Beschreibung des Oberamts Stuttgart, Amt/Kapitel B 17

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Plattenhardt,
Gemeinde II. Kl.mit 1480 Einw, a. Plattenhardt, Pfarrd., 1461 Einw., wor. 6 Kath.
b. Obere Kleinmichelens- (Burkhards-) Mühle, 14 Einw. c. Untere Kleinmichelensmühle, 5 Einw. – Ev. Pfarrei, mit Fil. Kochenmühle (Schultheißerei Stetten). Die Kath. sind nach Neuhausen eingepfarrt.


Oben am östlichen Abhange der über die Filderebene sich erhebenden Schönbuchsterrasse liegt 31/2 Stunden südlich von Stuttgart, in einem Wald von fruchtbaren Bäumen das wenigstens 1/4 Stunde lange Pfarrdorf Plattenhardt, welches der Sitz eines Revierförsters ist. Der Name des Orts kommt ohne Zweifel von platt, eben, flach und von Hardt (Wald) her, und bedeutet demnach ein Dorf am ebenen Wald, was mit der Lage des Orts, in dessen Rücken ein ebener Wald liegt, vollkommen übereinstimmt. Der Ort hat vermöge seiner hohen Lage eine schöne Aussicht, reine gesunde Luft, dagegen in trockenen Jahrgängen zuweilen Wassermangel. Die im Jahr 1833 angestellten Bohrversuche auf artesische Brunnen haben keine günstigen Resultate geliefert. Das Dorf selbst ist unansehnlich, und der Mangel an Reinlichkeit, welchen man in vielen Häusern trifft, tritt auch in den Ortsstraßen, deren kunstgerechte Herstellung die beschränkten Mittel der Gemeinde nicht zulassen, dem Auge unangenehm entgegen; es ist durch chaussirte Nachbarschaftswege mit Bernhausen, Bonlanden, Echterdingen und Waldenbuch in unmittelbare Verbindung gesetzt; ein nicht chaussirter Weg führt nach Hafnerneuhausen.

Die in der Mitte des Dorfs stehende Pfarrkirche ist dauerhaft gebaut; ihr Chor bildet ein halbes Achteck, hat spitzbogige Fenster und ist etwas niederer und schmäler, als das Langhaus, welches oblonge Fenster hat. Das Innere der Kirche ist durch den Einbau der Emporkirchen und durch | die flach getäfelte Decke verdüstert. Die Decke hat gemalte Verzierungen, unter denen das herzogl. württembergische Wappen mit der Jahreszahl 1708, und das Ortswappen, ein schwarzes Pferd in weißem Feld und zwei schwarze Hufeisen in blauem Felde, angebracht sind.

Auf der Orgel steht ein gut geschnitztes Crucifix; auch besitzt die Kirche einen schön gearbeiteten Abendmahlkelch von Silber und vergoldet, über den sich im Taufbuch von 1704 folgender Eintrag findet: „Als 1634 die kaiserlichen und schwedischen Armeen im Land gelegen und der Kelch aus der Kirche geraubt wurde, ist ein schwedischer Soldat, mit Namen Westspenniger von Münchenbach, anhero kommen, und hat einen feinen Kelch zu seinem Andenken, weil er gut evangelisch, der Kirche verehrt.“ Der 1786 fast ganz neu von Holz erbaute Thurm, in welchem 2 Glocken, die größere von 1508 mit den Evangelistennamen, die kleinere von 1817, hängen, sitzt auf dem westlichen Theil des Kirchendaches. Die Baulast der Kirche liegt der Stiftungspflege ob, in deren Eigenthum das Kirchengebäude sich befindet. Der Kirchhof, zum größten Theil mit der alten, jetzt baufälligen Vertheidigungsmauer umgeben, dient seit 1837 nicht mehr als Begräbnißplatz und ist zum Theil Gemeindebaumschule; der jetzige Gottesacker wurde aus den Mitteln der Gemeindepflege im genannten Jahre östlich vom Ort angelegt. Etwa 100 Schritte von der Kirche entfernt steht ringsum frei das wohnliche Pfarrhaus, welches der Staat zu unterhalten hat. Von den zwei Schulhäusern, welche neben einander zunächst der Kirche stehen, befindet sich das ältere, welches früher auch die Schullehrerswohnung enthielt und gegenwärtig zu zwei Schulzimmern eingerichtet ist, schon längst in dem Besitze der Gemeinde; das andere wurde von ihr im Jahre 1832 angekauft und neu eingerichtet; es enthält neben einem Lehrzimmer die Wohnung des Schullehrers, des Unterlehrers und des Schulgehilfen, die an der Schule unterrichten. Eine Industrieschule, an der im Stricken und Nähen von 2 Lehrerinnen Unterricht ertheilt wird, besteht, jedoch mit Unterbrechung, seit 1826; eine Kleinkinderschule wurde in neuerer Zeit errichtet. Das Rathhaus ist zwar geräumig, aber alt und baufällig.

