Beschreibung des Oberamts Tettnang/Kapitel B 8

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8. Gemeinde Hemigkofen,
bestehend aus 15 Parzellen mit 1458 Einwohnern.

Der Gemeindebezirk liegt an der südlichen Grenze des Oberamts und des Königreichs und grenzt dort an den Bodensee und das Königreich Bayern. Die von Friedrichshafen heraufziehende Ebene zieht sich hier zusammen und ist durch nicht unbeträchtliche Höhen begrenzt, deren Hänge mit Reben bepflanzt sind. Der Bezirk ist einer der fruchtbarsten des Landes, reich an Obst und Wein; er trägt ganz den Charakter südlicher Natur und bietet überdieß die herrlichsten Aussichten gegen den See, die Schweizer- und Tyroler-Alpen und Vorarlberg dar. Er wird von der Lindauer Straße und der Ach durchschnitten. Den Überschwemmungen der letztern ist durch vielfache Canäle begegnet. Der Bezirk ist auch einer der gesündesten. Das Verhältniß der Gestorbenen zur Bevölkerung ist im Durchschnitt wie 1:437/10 und das der Geborenen zur Bevölkerung wie 1:337/10. Der ganze Bezirk wurde in den Jahren 1792 und 1803 vereinödet, die Güter sind überall allodificirt. Der Zustand der Gemeindekörperschaft ist übrigens nicht der beste, s. S. 79. Die ganze Gemeinde gehört zu dem C. A. Tettnang und in die Pfarrei Gattnau. Schulen sind in Hemigkofen, Betznau und Gattnau. Die Zehnten haben der Staat und die Pfarrei Gattnau, in Betznau die Spitäler Lindau und Langenargen, die Klein-Zehnten in der Regel die Pfarrei Gattnau zu beziehen, welche in ältern Zeiten auch den herrschaftlichen Groß-Zehnten bezog. Die meisten Gefälle hat der Staat, der Spital Lindau und der Spital Wangen zu beziehen. Der Bezirk gehörte früher zur Herrschaft Tettnang und kam mit dieser 1810 von Bayern an Würtemberg.

