Biographie von Oberamtsarzt Dr. Keringer

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Autor: Richard Doll
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Titel: Biographie von Oberamtsarzt Dr. Keringer
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aus: Handschrift im Städtischen Museum Schwäbisch Gmünd
Herausgeber: Walter Dürr
Auflage:
Entstehungsdatum: 1861
Erscheinungsdatum: 1984
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Erscheinungsort: Schwäbisch Gmünd
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Quelle: Ergänzungen, Anmerkungen und Literaturhinweise zum Bilder- und Geschichtenbuch Gmünder Leute, Schwäbisch Gmünd 1984, S. 20-26 Scans auf Commons
Kurzbeschreibung: Biographie des Gmünder Arztes Dr. med. Joseph Keringer (1770-1829)
Siehe auch Schwäbisch Gmünd
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Handschrift mit der Lebensbeschreibung von Dr. Joseph Ignaz Kehringer, auf dem Umschlag bezeichnet (vermutlich von Julius Erhards Hand):

Biographie von Oberamtsarzt Dr. Keringer, verfaßt und geschrieben von Richard Doll quiesc. Stadtpfleger in Gmünd, u. zwar in Doll’s letztem Lebensjahr. R. Doll starb d. 13. Aug. 1861. 73 Jahr’ alt.

Beigeheftete Zettel: Daß Dr. Keringer von seiner Tochter Maxe, meiner Großmutter, ein gemaltes Vergißmeinnicht anbringen ließ, auf Rechnungen für Kunden, welche nicht oder lange nicht bezalten, finde ich nirgends erwähnt.

P.v.K.

Seite 1 Zeile 7 steht seine Mutter statt seine Frau. Zu Seite 5: lt. Familienüberlieferung wollte Keringer’s Schwiegermutter die Ehe-Scheidung durchsetzen; es habe nur noch K’s Unterschrift gefehlt, als die Tochter der Mutter gestand, daß sie mit ihrem Mann ausgesühnt sei und ein Kind erwarte. [Einfügung: Die spätere Dr. Romerio geboren 24/1 1801]. Die Mutter sei sehr entrüstet gewesen, aber ändern ließ sichs nicht.


Joseph Keringer Oberamtsarzt ist gebohren den 7. April 1770. Sein Vater war Joseph Keringer, welcher hierher kam, um Unterricht in der französischen Sprache zu geben: Er fand in den besten Familien Aufnahme, da er ein sehr solider Mann war, und wurde später von dem reichstädtschen Magistrat als Steuerschreiberadjunkt auf der damaligen Cassierstube angestellt. Seine Mutter war einea) Tochter des ehemaligen Lieutenants Schädel in Dillingen und eine Schwester des ehemals ebenfalls hier angestellt gewesten Schullehrers Conrad Schedel, der zugleich Waisenvater war.

Er hatte nur eine Schwester, Therese, welche etwas blödsinnig war und in ledigem Stande starb. In frühester Jugend erhielt er den Unterricht in der deutschen und französischen Sprache, hauptsächlich von seinem Vater, welcher ihn sehr strenge behande[l]tb) haben solle, und später besuchte er die lateinische Schule durch die Rudiment-Gramatik, Syndax, Humanität bis in die Rhethorik, welche einige Patres des Franziskanerklosters als Lehre verstanden. Um Logik und Philosophie zu studirn, gieng er auf die Universität nach Dillingen, und von da, indem er sich dem Studium der Medicin wiedmete, nach Würzburg.

Auf dieser Universität mag er ein flottes Studentenleben geführt haben, denn in späterer Zeit erzählte er oft von den Burschenstreichen, welche er und seine Collegen (Brechenmayer, Serlos von Dillingen und Eisele von hier) ausgeübt haben. Überhaupt scheint er von frühester Jugend an [21] schon Wohlgefallen an launigen Einfällen, wizigen Anspielungen und scherzhafter Unterhaltung gehabt zu haben, welchen Gefallen er bis in sein höheres Alter nicht verlor. Dabey versäumte er aber den Weg der wissenschaftlichen Bildung nicht, denn es gieng in ihm ein gediegener praktischer Arzt auf, welcher diesen Weg bis in die letzten Tage seines Alters verfolgte. Er las und prüfte die ernsten medyzinischen Werke und Zeitschriften und wandte das getreyliche immer in seiner praktischen Laufbahn am Krankenbette an.

Nach vollendeten Universitätsjahren trat er hier als praktischer Arzt auf, lernte die älteste Tochter des Kaufmanns und Oberstädtmeisters Anton Mayer, Cecilia, kennen, mit der er sich auch ehelich verband (d. 10 Juni 1794).c)

Es ist durchaus nicht in Abrede zu ziehen, daß sich zu dieser Zeitd) des reichstädtischen Magistrats mit einem Schmuz beflekte, welcher in dem Auge jedes rechtlich denkenden Mannes Abscheu erregen müßte. Bey Ergänzung des Magistrates, bey Besezung untergeordneter Stellen bis herab zum Bettelvogt und Schrannmesser wirkte namlich bey mehrerer dieser Herren ein ansehliches Präsent oder Familienverhältnisse mehr als persönliche Fähigkeit. Ein solches Treiben konnt unserm Kehringer nicht nur nicht gefallen, sondern er konnte sich nicht enthalten derartige Handlungen oder sonstige gegen die Vernunft streitende Handlungen öffentlich zu rügen. Dazu benuzte er gewöhniglich ein in der Reichstadt Eslingen redigiertes Blatt (das Reich der Todten), in welchem er das Benehmen des ganzen Magistrates, der Geistlichkeit oder einzelner Glieder dieser Behörden in sarkastischen Aufsäzen würdigte.

