Beschreibung des Oberamts Stuttgart, Amt/Kapitel B 24

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Unter-Sielmingen, [1]
Gemeinde III. Kl. mit 836 Einw., wor. 1 Kath. – Ev. Pfarrei mit Filial Ober-Sielmingen. Die Kath. sind nach Neuhausen eingepfarrt.

Das ziemlich große, in die Länge gezogene Pfarrdorf liegt 3 Stunden südöstlich von Stuttgart, frei an einem nördlichen, mäßig geneigten Abhange gegen den Fleinsbach, an den hier eine Säg- und Ölmühle gebaut ist, welche jedoch wegen Wassermangels öfters stille steht. Der Ort steht mit Bernhausen, Wolfschlugen, Bonlanden, Neuhausen, Harthausen theils durch chaussirte, theils durch unchaussirte Straßen in Verbindung. Die Bauart der Wohnungen, welche häufig zweistöckig sind, ist gut, sie stammen, laut den an ihnen angebrachten Jahreszahlen meist aus der Zeit von 1550–1620. Am nördlichen Ende des Dorfs steht ein Haus, welches gegenwärtig einem Bauern, Namens Bayha, gehört, und einst, nach dem noch vorhandenen Wappen mit der Unterschrift: hans friderich thum von nv-burg, der Sitz des Ortsadels war. In dem Orte befinden sich mehrere laufende Brunnen, die übrigens bei anhaltender trockener Witterung Mangel an Wasser haben, ein Übelstand, welchem durch angelegte Zieh- und Pumpbrunnen begegnet ist. Ein sorgfältig gemauerter Ziehbrunnen mit schön behauenem steinernem Gestell und der Jahrszahl 1555 steht an der von der Straße abgewendeten Seite des Rathhauses; er hat noch die alterthümliche Vorrichtung zum Aufziehen des Wassers. Im Allgemeinen ist das Wasser nicht gut, dagegen die Luft äußerst rein und gesund; Hagelschlag gehört zu den Seltenheiten.

Die am nördlichen Ende des Orts stehende Pfarrkirche ist hell und seit Harthausen kirchlich von Unter-Sielmingen getrennt ist, hinreichend geräumig. Das einfache Langhaus hat schmucklose spitzbogige Fenster und an der Südseite einen spitzbogigen Eingang, mit der Jahrszahl 1489, welche ohne Zweifel die Zeit der Erbauung angibt. Der Chor, welcher ein halbes Achteck bildet, hat nur ein gegen Osten gekehrtes, schmales | Doppelfenster. Der sehr massive, unten viereckige Thurm, welcher im Jahr 1750 durch den Blitz Schaden litt, besteht aus vier Stockwerken, von denen das oberste in ein Achteck übergeht, er trägt eine glockenförmige blecherne Kuppel, enthält 3 Glocken und beherrscht bei seiner namhaften Höhe die Gegend weithin. Die Unterhaltung der Kirche und des Begräbnißplatzes liegt der den beiden Gemeinden Ober- und Unter-Sielmingen gemeinschaftlichen Stiftungspflege ob. Um den Kirchhof, welcher nicht mehr als Begräbnißplatz gebraucht wird, zieht rings eine Mauer. Der neue Begräbnißplatz ist im Jahr 1843–44 am nördlichen Ende des Dorfs angelegt worden und dient theilweise als Baumschule. Das angenehm und frei gelegene Pfarrhaus wurde 1806 durch den Spital Nürtingen, dem auch die Erhaltung desselben obliegt, mit nachahmenswerther Sorgfalt neu erbaut.

Das Rathhaus, 1559 erbaut, ist noch ziemlich im Geschmack jener Zeit und gut erhalten. Im Jahre 1841 wurde das alte Schulhaus, dessen Raum nicht mehr zureichte, auf den Abbruch verkauft und an dessen Stelle von der Gemeinde ein neues erbaut. An der Schule unterrichten ein Schulmeister und ein Lehrgehülfe; auch besteht seit 1838 mit gutem Fortgang eine Industrieschule.