Die Einwohner sind in der Geistesentwicklung gegen manche Nachbargegenden etwas zurück; körperlich sind sie im Allgemeinen kräftig und gesund, übrigens gewinnen Krankheiten leicht eine bedeutende Ausdehnung und der Kindbettfriesel kommt in keinem Orte des Bezirks so häufig vor, als in Plattenhardt. Auch der Cretinismus zeigt sich zuweilen; in den Jahren 1804–1820 wurden in 4 Familien 7 hirnarme, zum Theil affenähnliche Kinder geboren, von denen aber keines mehr lebt (von dreien bewahrt das königl. Naturaliencabinet in Stuttgart die Schädel. Vrgl. | über diese Kinder das medic. Correspondenzbl. des württ. ärztl. Vereins 1839 Bd. 9. Nro. 28).

Auf den Einwohnern, welche meistens unbemittelt sind, ruht an versicherten Kapitalien eine Schuldenlast von 206.000 fl. Der Güterbesitz der 6 größten Grundbesitzer bewegt sich zwischen 24 und 51 Morgen. Ungefähr 80 Personen halten zu den sogenannten Gemeinschaften, welche in drei etwas von einander abweichenden Richtungen im Orte bestehen; auch befinden sich 10 Baptisten in Plattenhardt, welche der vor einigen Jahren in Stuttgart neu gebildeten Secte angehören.

Die Hauptnahrungsquellen sind Feldbau mit Viehzucht und Obstbau. Die Feldgüter liegen theils auf der Filderebene, theils am östlichen Abhange des Schönbuchs und auf dem Plateau desselben. Mit diesen Lagen wechseln die Bodenarten, welche auf der Filderebene aus einem leichten, fruchtbaren Diluviallehm, am Abhange aus Thon und Mergel mit geringer Humusdecke und auf dem Plateau aus Thon mit leichtem Sand, häufig mit vielen Liassandsteinplättchen vermengt, bestehen. Im Allgemeinen ist der Boden fruchtbar, übrigens die Humusschichte, unter der bald Thon folgt, nicht sehr beträchtlich, daher in trockenen Sommern für die Vegetation günstiger, als in nassen. Obgleich Hohenheim nahe liegt, hat doch die Landwirthschaft in Plattenhardt noch wenige Fortschritte gemacht, was theils in der zu weitgehenden Anhänglichkeit der Einwohner an das Hergebrachte, theils in ihrer Armuth seinen Grund hat, übrigens sind der Brabanter und besonders der Suppinger Pflug beinahe allgemein eingeführt. Die gewöhnlichen Halmfrüchte werden gebaut und gedeihen gut; in der Brache, welche beinahe ganz benutzt wird, zieht man Kartoffeln, Kraut, Erbsen, Linsen, Kohlraben, Angersen, Futterkräuter, ziemlich Hanf und etwas Flachs. Die Plattenhardter Kartoffeln (mit einem röthlichen Anfluge auf ihrer Oberfläche unter der Schale und sonst weißem Fleische) blieben von der bekannten Kartoffelkrankheit beinahe ganz verschont. Der geringste Preis eines Ackers ist 100 fl., der höchste 400 fl. Die Wiesen, von denen nur wenige bewässert wenden können, sind ergiebig und liefern gutes Futter. Die Preise eines Morgens steigen von 300–650 fl., die sogenannten Waldwiesen aber, welche einmädig sind und nicht gedüngt werden, kosten nur 50 fl. pr. Morgen. Die Obstzucht wird in großer Ausdehnung getrieben, so daß der Getreidebau dadurch leidet. Das Obst geräth sehr gerne; der Ertrag wird in guten Jahren zu 80–100.000 Simri angegeben. Gezogen werden hauptsächlich Bratbirnen, welche sehr guten Most geben, Tafelobst ist selten. Der Obsthandel ist sehr beträchtlich, und gewährt den Einwohnern in günstigen Jahren einen namhaften Erlös. Zwetschen werden öfters durch Aufkäufer bis in’s Bayerische verführt. | Die Preise der Baumgüter geben von 150–400 fl. pr. Morgen. In der Nähe des Orts finden sich schöne Nußbäume. Im Jahr 1848 hat sich zu Anlegung einer Maulbeerpflanzung für Seidenzucht ein Aktienverein gebildet, welchem die Gemeinde von ihrer Allmand an der Straße nach Waldenbuch 1 Morgen 22 Ruthen zur unentgeldlichen Benützung auf 10 Jahre abgegeben hat; eine gleich große Fläche wurde, auf Rechnung Ihrer Kais. Hoheit der Kronprinzessin, mit Maulbeerpflanzen ausgesetzt, und ebenso hat der Bezirksarmenverein ein an dieses Stück stoßendes Allmandland von 11/8 Morgen 20 Ruthen hauptsächlich zum Zwecke der Beschäftigung armer Ortsangehöriger umbrechen und mit Maulbeerpflanzen besetzen lassen.

