Beschreibung des Oberamts Neckarsulm/Kapitel B 10

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10. Degmarn,


Pfarrdorf, Gemeinde III. Kl., mit 391 Einwohnern, worunter 17 Evang., welche nach Neckarsulm eingepfarrt sind.
Der wenig regelmäßig gebaute Ort liegt von dem Hauptverkehr ab am Ende des Kocherplateaus hart am Rande des ziemlich steilen Abfalls zum Thale des Kochers. Die Ortsstraßen sind gekandelt und chaussirt; die einzige Vizinalstraße| mündet ein auf die von Oedheim nach Neuenstadt führende Straße. Über den östlichen mit Bäumen hübsch bewachsenen Abhang führt auf ungefähr 120 Stufen ein Fußpfad hinab auf die Wiesen des Kochers und von da weiter zur Kocherbrücke von Kocherthürn. Im östlichen Theil des Dorfs auf einer Terrasse unmittelbar am Rande des Abhangs steht auf dem alten, jetzt verlassenen Friedhof die dem h. Pankratius gewidmete Kirche. Sie ist außen weiß verputzt und zeigt auf dem Fries über dem einzigen geradlinigen Portal im Westen die Jahreszahl 1723, sowie das von Speth-Schülzburgische Wappen mit Deutschordenskreuz (Georg Adolf v. Speth-Schülzburg, Kommenthur zu Horneck 1706). In dem abgebrochenen Schnörkelgiebel darüber erscheint das Hornstein’sche Wappen mit dem D.O.Kreuz (Karl Heinrich Freiherr von Hornstein, Komnmenthur zu Horneck um 1720). Das von hohen rundbogigen Fenstern an den Langseiten erhellte Schiff enthält die 2 Nebenaltäre und ist bläulich angestrichen mit weißen Ornamenten; die Decke leicht gewölbt. Ein runder Bogen führt zu dem östlich anstoßenden im halben Sechseck schließenden Chor mit dem Hauptaltar. Südlich ist die Sakristei, nördlich der in 3 Stockwerken sich erhebende Thurm; die 2 unteren sind viereckig, das oberste achteckig mit schiefergedeckter Kuppel. Von den 3 Glocken auf demselben hat eine keine Inschrift, eine zweite die Jahreszahl 1568, die dritte, größte: „Gegossen von Adam Bachert in Kochendorf 1838 für die Gemeinde Degmarn. Schultheiß Joseph Vogt.“

An der östlichen Seite der Sakristei stehen die Grabsteine des am 12. Dez. 1847 gestorbenen Pfarrers hier, Joseph Erhardt Stetter und der Frau Maria Schott, geb. Schiemer, † 1831. Sonst finden sich nur noch wenige Grabstätten auf dem alten Friedhof, über dessen Mauer hinaus nach Osten sich eine hübsche Aussicht eröffnet hinunter ins Thal, nach Stein, Kocherthürn, Neuenstadt, weiter auf die gegenüberliegenden Hügel und den Mainhardter Wald.

Das in unmittelbarer Nähe der Kirche befindliche zweistockige Pfarrhaus, nach der Jahreszahl über der Thüre 1764 erbaut und 1877 renovirt, zeigt über einem abgebrochenen Schnörkelgiebel 2 Deutschordenswappen unter siebenzackiger Krone, nemlich das von Eyb’sche (3 Muscheln, auf dem Helm ein wachsender Pfau – Friedr. Karl von Eyb, Landkommenthur zu Horneck † 1778) und das von Eltz’sche (oben Löwe, unten leer – Karl Friedr. v. Eltz, Komthur zu Heilbronn 1773).| Das Pfarrhaus, als solches seit 1792 mit der Selbständigmachung der bis dahin von Oedheim versehenen Pfarrei eingerichtet, war früher Schulhaus. Dieses hinwiederum befindet sich in dem früheren Rathhaus und enthält (1877 renovirt) im unteren Stock ein Lehrzimmer, oben die Lehrerwohnung. Das jetzige zweistockige Rathhaus wurde 1842 neu erbaut; auch besitzt die Gemeinde eine Kelter mit Mahlmaschine und 2 Pressen, ein Armenhaus und ein Backhaus. Der jetzige Begräbnisplatz liegt südwestlich wenige Minuten von dem Ort entfernt. Die Stiftungspflege hat die Kirche und das Pfarrhaus zu unterhalten. – Im Winter findet Industrieschule statt.

