterwerbsquellen bilden Feldbau, Viehzucht und Weinbau; ein großer Theil der Einwohner sucht sich durch Taglohnarbeiten und Holzführen sein Auskommen zu sichern. Von den Gewerben sind zu nennen eine Mühle mit 6 Mahlgängen und einem Gerbgang, 4 Schildwirthschaften, eine Bierbrauerei, 3 Branntweinbrennereien, eine Potaschesiederei (über die außerhalb des Orts betriebenen Gewerbe| s. unten); überdieß sind die nöthigen Handwerker, wie auch ein Kaufmann und 3 Krämer, vorhanden.

Die ziemlich große Markung, welche sich hauptsächlich gegen Süden ausdehnt, indem der Ort ganz nahe an ihrer nördlichen Grenze liegt, ist mit Ausnahme der Thalgehänge gegen die Enz und deren Seitenthälchen (Weilerthal, Wohbachthal) beinahe eben und bildet eine leicht gegen Süden ansteigende Hochebene.

Der im Allgemeinen fruchtbare Boden besteht größtentheils aus Diluviallehm, dem der Muschelkalk, stellenweise auch die Lettenkohlengruppe als Unterlage dienen. Im Enzthale haben sich Alluvionen abgelagert, unter denen der Sand mit beigemengten Geröllen vorherrscht; letztere sind auch an den flachen Ausläufern gegen die Thalebene nicht selten dem Lehm beigesellt. An den Steilgehängen kommt ein steiniger, kalkreicher Boden vor, der sich sehr gut für den Weinbau eignet, und in dem Walde Rothenacker treten hauptsächlich die Mergel der Lettenkohlengruppe auf. Die ergiebigsten Felder liegen in den Fluren Entenäcker, Nonnenmacher, lange Furch, Barchetäcker, Wannenäcker, Mäulesäcker, Hochbrunnenäcker etc. Auf der Markung befinden sich mehrere Muschelkalksteinbrüche und ein Lettenkohlensandsteinbruch; auch eine Lehmgrube ist vorhanden und Flußsand wird theils zum Bauen benützt, theils auswärts verkauft.

Die Landwirthschaft, bei der man sich verbesserter Ackergeräthschaften, wie des Brabanterpflugs, der Walze etc. bedient, wird mit großem Fleiß betrieben und zur Besserung des Bodens, außer der gewöhnlichen, in zweckmäßig angelegten Düngerstätten gesammelten Düngungsmitteln auch der Pferch, etwas Gyps und Asche in Anwendung gebracht. Man baut hauptsächlich Dinkel, Hafer, Gerste und in der beinahe ganz angeblümten Brache Kartoffeln, viel Futterkräuter (besonders dreiblättriger Klee und Wicken), Welschkorn, Angersen, Ackerbohnen, ziemlich viel Winterreps, etwas Mohn, in neuerer Zeit Zuckerrüben und Hanf; letzterer wird häufig auch in Ländern, übrigens nur für den eigenen Bedarf, gezogen. Zur Aussaat rechnet man auf den Morgen 7 Sri. Dinkel, 3 Sri. Hafer und 21/2 Sri. Gerste; der durchschnittliche Ertrag wird zu 8 Schfl. Dinkel, 5–6 Schfl. Hafer und 4–5 Schfl. Gerste pr. Morgen angegeben. Die Preise eines Morgen Ackers bewegen sich von 100–400 fl. Von dem Getreideerzeugnisse werden jährlich 800–1000 Schfl. Dinkel nach Außen verkauft.

Der Wiesenbau, welcher in dem Enzthale von namhafter Ausdehnung betrieben wird, liefert gutes, nahrhaftes Futter; ein Morgen Wiese erträgt durchschnittlich 20–25 Ctr. Heu und 10 Ctr.| Öhmd, welch letzteres übrigens in heißen Sommern an manchen Stellen gänzlich fehlt. Etwa 15 Morgen können bewässert werden. Die Wiesenpreise bewegen sich von 100–200 fl. pr. Morgen.

Der Weinbau ist nicht ausgedehnt und nimmt immer mehr ab, indem die eben gelegenen Rebengelände allmälig ausgereutet und in Ackerfeld umgewandelt werden. In der üblichen Bauweise des Unterlandes, mit 3200 Stöcken auf dem Morgen, pflegt man Elblinge, Silvaner, Gutedel und in den bergigen Lagen hauptsächlich Trollinger; der Wein, das Erzeugniß aus letzterer Lage, welches zu den besten des Bezirks gezählt wird, ist von dunkelrother Farbe und mehrere Jahre haltbar. Ein Morgen erträgt durchschnittlich 3–4 Eimer und die Preise eines Eimers betrugen in den Jahren 1846 45–66 fl., 1847 19–48 fl., 1848 16–40 fl., 1849 10–37 fl., 1850 20–30 fl., 1851 16–33 fl., 1852 40–50 fl., 1853 32–44 fl., 1854 wurde kein Wein verkauft, 1857 36–60 fl. und 1858 30–55 fl. Die Preise eines Morgens Weinberg bewegen sich von 200–500 fl. Der Absatz des Weins geschieht größtentheils an die Wirthe im Ort selbst und nach Ludwigsburg.

