Brief des Aristeas

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Titel: Brief des Aristeas
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aus: Altjüdisches Schrifttum außerhalb der Bibel S. 193–233; Erläuterungen 1277–79
Herausgeber: Paul Rießler
Auflage:
Entstehungsdatum: 2. Jahrhundert v. Chr.
Erscheinungsdatum: 1928
Verlag: Dr. B. Filser
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Erscheinungsort: Augsburg
Übersetzer: Paul Rießler
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Quelle: ULB Düsseldorf und Commons
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[193]
15. Brief des Aristeas

Vorgeschichte der griechischen Pentateuchübersetzung
Aristeas an Philokrates
1
Mein lieber Philokrates!

Eine beachtenswerte Geschichte unserer Gesandtschaft
an den jüdischen Hohenpriester Eleazar ist von mir verfaßt worden.
Du erinnertest ja bei jeder Gelegenheit daran,
daß du großen Wert darauf legest,
Gegenstand und Zweck meiner Gesandtschaft zu erfahren;
deshalb versuchte ich, dir alles genau darzustellen.
Ich kenne ja deinen Wissensdurst.

2
Es ist übrigens auch das Wichtigste für den Menschen,

immer Neues durch die Geschichte oder durch eigne Erfahrung hinzuzulernen
und in sich aufzunehmen.
Denn nur so gewinnt die Seele eine lautere Gesinnung,
wenn sie das Beste in sich aufnimmt, sich auf das Allerwichtigste einstellt
und so eine sichere Richtschnur für die Ausübung der Frömmigkeit erhält.

3
Weil wir den Entschluß gefaßt hatten, das Göttliche gründlich zu verstehen,

so erboten wir uns gerne zur Gesandtschaft an den oben Genannten,
der wegen seiner Tüchtigkeit und seines Ansehens
von Landsleuten und Fremden geschätzt wird
und der die Urkunde besitzt,
die heimischen und ausländischen Juden
den größten Nutzen bei Übersetzung des göttlichen Gesetzes gewährt.
Bei ihnen findet es sich nämlich
auf Pergament mit hebräischen Buchstaben aufgezeichnet.

4
Diese Gesandtschaft führten wir denn auch mit Eifer aus.

Dann nahm ich beim König eine günstige Gelegenheit wahr,
für die von des Königs Vater,
dem frühern Herrn der Stadt und Beherrscher Ägyptens,
aus Judäa nach Ägypten verpflanzten Juden Fürsprache einzulegen.
Auch dies lohnt sich, dir zu erzählen.

5
Denn ich bin überzeugt,

daß du, bei deiner Vorliebe
für die sittenstrenge Gesinnung der nach dem heiligen Gesetz Lebenden,
gern hören wirst, was ich dir erzählen will,

[194]

da du eben erst von der Insel zu uns kommst
und etwas Erbauliches hören möchtest.

6
Schon früher schickte ich dir

eine Niederschrift denkwürdiger Nachrichten über das jüdische Volk;
sie verdienen meines Erachtens alle Beachtung.
Ich erhielt sie von den Oberpriestern, den gelehrtesten Leuten in Ägypten.

7
Mir, der ich mich der Erkenntnis des der Seele Heilsamen widme, liegt es ob,

allen Gleichgesinnten womöglich, vor allem aber dir es mitzuteilen.
Denn du hast das richtige Streben;
du bist nicht bloß dem Blut, sondern auch der Gesinnung nach mein Bruder,
eins mit uns im Streben nach dem Guten.

8
Denn Goldeswert oder sonst ein Besitz,

den andere in eitlem Wahn erstreben,
bringt nicht soviel Gewinn wie Bildung und das Streben darnach.
Doch wollen wir uns nicht in weitläufiger Vorrede geschwätzig erzeigen,
sondern auf den Verlauf der Geschichte zurückkommen.

9
Der Vorstand der königlichen Bibliothek, Demetrius von Phaleron,

erhielt große Geldsummen,
um womöglich alle Bücher der Welt zu sammeln.
Durch Ankäufe und Abschriften erfüllte er nach Kräften des Königs Wunsch.

10
Da wurde er in unserm Beisein gefragt,

wieviel tausend Bücher vorhanden wären;
er antwortete: Weniger als zweihunderttausend, König;
ich will aber in kurzem die Zahl zweihunderttausend voll machen.
Mir ist aber berichtet,
daß auch die jüdischen Gesetze
eine Abschrift und Aufnahme in deine Bibliothek verdienen.

11
Da sagte der König: Was hindert dich denn, dies auszuführen?

Dir stehen doch alle Mittel zur Verfügung.
Demetrius entgegnete: Sie bedürfen einer Übersetzung;
denn in Judäa hat man eigene Buchstaben,
wie auch die Ägypter ihre besondere Schrift haben;
auch redet man dort eine eigene Sprache.
Die Annahme, man rede die syrische Sprache, ist nicht richtig;
vielmehr ist es ein anderer Dialekt.
Auf dies hin befahl der König, an den jüdischen Hohenpriester zu schreiben,
damit der erwähnte Plan zur Ausführung käme.

12
Nun hielt ich die Zeit für gekommen,

für die Freilassung
der von des Königs Vater aus Judäa verpflanzten Juden zu sprechen;
vorher hatte ich schon oft den Tarentiner Sosibius und Andreas,
die Obersten der Leibwache, darum gebeten.
Als jener nämlich ganz Cölesyrien und Phönizien
mit ebensoviel Glück als Tapferkeit durchzog,
verpflanzte er einen Teil
und machte ihn zu Sklaven, indem er alles durch Schrecken unterwarf.
Dabei führte er auch an 100 000 aus Judäa nach Ägypten.

13
Von diesen stellte er etwa 30 000 Auserlesene unter Waffen
[195]

und legte sie im Land in feste Plätze.
Freilich waren auch schon früher viele mit dem Perser eingewandert
und noch früher, als diese,
wurden andere dem Psammetich zur Hilfe gegen den Äthiopenkönig geschickt.
Doch waren nicht so viel zugezogen, als Ptolemaeus Lagi verpflanzte.

14
Er wählte also, wie gesagt,

die dem Alter und der Stärke nach Brauchbarsten aus
und stellte sie unter Waffen;
die übrige Menge der Ältern und Jüngern und der Weiber
überließ er als Sklaven.
Dies tat er nicht so sehr aus freiem Antrieb,
als unter dem Druck der Soldaten,
die sich auf die im Kriege geleisteten Dienste beriefen.
Wir erlangten also, wie gesagt, eine gute Gelegenheit für ihre Freilassung,
und so redeten wir den König also an:

15
Es ist wohl nicht vernünftig, König,

sich von den Tatsachen Lügen strafen zu lassen.
Das Gesetz, das wir nicht nur abschreiben,
sondern auch übersetzen lassen, gilt ja für alle Juden.
Haben wir aber da ein Recht zu der Gesandtschaft,
solange sich in deinem Reich
große Mengen von Juden in Sklaverei befinden?
Darum gib in gerechter und vornehmer Gesinnung
die in Leiden Schmachtenden frei!
Denn Gott, der ihnen das Gesetz gab,
leitet auch deine Regierung, wie ich genau erforschte.

16
Sie verehren ja als den Hüter und Schöpfer der Welt den gleichen Gott,

wie alle andern Menschen,
und wie auch wir, König.
Nur nennen wir ihn, weniger genau, Zeus und Dis.
Denn dadurch drücken die Alten nicht unpassend aus,
daß der, durch den alles belebt und geschaffen wird,
auch alles leite und regiere.
So gib nun aller Welt ein Muster des Edelsinns,
und laß die in Sklaverei Gefallenen frei!

17
Er aber besann sich lange;

unterdessen beteten wir im stillen zu Gott,
er möge seinen Sinn auf die allgemeine Freilassung hinlenken.
Denn die Menschheit wird als Gottesgeschöpf
auch von Ihm umgestimmt und umgewandelt.
Darum rief ich mehrfach und mannigfach zu dem Lenker der Herzen,
um Ihn zur Erfüllung meiner Bitte zu nötigen.

18
Ich hatte ja die feste Hoffnung, Gott werde meine Bitte erfüllen,

weil ich die Befreiung von Menschen anregte.
Wenn nämlich Menschen frommen Sinnes
etwas für Gerechtigkeit und Wohltätigkeit zu tun vermeinen,
so leitet ihre Handlungen und Entschlüsse tatsächlich der allmächtige Gott.
Der König blickte dann auf, sah mich gnädig an und fragte:

[196]

Wieviel Tausend, meinst du, werden es sein?

19
Andreas, der dabei stand, sagte:

Etwas mehr als hunderttausend.
Darauf erwiderte er:
So ist es also ein kleines Geschenk, das Aristeas von uns erbittet.
Sosibius aber und einige andere Anwesende meinten:
Und doch paßt es zu deiner Seelengröße,
dem Höchsten durch ihre Freilassung ein Dankopfer darzubringen.
Denn du bist vom Allmächtigen aufs höchste geehrt
und über deine Vorfahren erhoben worden;
daher geziemt es dir, auch das größte Dankopfer darzubringen.

20
Voll Freuden befahl er, Zulagen zu geben;

für jeden Sklaven solle man zwanzig Drachmen bekommen.
Hierüber solle man einen Befehl ausfertigen
und die Listen sogleich anlegen.
Solch hochherzige Gesinnung zeigte er,
und so erfüllte Gott ganz unsern Wunsch und nötigte ihn,
nicht bloß die freizugeben, die mit dem Heere seines Vaters mitgezogen waren,
sondern auch die, die schon vorher oder später im Reiche waren,
obwohl man ihm sagte, es werde mehr als vierhundert Talente kosten.

21
Ich halte es nicht für unnötig, die Abschrift des Befehles herzusetzen.

Denn so wird die Großmut des Königs, den Gott zur Rettung so vieler bestimmte,
klarer und deutlicher ans Tageslicht treten.
Er lautet also:

22
Auf des Königs Befehl sollen alle,

die mit unserm Vater nach Syrien und Phönizien ins Feld zogen
und die beim Zug durchs judäische Land jüdische Personen zu Gefangenen machten
und diese in die Stadt und ins Land brachten
oder an andere verkauften, sofort solche entlassen,
ebenso die, die schon vorher da waren oder später eingeführt wurden.
Sie sollen sogleich für jeden Sklaven zwanzig Drachmen erhalten,
die Soldaten bei der Löhnung, die andern von dem königlichen Tisch.

23
Denn unseres Erachtens wurden diese gegen den Willen unseres Vaters

und widerrechtlich zu Gefangenen gemacht;
durch den Übermut der Soldaten ward zudem ihr Land verwüstet
und erfolgte die Wegführung der Juden nach Ägypten.
Denn die von den Soldaten im Lande gemachte Beute hätte genügen können;
daß sie aber die Leute knechteten, ist durchaus ungerecht.

24
Wir geben nun anerkanntermaßen allen Menschen ihr Recht,

vor allem aber denen, die zu Unrecht vergewaltigt werden.
Wir suchen auch in allem gegen sämtliche Menschen
nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit und Frömmigkeit zu verfahren,
und so geben wir den Befehl,
alle jüdischen Personen,
die in unserm Reich bei irgendeinem und auf irgendeine Weise Sklavendienste tun,
gegen den festgesetzten Preis freizulassen.
Niemand verfahre saumselig in dieser Sache!
Drei Tage nach der Veröffentlichung dieses Befehls

[197]

übergehe man die Listen den hierfür aufgestellten Beamten
und schaffe zugleich die Sklaven zur Stelle!

25
Denn wir erwogen,

daß die Ausführung dieser Maßregel uns und dem Reiche förderlich ist.
Jeder Beliebige kann die Ungehorsamen anzeigen,
mit der Wirkung, daß ihm der Schuldige zugesprochen wird.
Sein Eigentum aber verfällt dem königlichen Schatz.

26
Der Befehl ward nun dem König im Wortlaut zur Prüfung übergeben;

er enthielt alles,
abgesehen von dem Satz
„wenn solche schon früher da waren oder später eingeführt wurden.“
Diese Worte setzte der König selber
in seiner Großmut und Hochherzigkeit hinzu
und befahl den Regimentszahlmeistern und den königlichen Schatzmeistern,
die Gesamtsumme anzuweisen.
So wurde die Ausbezahlung in sieben Tagen fällig.

27
Die Zahlung betrug mehr als 600 Talente;

denn mit den Müttern wurden auch viele Säuglinge freigelassen.
Auf die Anfrage,
ob auch für diese zwanzig Drachmen gezahlt werden sollten,
befahl dies der König zu tun,
indem er den Beschluß in allen Teilen ausführte.

28
Hernach hieß er den Demetrius

eine Eingabe über die Abschrift der jüdischen Bücher machen;
denn alle Verwaltungsmaßregeln wurden von diesen Königen
durch Erlasse mit großer Genauigkeit vollzogen,
und nichts geschah ohne sorgfältigste Überlegung.
Darum führte ich auch die Abschrift der Eingabe und der Briefe an,
ebenso die Zahl der Geschenke und eines jeden Beschaffenheit;
denn alle zeichneten sich durch Pracht und Kunst aus.
Die Abschrift der Eingabe lautet also:

29
An den Großkönig Demetrius!

Du befahlst, König,
die für die Vollständigkeit der Bibliothek noch fehlenden Bücher anzuschaffen
und die schadhaften gehörig auszubessern.
Ich kann dir berichten,
daß ich mich mit aller Sorgfalt dieser Aufgabe unterzogen habe.

30
Es fehlen aber noch mit wenigen anderen die Bücher des jüdischen Gesetzes.

Sie sind ja in hebräischer Schrift und Sprache abgefaßt;
sie wurden aber recht ungenau und mit Abweichungen vom ursprünglichen Text übersetzt,
wie die Kenner berichten.
Es fehlte ihnen ja an königlicher Fürsorge.

31
Nun müssen aber auch diese

in verbesserter Gestalt dir zur Verfügung stehen;
denn dieses Gesetz ist als ein göttliches, voll Weisheit und ohne Fehler.
Deshalb enthielten sich auch die Schriftsteller, Dichter
und Geschichtsschreiber irgendeiner Erwähnung der genannten Bücher
sowie der Leute, die ihnen gemäß lebten und noch leben,

[198]

weil die darin ausgesprochenen Ansichten heilig und ehrwürdig sind,
wie Hekataeus von Abdera sagt.

32
Gefällt es dir nun, König,

so möge an den Hohenpriester in Jerusalem geschrieben werden,
er solle aus jedem Stamm sechs ältere,
ihres Gesetzes kundige Männer von bestem Leumund entsenden,
damit wir, nach Prüfung des von der Mehrzahl übereinstimmend abgefaßten Wortlautes,
eine genaue Übersetzung erhalten,
und sie dann in einer der Sache und deines Entschlusses würdigen Art gut aufbewahren,
Heil dir in allem!