Dadurch zog er freylich die Gunst der Höheren Stellen von sich ab und machte sich bey mehreren Familien, welchen die Beleidigten angehörten, in dem Maase verhaßt, daß seine medizinische Praxis darunter leiden und sein Verdienst als praktischer Arzt bis aufs äußerste herabsank. In seiner Überzeugung, nur das Wahre an den Tag befördert zu haben und nur gegen Unbilligkeiten einzelner Personen gerügt zu haben oder Handlungen ins Lächerliche gezogen zu haben, welche sich mit der gesunden Vernunft und dem damaligen Zeitgeiste nicht vertrugen, hörte er auch auf Abmahnungen und vernünftige Darstellungen seiner besten Freunde nicht.

Sein Schwiegervater, welchen er so wenig als jeden anderen schonte, mag seine Lage nicht berüksichtigt und somit ihn und seine Tochter dem Mangel an Lebensmittel preisgegeben haben, welches er nicht ertragen konnte, und somit verschwand er unverhofft, mit Zurücklassung seiner Frau, welcher sodann keine andere Wahl übrig blieb, als sich in die Arme ihrer Eltern zu werfen. Damals (ao 179) die französische Revolutionsarmee im Elsaß bis an die Grenzen der Niederlande. Den Grundsätzen der revolutionären Partei in Frankreich nicht nur huldigend, sondern in seinem Innersten von denselben eingenommen, wußte er seine übereinstimmenden Ideen in öffentlichen Reden im Elsaß auszudrüken, und somit fand er bald Anstellung als Feld- und später in der Eigenschaft eines Spitalarztes.

Wärend seiner Abwesenheit ließ er kein Wort von sich hören, und er war für seine Frau, Eltern, Schwiegereltern und sonstigen Anverwandte gänzlich verschwunden. Wärend dieser Zeit starb sein Schwiegervater Oberstädtmeister Mayer, und seine Frau gebahr eine Tochter, die jetzt noch lebende Gattin des Stadtarztes Nikola Wolf.

Unverhoft, aber erst mit dem 1801 eingetrettenen Frieden zwischen dem deutschen Kaiser und der französischen Republik kehrte Keringer in seine Vaterstadt zurük, jedoch in Umständen, welche nicht die glänzendsten genannt werden können. Ein abgetragener Uniformsfrack blau und roth, auf beiden Seiten des rothen Kragens ein Äskulapsstaab, mit Gold gestickt, mit gelben Knöpfen auf welchen eine römische Fazes mit der Freyheitsmünze geprägt war, ein paar weiß und blau gestreifte lange Beinkleider, eine farbige Halsbinde, die das ganze Kinn in sich einschloß, und ein dreyekiger Huth mit der Nationalkogarte bildete seinen Anzug; zu seiner Seite prangte ein abgenuzter Degen ohne Portepée. Da er in diesem Anzug meinem seel. Vatere), einem seiner aufrichtigsten Freundee), seinen Besuch abstattete, so weiß ich mich dieses Kostüms so genau zu erinnern, daß ich mich noch ganz gut entsinne, wie die Ellenbogen des Uniformrockes mit einem in Form eines Herzens geschnittenen Leders besezt waren.

Seine Dienste in der Revolutionsarmee brachten ihm weder Lorbeern noch eine reiche Casse; denn er selbst sagte, daß er wärend seiner Abwesenheit sehr selten baares Geld gesehen habe, sondern daß der Sold mehr in Asignaten, welche man nicht an Mann habe bringen können, bezahlt worden seie, somit komme er ganz arm und ohne alles Geld zurück. Dem ungeachtet habe er aber sowohl in Frankreich als auch in den Niederlanden, wo er sich großentheils aufgehalten habe, sehr gut gelebt, und seie ihm in dieser Hinsicht durchaus nichts abgegangen. Was die sonstigen Bedürfnisse an Wäsche und Leibweiszeug betreffe, so seie es in der ganzen französischen Armee durchaus nicht Sitte gewesen, sich darinn ein großes Gepäk auf den Hals zu laden; man habe aber dennoch Gelegenheit genug gehabt, seine Wäsche zu mutiren, und dies oft in der feinsten Weise.

Nicht gleich bey seiner Zurükkunft aus Frankreich vereinigte er sich mit seiner Frau, sondern bezog in dem Hause des Hauptmanns von Storr (jetzt Johann Rudolphsche Haus) ein Parterezimmer, in welchem er ein Junggesellenleben führte, daneben aber die medizinische Praxis ausübte, welche sich dadurch hob, daß wärend seiner Abwesenheit auch der erste Stadtphysikus Dr. Storr gestorben ist.