Die Gemeinde besitzt 160 Morgen Waldungen, aus Haseln-, Aspen- und sonstigen weichen Holzarten mit Eichenoberholz bestehend; sie werden im 16jährigen Umtrieb bewirthschaftet und die alle zwei Jahre stattfindenden Schläge gewähren der Gemeindekasse eine Einnahme von je 300–400 fl. An den Enzufern werden Weiden, Erlen und Pappeln gepflanzt, von denen die auf Gemeindegrund stehenden der Gemeindepflege eine jährliche Einnahme von 15 fl. sichern.

Die erst in neuerer Zeit kultivirten Weiden sind an Ortsbürger verpachtet und geben mit Zurechnung einiger anderer Gemeindegüter eine jährliche Pachtsumme von etwa 350 fl. Die Brach- und Stoppelweide ist einem Schäfer vom Herbst bis zum Frühjahr um 250 fl. zur Benützung überlassen; woneben der Pferch jährlich 400 fl. der Gemeindekasse einträgt.

Eigentliche Pferdezucht besteht nicht, dagegen werden viele theils junge, theils schon gehörig erstarkte Pferde auswärts aufgekauft und wegen des bedeutenden Holzfuhrwesens gehalten.

Die Rindviehzucht ist ausgedehnt und in gutem Zustande; man sieht hauptsächlich auf einen tüchtigen Neckarschlag, welcher durch 3 Farren nachgezüchtet wird. Lebhafter Handel mit Vieh, zuweilen auch mit gemästetem, findet auf benachbarten Märkten statt.

Die von dem Gemeindeschäfer betriebene Schafzucht beschäftigt sich seit etwa 20 Jahren mit feinen Bastarden, die im Ort Überwinterung finden und deren Wolle meist nach Kirchheim abgesetzt wird.

| Die Schweinezucht ist nicht bedeutend; es werden noch viele Ferkel (in neuerer Zeit von der englischen Bastardrace), theils für den eigenen Bedarf, theils zum Verkauf, von Außen aufgekauft.

Mit Geflügel (Gänsen, Hühnern, Enten und Tauben) wird einiger Handel nach Stuttgart und Ludwigsburg getrieben.

Das Fischrecht in der Enz hat oberhalb der Mühle der Staat, der es um 4 fl. jährlich verpachtet, unterhalb der Mühle die Gemeinde, die aus demselben eine jährliche Pachtsumme von 8–9 fl. bezieht. Die Fische, meist Barben, Weißfische, Berschinge und seltener Aale, werden nach Ludwigsburg, Stuttgart, hauptsächlich aber nach Freudenthal abgesetzt.

Von dem Ort führt eine von dem Staat zu unterhaltende Straße nach Ludwigsburg, welche bei der Hohenstange in die Ludwigsburg–Bietigheimer Landstraße eingeht; von dieser Straße führt eine größtentheils von der Amtscorporation zu unterhaltende Vicinalstraße nach Thamm ab; auch sind Vicinalstraßen nach Bietigheim und über Untermberg nach Groß-Sachsenheim angelegt. Die Entfernung bis zu der am nächsten gelegenen Eisenbahnstation Bietigheim beträgt 1/2 Stunde. Zunächst am Ort führt eine auf fünf Pfeilern (vier steinernen und einem hölzernen) ruhende Brücke über die Enz; sie wird von der Gemeinde unterhalten, welche auch das um 50 fl. jährlich verpachtete Brückengeld bezieht.

Über den Haushalt der Gemeinde- und Stiftungspflege s. Tab. III.

An Stiftungen zu wohlthätigen Zwecken sind etwa 2000 fl. vorhanden, von denen die Stiftung des verstorbenen Holzfaktors und herzogl. Raths Johann Jacob Heyd vom Jahre 1788 mit 1040 fl. die bedeutendste ist.

Was die auf der Gemeindemarkung gelegenen einzelnen Wohnsitze betrifft, so ist

a) Die 1/8 Stunde westlich von Bissingen gelegene Bleiche Eigenthum der Gemeinde und von dieser um 44 fl. jährlich verpachtet.

b) Die sog. Sägmühle, liegt unterhalb Bissingen am Weilerbach; sie wurde vor etwa 10 Jahren in eine Mahlmühle umgewandelt und führt nunmehr die Namen Neumühle, Bachmühle oder Mühle am Weilerbach.

c) Die Ziegelhütte liegt 1/8 Stunde östlich von Bissingen; ihr gegenüber wurde in neuerer Zeit eine Mühle mit zwei Mahlgängen und einem Gerbgang erbaut, welche von dem Saubach (Weilerbach) in Bewegung gesetzt wird.

| d) Die 1/4 Stunde südöstlich vom Mutterort am Saubach gelegene Öl- und Quarzmühle ist Eigenthum des Wetzsteinfabrikanten Schuhmacher in Bietigheim.