Briefwechsel zwischen dem König und Eleazar
33
Auf Grund dieser Eingabe befahl der König,

einen Brief an Eleazar hierüber zu schreiben
und ihm die Freilassung der Gefangenen mitzuteilen.
Er gab auch fünfzig Talente in Gold,
siebzig in Silber und eine Menge Edelsteine her,
wobei er den Schatzwächtern befahl,
den Künstlern die Auswahl zu überlassen.
Daraus sollten Krüge, Schalen,
ein Tisch und Gefäße als Geschenke angefertigt werden;
endlich gab er für Opfer und sonstige Verwendung hundert Talente geprägter Münze.

34
Bevor wir dir aber die Herstellung berichten,

müssen wir die Abschriften der Briefe mitteilen.
Der Brief des Königs hatte folgende Fassung:

35
„Der König Ptolemäus begrüßt den Hohenpriester Eleazar

und wünscht ihm Heil.
Viele Juden wurden von den Persern während ihrer Herrschaft aus Jerusalem verpflanzt
und in meinem Lande angesiedelt;
andere kamen mit meinem Vater kriegsgefangen nach Ägypten.

36
Von ihnen stellte er viele in das Heer ein

und gab ihnen höheren Sold;
ebenso übergab er ihnen feste Plätze,
die er zur Sicherung des ägyptischen Volkes angelegt hatte,
weil er die schon früher Ansässigen als treu erprobt hatte.
Auch wir zeigen uns seit der Regierungsübernahme gegen alle
und besonders gegen deine Landsleute milde.

37
Nun entließ ich mehr als 100 000 Gefangene,

indem wir ihren Herren den entsprechenden Geldwert zahlten
und dadurch zugleich das gutmachten,
was die Leidenschaft der Menge vielleicht gegen sie gefehlt hatte.
Hiermit glaubten wir fromm zu handeln.
Wir bringen so ein Dankopfer dem höchsten Gott dar,
der mein Reich in Frieden und größtem Ansehen in der ganzen Welt erhielt.
Ferner stellten wir die nach dem Alter Kräftigsten in das Heer ein
und verliehen den zu unserm Dienste Geeigneten
und den einer Vertrauensstellung am Hofe Würdigen Ämter.

[199]
38
Um aber sowohl diesen

als den Juden in aller Welt und ihren Nachkommen unsere Gunst zu zeigen,
beschlossen wir,
euer Gesetz aus der bei euch gebräuchlichen hebräischen Sprache
in die griechische übertragen zu lassen,
damit auch dieses
unter den anderen königlichen Büchern in unserer Bibliothek wäre.

39
Du wirst nun gut und unserm Eifer entsprechend handeln,

wenn du aus jedem Stamm sechs ältere gut beleumundete Männer auswählst,
die das Gesetz kennen und es übersetzen können,
damit aus der übereinstimmenden Ansicht der Mehrzahl
der Wortlaut erschlossen werde;
denn es handelt sich um die Untersuchung wichtigerer Dinge.
Wir glauben ja,
durch die Ausführung dieses Planes großen Ruhm zu erwerben.

40
Wir sandten deshalb den Obersten der Leibwache Andreas und Aristeas,

Männer, die eine Ehrenstellung bei uns haben, zur Verhandlung mit dir;
sie bringen auch Weihegeschenke für den Tempel
sowie hundert Silbertalente für Opfer und sonstige Bedürfnisse.
Wenn aber du uns deine Wünsche schriebest,
so würdest du mir einen Gefallen und Freundschaftsdienst erweisen.
Deine Wünsche sollen sofort erfüllt werden.
Lebe wohl!“

41
Auf diesen Brief erwiderte Eleazar so gut als möglich folgendes:

„Der Hohepriester Eleazar entbietet dem König Ptolemäus,
seinem wahren Freund, seinen Gruß.
Wenn es dir und deiner Schwester, der Königin Arsinoe, sowie deinen Kindern gut geht,
so wäre dies uns lieb und erwünscht.
Auch wir sind gesund.

42
Wir empfingen deinen Brief

und freuten uns recht über deinen Vorsatz und lobenswerten Entschluß;
wir versammelten das ganze Volk und lasen ihm den Brief vor,
damit es deine Ehrfurcht vor Gott erführe.
Wir zeigten auch die von dir gesandten
zwanzig goldenen und dreißig silbernen Schalen,
die fünf Mischgefäße, den Schaubrottisch und die hundert Silbertalente
zur Darbringung von Opfern und zu nötigen Ausbesserungen am Tempel.

43
Diese überbrachten Andreas, der bei dir eine Ehrenstellung genießt, und Aristeas,

Männer, die, tüchtig und durch Bildung ausgezeichnet,
sich deiner Gesinnung und Gerechtigkeit in allem würdig zeigen.
Sie teilten uns auch deinen Auftrag mit
und erhielten von uns einen Bescheid auf dein Schreiben.

44
Denn in allem, was dir förderlich ist, werden wir dir entsprechen,

und sollte es auch unserm natürlichen Empfinden zuwider sein;
dies ist eben ein Zeichen von Freundschaft und Liebe.
Du erwiesest ja auch unsern Landsleuten
in dieser Hinsicht große und unvergeßliche Wohltaten.

45
Wir brachten nun sogleich für dich, deine Schwester, deine Kinder
[200]

und deine Freunde Opfer dar,
und das ganze Volk betete, daß dein Plan in allem gelänge
und der allmächtige Gott dein Reich in Frieden mit Ehre erhielte
und daß die Übersetzung des heiligen Gesetzes
dir zum Nutzen und sorgfältig ausgeführt würde.

46
In Gegenwart aller wählten wir aus jedem Stamm sechs ältere und tüchtige Männer aus,

ich sandte sie dann mit dem Gesetze ab.
Du würdest gut handeln, gerechter König,
wenn du nach Vollendung der Übersetzung
die Männer hieher wieder zu uns heimkehren ließest.
Leb wohl!“

47
Es sind folgende:

Vom ersten Stamm Joseph, Ezekias, Zacharias,
Johannes, Ezekias und Elisäus;
vom zweiten Judas, Simon, Samuel, Adaius, Mattathias und Eschlemias;
vom dritten Nehemias, Joseph, Theodosius, Baseas, Ornias und Dakis;

48
vom vierten Jonathas, Habraius, Elisäus, Ananias, Zacharias und Chelkias

vom fünften Isaak, Jakob, Jesus, Sabbataius, Simon und Levi;
vom sechsten Judas, Joseph, Simon, Zacharias, Samuel und Selemias;

49
vom siebten Sabbataius, Zedekias, Jakob, Isaak, Jesias und Natthaius;

vom achten Theodosius, Jason, Jesus, Theodot, Johannes und Jonathas;
vom neunten Theophil, Abraham, Arsamus, Jason, Endemias und Daniel;

50
vom zehnten Jeremias, Eleazar, Zacharias, Banaias, Elisäus und Dathaius;

vom elften Samuel, Joseph, Judas, Jonathas, Kaleb und Dositheus;
vom zwölften Isael, Johannes, Theodosius, Arsamus, Abietes und Ezechiel;
im ganzen zweiundsiebzig.

51
Auf diese Weise ward der Brief des Königs von Eleazar beantwortet.

Wie ich nun versprach, will ich auch die Kunstwerke schildern.
Sie wurden ja mit hervorragender Kunstfertigkeit vollendet,
weil der König dafür viel ausgab und in allem die Künstler beaufsichtigte.
Daher konnten sie nichts übersehen, noch nachlässig anfertigen.


Beschreibung der Geschenke
52
Zuerst will ich dir den Tisch beschreiben.

Der König wollte dieses Kunstwerk zuerst in übergroßen Maßen ausführen,
ließ dann aber bei den im Land ansässigen Juden nachfragen,
wie groß der schon vorhandene und im jerusalemischen Tempel aufgestellte Tisch sei.

53
Als sie die Maße angaben, fragte er weiter,

ob er nicht einen größern aufstellen solle.
Manche Priester nun sowie andere Leute erklärten,
dem stünde nichts im Wege.
Er sagte nun, er möchte einen fünfmal so großen herstellen,
befürchte aber, er würde dann für den Gottesdienst unbrauchbar sein.

54
Denn er wolle nicht bloß,

daß sein Geschenk an dem Ort eben aufgestellt werde,
sondern werde erst dann zufrieden sein,

[201]

wenn den obliegenden Dienst die dazu Bestimmten
in geziemender Weise an seinem Kunstwerk verrichteten.

55
Der frühere Tisch wurde ja nicht wegen Goldmangels, meinte er,

in kleinen Maßen ausgeführt,
sondern er scheint aus einem bestimmten Grund diese Maße zu besitzen.
Wäre Größeres gefordert worden, dann hätte es an Gold nicht gefehlt.
Deshalb dürfe man die ersten Maße nicht überschreiten
und nicht über sie hinausgehen.

56
Er befahl nun Künstler aller Art aufzubieten;

dabei verfolgte er in allem erhabene Gedanken.
Er war auch von Natur aus gut befähigt,
sich die Dinge fertig vorzustellen.
Er befahl, die Einzelheiten, die nicht in der Schrift angegeben waren,
prächtig auszuführen,
bei dem Angegebenen aber sich in den Maßen danach zu richten.

57
So machten sie das Werk zwei Ellen lang, eine Elle breit und anderthalb Ellen hoch.

aus reinem Gold und vollkommen massiv.
Ich meine, das Gold war nicht einem andern Material aufgelegt,
sondern das Ganze war eine massive Platte von gehämmertem Metall.

58
Sie machten ferner ringsherum einen Rand von Handbreite,

mit drehbaren Schienen, die Reliefs in Fadenmuster aufwiesen;
ihre getriebene Arbeit an allen drei Seiten war wunderbar.

59
Sie waren nämlich dreiseitig;

aber auf jeder Seite war die Arbeit in gleicher Weise ausgeführt.
Deshalb boten sie den gleichen Anblick auf jeder Seite,
wenn man sie drehte.
Die nach dem Tisch selbst gerichtete Seite
der an dem Rand befestigten Schiene war auch schön geformt,
obwohl sich nur die äußeren Seiten dem Auge des Beschauers darboten.

60
Die hohe Kante der beiden Seiten war deshalb scharf,

weil die Schiene, wie gesagt, dreiseitig war.
Edelsteine waren in die Schienen zwischen das Fadenmuster eingelegt,
einer an den andern in unnachahmlicher Weise.

61
Alle waren mit goldenen Nadeln in Vertiefungen sicher befestigt.

An den Seiten hielten Klammern sie fest zusammen.

62
Seitlich am Tischrand war, ringsum auf der sichtbaren Seite,

ein Eierstab angebracht;
er bestand aus Edelsteinen in fortlaufenden Mosaikmustern,
die sich um den ganzen Tisch dicht aneinander legten.

63
Unterhalb der den Eierstab bildenden Edelsteine

brachten die Künstler einen Fruchtkranz an,
der aus Trauben, Ähren, Datteln, Äpfeln, Granatäpfeln
und andern Früchten bestand.
Sie bearbeiteten nämlich Steine von entsprechenden Farben so,
daß sie die erwähnten Früchte darstellten.
sie befestigten sie rings um die Stirnseite des ganzen Tisches.

64
Nach dem Früchtekranz war nach unten hin

ähnlich ein Eierstab mit Mosaikmustern angebracht,

[202]

so daß der Tisch auf beiden Seiten, wie man wollte, gebraucht werden konnte;
auch die Schienen und der Rand paßte für die Füße.

65
Denn sie hatten unter die ganze Tischbreite eine massive, vier Finger dicke Platte gelegt,

worin die Füße eingelassen
und am Rand durch Stifte in einem Verschluß befestigt wurden.
So war die Benützung auf beiden Seiten beliebig möglich;
dies sah man deutlich auf der Oberfläche,
weil das Werk für beiderseitigen Gebrauch berechnet war.

66
Auf dem Tische selbst fertigten sie in erhabener Arbeit einen Mäander an,

der in der Mitte kostbare, vielfarbige Steine aufwies,
Rubine, Smaragd, Onyx und die andern hervorragend schönen Arten.

67
An den Mäander schloß sich ein kunstvolles Netzwerk an;

dies zeigte ein rautenförmiges Muster.
Darin war Kristall und der sogenannte Bernstein eingelegt;
dies machte auf die Beschauer einen unvergleichlichen Eindruck.

68
Den Beinen gaben sie lilienförmige Köpfe,

so daß sich die Lilien unter dem Tisch umbogen,
so weit sie aber sichtbar waren, gerade Blätter aufwiesen.

69
Die Basis des Fußes am Boden bestand aus einem Rubin,

der eine handbreit hoch und acht Finger breit war;
sie hatte die Form eines Schuhes; auf ihr ruhte die ganze Last des Beines.

70
Sie bildeten dann das Bein so,

daß es schien, als ob Efeu aus dem Steine wüchse,
sich um einen Akanthus schlänge
und sich mit Reben samt den aus Stein gehauenen Trauben um das Bein bis zu dessen Kopf wände.
Die vier Beine waren gleich geformt.
Alles war naturgetreu gebildet und angefertigt;
dabei übertraf vollendetes Wissen und Kunst weit die Natur,
so daß sich schon bei einem Lufthauch die Blätter bewegten;
denn alles war naturgetreu dargestellt.

71
Sie machten die Vorderseite des Tisches gleich einem Triptychon dreiteilig,

wobei die Teile durch Schwalbenschwänze mit Zapfen
in der ganzen Stärke des Werkes zusammengefügt waren;
die Verklammerung der Zapfen aber
machten sie dem Auge unsichtbar und unauffindbar.
Die Stärke des ganzen Tisches betrug nicht weniger als eine halbe Elle,
so daß viele Talente für die ganze Arbeit nötig waren.

72
Weil der König der Größe nichts hinzufügen wollte,

so machte er ihn um so viel stärker,
als es bei größern Maßen der Fall gewesen wäre.
Nach seinem Plan wurde nun alles vollendet,
wunderbar und denkwürdig, unnachahmlich an Kunst und an Schönheit unvergleichlich.

73
Von den Tischgefäßen waren zwei aus Gold gefertigt.

Vom Fuß bis zur Mitte hatten sie ein schuppenartiges Muster in Relief;
zwischen den Schuppen waren kunstvoll Steine eingelegt.

