Beschreibung des Oberamts Waldsee/Kapitel B 2

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2. Gemeinde Bergatreute,
1274 Einw.
  • 1) Bergatreute, ein kathol. Pfarrdorf, 21/8 Stunden südwestlich von Waldsee, mit 274 Einwohnern; K. A. Waldsee, F. A. Altdorf. Den großen und den kleinen Zehenten bezieht die Pfarrei; das Patronat-Recht hat der Staat. Die sehr bedeutenden Grundlasten des ganzen Gemeindebezirks| betragen, mit Einschluß der Gemeinde Winterstettendorf, die früher damit vereinigt war, 1652 fl. in Geld, und 2556 fl. in Natural-Gefällen, wovon der Staat 3086 fl., Graf von Sternberg 745 fl. hat, der Rest aber unter mehrere Kirchen- und Stiftungs-Pflegen, die Forst-Verwaltung Waldburg etc. sich vertheilt.

    Bergatreute liegt am Fuße des großen Altdorfer Waldes, an der Vicinalstraße von Wurzach nach Weingarten, die Lage des Orts ist eben; das Klima ist etwas rauh und die Fruchtbarkeit mittelmäßig. Die Gebäude sind großentheils mit Stroh und Schindeln gedeckt. Bergatreute gehörte mit sämmtlichen Gemeinde-Parzellen zur vormaligen österreichischen Landvogtei Schwaben, und größtentheils in Weingartische Grundherrschaft; jetzt ist der Staat Grundherr. Das ganze Amt Bergatreute kam im Jahr 1806 an die Krone Würtemberg.

    Bergatreute hat eine Kirche, ein Pfarrhaus, ein Kaplanei-Haus mit einem Pfarrer und einem Kaplan, ein Schulhaus und 4 Schildwirthschaften, eine Ziegelhütte. Die in der Form eines Kreuzes aufgeführte Kirche wurde 1500 von Niklas Burster und seiner Ehefrau neu erbaut, das Schulhaus 1827. Die Baulast an der Kirche und den Pfarrgebäuden hat die Kirchenpflege und subsidiär die Zehentherren. Die Kaplanei hat Maria Regina Mietinger, Schwester des damaligen Pfarrers Joh. Michael Mietinger, am 12ten März 1744 gestiftet. Das ganze Kaplanei-Einkommen besteht aus den Zinsen des 13.695 fl. betragenden Pfründ-Kapitals.

    In Bergatreute befand sich bis zum Übergang unter Würtembergische Hoheit eine kaiserlich österreichische Post, von Weingarten nach Leutkirch. Grund und Patronatherr war früher das Kloster Weingarten. In der Bestätigungs-Urkunde der Privilegien des Klosters im Jahr 1143 durch Papst Innocenz II. ist auch des Orts Bergatreute mit der Investitur der dortigen Kirche erwähnt. Im Jahr 1278 tritt Conrad Schenk von Winterstetten das Eigenthum an den Hof zu Bergatreute, „zum Wägelers“ genannt, und 1294 Johannes, miles de Ringenburg, einen Hof an das Kloster ab, 1372| verkauft Conrad Bibersee, Bürger zu Ravensburg, seinen Hof und Gut in dem Dorf Bergatreute an dasselbe.
  • 2) Abatsweiler, ein kathol. Weiler mit 39 Einw., Filial von Bergatreute, wo auch die Schule ist. Den großen und kleinen Zehenten bezieht der Staat. Abatsweiler liegt an einem Bergabhang und besteht aus lauter nunmehr fast durchaus allodificirten Lehengütern. Im Jahr 1279 verkauft Albertus, miles de Liebenau, das Vogtrecht in Albazweiler dem Kloster Weingarten, und 1294 Hermannus de Zange seine Güter daselbst eben dahin.