Bei der Bleiche wird ein unbedeutender Hügel die Bürge genannt, daselbst stand eine nun gänzlich abgegangene Burg, von der in neuester Zeit noch Mauerreste und gegypste Wandreste ausgegraben wurden.

Bei der südlich vom Ort gelegenen Lehmgrube wurden vor sechs Jahren einige alte Gräber aufgedeckt.

Zu dem auf der benachbarten Markung Untermberg gestandenen Ort „Remmingen“ (s. die Oberamtsbeschreibung von Vaihingen) führt eine in Bissingen beginnende Straße, welche noch der Remminger Weg genannt wird.

Die früheste Nennung des Dorfes als Bussingen hat sich in Aufzeichnungen des elsäßischen Klosters Weissenburg erhalten. Nach Auszügen aus dortigen, wahrscheinlich dem 9. Jahrhundert angehörigen Urkunden hatte dasselbe allhier ein Gotteshaus (basilica), und erlitt im Jahre 991 in seinen hiesigen Besitzungen Beschädigung durch den Kärntner Herzog Otto aus dem salischen Hause (Trad. Wizenburg. ed. Zeuss S. 292. Nr. 192. S. 305. Nr. 311.).

Hiesige Güter veräußerte um 1100 das Kloster Hirschau (Cod. Hirsaug. 31b), bekam aber wieder eine halbe Hube von Segeward von „Bussingen“ (ib. 42a). Auch das Kloster Lorsch hatte schon im 13. Jahrhundert allhier einen Hof, dessen Besitz ihm K. Ludwig den 2. Sept. 1331 bestätigte. Der umfassende Lehenshof der Grafen von Vaihingen, welcher im 14. Jahrhundert an Württemberg kam, hatte auch hier seine Lehensträger; 1344 empfing von den Grafen Eberhard und Ulrich von Württemberg „Hochschlitz von Pfawhusen, der zu Grüningen sitzet, ze Lehen das Zwölftheil des Zehenden ze Bissingen am kleinen und großen Zehend, rürent von Vaihingen.“ (Sattler Grafen 4. Beil. Nr. 61. S. 270.).

Im 15. Jahrhundert gehörte ein Haupttheil des Ortes den Herren von Sachsenheim. Von der Wittwe Johanns von Sachsenheim, Helena Kaybin von Hohenstein, erkaufte den 16. Oct. 1481 der Graf Eberhard d. ä. von Württemberg ihren Antheil an demselben, mit dem Zoll auf der Enz; schon das Jahr zuvor hatte Graf Eberhard d. j. einen Theil am hiesigen Zehent von ebenderselben erworben. Nach Aussterben der Herrn von Sachsenheim im Jahre 1561 fielen neben anderem Lehenbesitz auch Güter und Gefälle in Bissingen an Württemberg heim, so daß der Ort ganz württembergisch wurde (Sattler Herz. 4, 190).

| Der älteste bekannte Pfarrer ist Sifridus plebanus de Bussingen 1279 (Remling Bisch. v. Speyer, ältere Urk. 356; noch 1289 Sifridus rector ecclesie in B. Mone Zeitschr. 4, 446). Im 15. Jahrhundert bestund hier eine Pfarrstelle, eine Frühmesserei und eine Caplanei zum St. Wendelinsaltar.

Den 24. Apr. 1364 belehnte Graf Eberhard der Greiner den Konrad von Sachsenheim mit dem Patronatrecht. Im Jahre 1404 verkauften Hermann und Hans von Sachsenheim Gebrüder zu der äußern Burg dieses Recht dem Spital zu Markgröningen, wozu Graf Eberhard der Milde den 4. Jan. d. J. seine lehensherrliche Zustimmung gab, jedoch mit dem Vorbehalt, wenn über kurz oder lang diese Kirche jemand von Päpsten, Kaisern, Königen, Erzbischöfen oder Bischöfen sollte anfallen, daß hiedurch das Lehen wiederum an die Herrschaft Württemberg komme (Steinhofer Wirt. Chron. 2, 592). Am 14. Mai 1422 beauftragte Papst Martin V. den Abt von Hirschau, die Einverleibung dieser Kirche in den genannten Spital zu besorgen; als im Jahre 1427 von dieser Kirche Hussitensteuer gefordert wurde, widersprach der Meister des genannten Spitals unter der Behauptung, diese Kirche sei auctoritate apostolica dem Spital einverleibt.

In der Zeit des 30jährigen Kriegs, von 1640–1649, war Bissingen vorübergehend nach Asperg eingepfarrt.

Heutzutage hängt die Pfarrei, zu welcher Unteremberg (O.A. Vaihingen) als Filial gehört, von königlicher Collatur ab.


  1. Das Landbuch von 1624 führt S. 736 an: „Zwo Keltern zu Bissingen, die eine ist des Klosters Lorch, die ander der Kellerey Sachsenheim, und deß von Münchingen.“
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