Troz der vielen Mühseligkeiten, welche er wärend seines Aufenthaltes in Frankreich, troz der erlebten vielen Leiden, welche er in den Feldspitälern die Menschheit dulden sah, verlor sich sein früherer Hang zur gesellschaftlichen Unterhaltung nicht, und sein Erstes, mit dem er umging, war die Errichtung eines Liebhabertheaters.

Die Stadt hatte von jeher ein Theater in der Schmalzgrube, auf welchem öfter fremde Schauspieler auftraten, und die lateinischen Schüler am Schlusse des Jahres vor Vertheilung der Prämien, Schau- oder Singspiele gaben. Es fehlte also nur noch an Personen, welche sich zu Übernahme der Rollen herbeiließen. Auch diese fanden sich in den Freunden und Verehrern unseres Helden, und somit war der beabsichtigte Zwek erreicht. Erwine von Steinheim, ein Rittertrauerspiel, war die Erste, die Schöne Ungarin, ein Lustspiel, die zweite Vorstellung. Mit diesem scheint die Gesellschaft sich aufgelöst zu haben, da sich Kehringer mit seiner Frau aussehnte, und diese sowohl als seine Schwieger Mutter Oberstädtmeister Mayers Witwe nicht gut dazu sahen, daß sich ein Mann von seinen Kenntnissen, und in seiner Stellung mit Leitung einer Schauspielergesellschaft befasse. Wahrscheinlich war das Verlassen des Theaters eine von den Bedingungen, welche ihm troz Vereinigung mit seiner Frau gemacht wurden, weil man zu damaliger Zeit ganz andere Begriffe von einem Schauspieler hatte als in gegenwärtiger Zeit.

Man darf übrigens überzeu[g]tf) sein, daß Kehringer bey seinem festen Willen gewis nicht weggegeben hätte, wenn ihn seine damals bedrängten Verhältnisse nicht zur Nachgiebigkeit bewogen und er nicht die Überzeugung gewonnen hätte, daß diese Vereinigung, nicht sowohl von seinen Anverwandten, Freunden und alle gutgesinnten Bürgern mit Wohlgefallen erwartet und gewürdigt wurde.

Seine Schwiegermutter, eine verständige und gegen Jedermann wohlgesinnte Frau, konnte seine Verhältnisse durch die ihr zu Gebot gestandenen Mittel wohl verbessern, und somit befand er sich gleichfalls in ein neues Stadium seines häuslichen Lebens versezt.

Gerade um diese Zeit starb der älteste Dr. Med. und Stadtphisikus Storr, und durch die Vereinigung mit seiner Frau sehnte er sich [22] mit den Famillen Maier, Debler, Eisele, Deibele etc. aus, wodurch auch seine medizinische Praxis eine bedeutende Erweiterung gewann.

Sein unruhiger Geist und die Anhänglichkeit an die französischen Manieren ließen ihm keine Ruhe; er mußte wieder etwas haben, womit er sich von denjenigen Personen, welche ihm gram waren, absondern und mit seinen aufrichtigen Freunden mehr anschließen u. mittheilen, jenen aber zeigen konnte, wie wenig Achtung er ihnen troz ihrer Stellung beweise. Er entwarf den Plan zu einer Lesegesellschaft, die den Zwek hatte, den Gliedern der Gesellschaft und andern nüzlich, lehrreich zu sein, neben diesem aber sich im innern der Gesellschaft angenehm zu unterhalten.

Die Mittel, diese Zweke zu erreichen, gab er folgendermaßen an:

a) brüderliche Harmonie der Herzen,

b) weise Offenheit der Seele,

c) Rechtschaffenheit und Edelsinn,

d) brüderliche Gleichheit,

e) Lektüre guter Bücher,

f) Mittheilung des Gelesenen,

g) Hebung gegenseitiger Zweifel,

h) Ermahnung des fehlenden Mitbruders,

i) Gute Beispiele,

k) Aufklärung irriger Begriffe, die dem Allgemeinen nur schädlich sein können,

l) Wohlwollen gegen Alle, besonders die Dürftigen,

m) Unschuldige gemäßigte Fröhlichkeit.

Die Anwendung dieser Mittel auf sich selbst empfehl[t]g) er jedem Mitgliede der Gesellschaft; Jeder könne daraus sich selbst Geseze machen, um vollkommen und besser zu werden.

Zum Ort der Zusammenkunft räumte er in seinem Hause 2 Zimmer ein, davon eines zum Lesezimmer, das andere zu Besprechungen gewiser Ansichten und zur gesellschaftlichen Unterhaltung bestimmt war.