In dem eine halbe Stunde vom Orte gegen Waldenbuch gelegenen sogenannten Bechtenrain befindet sich eine kleine Halde von ungefähr 12 Morgen, welche schon in ältern Zeiten zu Weinberg angelegt waren und eine eigene, übrigens nicht mehr vorhandene Kelter hatten. Von dieser längst ausgestockten Weinberghalde, woraus gegenwärtig noch ein Weinsurrogat von 16 fl. 40 kr. zu entrichten ist, sind vor einigen Jahren wieder ungefähr 2/3 zu Weinbergen angelegt worden.

Die Waldungen bestehen ursprünglich aus Laubhölzern, dagegen wurden in neuerer Zeit öde und in schlechtem Zustande befindliche Waldflächen mit Forchen und Fichten kultivirt. Außer den Gemeindewaldungen besitzen einzelne Bürger 1/4–1 Morgen eigenen Wald. Die Gemeindeschafweide ist seit einigen Jahren aufgehoben, das Schafhaus verkauft; von Weideareal wurden 52 Morgen zu Wald angelegt und ungefähr 44 Morgen mit Fruchtbäumen ausgesetzt. Der nicht unbedeutende Viehstand wird durch gute Landracefarren rein gehalten und verbessert. Die Faselviehhaltung, wozu früher die Staatsfinanzverwaltung einen im Jahr 1831–32 von ihr abgelösten Beitrag von 18 fl. leistete, liegt der Gemeinde ob und ist von derselben in Pacht gegeben. Es kommt viel Vieh in Handel, namentlich gewöhnt man Stiere zum Ziehen, um sie in nächstliegenden Orten und auf Märkten zu verkaufen. Seit die Weiden eingegangen sind, hat die Schafzucht beinahe ganz aufgehört, nur einige Bürger besitzen mit einander noch ungefähr 150 Stücke, welche hier überwintert werden und den Sommer über auf auswärtige Weiden kommen. Von Geflügel werden besonders Gänse ziemlich viel gezogen und nach Stuttgart verkauft.

Die Gewerbe dienen meist nur dem nöthigsten Bedürfniß; am zahlreichsten sind die Maurer, deren über 100 sich hier befinden, welche den Sommer über meistens in Stuttgart arbeiten, es aber in der Regel nicht so weit bringen, um Meister werden zu können, und zum Theil im Winter einer ungeordneten Beschäftigung, ja dem Müßiggange anheimfallen. | In der kalten Jahreszeit gibt das Holzmachen und das Verfertigen von Schuhen aus Kälberhaaren manchen Familien einen wiewohl kärglichen Verdienst. Zur Erntezeit gehen viele Leute in die benachbarten Filderorte als Schnitter. Es bestehen 5 Schildwirthschaften und 4 Krämer; seit 1844 ist ein Gemeindebackhaus eingerichtet.