74
Dann war ein Mäander, eine Elle hoch, angebracht;

seine erhabene Arbeit war aus buntfarbigen Steinen zusammengesetzt
und zeigte ebensoviel Geschmack als Kunstfertigkeit.

[203]

Darauf folgte ein rautenförmiges Mosaik,
das bis zur Öffnung einen netzartigen Anblick bot.

75
In der Mitte waren Schildchen aus verschiedenfarbigen Steinen aneinandergereiht

und mindestens vier Finger breit;
sie vollendeten den Eindruck der Schönheit.
Rings am Rande der Öffnung waren Lilien mit ihren Blüten
und Weinranken mit Trauben angebracht.

76
Die goldenen Gefäße waren also gearbeitet

und faßten über zwei Maß.
Die silbernen waren glatt gearbeitet;
ihre blanke Fläche war wundervoll;
es spiegelte sich darin alles in der Nähe deutlicher ab als in Spiegeln.

77
Es ist unmöglich, den wirklichen Eindruck dieser Kunstwerke wiederzugeben.

Als die Werke vollendet und nebeneinandergestellt waren,
zuerst ein silbernes Mischgefäß, dann ein goldenes,
dann wieder ein silbernes und ein goldenes,
war die Wirkung des Anblicks ganz unbeschreiblich.
Die Beschauer konnten sich wegen des strahlenden Glanzes
und des entzückenden Anblicks nicht davon trennen.

78
Verschiedenartig war der Eindruck des Schauspiels;

sah man auf die Goldarbeit, dann geriet man in freudiges Staunen,
ebenso, wenn man die einzelnen Zieraten betrachtete.
Und sah man dann wieder auf die dastehenden silbernen Gefäße,
so strahlten sie rings nach allen Seiten, wo man auch stand,
und riefen noch größeres Entzücken bei den Beschauern hervor.
Die kunstvolle Arbeit läßt sich gar nicht beschreiben.

79
Die goldenen Schalen verzierte man in der Mitte mit Weinrebenkränzen;

um den Rand flocht man einen Kranz aus Lorbeer, Myrten und Oliven in getriebener Arbeit,
mit Einlagen von Edelsteinen.
Auch die übrigen Reliefs führte man in verschiedenen Mustern aus;
denn man setzte eine Ehre darein,
alles in einer der königlichen Majestät würdigen Art herzustellen.

80
Überhaupt gab es weder im königlichen Schatz,

noch sonst in irgendeinem Schatz Werke,
die an Kostbarkeit und Kunstfertigkeit diesen gleichgekommen wären;
der König wandte ja große Sorgfalt darauf
und suchte seine Ehre in der rechten Ausführung.

81
Oft ließ er die öffentliche Audienz ausfallen

und besuchte fleißig die Künstler,
damit sie die Werke in einer ihres Bestimmungsortes würdigen Weise ausführten.
Darum waren auch alle Arbeiten prächtig ausgeführt
und machten dem königlichen Stifter
wie dem leitenden Hohenpriester jenes Ortes alle Ehre.

82
So reichlich war die Zahl der Edelsteine,

mehr als fünftausend und von beträchtlicher Größe,
und so bedeutend die künstlerische Vollendung aller Arbeiten,
daß der Aufwand an Edelsteinen und die künstlerische Arbeit
fünfmal so wertvoll war als das verbrauchte Gold.

[204]
83
In der Annahme, eine Beschreibung dieser Arbeiten sei notwendig,

teilte ich dir diese mit.
Das Folgende handelt von unserer Reise zu Eleazar.


Beschreibung von Jerusalem

Zuerst aber will ich dir die Lage des ganzen Landes schildern.
Als wir in jene Gegend kamen, sahen wir die Stadt,
die in der Mitte von ganz Judäa auf einem Berge liegt.

84
Auf seinem Gipfel war der Tempel herrlich erbaut.

Drei Ringmauern, über siebzig Ellen hoch, umschlossen ihn;
sie hatten eine Länge und Breite, die dem Bau des Tempels entsprachen.
Das Ganze war herrlich und verschwenderisch ausgeführt.

85
Es war klar, daß keine Kosten gespart waren

an der Pforte und an den Bändern der Türpfosten und der Oberschwellen.

86
Der Vorhang war ganz ähnlich wie ein Portal gebildet;

beim Windeswehen war das Gewebe in steter Bewegung;
indem es sich von unten bis oben aufbauschte,
ein schönes Schauspiel, wovon man sich ungern trennte.

87
Der Brandopferaltar entsprach in seiner Größe dem Raum und den dortigen Brandopfern,

ebenso der Aufgang zu ihm.
Der Platz hatte einen allmählichen Anstieg
aus Gründen der Wohlanständigkeit;
die diensttuenden Priester waren deshalb
auch bis zu den Knöcheln in leinene Leibröcke gehüllt.

88
Der Tempel schaut nach Osten, seine Hinterseite nach Westen.

Der ganze Boden ist gepflastert und fällt entsprechend ab,
damit Wasser zum Wegschwemmen des Opferblutes hergeleitet werden kann.
Denn an Festtagen werden viele tausend Opfertiere dargebracht.

89
Der Wasserreichtum ist unerschöpflich;

denn eine natürliche Wasserquelle führt drinnen reichlich Wasser zu.
Außerdem sind Wasserbehälter unter der Erde
mit wunderbarer und unbeschreiblicher Kunst angelegt.
Sie zeigten mir auch im Umkreis von fünf Stadien um den Tempel
zahllose Röhren eines jeden dieser Wasserbehälter,
in den sie auf jeder Seite zusammenliefen.

90
Alles dies sei auf dem Boden und an den Seiten mit Blei ausgelegt

und darüber viel Kalkmörtel aufgehäuft,
so daß alles die nötige Festigkeit habe.
Im Boden seien viele Wasserabläufe,
die allen, außer den Diensttuenden, unbekannt seien;
so könne das massenhaft zusammenfließende Opferblut
auf einen bloßen Wink entfernt werden.

91
Nun will ich aus eigener Anschauung über die Lage der Wasserbehälter berichten,

und nicht bloß, wie ich darüber unterrichtet wurde.
Man führte mich nämlich mehr als vier Stadien aus der Stadt
und hieß mich an einer Stelle bücken
und auf das Rauschen des zusammenfließenden Wassers lauschen.

[205]

So wurde mir, wie gesagt, erst die Größe der Behälter klar.

92
Unvergleichlich ist der Dienst der Priester

in jeder Hinsicht, was Kraftaufwand und anständige, ruhige Haltung betrifft.
Alle arbeiten aus freien Stücken mit großer Anstrengung,
und jeder einzelne hat seine besondern Obliegenheiten.
Die einen besorgen unausgesetzt das Herbeischaffen von Holz,
die andern von Öl, wieder andere von Feinmehl,
noch andere von Spezereien;
wieder andere bringen die Fleischstücke als Brandopfer dar,
wobei sie besondere Kraft zeigen.

93
Sie packen nämlich mit beiden Händen die Schenkelstücke der Kälber,

deren jedes meist über zwei Talente wiegt,
und werfen sie mit beiden Händen staunenswert geschickt auf eine bedeutende Höhe
und treffen unfehlbar hinauf.
Desgleichen zeichnen sich die Stücke der Schafe und Ziegen
durch Gewicht und Fett aus.
Denn stets wählen die Beauftragten
tadellose und hervorragend fette Tiere für das Opfer aus.

94
Zum Ruhen ist ihnen ein Platz bestimmt, wo sie sich im Sitzen ausruhen;

geschieht dies, dann erheben sich einige von denen, die inzwischen geruht haben,
und zwar aus eigenem Antrieb,
ohne daß man ihnen einen Befehl zum Dienstantritt gibt.

95
Dabei herrscht solches Schweigen, daß man glauben könnte, es wäre kein Mensch da,

und doch sind etwa siebenhundert Diensttuende da,
dazu eine große Menge solcher, die die Opfer darbringen.
Aber alles geschieht voll Ehrfurcht
und in einer der großen Gottheit würdigen Weise.

96
Als wir Eleazar beim Dienste sahen,

rief seine Gewandung
sowie die Würde, die sich in dem Leibrock und den Steinen an ihm ausdrückt,
bei uns großes Staunen hervor.
Rings um sein Gewand sind goldene Glöckchen,
die ein eigenartiges Klingen ertönen ließen,
und an beiden Seiten davon
bunte Granatäpfel von erstaunlicher Farbenpracht.

97
Gegürtet ist er mit einem herrlichen, großartigen Gürtel,

der in den schönsten Farben gewirkt ist.
Auf der Brust trägt er die sogenannte Orakeltasche,
worin zwölf verschiedene Steine eingesetzt sind, in Gold gefaßt
und mit den Namen der Stammväter nach der ursprünglichen Reihenfolge,
jeder Stein strahlend in der unbeschreiblichen Eigenart seiner natürlichen Farbe.

98
Auf dem Haupt trägt er den sogenannten Kopfbund

und über der Stirn die unvergleichliche Mitra
das ist das heilige Diadem mit dem in heiligen Buchstaben
ins goldene Stirnblatt eingegrabenen Gottesnamen aller Herrlichkeit.
So ist beim Gottesdienst die Gewandung dessen,
der ihrer würdig befunden ward.

99
Der Anblick alles dessen ruft Ehrfurcht und Staunen hervor,
[206]

so daß man sich wie in eine andere Welt versetzt fühlt.
Ja, ich versichere aufs bestimmteste:
Jeder, der an dem beschriebenen Schauspiel teilnimmt,
gerät in Staunen und unbeschreibliche Verwunderung;
er gerät außer sich über die Heiligkeit,
die sich in allen Einzelheiten äußert.

100
Zur bessern Übersicht bestiegen wir die benachbarte Burg in der Stadt

und hielten Umschau.
Sie liegt auf einem sehr hohen Platz und ist mit mehreren Türmen befestigt;
diese sind bis zur Spitze aus mächtigen Steinen aufgeführt,
als ein Schutz, wie wir hörten, für den Tempelplatz;

101
so kann niemand in die Ringmauern des Tempels eindringen;

falls ein Angriff oder ein Aufstand oder ein feindlicher Angriff stattfindet.
Auf den Ringtürmen stehen nämlich Geschütze und allerhand Maschinen;
zudem liegt der Platz höher als die genannten Ringmauern.

102
Auch werden die Türme

von den zuverlässigsten, ums Vaterland wohlverdienten Männern bewacht.
Diese bekamen keine Erlaubnis,
die Burg zu verlassen, außer an den Festtagen
und auch dann nur abwechselnd.
Sie ließen auch niemanden hinein.

103
Wenn vom Oberhaupt der Befehl erging,

Leute zur Besichtigung einzulassen,
so war sie selbst dann sehr vorsichtig, wie es sich auch bei uns zeigte.
Denn nur ungern ließen sie uns ein,
obwohl wir nur zwei und unbewaffnet waren,
um die Darbringung der Opfer anzusehen.

104
Sie sagten, sie seien auch durch Eide dazu verpflichtet;

denn sie hätten alle geschworen,
und sie erfüllten die Vorschriften so streng und gewissenhaft,
daß sie, obwohl fünfhundert Mann,
nicht mehr als fünf Menschen auf einmal einlassen würden.
Denn die Burg sei der einzige Schutz des Tempels.
und ihr Erbauer habe sie zu seinem Schutz so stark befestigt.

105
Die Größe der Stadt ist mäßig,

etwa vierzig Stadien im Umkreis nach ungefährer Schätzung.
Sie hat Türme wie ein Theater;
man sieht zwar nicht die Durchgänge der untern Türme,
wohl aber die der oberen;
diese sind für die Durchgänge durchbrochen.
Die Gegend ist ja ansteigend, weil die Stadt auf einem Berg liegt.

106
Es führen aber auch Treppen zu den Durchgängen;

die einen Leute gehen oben, die andern unten,
namentlich wenn sie einen weiten Weg haben,
und zwar mit Rücksicht auf die, die die Reinheitsvorschriften einhalten,
damit sie nichts Unerlaubtes berühren.

107
Nicht ohne Grund legten die ersten Gründer die Stadt in richtigem Verhältnis an,

sodann mit kluger Absicht.

[207]

Das Land ist ja groß und schön
und ein Teil davon, im sogenannten Samaria
und in der Nachbarschaft Idumäas, eben;
der andere Teil ist dagegen bergig, nämlich der in der Mitte gelegene.
Deshalb muß Ackerbau und Bodenbestellung eifrig betrieben werden,
damit auch diese mit Frucht gut versorgt seien.
Dadurch wird auch im ganzen Land eine sehr reiche Ernte erzielt.

108
Sonst ist es das Schicksal der großen und deshalb reichen Städte,

daß sie gut bevölkert sind, während das Land vernachlässigt wird,
weil alles nur an ein vergnügtes Leben denkt;
denn alle Menschen suchen von Natur aus das Vergnügen.

109
So erging es Alexandrien,

das alle andern Städte an Größe und Reichtum übertrifft.
Denn das Landvolk zog dorthin und verweilte darin längere Zeit;
so verminderte es den Anbau des Landes.

110
Deshalb verbot der König den Fremden,

sich länger als zwanzig Tage dort aufzuhalten;
selbst den Priestern gab er schriftlichen Befehl,
schon in fünf Tagen das Urteil zu fällen,
wenn sie einen vom Land in die Stadt laden müßten.

111
Und da er darauf großen Wert legte,

setzte er in jedem ländlichen Bezirk Landrichter nebst Gehilfen ein,
damit nicht die Landleute mit ihren Anwälten
die städtischen Speicher, d. h. den Ernteertrag schmälerten,
während sie in der Stadt ihren Geschäften nachgingen.

112
Wir erlaubten uns diese Abschweifung;

denn Eleazar schien uns diese Verhältnisse richtig geschildert zu haben.
Die auf die Landbestellung aufgewandte Mühe ist tatsächlich groß.
Ihr Land ist dicht bepflanzt mit Ölbäumen, Halm- und Hülsenfrüchten,
dazu reich an Weinreben und Honig,
die andern Fruchtbäume und die Datteln gar nicht zu rechnen;
auch ist Vieh aller Art in Menge da und reichliches Weideland hierfür.

113
Deshalb erkannten sie richtig,

daß die ländlichen Bezirke eine dichte Bevölkerung brauchten,
und so brachten sie Stadt und Dörfer in ein richtiges Verhältnis.

114
Eine große Menge Spezereien, Edelsteine und Gold

kommt durch die Araber ins Land;
es ist nämlich das Land sowohl für den Ackerbau wie für den Handel geeignet;
die Stadt ist reich an Kunsterzeugnissen
und ermangelt auch nicht der überseeischen Waren.