Die im Allgemeinen bemittelten Einwohner sind äußerst fleißig, häuslich und kirchlichen Sinnes; sie leben zurückgezogen und besuchen selten das Wirthshaus; zur sog. Gemeinschaft halten 160 Personen. An versicherten Passiv-Kapitalien ruht auf den Ortsangehörigen die Summe von 66.000 fl. Der Grundbesitz der 4 größten Grundeigenthümer bewegt sich zwischen 27 und 41 Morgen. Die Landwirthschaft, welche die Hauptnahrungsquelle der Einwohner bildet, wird mit Umsicht betrieben und den Gütern, welche eine ziemlich ebene Lage und einen ergiebigen, theilweise leichten Lehmboden haben, das Möglichste abgewonnen; Besserungsmittel sind hauptsächlich Gülle und gewöhnlicher Dünger, der zum Theil auswärts gekauft wird, weil der Boden ziemlich viel Dünger verlangt. Von den gewöhnlichen Cerealien werden besonders Dinkel, Gerste und Haber gebaut und viel auswärts abgesetzt. Die Saat und das Ernte-Ergebniß ist wie bei den übrigen Filderorten. In der Brache, die ganz angebaut wird, gedeihen außer den gewöhnlichen Bracherzeugnissen, besonders Kraut, Kartoffeln und Flachs. Die Preise der Äcker gehen von 250–800 fl. per Morgen. Die Wiesen, welche sämmtlich zweimädig sind, geben reichliches und gutes Futter, das übrigens den örtlichen Bedarf nicht ganz befriedigt, weßhalb noch auswärts Futter angekauft wird. Der geringste Preis eines Morgens Wiesen ist 250 fl., der höchste 800 fl. Die Obstzucht ist bedeutend und immer noch im Zunehmen. Der Obstertrag auf den Markungen von Ober- und Unter-Sielmingen wird in mittleren Jahren zu 12–15.000 Simri angeschlagen. Unter den Obstsorten | sind die Luikenäpfel, die Palmisch- und Knausbirnen vorherrschend, beim Steinobst die Zwetschen. Der beträchtliche Stand an Rindvieh, wovon viel zum Verkauf kommt, wird durch Simmenthaler Farren, welche die Gemeinde angekauft und zur Unterhaltung in Pacht gegeben hat, veredelt. Die Verpflichtung zur Haltung des Faselviehs ruhte früher auf dem Hospital Nürtingen, wurde aber in den Jahren 1831 und 1837 von den beiden Gemeinden übernommen. Die Ober- und Unter-Sielminger lassen gemeinschaftlich ungefähr 14–1600 Stück Schafe (Bastarde) den Sommer über auf der Alp laufen und überwintern sie im Ort; sowohl Unter- als Ober-Sielmingen hat sein eigenes Schafhaus mit Scheuer unter einem Dache; das der Schäferei in Bonlanden früher zugestandene Übertriebsrecht wurde im Jahr 1842 abgelöst. Die Schweinezucht, welche sich mit der Land- und Hallischen Race beschäftigt, ist nicht unbedeutend; es befinden sich in Unter-Sielmingen 2 Eberschweine, in Ober-Sielmingen eines und in beiden Orten über 120 Mutterschweine, Ferkel und Läufer werden auf benachbarten Märkten, und Mastschweine an Metzger verkauft. Gänse werden viele gezogen und von Neuhauser Händlern aufgekauft.

Die Gewerbe, unter welchen einer Säg- und Ölmühle zu erwähnen ist, dienen nur dem örtlichen Bedürfniß. Die Handspinnerei wird Winters eifrig betrieben, das Garn auf eigenen Stühlen zu Leinwand und Zwilch verwoben und was nicht zum eigenen Gebrauch nöthig ist, auswärts verkauft.

Die finanziellen Verhältnisse der Gemeinde sind befriedigend. Ihr Grundbesitz besteht in 41 M. Allmanden, welche mit Bäumen ausgepflanzt sind und in 104 Morgen Wald; ihr Geldvermögen beträgt 10.576 fl. Die Gemeindemitglieder erhalten aus dem Wald jährlich 1/4 Klafter Eichenholz; als weitere Gemeindenutzung werden den Bürgern gegen ein mäßiges Bestandgeld halbmorgengroße Stücke des im Jahr 1840 ausgestockten 90 M. großen Zuckmantelwaldes verliehen.

Die den beiden Sielmingen gemeinschaftliche Stiftungspflege besitzt ein Vermögen von 2678 fl. In der Verwaltung der Stiftungspflege befinden sich 200 fl., deren Zinse zu jährlicher Brodaustheilung an die Armen bestimmt sind.