    Nach Kloster Waldsee’schen Urkunden verkauft Conrad v. Mellenbrunn anno 1336 das Vogtrecht an das Gotteshaus Waldsee um 10 Pfund Heller; solches ist daher vom Kloster Weingarten an die Herren von Mellenbronn und von diesen an das Kloster Waldsee gekommen.
  • 3) Ankenreute, ein kathol. Weiler mit 44 Einw., seit 1825 Filial von Reute, vorher von Waldsee; Schule zu Gaisbeuren. Von den Gütern ist eines zinnseigen, eines grundeigen und 3 sind Religionsfonds-Lehen, wovon der Staat Zehenten, Grund- und andere Gefälle bezieht. Der Ort ist weitläufig gebaut und hat große und gute Gebäude, wovon eines sogar mit einem Blitzableiter versehen ist. Die Einwohner gehören zu den vermöglichsten des Bezirks, Boden und Wirthschaft sind gut. Die Felder sind vereinödet.

    Das Kloster Weingarten erkaufte 1286, 1378 und 1385 den Ort von mehreren Ravensburger Bürgern und 1293 von dem damals ganz verarmten Kloster Waldsee den Zehenten, letzten für 40 M. S. Das Eigenthum und die Lehenherrschaft eines Guts, welches Agnes v. Graben gestiftet, vergabte Burkhard von Freiberg 1355 an das Kloster Waldsee, welches 1576 zwei weitere Güter daselbst von Jakob und Hanns, Truchseßen von Waldburg, erkaufte.
  • 4) Arisheim, ein kathol. Weiler, aus einem Hofe und 2 Tagwerker-Wohnungen bestehend, mit 19 Einw., Filial von Reute, Schule zu Gaisbeuren, war ein Kloster Baindt’sches Lehen, das nun dem Staat gehört.|
  • 5) Bainders, ein Hof mit 6 kathol. Einwohnern, Filial von Altthann; den großen und kleinen Zehenten bezieht die Pfarrei. Grundherr ist der Staat, früher war es das Kloster Weingarten. Der Hof ist seit 1831 der Gemeinde Wolfegg zugetheilt. 1441 gibt Hainz Kübler von Kessenweil sein Gut zum Bainder dem Gotteshaus Weingarten auf, von welchem es mit dem Letztern an den Staat kam.
  • 6) Bolanden, eine Hammerschmiedte, welche durch die Ach getrieben wird, mit 7 katholischen Einwohnern. Sie fabricirt Geräthschaften für die Bauern, sowie für die Mahl- und Sägmüller. Kirche und Schule zu Bergatreute.
  • 7) Engenreute, ein kathol. Weiler mit 77 Einwohnern, Filial von Bergatreute, wo auch die Schule ist. Den großen Zehenten bezieht der Staat, den kleinen Zehenten die Pfarrei. Die übrigen Verhältnisse sind wie in Bergatreute.
  • 8) Engetsweiler, ein kathol. Weiler mit 29 Einwohnern, Filial von Molpertshaus. Den großen und kleinen Zehenten bezieht der Graf von Erbach-Wartemberg-Roth. Es befindet sich daselbst ein gräflicher Zehentstadel. Alle Güter befinden sich im Lehen-Verband. Das Klima ist gut und der Boden fruchtbar; früher waren die Klöster Weingarten und Waldsee die Grundherren.
  • 9) Enzisreute, ein kathol. Weiler mit 66 Einwohnern, Filial seit 1810 von Reute, vorher von Bergatreute; Schule zu Gaisbeuren. Es liegt an der Landstraße[ws 1] von Waldsee nach Ravensburg in einer fruchtbaren Gegend und ist vereinödet. Die Güter waren vorher Kloster Weingarten’sche und sind nun Staats-Lehen. Der große Zehenten, sowie die Grund und andern Gefälle gehören dem Staat, der kleine Zehenten aber und von einem Bauern auch der große der Pfarrei Reute, welche deßwegen und wegen der frühern Verbindung auch die Baulast an Kirche, Pfarr- und Meßner-Haus mitzutragen hat. Ein Gut ist zinseigen und eines zinspflichtig zur Kapelle Gaisbeuren.