115
Sie hat auch günstige Häfen, die sie versorgen,

die Hafen in Askalon, Joppe, Gaza,
ebenso den in dem vom König gegründeten Ptolemais.
Er liegt in der Mitte der genannten Orte,
nicht zu weit von ihnen entfernt.
Das Land selbst hat alles in Fülle,
weil es überall wasserreich und wohl geschützt ist.

116
Der nie versiegende Jordan fließt daran vorüber.
[208]

Ursprünglich umfaßte es nicht weniger als sechzig Millionen Morgen;
Deshalb erhielten später, nach Verdrängung der Nachbarstämme,
600 000 Männer ein Landlos von je hundert Morgen.
Der Fluß steigt, wie der Nil, in der Sommerzeit
und bewässert so einen großen Teil des Landes.

117
Er mündet im Ptolemäerland in einen andern Fluß

und dieser fließt ins Meer, –
Andere Flüsse strömen in die Ebene
und umschließen die Gegend nach Gaza und Asdod hin.

118
Das Land hat eine natürliche Schutzwehr:

deshalb ist es schwer zugänglich und für große Heere unangreifbar.
Denn seine Zugänge sind eng,
weil Abhänge und tiefe Schluchten daneben liegen;
auch ist das ganze Waldgebiet, das jenes Land ganz umgibt, unwegsam.

119
Man erzählte auch,

in Arabiens benachbarten Bergen seien früher
Kupfer- und Eisengruben angelegt worden.
Diese wurden aber während der Perserherrschaft verlassen,
weil die damaligen Besitzer das falsche Gerücht verbreiteten,
der Betrieb sei nutzlos und kostspielig.

120
Sie wollten eben nicht

daß die Gegend wegen dieser Grubenarbeit verwüstet
und vielleicht wegen ihres Bergbaues ihnen entfremdet würde,
Deshalb wollten sie durch Ausstreuung dieses Gerüchtes
einen Vorwand zum Eindringen wegnehmen.
Also auch hierüber habe ich dir, lieber Bruder Philokrates,
das Nötige in aller Kürze mitgeteilt.
Im Folgenden will ich dir die Geschichte der Übersetzung erzählen.


Gespräche mit Eleazar
121
Er wählte also aus angesehenen Familien

die besten und gebildetsten Männer aus,
die sich nicht bloß Kenntnis der jüdischen Literatur angeeignet,
sondern auch eifrig die griechische studiert hatten.

122
Sie waren deshalb wohlgeeignet für Gesandtschaften

und versahen auch nötigenfalls diesen Dienst.
Sie besaßen ein großes Geschick für Gespräche
und Erörterungen über das Gesetz.
Sie hielten die erste Mitte inne, was das Beste ist;
sie legten die Schroffheit und Härte des Sinnes ab,
waren aber auch über Dünkel und Besserwissenwollen erhaben.
Sie waren gern bereit zu zwangloser Unterhaltung, zum Zuhören
und zur gründlichen Erörterung jeder Frage.
Sie alle beachteten dieses Verhalten
und wollten darin einander übertreffen.
würdig ihres Oberhauptes und seiner Tugend.

[209]
123
Man konnte aber ihre Liebe zu Eleazar daran sehen,

wie schwer sie sich von ihm trennten.
Auch er schrieb nicht nur an den König wegen ihrer Rückkehr,
sondern ersuchte auch Andreas und mich dringend,
nach Kräften dazu mitzuhelfen.

124
Wir versprachen nun, eifrig dafür zu sorgen.

Trotzdem sagte er, er sei darum recht besorgt;
denn er wisse,
daß der König in seiner Vorliebe für das Gute nichts lieber tue,
als einen durch Bildung und Klugheit vor andern ausgezeichneten Mann kommen zu lassen,
sobald er von ihm höre.

125
Ich hörte nämlich, wie er treffend sagte,

den besten Schutz des Reiches habe er dann,
wenn er gereifte und besonnene Männer um sich habe;
denn die Freunde rieten freimütig zum Besten.
Auch seine Gesandten besitzen diese Eigenschaft.

126
Und eidlich beteuerte er, daß er die Männer nicht von sich ließe,

wenn es sich nur um sein persönliches Interesse handelte;
er entsende sie nur zum gemeinsamen Nutzen aller Bürger.

127
Denn das rechte Leben bestehe in der Beobachtung der Gesetze;

diese aber werde mehr durch Zuhören als durch Lesen erlangt.
Durch diese und ähnliche Gedanken offenbarte er seine Gesinnung gegen sie.

128
Es lohnt sich,

kurz die Erklärungen zu erwähnen, die er auf unsere Fragen gab.
Wir glauben nämlich, daß die meisten neugierig sind
hinsichtlich der gesetzlichen Bestimmungen
über das, was zu essen und trinken erlaubt ist,
und über die für unrein geltenden Tiere.

129
Wir fragten ihn also,

warum manches für unrein zu essen,
ja manches für unrein zu berühren gelte,
da doch alles eine Schöpfung sei;
denn wenn das Gesetz sonst schon ängstliche Strenge zeige,
dann zeige es sich hierin ganz besonders streng.
Da hob er also an:

130
Du siehst, sagte er, welchen Einfluß Umgang und Verkehr ausüben.

Es werden die Menschen durch den Verkehr mit Schlechten verdorben
und fürs ganze Leben elend.
Dagegen treten sie durch den Verkehr mit Weisen und Verständigen
aus der Unwissenheit in ein besseres Leben über.

131
Unser Gesetzgeber befahl nun zuerst Frömmigkeit und Gerechtigkeit

und erklärte sie Punkt für Punkt,
nicht nur durch Verbote, sondern auch durch Gebote;
dabei betonte er die schlimmen Folgen
und die von Gott über die Schuldigen verhängten Strafen.

132
Zu allererst zeigte er, daß Gott einzig ist,

und daß sich seine Macht in allem offenbart,
da sein Walten die ganze Welt erfüllt,

[210]

und daß ihm nichts, was auf Erden von Menschen insgeheim geschieht,
verborgen bleibt;
vielmehr ist ihm alles, was jemand tut, offenbar, ebenso die Zukunft.

133
Dies führte er nun genau aus und stellte es vor Augen.

So zeigte er,
daß niemand, der nur daran denkt, Böses zu tun, verborgen bleiben kann,
geschweige denn, wer solches wirklich tut;
dabei wies er durch das ganze Gesetz auf Gottes Macht hin.

134
Damit machte er also den Anfang;

dann zeigte er, daß, abgesehen von uns,
alle andern Menschen an viele Götter glauben,
obgleich sie selber viel stärker sind, als die von ihnen töricht Verehrten.

135
Denn sie fertigen Bilder aus Stein und Holz und sagen,

es seien Abbilder von solchen,
die etwas für ihr Leben Nützliches erfunden hätten.
Sie beten diese an, obwohl ihre Empfindungslosigkeit klar zutage liegt.

136
Sie handeln ja sehr unvernünftig,

wenn sie jemanden wegen seiner Erfindung zum Gott machen.
Denn sie stellten doch nur etwas Geschaffenes zusammen
und machten es gebrauchsfertig,
ohne daß sie selbst es erschaffen hätten.

137
Deshalb ist es eitel und töricht, seinesgleichen zu vergöttern;

denn auch jetzt noch gibt es viele Leute,
die erfinderischer und gelehrter als die frühern sind,
und doch denkt niemand daran, sie anzubeten.
Dabei meinen ihre Bildner und Dichter die weisesten der Griechen zu sein.

138
Was soll man vollends von andern törichten Völkern reden,

von den Ägyptern und ihresgleichen?
Diese setzen ihr Vertrauen auf Tiere,
und zwar meist auf Kriechtiere und auf wilde.
Sie beten sie an und opfern ihnen im Leben und im Tod.

139
Dies alles erwog nun der Gesetzgeber in seiner Weisheit;

denn Gott hatte ihn zur Erkenntnis aller Dinge befähigt.
Und so umgab er uns
mit undurchdringlichem Gehege und eisernen Mauern,
damit wir uns mit keinem der andern Völker irgendwie vermischten,
sondern rein an Leib und Seele und frei von törichtem Wahne blieben
und den einen und mächtigen Gott über alle Kreatur verehrten.

140
So nennen die Meister der Ägypter, die Priester,

die vieles erforschten und die Schriften benützten, uns „Gottesmenschen“,
ein Name, der den übrigen nicht zusteht,
sondern nur dem, der den wahren Gott verehrt;
die andern sind vielmehr Menschen der Speise, des Trankes und der Kleidung.

141
All ihr Sinnen flüchtet sich dahin.

Die Unserigen aber achten dies für nichts;
vielmehr befaßt sich ihre Forschung durchs ganze Leben
mit Gottes Wirksamkeit.

142
Wir sollten uns nicht durch Gemeinschaft mit andern beflecken
[211]

und uns durch Verkehr mit Schlechten verderben.
Deshalb umhegte er uns auf allen Seiten
mit Reinheitsgesetzen für Essen, Trinken, Berühren, Hören und Sehen.

143
Im ganzen sind alle Vorschriften nach ihrem tiefen Sinne gleichwertig,

weil alle von einer Kraft bestimmt sind;
auch im einzelnen hat jede der Vorschriften
über verbotene und erlaubte Speisen ihren tiefen Grund.
Ich will dir beispielsweise die eine oder andere kurz erläutern.

144
Verfalle ja nicht auf die längst aufgegebene Ansicht,

Moses habe aus Rücksicht auf Mäuse, Wiesel oder ähnliches Getier
diese Gesetze gegeben!
Vielmehr wurden diese heiligen Gebote
nur zum Zweck der Gerechtigkeit erlassen,
um fromme Gedanken zu wecken und den Charakter zu bilden.

145
Denn die Vögel, die wir essen, sind alle zahm

und zeichnen sich durch Reinheit aus,
weil sie Weizen und Hülsenfrüchte zur Nahrung nehmen,
wie Tauben, Turteltauben, Hühner,
Rebhühner, Gänse und die übrigen dieser Art.

146
Die verbotenen Vögel aber sind, wie du finden wirst,

wild und fleischfressend:
sie vergewaltigen durch ihre Stärke die übrigen
und nähren sich dadurch,
daß sie in frevler Weise die ebengenannten zahmen Vögel fressen.
Und nicht allein diese, sondern auch Lämmer und junge Ziegen rauben sie
und fallen selbst Menschen an, Tote und Lebende.

147
Indem er sie als unrein bezeichnete, deutete er an,

daß die Besitzer des Gesetzes in ihrer Seele Gerechtigkeit pflegen
und niemanden, im Vertrauen auf ihre Stärke, vergewaltigen
noch ihm etwas wegnehmen sollten;
vielmehr hätten sie in Gerechtigkeit ihr Leben zu führen,
wie die eben genannten zahmen Vögel
die auf dem Boden wachsenden Hülsenfrüchte verzehren
und nicht zur Vernichtung der schwächeren oder verwandten Wesen
Gewalt ausüben.

148
Damit wollte der Gesetzgeber die Vernünftigen ermahnen, gerecht zu sein,

keine Gewalttat zu verüben
und nicht, im Vertrauen auf ihre Stärke, andere zu vergewaltigen.

149
Denn, ziemte es sich nicht einmal,

die ebengenannten Wesen wegen ihrer besondern Beschaffenheit zu berühren,
wie sollte man sich nicht vollends davor hüten,
daß der Charakter in dieser Richtung verdorben würde?

150
Er gab uns alle Vorschriften über erlaubte Speisen

bei diesen und den andern Tieren in sinnbildlicher Rede.
Denn zweihufig sein und gespaltene Klauen haben ist ein Sinnbild davon,
daß man alle Handlungen mit Unterscheidung auf das Rechte hin tun muß.

151
Die Kraft des ganzen Körpers und seine Tätigkeit ruhen auf Schultern und Schenkeln.

So zwingt er uns,

[212]

alle Handlungen mit Unterscheidung auf die Gerechtigkeit hin zu richten.
Daraus sollen wir diese Lehre ziehen,
aber auch die, daß wir von allen andern Menschen unterschieden sind.

152
Die meisten andern beflecken sich im Verkehr, unter Verübung schweren Unrechtes;

ja ganze Länder und Städte rühmen sich noch dessen.
Denn sie gehen nicht allein mit Männern um,
sondern beflecken auch Mütter und Töchter.
Wir halten uns davon fern.

153
Wer die genannte Art der Unterscheidung besitzt,

der hat auch die Gabe der Erinnerung.
Denn alle zweihufigen und wiederkäuenden Tiere
versinnbilden den Einsichtigen die Erinnerung.

154
Wiederkäuen ist ja nichts anderes als Erinnerung an Leben und Bestehen;

denn das Leben besteht gewöhnlich durch die Nahrung weiter.

155
Darum mahnt er durch die Schrift also:

„Gedenke des Herrn, deines Gottes,
der an dir das Große und Wunderbare tat!“
Denn bei näherer Betrachtung erscheint groß und wunderbar fürs Erste
die Gestaltung des Leibes, die Aufnahme der Nahrung
und die Bestimmung eines jeden Gliedes.

156
Aber noch mehr zeugt von unendlicher Weisheit die Einrichtung der Sinne,

die Tätigkeit und unsichtbare Bewegung des Geistes,
der schnelle Tatentschluß und die Erfindung der Künste.

157
Darum mahnte er uns, dessen eingedenk sein,

daß alles Genannte durch göttliche Kraft und Anordnung erhalten wird.
Denn er bestimmte jede Zeit und jeden Ort dazu,
daß man sich beständig Gottes, des Herrschers und Erhalters, erinnere.

158
Er befiehlt nämlich,

bei Speise und Trank zuerst einen Teil als Opfer darzubringen
und dann erst zu genießen.
Auch an der Gewandung gab er uns ein Gedenkzeichen.
Ebenso befahl er,
an Tor und Türe die Sprüche zur Erinnerung an Gott anzubringen.

159
Selbst an den Händen heißt er ausdrücklich das Denkzeichen anlegen.

Damit zeigt er klar, daß wir jede Tat mit Gerechtigkeit ausführen müssen,
da wir einen Hinweis auf unsere Bestimmung, vor allem aber Gottesfurcht besitzen.

160
Er befiehlt auch,

sowohl im Ruhen als im Aufstehen und Umherwandeln die göttlichen Anordnungen zu betrachten;
man solle nicht bloß in der Rede,
sondern auch in Gedanken seine Erregung und seinen Eindruck beim Einschlafen
und das Aufwachen überlegen und bedenken,
wie wunderbar und unbegreiflich dieser Wechsel ist.