Jedem Mitglied war die Aufgabe gestellt, Bücher von philosophis[ch]em,h) politischem, ökonomischem, merkantilischem Gehalt der Gesellschaft zum Gebrauche anzuleihen. Neben diesen hatten aus den Mitteln der Gesellschaft gelehrte und politische Zeitschriften, ökonomische, gewerbliche, und merkantilische Blätter, auch Modejournale und, im Falle es die Gesellschaft wünsche, auch unterhaltende Lektüre angeschaft oder von schon bestehenden Lesegesellschaften und Leihbibliotheken bezogen werden.

Die weiteren Geseze sprechen sich hauptsächlich über das Benehmen der Gesellschaft unter sich aus, und wir heben nur hauptsächlich folgendes hervor:

In der Gesellschaft solle Ordnung, Reinheit der Sitten und Mäsigkeit statt haben. – Alle Discurse und Handlungen, welche gegen Religion anstößig sein dürften, sollen schärfst verbetten, auch alles Tadeln und Schmähen geistlicher und weltlicher Obrigkeit solle verpönt sein. – Spielen in der Gesellschaft ist durchaus nicht geduldet. Demungeachtet jedem Mitgliede erlaubt war, sich sein Getränke und sonstige Bedürfnisse in das Gesellschaftszimmer mitzubringen, oder wo immer holen zu lassen, so solle doch stets die größte Mäsigkeit beobachtet werden. Betrinken, Händelsucht, Fluchen und Schwören auch außer der Gesellschaft unterlag einer Geldstrafe, welche in die Armenunterstützungs-Casse der Gesellschaft fiel.

In dem Lese Zimmer war das Reden, auf u. abgehen, Trinken, Tabakrauchen, kurz je Störung bey einer gewiesen Strafe, welche in dieselbe Casse fiel, verpönt.

Die weitern Bestimmungen handeln von der Aufnahme der Mitglieder, Einführung von Fremden, von der Wahl eines Ausschusses und seinen Verrichtungen, den Rechten der Mitglieder, von den Beiträgen dieser und deren Verwendung, von der Armenkasse, von auswärtigen Mitgliedern, Austritt und auszuschließenden Mitgliedern und Auflösung der Gesellschaft.

Das Gesellschafts Locale war den Mitgliedern die ganze Woche mit Ausnahme des Mittwochs geöffnet.

Kaum hatte Krgr. seinen indimsten Freunden den Plan mitgetheilt, war er von diesen willkommen aufgenommen und, nachdem die Gesellschaft aus 12–14 Theilnehmern zählte, als constituirt erklärt. Sie hielten den Zwek ihrer Vereinigung euserst geheim, nicht um Theilnehmer abzuschrecken, sondern nur die Unberufenen entfernt zu halten, und weil Keringer Nihil nihi com grano Salis1 unternehmen konnte, beschloß die Gesellschaft, sich mit einem gewiesen Mistizismus zu umgeben. Dies veranlaßte die verschiedenartigsten Ansichten über den Zwek der Gesellschaft. Die einen erklärten diese als einen Jakobiner Clupp, die andern unterschoben derselben freimaurerische Tendenzen, wozu hauptsächlich beytrug, daß die Gesellschaft ihre Mitglieder nicht nannte, und über ihre Besprechungen in keiner andern Gesellschaft Etwas vernehmen ließ. Der damalige Bürgermeister Beiswinger und Dekan Herzer wußten, daß sowohl Glieder des Magistrats u. der Geistlichkeit Theil an der Gesellschaft hatten, konnten aber nicht mit Gewißheit erfahren, wer diese seien.

Je mehr diese beiden Vorgesetzten gegen den Zwek und die Persönlichkeiten der Gesellschaft euserten, desto mehr umschleierte sich diese mit dem diksten Nebel der Heimlichkeit. Mehrere Mal brachte Bürgermeister Beiswinger die Existenz einer geheimen Gesellschaft in den Magistratssitzungen zur Sprache mit dem Antrag, auf polizeilichem Wege in dieselbe einzudringen; da es aber an Beweisen für Staatsgefährliche Umtriebe fehlte, konnte mit Grund nicht wohl eingeschritten werden, oder wenn dieser Schritt geschehen wäre, hätte der Magistrat nichts gefunden als eine geschlossene Lesegesellschaft, wie sie auch sonst nichts war.

Hätten diese beiden Herren ohne vorheriges gehäßiges Auftretten gegen die Gesellschaft den Wunsch geäußert, in diese einzutreten, so hätte ihre Aufnahme durchaus keinen Anstand gehabt; durch ihr Benehmen hatten sie aber die ganze Gesellschaft gegen sich gestimmt, und ihre Aufnahme war nicht mehr möglich.

Es ist freylich nicht in Abrede zu ziehen, daß sich die Gesellschaft gegen einze[l]nei) Bewerber um Aufnahme, die ihr im Voraus nicht gefielen, ein frivoles Benehmen erlaubte, wodurch jener entweder lächerlich gemacht worden wäre, wenn er je die ihm gewordene Behandlung bekannt gemacht hätte. Ein gewieser Handlungsdiener Fr. äußerte öfter gegen seinen der Gesellschaft angehörigen Prinzipal, daß er nichts sehnlicher wünsche, als dieser Gesellschaft anzugehören. Dieser aber gestand ihm durchaus nicht, Mitglied der Gesellschaft zu sein, brachte aber den Wunsch des Comis in der ersten Plenarversammlung zur Sprache. Man wollte sich mit diesem, da man ihn als einen etwas schwachen Mann kannte, einen Spaß erlauben, zu dessen Ausführung folgendes veranstaltet wurde.