Die Gemeinde hatte früher bedeutende Gerechtigkeiten in den Schönbuchswaldungen, für welche ihr nach vieljährigen Verhandlungen im Jahr 1833 ein Wald- und Weideareal von 619 Morgen überlassen, und als einmalige Abfindung 1500 fl. zu Aufbesserung der Schulanstalt sowie 150 Klafter Holz für ein sofort zu errichtendes Holzmagazin unter der Bedingung bewilligt wurden, daß sie die Vertretung der Staatsfinanzverwaltung für alle und jede besondere Schönbuchsberechtigungen einzelner Gemeindeangehöriger zu übernehmen habe. Von dem Waldeigenthum der Gemeinde, welches einen jährlichen Ertrag von 75 Kl. und 7500 Wellen abwirft, sind 520 Morg. alt bestockt und 52 Morg. neu angelegt. Das Activgeldvermögen der Gemeinde beträgt über Abzug der Passiven 1992 fl.; die Einnahmen reichen indeß zu Bestreitung der Ausgaben so wenig hin, daß in den letzten Jahren 1700 fl. Gemeindeschaden umgelegt werden mußten, während der Staatssteuerbetreff 1800 fl. ausmacht. Die Stiftungspflege, welche seit 1836 lediglich die Bestimmung einer Kirchenpflege hat, besitzt 2805 fl. Kapitalvermögen und muß von der Gemeindepflege unterstützt werden.

Großzehentherr ist der Staat, auch stehen demselben in Folge der Verwandlung des Pfarreinkommens der kleine, der Obst- und der Heuzehenten zu. Die schon nach früheren Gesetzen ablösbaren Grundgefälle sind sämmtlich im Jahr 1841 zur Ablösung gebracht worden.

Im Reichenbacher Thal liegen auf der Ortsmarkung die obere und die untere Kleinmichelensmühle (Burkhardsmühle), welche auch kirchlich zu Plattenhardt gehören. Die untere Kleinmichelensmühle ist älter und hat ein stattlicheres Ansehen. Die nahe gelegene Kochenmühle gehört nur kirchlich zu Plattenhardt (s. Stetten).

Neben Plattenhardt bestunden in früheren Zeiten noch zwei Weiler, Diemarsweiler (gegen Echterdingen hin), wornach noch jetzt eine Gasse im nördlichen Theile von Plattenhardt Diemarsweilergasse heißt, und Reuthin zwischen Plattenhardt und Bonlanden.

Der Ort (Blatinhart 1287), welcher im 13ten Jahrh. einem Herrn von Bernhausen zum Wohnsitz diente, hatte mit Waldenbuch (s. d.) die gleichen Schicksale und kam namentlich mit diesem und Diemarsweiler im Jahr 1363 Sept. 14 durch Kauf von den Herzogen von Urslingen an die Herrschaft Württemberg.

Im August 1287 wurde der Ort niedergebrannt (Chron. Sindelf.).

| In Dymarswyler erscheint bereits im Jahr 1264 das Kloster Weil im Besitz von Gülten.

Im Jahr 1394 verlangte die Gemeinde Plattenhardt, daß ihr Meßpriester alle Sonntage das Wort Gottes verkünden solle (Cleß, Cult. Gesch. 2, 551). Eine hiesige Kapelle war Filial von der Kirche in Bernhausen; auf Vorstellung Graf Eberhards von Württemberg vom 4. Sept. 1404 gab Bischof Marquard von Constanz am 20. Sept. 1404 die Erlaubniß, die Kapelle von der Mutterkirche zu trennen und zu einer Pfarrkirche zu erheben. Das Patronat dieser Kirche wurde sofort württembergisch.

In dem Herrschaftswald Weilerhau, westlich von Plattenhardt, finden sich mehrere Dutzende altdeutscher Grabhügel (s. würt. Jahrb. 1830, 39).

Nach dem hiesigen Todtenbuch starben vom Juni bis November 1635 372 Personen an der Pest, und im April 1638 30 Personen theils unter den Händen kaiserlicher und bayrischer Soldaten, theils aus Hungersnoth.


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