161
So ist dir nun die tiefe Weisheit

im Unterscheiden und Gedenken aufgezeigt,
zufolge unserer Erklärung der Zweihufigkeit und des Wiederkäuens.
Nicht zwecklos und gedankenlos ward das Gesetz gegeben,
sondern wegen der Wahrheit und der Anleitung zu richtigen Grundsätzen.

[213]
162
Es verbietet ja durch die Einzelbestimmungen über Speise, Trank und Berührung

etwas gedankenlos zu tun oder anzuhören
oder sich unter Ausnützung der Verstandeskraft dem Unrecht zuzuwenden.

163
Bei den Tieren kann man das gleiche finden.

Schädlich ist ja die Art des Wiesels,
der Mäuse und aller ähnlichen genannten Tiere.

164
Denn die Mäuse beschädigen und verderben alles,

und zwar nicht bloß, um sich zu nähren;
vielmehr wird alles, was sie zu beschädigen beginnen,
für den Menschen gänzlich unbrauchbar.

165
Eigentümlich ist das Wieselgeschlecht.

Außer der genannten Eigenschaft hat es noch etwas Befleckendes an sich;
es empfängt durch die Ohren und gebiert mit dem Mund.

166
Deshalb ist auch ein solcher Charakter an Menschen unrein.

Was solche durch das Ohr aufnehmen,
gestalten sie dann durch Worte aus
und bringen dadurch andere ins Unglück;
so vollbringen sie keine geringe Unreinheit,
selber vom Makel der Gottlosigkeit befleckt.
Euer König tut aber recht daran,
daß er solche Menschen beseitigt, wie wir hören.

167
Ich sprach: Ich glaube, du meinst die Angeber;

denn über diese verhängt er immer Martern und schmerzhaften Tod.
Er erwiderte: Gewiß meine ich diese;
denn das Lauern auf anderer Menschen Verderben ist gottlos.

168
Unser Gesetz aber verbietet, jemanden durch Wort oder Tat zu schädigen.

Auch hierin ward dir nun in aller Kürze gezeigt,
daß alle Gesetze zur Gerechtigkeit gegeben sind,
und daß nichts durch die Schrift zwecklos oder leichtfertig angeordnet ist,
sondern daß alles darauf hinausgeht,
daß wir durchs ganze Leben in unsern Werken gegen alle Menschen Gerechtigkeit üben,
eingedenk des allmächtigen Gottes.

169
So bezieht sich die ganze Verordnung

über Speisen und unreine, schädliche Tiere
auf Gerechtigkeit und den gerechten Wandel der Menschen.

170
So schien er mir nun das einzelne glänzend gerechtfertigt zu haben;

er sagte auch noch von den zu opfernden Kälbern, Widdern und Ziegenböcken,
man hole sie aus den Rinder- und Schafherden;
denn man solle keine wilden, sondern zahme Tiere opfern,
damit die Opfernden, der Mahnung des Gesetzgebers folgend,
keine übermütigen Gedanken im Herzen trügen.
Denn der Opfernde bringt seine ganze Seelenrichtung zum Opfer dar.

171
Ich denke, daß seine Auslegungen erwähnenswert sind,

und zwar wegen der Heiligkeit und des tiefern Sinnes des Gesetzes;
deshalb fühlte ich mich auch bewogen, lieber Philokrates,
ihn dir wegen deiner Wißbegierde zu erläutern.

[214]
Empfang der Gesandten bei Hof
172
Eleazar brachte nun ein Opfer dar und wählte die Männer aus;

dann ließ er viele Geschenke für den König herbeischaffen.
Hierauf entließ er sie mit sicherer Bedeckung.

173
Als wir in Alexandrien ankamen,

ward dem König unsere Ankunft gemeldet.
Andreas und ich wurden bei Hofe vorgelassen;
wir grüßten ehrerbietig den König und gaben des Eleazar Briefe ab.

174
Da der König vor allem die Gesandten zu empfangen wünschte,

befahl er alle sonst anwesenden Beamten zu entlassen,
dagegen jene vorzulassen.

175
Dies erschien allen ungewöhnlich,

weil es Sitte war,
daß alle, die in öffentlichen Angelegenheiten kamen,
am fünften Tag Audienz beim König hatten,
während die Gesandten von Königen und angesehenen Städten
höchstens in dreißig Tagen bei Hofe vorgelassen wurden.
So würdigte er also die Ankömmlinge höherer Ehre;
denn er wußte das Ansehen ihres Auftraggebers zu schätzen;
deshalb entfernte er, die er für überflüssig erachtete,
und wartete, auf und ab wandelnd, bis sie zur Begrüßung eintraten.

176
Sie traten nun mit ihren Geschenken ein,

sowie mit den Pergamenten, worauf das Gesetz stand;
es war in jüdischer Schrift mit Gold geschrieben.
Das Pergament war bewunderungswürdig bearbeitet
und für das Auge unsichtbar aneinandergefügt.
Als der König sie erblickte, befragte er sie über die Bücher.

177
Sie öffneten nun die Rollen und rollten die Blätter aus;

da blieb er lange dabei stehen, neigte sich etwa siebenmal und sprach:
Ich danke euch, ihr Männer, aber noch mehr dem, der euch gesandt,
am meisten jedoch Gott, dessen Sprüche hier vorliegen.

178
Da riefen wir alle, die Gesandten

und die andern Anwesenden, einmütig und einstimmig:
„Heil dir, König!“
Auf dies hin brach er vor Freude in Tränen aus.
Denn die Erregung der Seele
und das Übermaß von Ehrung zwingt bei freudigen Ereignissen zum Weinen.

179
Dann befahl er die Bücher einzureihen

und begrüßte hierauf die Männer mit den Worten:
Es war geziemend, ihr gottesfürchtigen Männer,
zuerst den Büchern, deretwegen ich euch kommen ließ,
die schuldige Ehrfurcht zu bezeigen,
dann erst euch die Rechte zu reichen.
Darum tat ich jenes zuerst.

180
Ich betrachte den Tag eurer Ankunft als wichtig,

und so soll er unser ganzes Leben lang gefeiert werden,
fällt er doch auch gerade auf den Tag unseres Seesieges über Antigonus.

[215]

Darum will ich auch heute mit euch ein Mahl halten.

181
Alles aber ist, sagte er, nach euren Gebräuchen zubereitet,

für mich wie für euch.
Als sie ihre Freude darüber bezeigten, befahl er,
ihnen die besten Quartiere in der Nähe der Burg zu geben
und die Vorbereitungen für das Mahl zu treffen.

182
Der Truchseß Nikanor ließ nun Dorotheus, der für sie abgeordnet war, kommen

und befahl, das Mahl für jeden zu bereiten.
Diese Einrichtung war vom König getroffen,
und man sieht sie noch heute bestehen.
Soviele Städte nämlich ihre besondern Gebräuche für Speise, Trank und Lager haben,
ebenso viele Beamte waren hiefür da.
So wurden denn die Vorbereitungen
nach den Sitten der zum König Geladenen getroffen,
damit sie durch nichts in der Festfreude gestört würden.
Diese Übung wurde auch bei den jüdischen Gesandten befolgt.

183
Denn Dorotheus, der die Aufsicht darüber hatte,

war sehr gewissenhaft.
Er ließ nun alles, was ihm zur Verfügung stand
und für die Bewirtung solcher Gäste bestimmt war, ausbreiten;
er teilte auch nach des Königs Befehl die Sitze in zwei Reihen;
denn die eine Hälfte hieß er zu seiner Rechten setzen, die andere hinter seinem Sitz.
So unterließ er nichts, um die Männer zu ehren.

184
Nachdem sie sich gelagert hatten,

befahl er dem Dorotheus,
die Gebräuche, wie sie alle von Judäa zu ihm Kommenden beobachten, auszuführen.
Darum entband er die Opferherolde, Opferpriester
und die andern, die sonst das Gebet zu sprechen pflegten, ihres Dienstes
und forderte aus unsern Reisegefährten
den ältesten der Priester, Elisäus, zum Sprechen des Gebetes auf.
Dieser erhob sich und sprach dies denkwürdige Gebet:

185
„Der allmächtige Gott erfülle dich, König, mit allen erschaffenen Gütern

und gebe dir, deiner Gemahlin, deinen Kindern und deinen Freunden
unaufhörlichen Genuß davon dein Leben lang!“

186
Auf diese Worte hin erhob sich lang andauernder,

lauter und freudiger Beifall.
Dann wandten sie sich zum Genuß des vorgesetzten Mahles.
Dabei wurde die Bedienung durch das Personal des Dorotheus geleistet;
darunter fanden sich auch königliche Pagen
und Leute, die beim König ein Ehrenamt hatten.


Tischgespräche
187
Als der König nach einer Pause die Zeit für gekommen erachtete,

fragte er den, der den ersten Platz einnahm –
sie hatten sich nämlich nach dem Alter gelagert –,
wie er die Herrschaft bis zuletzt sicher behaupten könnte.

[216]
188
Er antwortete nach kurzer Überlegung:

Du kannst sie am sichersten behaupten,
wenn du Gottes beständige Milde nachahmst.
Denn, zeigst du Langmut
und bestrafst die Leute milder, als sie es verdienen,
dann bringst du sie von der Schlechtigkeit ab und führst sie zur Reue.

189
Der König lobte die Antwort und fragte den nächsten,

wie er bei allem recht handeln könnte.
Er erwiderte: Wenn er sich gegen alle gerecht zeige,
dann würde er in allem recht handeln;
er solle dabei bedenken, daß jeder Gedanke Gott bekannt sei.
„Nimmst du die Gottesfurcht zum Ausgangspunkt,
dann wirst du nie dein Ziel verfehlen.“

190
Auch diesem spendete er lebhaft Beifall;

dann fragte er einen andern,
wie er gleichgesinnte Freunde finden könnte.
Er antwortete:
Wenn sie sehen, daß du für deine massenhaften Untertanen große Fürsorge zeigst.
Dies aber tust du dann,
wenn du beherzigst, wie auch Gott dem Menschengeschlecht Gutes erweist,
indem er ihm Gesundheit, Nahrung und alles andere nach Bedarf beschafft.

191
Er stimmte ihm bei und frug den nächsten,

wie er bei den Audienzen und Entscheidungen
auch bei den Abgewiesenen Anerkennung finden könnte.
Er antwortete: Wenn du in der Sprache gegen alle gleich gerecht bist
und nicht übermütig und tyrannisch gegen die Fehlenden handelst.

192
Das tust du dann,

wenn du deinen Blick auf die göttliche Ordnung richtest,
wie den Würdigen ihre Bitten erfüllt werden,
wie aber den Abgewiesenen durch Träume oder Zeichen
das Schädliche ihrer Bitten für sie geoffenbart wird
und wie Gott sie nicht nach den Sünden oder nach der Größe seiner Macht bestraft,
sondern Milde zeigt.

193
Auch diesem spendete er großes Lob;

dann fragte er den nächsten,
wie er beim Kriegführen unbesiegbar werden könne.
Er antwortete: Wenn er nicht auf Zahl und Kraft vertraue,
sondern bei allem Gott anrufe,
daß er ihm seine Unternehmungen gelingen lasse,
während er selber alle seine Pflichten im Geist der Gerechtigkeit erfülle.

194
Auch diesem spendete er Beifall und fragte den nächsten,

wie er seinen Feinden Furcht einflößen könnte.
Er sprach: Wenn er im Besitze vieler Waffen und Streitkräfte wisse,
daß all das nicht vermöge,
ein dauerndes und entscheidendes Ergebnis herbeizuführen.
Denn auch Gott flößt jeder Brust Furcht ein,
indem er Aufschub gewährt, dabei aber mit seiner Macht droht.

195
Auch diesen lobte er und fragte den folgenden,
[217]

was ihm für sein Leben als das höchste Gut erscheine.
Er sagte: Die Erkenntnis, daß Gott alles beherrsche
und daß bei den edelsten Handlungen
nicht wir selber die Entschlüsse ausführen,
sondern daß Gott in seiner Macht alles leite und vollende.

196
Er bestätigte diesem die Weisheit seiner Worte;

dann fragte er den nächsten,
wie er seinen Besitz unvermindert erhalten
und ihn schließlich in gleichem Zustand seinen Nachkommen übergeben könnte.
Er sprach:
Wenn du Gott beständig bittest,
er möge dir gute Gedanken bei deinen Unternehmungen einflößen,
und wenn du deine Nachkommen warnst,
auf ihre Macht und ihren Reichtum stolz zu sein,
weil Gott es sei, der dies verleihe,
und weil es nicht an ihnen selber liege,
daß sie über alle andern hervorragten.

197
Er stimmte dieser Meinung bei und fragte den folgenden,

wie er die Schickungen ruhig ertragen könnte.
Er sprach:
Wenn du dir vorstellst, daß von Gott alle Menschen dazu bestimmt sind,
die größten Übel, ebenso wie die größten Güter zu empfangen,
ferner daß es für einen Menschen unmöglich ist,
davon keinen Teil abzubekommen,
endlich, daß Gott, den man darum bitten muß,
Ausdauer verleiht.

198
Auch diesem dankte er

und sagte, daß alle ihre Antworten trefflich wären.
Ich will nur noch einen befragen und dann für heute Schluß machen,
damit wir uns wieder der Fröhlichkeit
und dem Vergnügen zuwenden können.
An den nächsten sechs Tagen will ich an die übrigen weitere Fragen stellen.

199
Dann frug er den Mann: Was ist das Wesen der Tapferkeit?

Er sprach:
Wenn der rechte Entschluß in der Stunde der Gefahr,
dem Vorsatz entsprechend ausgeführt wird.
Deine Entschlüsse, König, sind recht;
deshalb läßt sie alle Gott zu deinem Vorteil gelingen.

200
Da stimmten alle bei und bezeigten laut ihren Beifall.

Der König aber sprach zu den Philosophen,
von denen nicht wenige dabei waren:
Ich bin der Ansicht,
daß sich diese Männer durch Tüchtigkeit und Weisheit auszeichnen,
da sie solche Fragen aus dem Stegreif angemessen beantworteten;
dabei gingen sie insgesamt in ihrer Rede von Gott aus.

201
Da sprach Menedemus, der Philosoph von Eretria:

Mit Recht, König!
Die Vorsehung leitet ja alles;

[218]

sie haben auch die richtige Ansicht, daß der Mensch von Gott geschaffen ist;
Daraus ergibt sich,
daß alle Macht und Redegewandtheit von Gott ausgeht.

202
Der König äußerte seinen Beifall;

dann endete das Gespräch
und sie überließen sich der Fröhlichkeit.
Beim Einbruch des Abends schloß das Mahl.