Ein in einen schwarzen Mantel gehülltes, mit einer weißen Maske vermummtes Mitglied der Gesellschaft paßte ihm auf seinem gewöhnlichen Weeg ins Mietshaus Zum Ritter ab und stellte ihm die Frage, ob er wirklich gesonnen sei, der geheimen Gesellschaft anzugehören. Auf seine bejahende Antwort bestellte dieser Vermummte den Kandidaten auf einen bestimmten Tag, nachts 8 Uhr, auf den Plaz zwischen der Pfarrkirche und dem Meßnerhause. Präzis um die bezeichnete Stunde trafen ihn zwey auf die selbe Weise vermummten Männer, welche dem Fr. die Augen verbanden und ihm versprachen, ihn sicher an den Ort der Versammlung zu führen. Auf seine Einsprache, daß er das Haus des Dr. Krger wohl wisse, daher diese Zeremonie durchaus überflüssig seie, behaupteten jene, daß in diesem Hause nicht alle Zusammenkünfte statt haben, und er müßte sich ihrem Willen fügen oder unverrichteter Sache wieder allein seiner Wege gehn. So führten sie den Herrn Fr. eine ganze Stunde inner und außer der Stadt herum, bis sie endlich in dem Hause des Krgr. ankamen. In diesem führte man ihn in den Keller; in diesem saß ein Mitglied als Präsident auf einem etwas erhabenen Sessel in schwarzem Mantel und weißer Maßke, auf dem Kopfe eine [23]

„Zur silbernen Hochzeit den 7ten Juni 1819 von einem Freunde des Hauses. J.S.B.“ Widmungsblatt für die Eheleute Kehringer gemalt von Johann Sebald Baumeister (1775-1829) Aquarell 28/40 cm 1819

schwarze Kappe.....mit einem transparent gemalten Todtenkopfe, der durch ein in der Kappe angebrachtes Licht beleuchtet war. In der Mitte des Kellers saßen 2 Mitglieder auf 2 Sesseln, die mit einem weißen Leintuche bedeckt waren, und zwischen diesen war noch ein Platz für einen dritten. Innerhalb der Kellerthüre standen 2 Mitglieder mit Partisanen, und die Anderen lagen in derselben Verkappung längs der Kellerwände auf dem Boden. Nachdem dem Kandidaten die Binde von den Augen abgenommen war, redete ihn der Präsident durch ein von Pappe gebasteltes Sprachrohr an:

Fr. Wer bist du?

Rp. Ich bin Wilhelm Fr.... Comis bey Herrn W. hier.

Fr. Was ist dein Begehren?

Rp. Ich bitte um Aufnahme in diese geheime Gesellschaft.

Fr. Kanst du schwören, von allem, was in diesen Räumen vorgeht, nichts weiter zu erzählen oder zu sprechen?

Rp. Ja, ich schwöre.

Fr. Kanst du auch den Armen ehren und lieben wie deinen Bruder!

Rp. Ja, das kann ich.

Fr. So beweise deine Theilnahme an diesem durch ein freywilliges Geschenk, denn auch dieser ist dein Bruder.

Mit diesem Worte entrollte sich ein zweites Transparent, auf welchem ein Bettler abgebildet war, der den Huth vorst[r]ekte,k) Fr. legte eine Gabe in den Huth, und der Bettler verschwand.

Fr. Einen Rath habe ich dir noch zu ertheilen. Begib dich nie unvorsichtig in Gefahr und nun seze dich zwischen die beiden.......deine Brüder.

Fr. sezte sich zwischen die beiden Vermummten; unter dem weißen Leinentuche war aber auf einem etwas niedrigern Stuhle eine flache Schüssel mit Wasser angebracht, in welche Fr. sich setzte. In demselben Augenblick erlosch auch das Licht in der Kappe des Präsidenten, und die ganze Gesellschaft war in tiefe Nacht gehüllt. Der Präsident befahl den beyden Vermummten, den Kandidaten wieder mit geschlossenen Augen zu entfernen, diesem aber empfahl er strenges Stillschweigen, da er dieses beschworen habe. Nachdem sie ihn wieder einige Zeit herumgeführt hatten, brachten sie ihn wieder in das Haus des Krgr. zurück, führten ihn die Stiege hinauf, lößten ihm die Binde von den Augen in einem kleinen Vorzimmer und ließen ihn in den gewöhnlichen Versammlungssaal eintretten, wo ihm seine Aufnahme verkündet wurde und er seinem Prinzipal und die sämtlichen Mitglieder der Gesellschaft in munterm Gespräche, ohne des Vorgefallenen zu erwähnen, antraf. Hier erhielte er die gedrukten Statuten der Gesellschaft und wurde von Allen als Bruder begrüßt.