    Im Jahr 1355 verkauft Elzbeth, Heinrich Steinenbachs von Bayenfurth hinterlassene Wittwe, ihren Hof zu E.| „Steinenbachs-Gut“ genannt, an das Kloster Weingarten und 1604 werden die Truchseßischen Unterthanen zu E. ihrer Pflicht entlassen und damit an Weingarten gewiesen.
  • 10) Forst, ein Hof mit 12 kathol. Einwohnern, Filial von Bergatreute, wo auch die Schule ist. Die Zehenten bezieht das gräfliche Rentamt Roth. 1318 kauft das Gotteshaus Waldsee das Gut zu Forst nebst dem zu Thal von Albrecht, Schenk zu Limburg, Chorherrn zu Constanz, um 3 M. S. und 1644 tauscht dasselbe ein weiteres Gütlein vom Kloster Baindt ein.
  • 11) Furth, ein kathol. Weiler mit 43 Einwohnern, Filial von Molpertshaus, wo auch die Schule ist. Den großen und kleinen Zehenten bezieht der Graf von Erbach-Wartemberg-Roth.
  • 12) Die Furthmühle, eine Getreidemühle 1/8 Stunde von Furth, ist unter diesem begriffen.
  • 13) Gaisbeuren, ein kathol. Weiler mit einer Schildwirthschaft an der Landstraße von Waldsee nach Ravensburg in einer fruchtbaren Gegend, mit 181 Einwohnern, Filial von Reute, Die Güter, wovon 3 Zinsgüter und eines Grundeigenthum sind, waren vormals Lehengüter des Chorstifts Waldsee und des Frauenklosters zu Baindt und gehören jetzt dem Staat, welcher als Nachfolger des Religionsfonds auch die Zehenten, Grund- und andere Gefälle bezieht. Der Ort ist sehr weitläufig gebaut, hat eine Kirche und Schule, aber kein Schulhaus. Die uralte Kirche oder Kapelle mit einem sehr dicken Thurme deutet auf römischen Ursprung, s. S. 78. Sie war ehemals eine Pfarrkirche, später wurde sie Filialkirche von Waldsee und 1812 von Reute. Jetzt werden nur noch zu gewissen Zeiten Messen darin gelesen. Außerhalb Etters befindet sich ein Haus, „Dellenhag“ genannt.

    Gaisbeuren ist, wie schon oben S. 76 angeführt, geschichtlich merkwürdig, namentlich durch die Niederlage des Herzogs Welf VI. im Kampfe mit dem Herzog Friedrich III. und durch die der Bauern in dem Bauren-Aufstande, s. S. 77. Es ist neben Otterswang derjenige Ort, dessen Alter am weitesten und bis in das 7te Jahrhundert hinauf urkundlich| nachgewiesen werden kann, s. S. 69. Durch Käufe kam der Ort von 1283 an allmählig in den Besitz des Klosters Waldsee und zwar aus vielerlei Händen, unter die er vertheilt war; den Herren von Waldsee, von Möllenbrunn, von Steegen, von Stain etc. 1306 kommt auch ein Walther von Gaisbeuren vor, siehe Hummertsried.
  • 14) Gambach, ein kathol. Weiler mit 67 Einwohnern, Filial von Bergatreute und dermalen der Sitz des Schultheißen. Die großen Zehenten und andere Gefälle bezieht der Staat, den kleinen Zehenten die Pfarrei. Es hat eine ganz ebene freundliche Lage, fruchtbaren Boden und eine Mahl-Mühle. In dem ersten Stiftungsbrief (Herzog Welfs) des Klosters Weingarten vom Jahr 1090 ist auch unter den Gütern des Klosters das Aigen zu Gambach enthalten.
  • 15) Giesenweiler, ein kathol. Weiler an einem Bergabhange mit 42 Einwohnern, Filial von Bergatreute. Den Zehenten bezieht der Graf von Erbach-Warttemberg-Roth, die übrigen Gefälle das Kameral-Amt Waldsee. Die Schule ist zu Bergatreute, siehe Gwigg.
  • 16) Gwigg, ein kathol. Weiler mit 70 Einwohner, Filial von Bergatreute, früher von Molpertshaus. Die Zehenten bezieht der Graf von Erbach-Warttemberg-Roth, die übrigen Gefälle der Staat. Es befindet sich daselbst eine im Jahr 1740 von dem vormaligen Kloster Roth neu erbaute Kapelle zum heiligen Georg, in welcher jedoch kein Gottesdienst gehalten wird, und die das Rentamt Roth jetzt zerfallen läßt.