Die Quellen, an denen die Markung in den „Halden“ reich ist, liefern dem Ort sehr gutes Trinkwasser in 13 Brunnen, 2 laufenden und 11 Pumpbrunnen. Das Abwasser fließt in plätscherndem Bache ins Wiesenthal hinab zum Kocher. Sonst berührt der Kocher im Osten und Nordosten die Markung, welche in kleiner Ausdehnung, im ganzen nur 1146 Morgen, einen Theil der Hochebene südlich vom Kocher, sowie das Thal dieses Flusses umfaßt. Der Boden ist durchaus tiefgründiger Lehm- und Sandboden, zum Theil etwas steinig. Bei mildem Wetter gedeihen alle Früchte sehr gut; Gewitter sind häufig, aber Hagelschlag selten. Außer Lehm- und Sandgruben besteht auch ein kleinerer Kalksteinbruch.

Die Einwohner leben von Feldbau und Viehzucht. Der Grundbesitz des vermöglichsten Bürgers beträgt 95 Hektar, der des Mittelmanns 50, der der ärmeren Klasse 4 Hektar. Handwerker sind außer den allernöthigsten nicht vorhanden; 3 Krämer sind im Ort. Es existirt ein Geschäft mit Hopfen, Obst und andern Landesprodukten; manche betreiben das Flechten von Weidenkörben, die zum Theil nach außen abgesetzt werden.

Die Landwirthschaft befindet sich in sehr gutem Zustand. Die Preise eines Morgens Acker bewegen sich zwischen 1200 und 200 Mark. Von den gebauten Halmfrüchten kommen im ganzen jährlich ca. 750 Scheffel nach außen zum Verkauf.

Die Wiesen, von denen ein Morgen 800 bis 200 Mark kostet, liefern meist gutes, zu einem Theil saures Futter; ca. 6 Morgen können bewässert werden.

Der Weinbau ist ganz unbedeutend (s. oben S. 146). Dagegen ist die Obstzucht auf den Gemeindeallmanden und auf Privatgüterstücken im Zunehmen begriffen. Es ist eine Gemeindebaumschule| vorhanden und ein besonderer Baumwart aufgestellt.

An Wald besitzt die Gemeinde ca. 160 Morgen gemischte Waldungen, welche jährlich 25–30 Klafter und 1800 Wellen tragen. Von letzteren erhält jeder Bürger 80 Stück, der übrige Holzerlös fließt in die Gemeindekasse.

Die Brach- und Stoppelweide wird von einem Ortsschäfer mit ca. 200 Stück einheimischen Schafen befahren. Das Weiderecht hat die Gemeinde und bezieht jährlich 250 Mark Pacht, außerdem für die Pferchnutzung 300 Mark. Allmanden sind vorhanden und ihre Verpachtung an Bürger trägt der Gemeinde jährlich 50 Mark. Außerdem besitzt sie eigene Güterstücke, welche um die Summe von 1800 Mark verpachtet sind.

Die Rindviehzucht ist in gutem Zustand.

Es bestehen einzelne kleinere Stiftungen von früheren Bürgern, mit der Bestimmung, daß ihre Zinsen an die Ortsarmen vertheilt werden sollen; im ganzen betragen sie ca. 110 fl. Außerdem hat die Gemeinde Theil an der Gundelsheimer Hospitalstiftung.

Alterthümer: westlich vom Ort zwei Grabhügel im Plattenwald, von je 2 m Höhe bei 10 m unterem Durchmesser. Einer derselben wurde im Winter 1879 der Erde halber bis zur Mitte abgegraben; man fand Asche und Thonscherben.

Degmarn, alt Degmaringen d. h. Ort der Angehörigen eines Degmar, war Reichsgut und kam im 14. Jahrhundert aus den Händen derer von Neideck, der Kelner v. Brettach u. A. an die Herren von Weinsberg, im 15. an den Deutschorden, der es zur Kommende Heilbronn schlug. Den Zehnten, außer dem deutschherrischen Neugereutzehnten an Früchten und Wein (s. 1493) sowie Lehengefälle vom Schollenhof, Gemminger- oder Presteneckerhof und Reckenhof, besaß Kloster Schönthal, welches den kleinen Zehnten gegen einzelne gottesdienstliche Verrichtungen in D. dem Frühmeßkaplan in Oedheim überließ. Die abgegangene Mühle am Kocher war Gemmingen-Presteneckisch.