Man darf übrigens nicht der Ansicht huldigen, Kehringer habe nur Sinn für launenhafte Unterhaltungen; er wandte seinen Geist vorzüglichen Gegenständen zu. Er wandte sich zuerst auf ökonomischen Betrieb. Dazu both sich ihm die beste Gelegenheit durch den Übergang der französischen Revolutions Armée über den Rhein im [24] Jahr 1796.

„Wohnhäuschen des Oberamtsarztes Dr. Keringer in der Schmidgasse am Eingang in den Garten von Oberstabsarzt Sprinkhardt gelegen. Entworfen und gezeichnet 1815–16 von Baumeister J. Lembeck“ Aquarell 13/14 cm
„nach der Stadt gekehrte Seite des ehemaligen Thor-Gebäudes gegenüber dem 5knöpfigen Thurm. Dr. Keringer kaufte dasselbe im Jahr 1811 um 200 Gulden. Aus der D:Debler’schen Chronik. gez. von B. Gold“ Aquarellierte Bleistiftzeichnung 34/24 cm

Veranlaßt durch die vielseitigen Contributionen, welche an die Stadt und Land Gmünds gemacht wurden, veranlaßten das reichstädtische Guvernement zum Verkauf mehrerer früherer als Viehweiden benuzte Allmend Pläze, um den Erlös der besonders errichteten Separat-Kriegsschulden Zahlungs Casse zuzuwenden. Bey diesen Verkäufen erstand Krgr. das Guth auf dem Siechenberg in der Nähe des Schierenhofes, erbaute da ein Wohn- und Ökonomiegebäude und legten den Berg zum Theil als Gras und Baumguth, theils als Ackerlan[d]l) und zum Theil als Hopfengarten an, zu dessen Bepflanzung er sich die Sezer aus der Gegend von Spalt im bayrischen zu verschaffen wußte. Auf diesem Guthe, das später Kaufmann Gerber, jetzt ein Ökonom Hausmann besizt, unterhielt Keringer eine Schäferey, deren Wollenabwurf er zur Tuchfabrikation auf eigene Rechnung verwendtete. In späterer Zeit erkaufte er von der Stadt den ebenfalls als Viehweide benuzten Klarenberg u. einen großen Plaz oberhalb des Georgishofes (Krimmel genannt, dem jetzt Wolf einer seiner Tochtermänner besizt) und innerhalb der Stadt einen Garten in der Ledergasse, die ebenfalls als Ho[p]fenlandm) angelegt wurden. Ausser diesen viel umfaßenden Hopfenanlagen pachtete er von den königl. Cameralamte den großen Aker bei dem ehemaligen Kloster Gotteszell an der Straße nach Aalen gegen Norden und Süden an die Straße nach Herligkofen und gegen Osten an das Baumguth des Kaufmann Stadlinger anstoßend, der ebenfalls als Hopfenland angelegt wurde. Auf diese Weise führte er den Hopfenbau nicht nur in hießiger Stadt, sondern in andern Theilen des Staates ein, in dem sich später auch die Städte Rottenburg, Tübingen und sonstige Orte des Königreiches anschloßen und welcher besonders in hießiger Stadt und Umgegend so vielseitige Theilnahme findet.

Dem ungeachtet ihn dieses Unternehmen viele Anstrengung und Geldaufwand kostete, so hat es ihm doch so viel ertragen, daß er Armen Beschäftigung und Verdienst geben konnte, welches er immer als die erste Pflicht gegen seinen dürftigen Nebenmenschen betrachtete, und er erwarb sich auch das Verdienst, einen Erwerbs in dem Staate eingeführt zu haben, von dem sich jetzt so viele nicht nur nähren, sondern auch zu wohlhabenden Leuten emporschwingen. Wenn wir zurükbliken, wieviele Tausend Gulden früher für Hopfen außer Landes giengen, was jezt für diese Waare im Lande eingeführt werden,2 so hat er sich in staatsökonomischer Beziehung sehr verdient gemacht.

Nicht so glüklich war sein Unternehmen in der Fabrikation von Wollwaaren aus der Wolle seiner Schäferey und der Tabaksfabrikation [25] aus eigenem Erzeugnis, die er aber bald wieder aufgab.

Viel des Geldes, das ihm der Hopfenbau einbrachte, entzog ihm sein unbezwinglicher Baugeist, denn auf jedem Flekchen Boden, den er an sich brachte, mußte ein Gebäude stehen, und wenn es auch nur ein Gartenhäußchen war. An den Gebäuden, welche er selbst bewohnte, machte er unzählige Veränderungen, so daß Bauwerkleute fast das ganze Jahr in seinem Dienst standen. Auch hatte er in dieser Beziehung den Fehler, daß wenn er einmal eine Idee gefaßt hatte, diese auf das schnellste ausgeführt haben wollte. Auf diese Weise wurde vielseitig schlecht gebaut und oft so schlecht, daß manches seiner Gebäude nach kurzer Zeit bedeutender Reparaturen bedurfte, um es zu erhalten, wieder niedergerissen werden mußte, oder auch selbst einstürzte.