  • 1) Hemigkofen, Dorf mit Marktgerechtigkeit und 583 kath. Einw., an der Lindauer Straße liegend, 21/2 St. südlich von| Tettnang und eben so weit von Lindau, und wird von dem Fallenbach bewässert. Es hängt mit Nonnenbach fast ganz zusammen. Die Lage ist ausnehmend schön; die ganze Umgebung gleicht einem Garten. Wein und Obst sind die Haupterzeugnisse, es werden insbesondere viele Kirschen erzeugt und H. ist einer der bedeutendsten Kirschgeist-Orte. Es befindet sich daselbst eine Kapelle zum heil. Eulogius und eine Schule. 1708 stifteten Graf Anton von Montfort und seine Gemahlin, eine geb. Gräfin von Thun, eine ewige Pfründe. 1748 wurde die Kapelle auf Kosten der Stiftung und durch Beiträge neu erbaut. Der in Gattnau wohnende Kaplan liest wöchentlich 3 Messen und jährlich 38 Stiftungsmessen darin. Die Unterhaltung der Kapelle liegt der Stiftungspflege und bei ihrer Unzulänglichkeit der Ortsgemeinde ob. Der Ort hat 3 Schildwirthschaften, 1 Bierbrauerei, 1 Hammerschmiede, 2 Mahlmühlen und 1 Sägemühle, und sonst mehrere Gewerbe, namentlich 10 Leinen- und 1 Baumwollenweber, auch wird die Musselinstickerei etwas betrieben. Ferner hat der Ort 2 Vieh- und Krämermärkte, wozu er das Recht 1836 erhalten hat. H. erscheint urkundlich schon im Jahr 813 unter dem Namen Hebinchova, sowie 866 unter dem Namen Heminis hoba, Neugart, Cod. Dipl. No. 178 u. 438.
  • 2) Arensweiler, W. mit 24 k. Einw., bestehend aus 2 Höfen.
  • 3) Atlashofen, W. mit 16 k. Einw., aus 2 Höfen bestehend.
  • 4) Berg, W. mit 68 k. Einw. und 1 Schildwirthschaft. Daselbst war ein Hof-Lehen der Landcommende Altshausen. Unweit Berg war ein Schloß, Lehenspurg genannt.
  • 5) Betznau, ein kath. W. mit 274 Einw., an der Lindauer Landstraße, 2 St. südlich von Tettnang, in gleicher schöner Lage, wie Hemigkofen. Der Ort hat eine Schule und Kapelle und zwei Schildwirthschaften. Die Kapelle zum h. Sebastian steht außerhalb des Orts, sie wurde i. J. 1600 von einem Grafen v. Montfort erbaut und hat ein kleines Stiftungsvermögen.
  • 6) Gattnau, k. Pfarrweiler mit 208 Einw., 21/2 St. von Tettnang, in einem kleinen Weinberg-Thälchen. Die Pfarrkirche zum h. Gall wurde 1788 auf Kosten der Großzehntherren neu erbaut, sie hat Fresko-Gemälde von Brugger. G. hat 1 Schule mit Schulhaus und 1 Schildwirthschaft. Zu der Pfarrei gehören sämmtliche Parzellen der Gemeinde und 3 Parzellen der Gemeinde Nonnenbach. Neben dem Pfarrer ist auch ein Kaplan in G. angestellt, ein zweiter Kaplan in der Pfarrei befindet sich zu Schleinsee. Das Patronat hatte von jeher der Landesherr. Die Pfarrei G. ist sehr alt und hatte einen großen Umfang, denn auch ein beträchtlicher Theil von der (Bayerischen) Gemeinde Nonnenhorn gehörte dazu, der aber schon 1616 zu Wasserburg kam. Einem alten| Manuscript de origine Parochiae in Gattnau zufolge baute Marzell, ein Freund Willimars von Arbon, welcher den h. Gall bei sich aufnahm, im 7ten Jahrhundert eine Kapelle und Zelle zu G. und wurde der Verkündiger des Christenthums für die umliegenden Orte. Die Kaplanei wurde 1714 von Graf Anton v. Montfort und seiner Gemahlin, geb. Gräfin v. Thun, gestiftet. Die Benennung Gattnau wird von Gottes-Au hergeleitet. – Die 3 Höfe Döllen liegen ganz nahe an G., und können füglich dazu gerechnet werden.
  • 7) Gottmannsbühl, zwei entfernt von einander gelegene Einödhöfe, die noch zu Hemigkofen gerechnet werden, weil die Besitzer vor der Erbauung dort wohnten.
  • 8) Hüttmannsberg, W. mit 33 k. Einw. Die Höfe waren meist früher Lehen der Landcommende Altshausen und kamen mit andern am Bodensee gelegenen Gütern 1811 durch Tausch von der K. Hofkammer an die K. Finanzkammer.
  • 9) Kümmertsweiler, W. mit 108 k. Einw. und 1 Schildwirthschaft. Das Reichsstift Isny hatte hier vormals 5 Lehen.
  • 10) Mittelmühle, eine Mahlmühle, die mit dem dazu gehörigen Gut auf Gattnauer Markung liegt und von dem Fallenbach getrieben wird, sie ist Erblehen der Reichsstadt Wangen.
  • 11) Nitzenweiler, W. mit 55 k. Einw. Ein Eberhardus de Nitzenwiler unterzeichnet als Zeuge die Stiftungsurkunde des Klosters Langnau. Das Kloster Isny besaß daselbst einen Zehnten, welchen er mit andern im Jahr 1468 an das Kloster Langnau verkaufte.
  • 12) Obermühle, eine eigenthümliche Mahlmühle, ebenfalls auf Gattnauer Markung, am Fallenbach.
  • 13) Poppis, W. mit 51 k. Einw. Eine dritte Mühle am Fallenbach, die Untermühle genannt, gehört zu Nonnenbach.
  • 14) Riedensweiler, W. mit 17 k. Einw. Das Kloster Langnau hatte hier ein Erblehen, s. Summerau und Degersee.
  • 15) Schleinsee, W. mit 21 k. Einw., an einem See gleichen Namens, mit einem Kaplan und einer Kapelle zur h. Maria, erbaut und gestiftet 1737 von dem Pfarrer und Dekan Melchior Sauter zu Wasserburg, gebürtig aus Schleinsee. Die Baulast ruht auf dem Stiftungsfond. Sauter stiftete auch 1746 ein Capital für Studirende, und in Ermangelung solcher, für Handwerks-Lehrlinge aus seiner Verwandtschaft mit 1600 fl. Im Jahr 1813 wurde die Stiftung zwischen der Bayerischen und Würtembergischen Linie in gleichen Theilen vertheilt; der diesseitige Antheil beträgt dermalen 1016 fl., und wird von dem jeweiligen Kaplan verwaltet. Das Patronat der Kaplanei steht dem Landesherrn, mit Rücksicht| auf ein etwa taugliches Subjekt aus der Verwandtschaft des Stifters, zu. Der Ort gehörte bis 1829 zur Gemeinde Tannau.