Von dem aus den Markungen beider Orte bestehenden Zehentbezirk haben aus 635 Morgen die Staatsfinanzverwaltung und die Stiftungspflege Nürtingen den großen und den kleinen Zehenten gemeinschaftlich, letztere hat aber ihren Antheil an dem kleinen Zehenten der Pfarrei überlassen; weitere 323 Morgen sind der Stiftungsverwaltung Nürtingen groß- und der Pfarrei Sielmingen kleinzehentpflichtig. Den Heu- und Öhmdzehenten aus 18 Morgen, welche nicht zum gemeinschaftlichen | Zehentbezirk gehören, beziehen zwei Privaten. Andere 459 Morgen auf Unter-Sielminger Markung, welche einen abgesonderten Bezirk bilden, haben den großen, kleinen und Heuzehenten der kathol. Pfarrei Neuhausen zu entrichten. Übrigens sind von dem kleinen Zehenten diejenigen Güter auf Unter-Sielminger Markung frei, welche früher der Heiligenpflege zehentpflichtig waren, diese Verbindlichkeit aber schon im Jahr 1658 abgelöst haben. Die ablösbaren Grundgefälle hat die Gemeinde abgelöst.

Unter-Sielminger Besitzungen machte Eberhard von Stöffeln den 1. Juni 1274 dem Reiche lehenbar (Gabelk.), wogegen K. Rudolf Eberhard’s gleichnamigem Sohne am 21. Aug. 1284, von Eßlingen aus, die Succession seiner Kinder beiderlei Geschlechts in solchen, zu Lehen aufgetragenen Gütern gestattete. Zwei Dritttheile von Unter-Sielmingen lieh K. Karl IV. im Jahr 1365 an Eberhard von Stöffeln; von diesem erhielten das Reichslehen im Jahr 1377 dessen Schwestersöhne Hans, Konrad und Wolf von Stammheim, welche damit (1/2 Gericht, Vogtrecht und Frevel) belehnt wurden; im Jahr 1401 Aug. 6 verlieh K. Ruprecht dem Wolf von Stammheim Sichelmingen, den Kirchsatz mit Zugehör und das Viertel an dem Layenzehend und das halbe Theil an dem Gerichte mit Freveln mit allen Vogtrechten „ein dritdeils mynre an demselben halbtheil“ (Chmel. Reg. Rupert. S. 37).[2] Eine Hälfte des Zehenten besaßen die von Neuhausen um 1512 (Gabelk.).

Die von Kaiser und Reich zu Lehen rührenden Stücke, Kirchensatz, Zehentantheil und das halbe Gericht kamen im Jahr 1521 April 1 von Wolf von Stammheim durch Kauf an Konrad Thumb von Neuburg, welcher von K. Karl V. damit belehnt wurde. Hans Friedrich Thumb von Neuburg, welcher in einer brüderlichen Theilung mit Hans Konrad Thumb das ganze Reichslehen zu Unter-Sielmingen erhalten hatte, verkaufte 1532 an Vogt, Gericht und Rath zu Nürtingen für den Spital daselbst für 6500 fl. sein vom Reiche zu Lehen gehendes hiesiges Besitzthum, den Kirchensatz, Zehenten, Eigenleut und Güter, auch alle Renten, Zinsen, Gülten, Einkommen, Nutzung und Gefäll sammt den Pfründen zu beiden Sielmingen, auch zu Harthausen und all andere Nutzungen, Ein- und Zugehör, wie er und seine Voreltern es besessen.

| Vom Jahr 1532 bis zur Auflösung des deutschen Reichs 1806 wurde der Spital zu Nürtingen von allen römischen Kaisern mit obigen Lehensstücken besonders belehnt; anfänglich durch einen besondern Lehenträger von Adel, später und mit besonderer kaiserlicher Concession durch ein Mitglied des Magistrats.

Im Jahre 1295 Mai 21 erscheint Rudolphus rector ecclesiae in Sighalmingen als Zeuge. Im Jahre 1449, im Städtekrieg, wurde der Ort in Asche gelegt. Im Jahre 1526 wurden hier 30 Firste vom Feuer verzehrt.



  1. Zu vergleichen die Anmerkung bei Ober-Sielmingen.
  2. Spätere königliche Verleihungen sind: 1442 verleiht K. Friedrich IV. dem Ritter Hans von Stammheim und seinem Vetter Wolf in Gemeinschaft ihren Theil an der Vogtei zu Syhelmingen, „mit den Gütern, die dazu gehörnt und einem Viertel an dem Layenzehnden und was sy daselbs hatten, das alles von dem h. Reich zu Lehen ruret“ und 1452 Oct. 14 verleiht derselbe König dem Hans von Stammheim den Kirchensatz zu Sichelmingen mit Zugehör u. s. w. (wie oben 1401 Aug. 6), die er von seinem Vater Wolf von Stammheim und seinem Vetter Ritter Hans von Stammheim ererbt hat. Chmel. Reg. Frid. IV. Nr. 835 und Nr. 2954, siehe auch noch Urk. von 1493 Mai 26 bei Chmel. Nr. 8946.


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