203
Am folgenden Tage lagerte man sich wieder

und hielt das Mahl in der gleichen Ordnung.
Als der König die Zeit für gekommen erachtete,
um an die Männer Fragen zu stellen,
befragte er die Nachbarn derer, die am Tag zuvor geantwortet hatten.

204
Er begann das Gespräch mit dem elften;

denn zehn waren Tags zuvor befragt worden.
Er fragte, nachdem Ruhe eingetreten war,
wie er reich bleiben könnte.

205
Nach kurzer Überlegung antwortete der Gefragte:

Wenn er nie seiner Herrschaft unwürdig und nie zügellos handle,
und wenn er nicht für eitle und nichtige Dinge sein Geld ausgebe,
dagegen durch Wohltun seine Untertanen gegen sich mit Wohlwollen erfülle.
Denn Gott ist für alle der Urheber des Guten;
ihm muß man daher folgen.

206
Der König lobte diesen und fragte einen andern,

wie er stets die Wahrheit üben könne.
Er erwiderte ihm darauf:
Wenn du einsiehst,
daß die Lüge allen, besonders aber den Königen, große Schande bringt.
Weshalb sollten auch sie lügen,
die doch die Macht haben, zu tun, was sie wollen?
Du mußt, König, auch das bedenken,
daß Gott die Wahrheit liebt.

207
Er gab dieser Antwort seinen herzlichen Beifall;

dann blickte er auf einen andern und fragte:
Welches ist die Lehre der Weisheit?
Er erklärte:
Wie du wünschest, daß dich kein Übel befalle,
sondern daß du an allem Guten teilhabest,
so tue auch gegen deine Untertanen und die Sünder!
Die guten Menschen weise milde zurecht!
Gott zieht ja auch alle Menschen durch Milde an sich.

208
Er lobte ihn und fragte den folgenden,

wie er menschenfreundlich werden könnte.
Er sprach:
Wenn du bedenkst,
daß das Menschengeschlecht
in langer Zeit und in schweren Leiden geboren wird und aufwächst.
Deshalb sollst du weder leichthin strafen, noch Martern verhängen,
im Bewußtsein,

[219]

daß das Menschenleben aus Schmerzen und Strafen besteht.
Wenn du das alles erwägst, dann wirst du mitleidig gestimmt.
Gott ist ja auch mitleidig.

209
Er spendete ihm Beifall und fragte den nächsten:

Was ist das Wesentlichste für das Regieren?
Er antwortete:
Sich unbestechlich halten, den größten Teil des Lebens nüchtern sein,
Gerechtigkeit ehren und Gerechte zu Freunden machen.
Gott liebt ja auch die Gerechtigkeit.

210
Auch diesem stimmte er zu; dann sprach er zum nächsten:

Worin muß die Frömmigkeit bestehen?
Er sprach: Im Glauben, daß Gott alles in allem wirkt und alles kennt
und daß kein Mensch, der unrecht oder übel handelt, ihm verborgen bleibt.
Denn wie Gott der ganzen Welt Gutes tut,
so kannst auch du fehlerlos bleiben,
wenn du ihm nachahmst.

211
Er stimmte ihm zu und sprach zum nächsten:

Worin besteht das Wesen des Königtums?
Er sprach:
In der rechten Selbstbeherrschung,
dagegen nicht im Vertrauen auf Reichtum und Macht
und nicht in unziemlichen Begierden, wenn du es recht bedenkst.
Dir steht ja alles zu Gebot, was du benötigst.
Gott aber ist bedürfnislos und milde.
Du aber bedenke, daß du ein Mensch bist!
Verlange nicht vieles,
sondern nur das zum Regieren Notwendige!

212
Er belobte ihn

und fragte den nächsten, wie er die besten Gedanken haben könnte.
Er sprach: Wenn er sich in allem stets die Gerechtigkeit vor Augen halte
und Ungerechtigkeit für Raub am Leben halte.
Gott verheißt ja auch in allem den Gerechten die größten Güter.

213
Er lobte ihn und fragte den nächsten,

wie er im Schlafe ungestört sein könnte.
Er antwortete: Deine Frage ist schwer zu beantworten.
Denn beim Schlafen können wir nicht selber bestimmen;
wir werden dabei vielmehr von unberechenbaren Vorstellungen beherrscht.

214
Wir haben zwar in der Seele den Eindruck,

als sähen wir die Vorstellungen;
aber wir irren,
wenn wir glauben, übers Meer in Schiffen zu fahren
oder durch die Luft zu fliegen
und in ferne Länder zu reisen und anderes Derartiges.
Und doch halten wir dies für Wirklichkeit.

215
Soweit ich nun urteilen darf, bin ich dieser Meinung:

Du solltest auf jede Art, König,
die Worte und Werke nach der Frömmigkeit einrichten,
damit du dir bewußt bleibest,

[220]

daß du, der Tugend folgend,
niemandem widerrechtlich eine Gunst erweisen,
noch, deine Macht mißbrauchend, das Recht aufheben dürfest.

216
Der Geist beschäftigt sich im Schlafe meistens mit dergleichen Dingen,

womit sich jeder im Wachen abgibt.
Wer aber jeden Gedanken und jede Handlung auf das Beste richtet,
der trifft im Wachen und im Schlaf das Rechte.
Darum zeigst auch du in allem Beständigkeit.

217
Er beglückwünschte auch diesen und sprach dann zum nächsten:

Da du als Zehnter zu antworten hast,
wollen wir uns nach dieser Antwort zum Mahle wenden.
Er fragte nun:
Wie vermögen wir, alles, was unser unwürdig ist, zu unterlassen?

218
Er sprach: Blicke beständig auf deine Ehre und deine Stellung!

Dann redest und denkst du dementsprechend.
Bedenke auch, daß alle deine Untertanen über dich denken und sprechen!

219
Denn du darfst nicht schlechter sein, als die Schauspieler,

die alle ihre Handlungen mit der Rolle, die sie spielen, zusammenstimmen.
Du aber hast keine Rolle, sondern bist wirklich König.
Denn Gott verlieh dir die Herrschaft, wie sie dein Charakter verdient.

220
Als der König lauten und langen Beifall freundlichst gespendet hatte,

forderte man die Leute auf, sich Ruhe zu gönnen.
Als nun das Gespräch mit diesen aufhörte,
wandten sie sich dem folgenden Teil des Mahles zu.

221
Am folgenden Tag wurde die gleiche Ordnung befolgt.

Als der König die Zeit für gekommen erachtete,
Fragen an die Männer zu richten,
frug er den ersten von denen, die noch zu befragen waren:
Welches ist die beste Herrschaft?

222
Er sprach: Sich selbst beherrschen und nicht seinen Trieben nachgeben;

denn jedes Menschen Sinn hat eine angeborene Neigung.

223
Die meisten neigen nun zum Essen, Trinken und Genießen,

während die Könige auf Landerwerb und hohen Ruhm aus sind.
Doch ist Mäßigung in allem gut.
Nimm und behalte, was dir Gott beschert!
Verlange aber nichts Unerreichbares!

224
Er fand an den Worten Gefallen und frug den folgenden,

wie er von Neid frei sein könnte.
Er antwortete nach einer Pause:
Wenn du vor allem bedenkst,
daß Gott es ist, der allen Königen Ansehen und großen Ruhm verleiht,
und daß niemand aus eigner Kraft König ist.
Es wollen zwar alle Menschen diese Ehre erlangen, aber sie vermögen es nicht;
denn es ist eine Gabe Gottes.

225
Er lobte den Mann mehrfach;

dann frug er den nächsten, wie er seine Feinde verachten könnte.
Er antwortete:

[221]

Wenn du gegen alle Menschen Wohlwollen erweisest und ihre Freundschaft erringst,
dann brauchst du niemanden zu fürchten.
Aber bei allen Menschen beliebt zu sein
und dies von Gott als Geschenk empfangen zu haben, ist das Allerschönste.

226
Er stimmte dem zu

und hieß den folgenden die Frage beantworten,
wie er seinen guten Ruf behalten könnte.
Er sprach:
Wenn du mit Gruß und Gnadenerweisen an alle freigebig und hochherzig bist,
dann fehlt’s dir niemals an gutem Ruf.
Flehe aber beständig zu Gott,
daß dir diese Tugenden erhalten bleiben!

227
Er stimmte ihm zu und frug einen andern,

wem man seine Gunst schenkten müsse.
Er sprach:
Nach allgemeiner Ansicht müssen wir dies gegen die uns Wohlgesinnten tun.
Ich aber bin der Ansicht,
daß man gerade den Widersachern seine Gunst bereitwillig schenken müsse.
Auf solche Weise gewinnen wir sie für ihre Pflicht und unsern Nutzen.
Aber man muß zu Gott beten, daß man dies wirklich tun kann.
Denn Gott beherrscht aller Sinn.

228
Er billigte diese Worte und hieß den sechsten sich über die Frage äußern,

wem man dankbar sein müsse.
Er antwortete: Den Eltern vor allem.
Denn Gott gab ein sehr wichtiges Gebot für die Ehrung der Eltern.
An zweite Stelle setzt er das Verhältnis zu den Freunden;
denn er nennt den Freund so lieb wie das Leben.
Du tust recht daran, wenn du dir alle Menschen zu Freunden machst.

229
Auch diesem sprach er freundlich zu und frug den Kommenden:

Was ist mit der Schönheit gleichwertig?
Er sprach: Die Frömmigkeit; denn sie ist die höchste Schönheit.
Ihre Stärke ist Liebe. Sie ist ja eine Gabe Gottes.
Wenn du sie besitzest, hast du in ihr alle Güter.

230
Er belobte seine Antwort sehr warm;

dann frug er den nächsten,
wie er nach einem Mißerfolg wieder das frühere Ansehen gewinnen könnte.
Er sprach: Du kannst unmöglich einen Mißerfolg haben.
Denn du streutest deine Gunsterweise über alle aus,
und diese rufen Wohlwollen hervor.
Und dieses bezwingt die stärkste Waffenmacht
und gewährt die größte Sicherheit.

231
Wer aber einen Mißerfolg erleidet,

darf nicht wieder das tun, was seinen Mißerfolg verschuldete;
er muß vielmehr Freunde gewinnen und gerecht handeln.
Doch ist es eine Gottesgabe, das Gute und nicht sein Gegenteil zu tun.

232
Er fand daran Gefallen und frug den nächsten,

wie er dem Schmerz entgehen könne.
Er sprach: Wenn er niemanden schädige,

[222]

sondern jeden fördere und der Gerechtigkeit nachgehe.
Ihre Früchte brächten ja Freisein von Schmerzen.

233
Man muß aber zu Gott beten,

daß nicht die unberechenbaren übel,
wie Todesfälle, Krankheiten, Schmerzen und anderes Derartiges
zu unserm Unheil über uns hereinbrechen.
Du aber bist fromm;
deshalb dürfte wohl nichts derartiges über dich kommen.

234
Auch diesem spendete er hohes Lob;

dann frug er den Zehnten:
Was ist der höchste Ruhm?
Er sprach: Gott ehren, aber nicht mit Gaben und Opfern,
sondern durch Reinheit der Seele und des frommen Glaubens,
daß alles von Gott geschaffen und nach seinem Willen geleitet wird.
Auch du hast immerdar diesen Glauben,
wie wir alle aus deinen früheren und jetzigen Taten schließen können.

235
Da dankte der König ihnen allen mit lauter Stimme

und richtete freundliche Worte an sie
unter dem Beifall der andern Anwesenden,
ganz besonders der Philosophen.
Denn diese Männer übertrafen
an Wandel und Weisheit weit die Philosophen
dadurch, daß sie Gott zum Ausgang nahmen.
Darauf begann der König, ihnen fröhlich zuzutrinken.

236
Am nächsten Tag verlief das Mahl in gleicher Ordnung.

Als die Zeit für den König kam,
frug er die nächsten Nachbarn derer, die vorher geantwortet hatten.
Er frug den ersten, ob Klugheit lehrbar sei.
Er antwortete: Die Seele ist durch Gottes Macht so beschaffen,
daß sie alles Gute aufnehmen, aber auch das Gegenteil von sich weisen kann.

237
Er stimmte bei und frug den folgenden:

Was trägt am meisten zur Gesundheit bei?
Er sprach: Mäßigkeit.
Aber diese kann man nur erlangen, wenn Gott den Sinn dafür befähigt.

238
Er sprach ihm seine Anerkennung aus;

dann frug er den nächsten,
wie er den Eltern den schuldigen Dank abtragen könnte.
Er antwortete: Wenn du sie durch nichts kränkst.
Das ist aber nicht möglich,
wenn nicht Gott den Geist zum Besten hinleitet.

239
Er stimmte ihm bei und frug den folgenden,

wie er ein eifriger Hörer werden könnte.
Er sprach:
Wenn du dir bewußt bist, daß es nützlich ist, alles zu lernen;
so kannst du dadurch je nach den Schickungen etwas vom Gehörten anwenden
und so mit Gottes Hilfe den Gefahren entgegenwirken.
Denn die Auswirkung der menschlichen Handlungen kommt von Gott.

240
Er lobte ihn und frug den nächsten,
[223]

wie er jede gesetzwidrige Handlung vermeiden könnte.
Er sprach: Wenn du bedenkst, daß es Gott ist,
der den Gesetzgebern die Gedanken zur Erhaltung des menschlichen Lebens eingab,
dann wirst du ihnen gerne folgen.

241
Er erkannte seine Antwort und frug den nächsten:

Welches ist der Nutzen der Verwandtschaft?
Er erklärte:
Die Kraft der Verwandtschaft zeigt sich dann, wenn wir glauben,
durch der Verwandten Unglück
den gleichen Schaden und die gleiche Not, wie sie selber, zu erleiden.

242
Durch solches Verhalten gewinnt man bei ihnen Ansehen und Hochachtung;

denn eine wohlwollende Beihilfe ist schon an sich
in jeder Hinsicht ein unzerreißbares Band.
Geht es ihnen aber gut,
dann soll man nichts von ihnen verlangen,
sondern Gott bitten,
er möge ihnen weiterhin alles Gute geben.

243
Er lobte ihn gleich den andern und frug dann einen andern:

Wie erlangt man Gewissensruhe?
Er sprach: Wenn man sich in seinem Sinne nicht bewußt ist,
irgend etwas Böses getan zu haben,
und wenn Gott in allem guten Rat verleiht.

244
Er stimmte ihm zu und frug einen andern,

wie er stets ein richtiges Urteil allzeit bei der Hand haben könnte.
Er sprach:
Wenn er die Unglücksfälle der Menschen beständig vor Augen habe und beherzige,
wie Gott den einen das Glück nimmt
und andere zu Ehre und Ansehen bringt.