    Gwigg kommt unter dem Namen Cawica schon im Jahr 802 vor, s. S. 69. Im Jahr 1264 verkauft Konrad Schenk von Winterstetten ein Gut daselbst an das Gotteshaus Waldsee, 1473 werden von der Herrschaft Österreich zwei Höfe verliehen, wovon der eine 1568 an den Kanzler Klökler von Veldegg, der andere 1679 an die Gränicher übergegangen, deren Familien sie noch zu Lehen haben. Die Zehenten und der Widdumhof zu Gwigg und wahrscheinlich auch die Zehenten zu Giesenweiler und Sommers kaufte das Kloster Roth 1362| mit der Kirche zu Heisterkirch von den Schenken zu Otterswang, Stadelhofer Hist. Coll. Roth. I. 224.
  • 17) Kümmerazhofen, Kümbrazhofen, Kümmbrechtshofen, ein kathol. Weiler mit 239 Einwohnern, Filial von Reute seit 1805, vorher von Baindt. Zu Reute ist auch die Schule. Die Zehenten, Grund- und andere Gefälle bezieht der Staat, früher war das Kloster Weingarten Grundherr.

    Kümmerazhofen liegt am Altdorfer Wald; es wird in Dorf und Vorstadt abgetheilt, und soll vor dem 30jährigen Kriege eine Stadt gewesen seyn, wovon man aber außer einigen neuerer Zeit ausgegrabenen Mauern keinen Beweis hat. Außer dem Ackerbau und der Viehzucht wird die Leineweberei und von den Unbegüterten, deren es hier nicht wenig gibt, die Mousselin-Stickerei, Nähen und Stricken betrieben. Der Ort hat eine Schildwirthschaft und eine Ziegelhütte. Letztere und drei andere Gebäude, welche Tobel, Halden und Stärkenhäusle genannt werden, liegen außerhalb des Orts. Im Jahr 1357 verkaufte Johann von Mögenhausen an das Kloster Waldsee seine Güter, Vogtei, Zwing und Bänn zu Kümmerazhofen, die Mühle in Tobel und den Wald Mögenhußhalden, und in demselben Jahr an ebendasselbe Eberhard von Königsegg zu Frohnhofen mit seinen Söhnen Eberhard und Luithold das Eigenthumsrecht über das Dorf Kümprechtshofen mit der Vogtei, Mühle etc. Alles dieses verkauft Propst Heinrich von Waldsee anno 1361 wieder an das Kloster Weingarten.
  • 18) Löchle, ein Hof, Filial von B. mit 11 kathol. Einwohnern. Den Zehenten und die übrigen Gefälle bezieht der Staat. Die Schule ist für diese und die 3 folgenden Parzellen ebenfalls zu B.
  • 19) Löffelmühle, ehemals auch die Gwigger Mühle genannt, eine Mahlmühle mit Gut, Filial von B. mit 7 kathol. Einwohnern. Die Mühle wird von einem Seitenbächlein der (Wolfegger) Ach getrieben. Den Zehenten und Gefälle bezieht der Staat.
  • 20) Reichertshaus, siehe Steinach.|
  • 21) Sommers, ein Hof, Filial von B., früher Filial von Molpertshaus, mit 3 kathol. Einwohnern. Den Zehenten bezieht der Graf von Erbach-Wartemberg-Roth, siehe Gwigg.
  • 22) Stocken, ein aus zerstreut herumliegenden Gehöften bestehender Weiler, Filial von B. mit 38 kathol. Einwohnern. Den großen und kleinen Zehenten bezieht der Graf von Erbach-Wartemberg-Roth; die übrigen Verhältnisse sind wie bei Bergatreute. Dermalen und seit 1831 sind der Gemeinde B. auch die Weiler Atzenreute und Dinnenried zugetheilt, siehe Steinach und Waldsee.



Anmerkungen Wikisource:
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