Zum Beweis unserer Behauptung können wir nicht unterlassen, einige Beispiele hier aufzuführen.

Nach dem Tode seiner Schwiegermutter ererbte er ein in der Schmiedgasse, zwischen Leopold Kucher u. Gerbermeister Herz..........Haus, welches freilich schon alt, in seiner Erhaltung etwas vernachlässigt und baufellig war, und eine ganz neu gebaute Scheuer neben Uhrmacher Barth bey der Rehnenmühle (Jeziges Wohnhaus des Oberamtsarzts Dr. Romerio) und mit diesen beiden Gebäuden zwey Krautgärten, welche von einem Weg, der durch alle Gärten von der Schwanenwirthschaft an bis zum Hause des Gerbermeisters Nagel führte, durchschnitten waren. Nachdem er die Scheuer bey der Rehnenmühle zu einem Wohn[h]ausen) umgebaut hatte, ries er das alte in der Schmiedgasse stehende Haus nieder und vereinigte die beiden Krautgärten zu dem jezigen Garten des Oberamtarztes Dr. Romerio, in dem er den durch diesen früher gegangenen Weg durch einen Zaun abschloß. Lange wollten dieses Unternehmen die Besitzer der auf der südlichen Seite der Schmiedgaße gelegenen Häuser nicht gefallen lassen und öffneten vielmal nächtlich auf gewaltsame Weise den angebrachten Abschluß, bis sie endlich überzeugt wurden, daß durch das Abschließen dieses Weeges auch ihr Eigenthum geschüzt seie.

Zusehr abgeschlossen von der Hauptstraße durch die Stadt, gefiel ihm die Wohnung bey der Rehnenmühle nicht länger, und er erbaute an der Stelle des niedergerissenen ein neues einstokiges Haus, das aber nur er bewohnte, bis er starb. In seinem Hause in der Rehnenmühle verwendtete er den Parterestok zu einer Badeanstalt mit mehreren Badezimmerchen, welche zu künstlich bereiteten Schwefel- und Mineralbäder den ganzen Sommer besucht werden konnte.3

Wir können uns nicht enthalten, einen seiner derben Wize einzuschalten.

Der verstorbene Canonicus Reiß, ein guter Freund Keringers, der auch die Badeanstalt besuchte, konnte es nicht unterlassen, in einem Badestübchen an die Wand zu schreiben:

An den Dr. Unglauben

Bekehre dich einmal, geh in die Kirche ein, die fällt so schnelle nicht wie deine Häuser ein!

Am andern Tag fand Reiß die Antwort:

An den Canonicus Aberglauben.

Mach Spaß den Bauren, die Besseres nicht verstehn,

und laß gescheidere Leute ihre Wege gehen.

Beth’, fast, friß, sauf und sch ...

komst doch in Himmel, lieber Reiß.

Der damalige evangelische Garnisonspfarrer Dillenius besuchte einmal Dr. Keringer. Da kam dessen Kutscher Sigill herein und sagte: An der Drotschke fehlen einige „Schrauben-Mütterle“; worauf Dr. K. erwiederte: „D’Väterle wirst wohl du han!“ (Sigill war von seinem Herrn u. Anderen dafür angesehen, daß er gerne unter Hand für sich annexire.)

Herr Pfr. Dillenius gieng einmal mit Dr. Keringer durch ein Beckenhaus in der Schmiedtgasse, welches einen Durchgang bildete. Da flog vor ihren Füßen ein Scheit Holz zur Erde, welches Geräusch Schimpf-Worte des Bäckers begleitete. Mit Ruhe sagte Dr. K.: Gient groß Acht! jetzt wird glei mei Hund kome! u. so war’s – es war nemlich eine bekannte Untugend des Hundes, die Bäckerläden zu bestehlen.

Nachdem dieser Hund einmal einen Mezger bestohlen hatte, schickt dieser zu Dr. K. u. wollte gezahlt sein. Da ließ ihm K. sagen: Der Hund habe sein Beutele bei sich gehabt, K. könne nichts dafür, wenn er nicht gezahlt habe!

K. schickt dem Stuttgarter Boten zwei Welsche Hahnen4 lost u. ledig, er soll sie nach Stuttg. z. Verkauf mitnehmen. Der Bote ließ K. sagen, er soll ihm doch einen Stall oder Korb dazu schicken. Darauf erwiederte K.: Er soll nur schreien „Puder, ich bin röther als du!“ Dann laufen sie ihm nach Stuttg. nach! (Der Bote und sein Sohn hatten nemlich ausnahmsweise roth unterlaufene Gesichter.)