245
Er stimmte auch diesem lebhaft zu;

dann forderte er vom nächsten eine Antwort auf die Frage,
wie er ein leichtfertiges und genußsüchtiges Leben meiden könnte.
Er antwortete:
Wenn er sich vor Augen halte,
daß er ein großes Reich beherrsche und viele Völker leite
und daß er deshalb nicht an etwas anderes denken,
sondern sich der Fürsorge für diese widmen müsse.
Er müsse auch Gott bitten,
daß er keine seiner Pflichten vernachlässige.

246
Er lobte auch diesen und fragte den zehnten,

wie er Attentäter erkennen könnte.
Er antwortete darauf:
Wenn er bei seiner Umgebung darauf achte,
wer eine freie Haltung bewahre
und bei Begrüßungen, Beratungen
und im sonstigen Verkehr die rechte Ordnung einhalte
und sich vor Übertreibungen
bei Höflichkeitsformen sowie im ganzen Verkehr hüte.

247
Gott aber wird deinen Sinn, König, zum Besten lenken.
[224]

Da spendete der König lauten Beifall und lobte noch jeden einzeln,
ebenso taten die andern Gäste.
Dann widmete man sich der Festfreude.

248
Am folgenden Tage fragte er zur gegebenen Zeit den nächsten:

Welches ist die größte Nachlässigkeit?
Er entgegnete: Wenn jemand nicht für seine Kinder sorgt
und wenn er sie nicht auf jede Weise zu erziehen sucht.
Wir beten ja beständig zu Gott
nicht sowohl für uns selber als für unsere Kinder,
daß sie alle Güter besitzen mögen,
aber zu erleben, wie unsere Kinder Mäßigkeit zeigen,
kommt von Gottes Macht.

249
Er sagte, er habe recht; dann fragte er einen andern,

wie er Liebe zum Vaterland zeigen könne.
Er sagte: Wenn du dir vorstellst,
daß es das Schönste ist, daheim zu leben und zu sterben.
Der Aufenthalt in der Fremde
bringt den Armen Verachtung, den Reichen Schande,
als ob sie wegen eines Verbrechens hätten fliehen müssen.
Wenn du allen Gutes erweisest,
wie du es stets tust, weil dir Gott Wohlwollen gegen alle einflößt,
dann beweisest du dadurch deine Vaterlandsliebe.

250
Nachdem er ihn angehört, fragte er den nächsten,

wie er mit seinem Weib in Eintracht leben könnte.
Er sagte: Wenn du bedenkst, daß das weibliche Geschlecht eigensinnig
und in Verfolgung seiner Wünsche energisch ist,
ferner daß es durch Unvernunft leicht umstimmbar,
dazu von Natur aus schwach ist.
Man muß mit ihm vernünftig umgehen
und sich nicht in einen Streit einlassen.

251
Das Leben wird nur dann recht geführt,

wenn der Steuermann weiß, auf welches Ziel er zusteuern soll.
Mit Gottes Hilfe wird auch das Leben in allem recht gelenkt.

252
Er sprach ihm seine Anerkennung aus

und fragte dann den folgenden,
wie er frei von Irrtum bleiben könnte.
Er antwortete:
Wenn du alles mit Überlegung tust
und nichts auf Verleumdungen gibst,
sondern selber die Dinge prüfst,
wenn du ferner nach eignem Urteil die Bittgesuche entscheidest
und die Fälle erledigst,
dann wirst du, König, wohl frei von Irrtum bleiben.
Aber solchen Sinnes sein und sich so betätigen,
das ist ein Werk der göttlichen Kraft.

253
Er freute sich über die Worte und frug den nächsten,

wie er den Zorn vermeiden könnte.
Er antwortete darauf:

[225]

Wenn er sich bewußt sei, daß er zu allem Macht besitze,
selbst dazu, im Zorn den Tod zu verhängen.
Dies aber wäre unnütz und traurig,
wenn er vielen das Leben nähme,
nur weil er Herr sei.

254
Weshalb wollte er zürnen,

da ihm doch alle untertan seien und sich ihm niemand widersetze?
Du mußt daran denken,
daß Gott die ganze Welt in Gnade und nicht im Zorn leitet.
Ihm aber, sagte er, mußt du, König, folgen.

255
Er sagte, daß er gut geantwortet habe;

dann frug er den folgenden:
Was heißt gut beraten sein?
Er sagte: Alles mit Überlegung recht tun,
bei der Entschließung
auch das Schädliche der entgegengesetzten Ansicht vergleichen,
damit wir nach Abwägung beider Seiten einen guten Entschluß fassen könnten
und unsere Absicht ausgeführt würde.
Jeder gute Entschluß aber wird dir durch Gottes Kraft ausgeführt werden,
weil du Frömmigkeit ausübst.

256
Er sagte, auch dieser habe recht geredet;

dann frug er einen andern:
Was ist Philosophie?
Er erklärte: Sich in allen Fällen richtig entschließen,
nicht seinen Trieben folgen,
sondern den aus den Lüsten stammenden Schaden erwägen,
je nach den Verhältnissen recht handeln
und Mäßigung dabei beobachten.
Wir müssen aber Gott bitten,
daß wir hiefür Verständnis gewinnen.

257
Auch diesem stimmte er zu;

dann frug er einen andern,
wie er auf Reisen Beifall erlangen könnte.
Er sagte: Wenn du allen gleiche Gerechtigkeit erweisest
und wenn du denen, die du besuchst, eher geringer als höher erscheinst.
Denn nach allgemeiner Ansicht nimmt Gott alles, was sich erniedrigt, an;
auch das Menschengeschlecht pflegt denen, die sich unterordnen, hold zu sein.

258
Er billigte die Worte und frug einen andern,

wie seine Werke auch nach seinem Tod bestehen könnten.
Er sagte daraufhin: Wenn er sie groß und prächtig ausführe,
so daß die Beschauer sie wegen ihrer Schönheit schätzten;
ferner, wenn er keinen der ausführenden Künstler unbelohnt lasse
und wenn er niemanden dabei ohne Lohn bloße Frondienste leisten lasse.

259
Denn, wenn du daran denkst, wie Gott die Menschheit versorgt,

indem er Gesundheit, Sinnesschärfe und alle andern Güter verleiht,
dann handelst du dem entsprechend,
wenn du den gebührenden Lohn für die mühevollen Arbeiten auszahlst.
Bestand hat ja nur, was in Gerechtigkeit vollendet wird.

[226]
260
Er sagte, auch er habe trefflich gesprochen;

dann frug er den Zehnten:
Welches ist die Frucht der Weisheit?
Er sprach: Sich keines Unrechts zeihen müssen
und sein Leben in Wahrhaftigkeit führen.

261
Denn daraus gewinnst du, allerhöchster König, die größte Freude,

Seelenruhe und Gottvertrauen,
wenn du deine Herrschaft in Frömmigkeit führst.
Diesen Worten spendeten alle Zuhörer lebhaften Beifall.
Darauf begann der König, in freudigster Stimmung ihnen zuzutrinken.

262
Am nächsten Tag verlief das Mahl in gleicher Ordnung wie früher,

und als die Zeit gekommen, befragte der König die übrigen.
Den ersten fragte er, wie man die Überhebung vermeiden könnte.

263
Er antwortete: Wenn er auf Gleichstellung achte

und sich bei jeder Gelegenheit erinnere,
daß er als Mensch über seinesgleichen herrscht
und daß Gott die Übermütigen stürzt,
dagegen die Bescheidenen und Demütigen erhöht.

264
Er sprach ihm seine Anerkennung aus und frug den nächsten:

Wen soll man zum Ratgeber nehmen?
Er sagte:
Den, der in vielen Geschäften erprobt ist, vollste Ergebenheit besitzt
und die Gesinnung teilt.
Hiezu verhilft Gott den Würdigen.

265
Er lobte ihn und frug einen andern;

Was ist für den König der notwendigste Besitz?
Er antwortete: Vertrauen und Liebe der Untertanen;
denn sie bilden ein unzerreißbares Band der Ergebenheit.
Aber Gott ist es, der dir dies nach Wunsch zuteil werden läßt.

266
Er belobte ihn und frug einen andern:

Was ist der Zweck der Redekunst?
Er sprach: Den Widerpart zu überzeugen, indem man sich ihm unterordnet
und dadurch die Irrtümer aufzeigt.
Denn du gewinnst den Hörer nicht durch Widerspruch,
sondern durch Anerkennung; dann überzeugst du ihn.
Die Überzeugung wird nur durch Gottes Wirken erreicht.

267
Er billigte seine Worte und frug einen andern,

wie er mit den verschiedenen Rassen in seinem Reich gütlich auskommen könnte.
Er sagte:
Wenn du gegen jeden die für ihn passende Stellung einnimmst
und die Gerechtigkeit zum Leitstern nimmst.
So tust du ja auch; denn Gott verlieh dir Einsicht.

268
Er dankte ihm freundlich und frug einen andern:

Worüber soll man sich betrüben?
Er sprach: Über unserer Freunde Unglück,
wenn wir sehen, daß es langanhaltend und hoffnungslos ist.
Die Vernunft verbietet ja,
über Verstorbene und vom Unglück Befreite zu trauern.

[227]

Vielmehr trauern die Menschen alle nur,
wenn sie an sich und ihren Vorteil denken.
Aber allein durch Gottes Macht ist es möglich,
allem Übel zu entfliehen.

269
Er sagte, er habe ganz richtig geantwortet,

dann frug er den nächsten:
Wie geht das Ansehen verloren?
Er sprach: Wenn Überhebung
und maßloses Selbstvertrauen den Ton angibt,
dann folgt Unehre und Verlust des Ansehens auf der Ferse nach.
Gott verfügt über das Ansehen; er teilt es dem zu, den er will.

270
Er pflichtete auch seiner Antwort bei; dann frug er den nächsten:

Wem soll man sich anvertrauen?
Er sprach: Denen, die dir aus Ergebenheit dienen
und nicht aus Furcht oder Eigennutz, indem sie bloß an ihren Gewinn denken.
Jenes ist ja ein Zeichen von Liebe,
dies aber von schlechter Gesinnung und eigennütziger Berechnung.
Wer nur nach seinem Vorteil trachtet, der ist auch des Verrates fähig.
Du aber besitzest die Ergebenheit aller,
weil dir Gott guten Rat eingab.

271
Er lobte seine weise Antwort und frug einen andern:

Was erhält die Herrschaft?
Er antwortete darauf:
Sorgfältig darauf achten, daß die Beamten den Leuten kein Unrecht zufügen.
Du tust ja so, weil dir Gott fromme Gedanken gibt.

272
Er sprach ermunternd mit ihm und frug einen andern:

Was erhält Gunst und Ehre?
Er sagte: Tüchtigkeit.
Sie führt ja gute Werke aus und meidet das Böse.
Durch Gottes Gnade beweisest du allen deine Tüchtigkeit.

273
Er nahm seine Antwort dankbar entgegen; dann frug er den elften:

– es waren ja zwei mehr als siebzig –
wie er auch in den Kriegen seelisch ruhig sein könnte.
Er erklärte:
Wenn du dir bewußt bist, daß keinem deiner Untertanen ein Unrecht geschah,
daß vielmehr alle um deine Gunst wetteifern,
da sie wissen, daß du auch für ihre Bedürfnisse sorgst,
selbst wenn sie aus dem Leben schieden.

274
Du hilfst ja unaufhörlich allen;

denn Gott verlieh dir Edelsinn.
Er spendete ihm lauten Beifall,
dann dankte er allen freundlich.
Hierauf trank er jedem reichlich zu
und gab sich der Festfreude hin,
indem er heiter und frohsinnig mit den Männern verkehrte.

275
Am siebten Tag wurden größere Vorbereitungen getroffen;

denn es kamen viele aus den andern Städten hinzu,
weil viele Gesandte zugegen waren.

[228]

Als die Zeit kam, frug der König den ersten der noch zu Befragenden,
wie er Irrtümer vermeiden könnte.

276
Er sagte:

Prüfe den Redenden, die Rede und den Redeinhalt
und frage nach längerer Zeit das gleiche auf andere Weise!
Eine köstliche Gottesgabe ist ein scharfer Verstand und die Gabe, alles beurteilen zu können.
Du besitzest sie, König.

277
Der König gab laut Beifall;

dann frug er einen andern:
Warum nehmen die meisten Menschen wohl die Tugend an?
Er sagte: Weil alle von Natur aus unmäßig und den Lüsten geneigt sind.
Daraus folgt Ungerechtigkeit und die Fülle des Eigennutzes.

278
Das tugendhafte Verhalten aber verhindert die Hingabe an ein Genießerleben

und heißt Mäßigkeit und Gerechtigkeit vorziehen.
All dies steht aber unter Gottes Leitung.

279
Der König belohnte die Antwort;

dann frug er den folgenden:
Wem müssen die Könige folgen?
Er sagte:
Den Gesetzen, damit sie durch gerechte Handlungen
das Leben der Menschen fördern.
Durch solches Verhalten schufest du, dem göttlichen Gebote treu,
dir einen unsterblichen Namen.

280
Auch seine Rede billigte er;

dann frug er den folgenden:
Wen muß man als Statthalter einsetzen?
Er sagte:
Den, der das Böse haßt und nach des Königs Beispiel gerecht handelt,
so daß er in allem einen guten Ruf besitzt.
So verfährst auch du, erhabenster König,
dem Gott die Krone der Gerechtigkeit verlieh.

281
Er zollte ihm lauten Beifall, blickte dann auf den nächsten und frug:

Wen soll man als Feldherrn über die Streitkräfte setzen?
Er sagte: Wer sich durch Tapferkeit und Gerechtigkeit auszeichnet
und lieber seine Leute am Leben erhalten,
als unter verwegenem Lebenseinsatz siegen will.
Wie Gott allen Gutes tut,
so tust du ja deinen Untertanen Gutes,
weil du Gott zum Vorbild nimmst.

282
Er lobte die Antwort und fragte einen andern:

Welcher Mensch ist bewunderungswürdig?
Er sagte: Wer Ansehen, Macht und Reichtum besitzt
und sich doch innerlich allen andern gleichstellt.
Darin bist du ja bewunderungswürdig,
weil dir Gott dazu das Vollbringen schenkt.

283
Auch diesem stimmte er zu und frug den nächsten:

Womit müssen sich die Könige die meiste Zeit beschäftigen?
Er sagte: Mit Lesen und den Berichten über die Amtsreisen,

[229]

abgefaßt für die Könige zur Förderung und Sicherung der Untertanen.
Durch solche Tätigkeit gewannst du einen für andere unerreichbaren Ruhm,
indem Gott deine Wünsche erfüllte.