Eine Beschreibung der Kommende Heilbronn von 1717 sagt über D.: Derzeit 54 Haushaltungen und so viel Bürger stark. In diesem Ort über alle Inwohner und auf ganzer Markung hat die Kommende gleich in Sontheim alle Territorial- oder Malefiz- auch niedervogteiliche Jurisdiktion, Gebott und Verbott alleinig ohndisputirlich, allda aber hat es kein Hochgericht, sondern wann einige Malefiz- oder fraischliche| Fälle sich ergeben, werden die Delinquenten nach Sontheim zu Verhaft gebracht, allda examinirt und nach Befund mit rechtlich gebürender Straf exequirt, wie dann die Unterthanen schuldig sind bei dergl. vorgehenden Exekutionen zu Sontheim dem Blutgericht beizuwohnen. Von diesen Bauern wird allzeit ein tauglicher Mann ausersehen und von Herrschaftswegen zum Schultheißen gesezt, welcher über alles die Inspektion zu tragen hat, dafür wird ihm von der Kommende jährlich 4 fl. Deputat gereicht.

Die Kirche wurde erst 1791 auf den Fonds der Heiligenpflege und mittelst frommer Beiträge zur selbständigen Pfarrkirche erhoben. Geistliche: Joh. Bapt. Hofmann 1791–1826. Jos. Stetter 1839. Ant. Schimele (zuvor Professor in Tübingen) 1848. Adolf Manz 1877.

In D. ist 1804 geboren Franz Schott, 1832 Pfarrer in Reichenbach OA. Waldsee, 1839 Stadtpfarrer und Direktor des Wilhelmsstifts in Tübingen, 1848 Pfarrer und Kirchenrath in Neuhausen a. d. F., 1864 zugleich Dekan des Landkapitels Stuttgart.

1319. Konrad v. Neideck, Domherr in Würzburg, vermacht seiner ehemaligen Kirche in Dahenfeld eine Gilt von 4 Pfd. Hlr. von einer Hube in Degmaringen. Abh. d. hist. Kl. d. Münchn. Ak. XIII, 3, 108.

1333. Dieterich Vachbach, genannt v. Bachenstein, Edelknecht, verkauft an Götz v. Neideck 4 Malter Fruchtgilten aus Gütern in Degmaringen. St.A.

1346. Crafft Kelner verkauft an die v. Weinsberg für 12 Pf. H. Güter in Degmaren und in Oedheimer Mark. Ludewig, Rel. msc. 12, 607.

1353. Hans Muer v. Wimpfen verkauft an den Pfründner Wolfram daselbst Äcker, Felder und Wiesen zu Tegmaringen. St.A.

1366. Kraft Kelner v. Brettach verkauft sein Gut in Tegmaringer Mark, das genannt ist zu Lohen, an Engelhard v. Weinsberg um 70 Pf. H. Albrecht, Weinsb. Reg.

1398. Engelhard v. Weinsberg vergleicht sich mit Beringer v. Sindringen um Güter in D. und Brettach, s. Neuenstadt.

1402. Konrad v. Neideck und sein Bruder verkaufen ihre Gilten in D. an Sixt Schneider, Bürger in Neustadt;

1407. Engelhard v. Weinsberg, Hofrichter, spricht die genannten Gilten dem Hans Degen, Bürger v. Wimpfen, ab und dem Kloster Schönthal zu. Schönhuth, Schönthal 105.

1429. Sibold v. Hornbach verkauft einen Hof zu D. an Eberhard v. Linsweiler.

1455. Götz v. Berlichingen vermacht unter Anderem, was er von seiner Ehefrau Else v. Thierbach geerbt, eine Gilt in D. seiner Tochter Anna. W. F. 9, 33. (Vgl. Kocherthürn).

1458. Die Söhne Eberhards v. Linsweiler verkaufen dessen Hof in D. an ihren Schwager Konrad Egen.

| 1463. Diesen Hof, genannt der Recken- oder Rauberhof, kauft Kloster Schönthal. Bad. Quellens. 4, 158.

1493. Hans Echter verkauft Presteneck sammt dem Weinzehnten zu Gochsen und Degmarn an seinen Schwager Bartholomäus Horneck v. Hornberg. St.A.

1540. König Ferdinand erlaubt, in Sontheim ein Halsgericht mit Stock und Galgen aufzurichten und Degmarn dahin zu weisen. Letzteres stellt dazu den Schultheiß und die nöthige Zahl von Richtern. W. F. 6, 246.


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