Dr. Kehringer trug in letzter Zeit seine Haare sehr lang, weßhalb ihm Medicinalrath Fröhlich von Ellwangen, mit welchem er stets sich in Wiederspruch befand, Vorwürfe machte, daß eine solche Haartracht sich für einen Oberamtsarzt nicht schike; worauf er ihm entgegnete: er sehe schon längst einer Verordnung von ihm entgegen, wie ein Oberamtsarz[t]o) die Haare zu tragen habe, deßhalb habe er solche wachsen lassen, um der Verordnung nachkommen zu können. –

Längere Zeit täglicher Besucher der Rosenwirthschaft, erlaubte sich der damalige Wirth Schurr einige gröbere Ausdrücke. Als hierauf Dr. Kehringer mit seinen Freunden die Wirthschaft verließ u. Schurr die Herren bis vor die Hausthüre begleitete, schaute Dr. Kehringer nach dem Wirthsschild hinauf u. sagte bezüglich des Wirth’s: „Ja, so! D’Rosa ist hausen u. der Knopf ist drinnen.“

Eine bekannte Persönlichkeit, Licenziat Hörner, befand sich stets in Gesellschaft unter dem Namen „Hansel“ laufend. Dieser erlaubte sich einmal, an einer Besprechung über eine schwierige Geburtshülfe sich einzulassen, worauf Dr. Keringer zu ihm sagte: Ja, Hansel, deine Mutter hat bei dir freylich eine gescheide Hebamme gehabt, die hat nur eine Handvoll Eicheln vorgehalten, dann ist die Sau von selbst heraus.

Von der Post am Markt (Herr von Stahl) wurde eine Schlittenfahrt arrangiert. Der nachherige Stadtrath Wahl brachte auch für weitere vier Herrn einen Schlitten (sogenannte Würste). Als alle fünfe Platz genommen, versagte der Rappe seinen Dienst und scheute. Als Hr. Dr. Keringer dies bemerkte, sagte er ganz ruhig: „Ich nimm’s dem Gaul nicht übel, daß er scheut, ich hab auch noch kein Wurst mit fünf Zipfeln gesehen.“

Eine Bauersfrau, deren Mann krank gelegen, bestürmte den Hr. Dr. Ker. fortwährend mit den Ausrufen „Geltet Sie Hr. Dr., mein Mann muß halt sterben, dem hilft nix mehr“ etc. etc. Endlich verlor der Dr. Kr. die Geduld und fragte: „Wie heißt euer Mann?“ Antwort: „Hummel, Hr. Dr.“ „Nun ja“, sagte Keringer, „jetzts glaubes schon, dann hat er [d’]p) Kuh zum Weib g’nommen.“

Am Lindenfirst hatte Dr. Ker. ein kleines Berggut und in demselben ein Wohnhaus erbaut, demselben auch den Namen Lutzestein gegeben; im Jahr 1816 wurde jedoch dasselbe durch fortwährende Regengüsse in die Rems heruntergeschwemmt. Als nun [26] sein Hausmann ihm die Trauerbotschaft nebst dem Schlüssel zum fortgeschwemmten Haus brachte, sagte er ihm ganz ruhig: Da, werfet nur den Schlüssel auch nein, sonst könnet Sie ja in Waiblingen net aufmachen.

(Diese 6 Anekdoten aufgeschrieben von C. Röll sen.)

Eine Kranke klagte dem Dr. K., sie habe gar keine gute Stunde mehr, da antwortete er: „Dann gehen Sie von Hussenhofen nach Böbingen, dann haben Sie eine gute Stunde.“

Ein verschmizter Advokat klagte dem Dr. K. in einer Krankheit: „Herr Dr., heute Nacht habe ich schon die Engele geglaubt singen zu hören!“ Darauf frug er: „Haben Sie einander net auf d’Schwänzle trete?“

In der Zeit, da noch die Passionsspiele in Gmünd abgehalten wurde, bot sich auch Dr. Keringer zur Mitwirkung an. Man glaubte, erfreut über den vermeintlich erwachten kirchlichen Sinn des Dr. K., denselben nicht besser ehren u. auszeichnen zu können, als wenn man ihm die Rolle des Pilatus übertragen würde.

Bei der Aufführung frug nun der Ankläger den Pilatus: welche Strafe Christus haben müsse?

Pilatus antwortet: „Ihr habt ihn jedes Jahr gekreuzigt, darum haut ihm einmal zur Abwechslung fünfundzwanzig hinauf.“

In seiner lezten Stunde empfieng Dr. K. den Besuch seines Freundes, Oberamtspfleger Visel; dieser rieth im an, seinen Angehörigen zuliebe doch nicht länger auf geistlichen Beistand zu verzichten; der wohlmeinende Freund bekam zur Antwort: „Bist au so ei5 Viech“ darauf drehte der Kranke seinen Kopf auf die Seite, und der Geist war entflohen.

Obige beide Anekdoten theilte Rechtsanwalt Visel dem Schreiber dieser Zeilen mit.


a) Gemeint ist die Mutter des Doktor Kehringer
b) Hier hat sich der Verfasser verschrieben
c) Einfügung am Rand
d) Einfügung am Rand: der größte Theil
e–e) Einschub am Rand
f, g, h, i, k, l, m, n, o) verschrieben
p) Vom Herausgeber eingefügt
1 nichts ohne Pfiff
2 gemeint ist: wird
3 Randbemerkung, vielleicht von Julius Erhards Hand: Keringers Todestag war der 29. Aug. 1829
4 Truthähne
5 müßte heißen: a (ein) Viech