284
Auch diesem stimmte er kräftig zu;

dann frug er einen andern:
Womit soll man sich bei der Erholung und beim Vergnügen beschäftigen?
Er sagte: Geziemend und fürs Leben nützlich ist es,
wenn man anständige Spiele anschaut
und sich würdig und ehrbar gespielte Szenen aus dem Leben vor Augen führt.

285
Denn auch darin liegt eine gewisse Belehrung;

man kann ja oft auch aus dem Unbedeutendsten etwas Gutes lernen.
Da du in allem auf Wohlanständigkeit hältst,
so betätigst du in deinen Handlungen die Philosophie,
und Gott ehrt dich wegen deiner Tüchtigkeit.

286
Er fand an den Worten Gefallen; dann frug er den neunten:

Wie soll man das Mahl gestalten?
Er sagte: Indem man die Gelehrten zuzieht
und solche, die nützliche Ratschläge
für die Regierung und das Leben der Untertanen geben können.
Du könntest nichts Schicklicheres und Bildenderes als dies finden.

287
Denn sie sind Gott teuer, weil sie ihren Sinn zum Besten bildeten.

So hältst du es ja auch, und Gott läßt dir alles gelingen.

288
Er freute sich über diese Worte und frug den folgenden:

Was ist für die Völker besser,
wird ein König aus bürgerlichem oder aus königlichem Geblüt über sie gesetzt?
Er sagte: Der von Natur aus der Edelste ist.

289
Mitunter sind Könige aus königlichem Geblüt

grausam und hartherzig gegen ihre Untertanen;
noch öfter aber zeigten sich solche von bürgerlicher Herkunft
schlimmer als die gottlosen Tyrannen,
sobald sie zur Herrschaft über die Völker gelangten,
trotzdem sie selber Unglück durchgemacht und Armut erfahren haben.

290
Aber, wie gesagt, gute Gesinnung und Bildung befähigt zur Herrschaft.

Du bist ja auch ein großer König,
aber nicht sowohl dadurch,
daß du durch Ruhm deiner Herrschaft und deines Reichtums
als durch Milde und Leutseligkeit alle Menschen übertriffst;
denn Gott beschenkte dich damit für lange Zeit.

291
Auch diesen belobte er und fragte dann den allerletzten:

Was ist das Wichtigste bei der Regierung?
Er sprach:
Daß die Untertanen stets in Frieden leben und schnelle Rechtspflege genießen.

292
Dies aber ist die Folge davon,

daß der Herrscher das Böse haßt, das Gute liebt
und die Rettung eines Menschenlebens hoch anschlägt.
So hältst ja auch du Unrecht für das Schlimmste
und hast dir durch gerechte Leitung aller Dinge
unsterblichen Ruhm gewonnen;

[230]

denn Gott verlieh dir eine reine und tadellose Gesinnung.

293
Als er geendet, erhob sich für längere Zeit ein lauter, freudiger Beifall.

Als er sich legte, nahm der König einen Becher
und ließ sich ihn zu Ehren aller Anwesenden und der vorgetragenen Reden einschenken.
Dann sagte er zu allen:
Durch eure Ankunft ward mir das höchste Glück zuteil.

294
Ich zog ja großen Nutzen aus der Lehre, die ihr mir für das Regieren gabt.

Dann hieß er jedem drei Silbertalente samt den sie überbringenden Sklaven geben.
Alle stimmten in das Lob ein,
und so ward das Gastmahl freudig bewegt.
Der König hörte nicht auf, fröhlich zuzutrinken.

295
War ich, lieber Philokrates, hierin zu ausführlich,

dann bitte ich um Entschuldigung.
Ich bewunderte ja über alle Maßen die Männer,
wie sie aus dem Stegreif Antwort gaben, die vieler Überlegung bedurften.

296
Während der Fragende alles wohl erwogen hatte,

hatten sie die Antworten sofort bereit;
deshalb erschienen sie mir und allen Anwesenden,
besonders den Philosophen, bewundernswert.
Und ich meine, daß dies allen,
denen diese Schrift in die Hände kommt, unglaublich erscheinen wird.

297
Es ist aber unziemlich, in den Aufzeichnungen zu lügen;

es wäre aber auch unrecht, hiebei etwas zu übergehen.
Nein, wie es wirklich war,
so erzählen wir und meiden dabei jegliches Versehen.
Ich bewunderte die Kraft ihrer Rede.
Darum unternahm ich es, Auskunft von denen zu erlangen,
die bei den königlichen Audienzen und Gastmählern alle Vorgänge aufzeichnen.

298
Wie du weißt, ist es ja Brauch,

daß von der ersten Audienzstunde des Königs bis zum Schlafengehen
alle seine Reden und Taten aufgezeichnet werden.
Diese Übung ist gut und nützlich.

299
Am nächsten Tag nämlich werden Taten und Reden des vorigen Tages vor der Audienz verlesen,

und so wird jeder Irrtum berichtigt.

300
Ich erfuhr also, wie gesagt, alles genau aus den Tagesberichten

und setzte es hieher,
weil ich deinen auf das Nützliche gerichteten Lerneifer kenne.


Die Anfertigung der Übersetzung
301
Drei Tage später ging Demetrius mit ihnen

über den sieben Stadien langen Wellenbrecher zur Insel,
überschritt die Brücke und begab sich in den nördlichen Bezirk.
Dann hielt er eine Sitzung
in einem am Strand erbauten, prächtigen und still gelegenen Haus
und forderte die Männer zur Ausführung der Übersetzung auf,
da alles zur Arbeit Nötige wohl vorgesehen war.

[231]
302
Und sie führten sie so aus,

daß sie durch gegenseitiges Vergleichen zu einem Wortlaut zu kommen suchten.
Was sich so als übereinstimmende Meinung ergab,
wurde von Demetrius geziemend aufgeschrieben.

303
Die Sitzung dauerte jedesmal bis zur neunten Stunde.

Dann verwandten sie die freie Zeit auf die Körperpflege;
es wurde ihnen alles Gewünschte reichlich zur Verfügung gestellt.

304
Außerdem traf Demetrius täglich für sie die gleichen Zurüstungen wie für den König;

denn also war es ihm vom König anbefohlen.
In der Frühe erschienen sie täglich bei Hof,
machten dem König ihre Aufwartung und begaben sich dann an ihre Stätte.

305
Nach allgemeiner jüdischer Sitte

wuschen sie ihre Hände im Meer, um zu Gott zu beten,
und widmeten sich dann der Lesung und der Einzelübersetzung.

306
Ich stellte aber auch die Frage,

warum sie sich die Hände wuschen und dann erst beteten.
Sie erklärten,
es sei ein Zeugnis dafür, daß sie nicht Übles getan hätten; –
denn jede Tätigkeit geschieht durch die Hände. –
So bezogen sie alles in schöner und frommer Weise
auf Gerechtigkeit und Wahrheit.

307
So versammelten sie sich, wie wir eben sagten,

täglich an dem durch Ruhe und Helligkeit angenehm gemachten Ort
und erfüllten so ihre Aufgabe.
Es traf sich aber,
daß die Übersetzung in zweiundsiebzig Tagen fertig gestellt wurde,
als sei dieses Zusammentreffen beabsichtigt gewesen.

308
Nach Vollendung des Werkes versammelte Demetrius die jüdische Gemeinde

an der Stätte, wo die Übersetzung vollendet wurde,
und las sie allen in Gegenwart der Übersetzer vor.
Diese fanden bei der Menge starke Anerkennung für die großen Dienste,
die sie ihr damit erwiesen hätten.

309
Ebenso lobten sie den Demetrius und baten ihn,

ihren Obersten eine Abschrift des ganzen Gesetzes zu geben.

310
Nach der Verlesung der Bücher

traten die Priester und die Ältesten der Übersetzer,
sowie die Obersten der Gemeindeangehörigen zusammen und erklärten:
Die Übersetzung ist in schöner, frommer und ganz genauer Weise gefertigt;
deshalb ist es recht, daß sie in diesem Wortlaut erhalten werde,
und daß keine Änderung stattfinde.

311
Alles stimmte diesen Worten bei,

dann befahl er nach ihrer Sitte,
den zu verfluchen, der eine Bearbeitung unternähme,
indem er etwas hinzufügte
oder etwas vom Geschriebenen änderte oder wegließe.
Darum handelten sie recht;
denn es sollte die Schrift für alle Zukunft
stets unverändert erhalten bleiben.

[232]
312
Man meldete auch dies dem König und er freute sich höchlich darüber;

denn nun erschien sein Vorsatz genau ausgeführt.
Es ward ihm auch alles vorgelesen,
und er bewunderte den Geist des Gesetzgebers in hohem Maß.
Er fragte den Demetrius, wie es komme,
daß kein Geschichtsschreiber oder Dichter daran gedacht habe,
ein so bedeutsames Werk zu nennen.

313
Da erwiderte jener:

Dies kommt davon, daß das Gesetz ehrwürdig und von Gott gegeben ist.
Und manche, die es vorhatten,
wurden von Gott geschlagen und gaben ihr Vorhaben auf.

314
Und er erzählte, er habe über Theopomp gehört,

daß er länger als dreißig Tage irrsinnig geworden sei,
als er in seine Geschichte
einiges von der früheren, aber mangelhaften Übersetzung des Gesetzes
aufnehmen wollte.
Als er wieder besser wurde, habe er zu Gott gefleht, ihm zu offenbaren,
weshalb ihn das Schicksal getroffen habe.

315
Da sei ihm im Traum geoffenbart worden,

der Grund sei der,
daß er in eitlem Unterfangen
das Göttliche unreinen Menschen mitteilen wollte.
Da habe er es aufgegeben und sei so wieder gesund geworden.

316
Und aus dem Munde des Tragödiendichters Theodektes hörte ich,

er sei an beiden Augen erblindet,
als er etwas aus der Schrift in ein Drama aufnehmen wollte.
Da er vermutete, daß ihn deshalb der Unfall getroffen,
habe er zu Gott gebetet
und sei nach längerer Zeit wiederhergestellt worden.


Abschied der Gesandten vom Hof
317
Nachdem der König, wie ich vorhin sagte, hierüber die Erklärung des Demetrius vernommen hatte,

verneigte er sich und befahl,
die Bücher in hohen Ehren zu halten und aufs sorgfältigste aufzubewahren.

318
Dann bat er die Übersetzer,

sie möchten doch nach ihrer Rückkehr nach Judäa recht oft ihn besuchen;
es sei jetzt freilich billig, sagte er, sie in die Heimat zu entlassen.
Wenn sie aber wieder kämen,
dann werde er sie nach Recht als Freunde behandeln
und ihnen die größte Achtung bezeigen.

319
Für ihre Entlassung ließ er großartige Vorkehrungen treffen,

indem er sich freigebig den Männern gegenüber bewies.
Er schenkte nämlich jedem drei der prächtigsten Gewänder, zwei Talente Gold,
einen Becher, ein Talent schwer,
und ein vollständiges Tischgedeck für drei Personen.

320
Er schickte auch dem Eleazar durch ihr Geleite

zehn silberfüßige Sessel nebst allem Zubehör,

[233]

einen Becher, dreißig Talente schwer, zehn Gewänder, ein Purpurkleid,
einen herrlichen Kranz, hundert Stücke feinster Leinwand, Schalen,
Teller und zwei goldene Mischgefäße als Weihegeschenk.

321
Er sprach auch in einem Schreiben die Bitte aus,

man möge die Männer, die zu ihm zurückzukehren wünschten, nicht daran hindern;
denn er lege Wert darauf, mit Gebildeten zu verkehren
und lieber auf solche seinen Reichtum zu verschwenden als auf Nichtigkeiten.


Schluß
322
Hier hast du nun, lieber Philokrates, die versprochene Erzählung.

Ich glaube ja,
daß dich dies mehr ergötzt als die Bücher der Fabelerzähler.
Denn du liebst das Studium dessen, was der Seele förderlich ist,
und du bist die meiste Zeit damit beschäftigt.
Ich will aber auch versuchen,
die übrigen Denkwürdigkeiten aufzuzeichnen,
damit du den herrlichsten Lohn für deinen Eifer empfangest,
wenn du auch diese durchliesest.

Erläuterungen

[1277]
15. Zum Aristeasbrief

Der Verfasser schreibt unter dem Namen eines ältern jüdischen Geschichtsschreibers des 2. vorchristlichen Jahrhunderts. Er erzählt, auf welche Weise die Übersetzung des jüdischen Gesetzes ins Griechische erfolgte. Damit will er zeigen, welche Hochachtung und Bewunderung das jüdische Gesetz und das Judentum überhaupt bei der Heidenwelt genoß. Seine Erzählung beruht auf alten Traditionen, auf eigenen Beobachtungen und freier Stoffgestaltung. Anlaß zur Abfassung war wohl der Wunsch einer geschichtlichen Begründung des von den ägyptischen Juden zu Ehren der Septuagintaübersetzung gefeierten Festes. Die Zeit der Abfassung ist unbestimmt; vielleicht fällt sie in die Regierung des Ptolemaeus XIII Auletes 81–52 v. Chr., näherhin in die Jahre 80–63 v. Chr. (s. H. Thackeray, The Letter of Aristeas 1918, R. Charles. Apocrypha and Pseudepigrapha of the Old Testament II 1913, E. Kautzsch, Pseudepigraphen d. A. T., 1900.).

4 Die Stadt ist Alexandrien. 5 „von der Insel“ = Pharos im Hafen von Alexandrien, wo die Übersetzung zustande kam und wo Philokrates davon hörte. 8 s. 2 Mak 2, 32. 9 Demetrius lebte von c. 345–283 v. Chr. Er verbrachte den letzten Teil seines Lebens am Hof des Ptolemaeus I Soter (305–285); vielleicht übte er damals einen Einfluß auf die Anfänge der Büchersammlungen aus. Von Ptolemäus II Philadelphus (285–247) wurde er sogleich verbannt. Er war niemals königlicher Bibliothekar. 11 Syrisch-Aramäisch. [1278] 13 Der Perser Kambyses, der Ägypten 525 v. Chr. eroberte. Psammetich 671–617 v. Chr. verwendete als Erster griechische Söldner in seinem Heer (Herod. II 151 ff). Ptolemäus I Soter zog 312 nach Syrien. Diese Nachricht von der Übersiedlung der Juden stammt nach Jos. Ant. XII 2. 3 aus Hekatäus von Abdera. 16 Die zwei Akkusative von Zeus, Zena und Dia, werden von zen „leben“ und dia „durch“ hier abgeleitet. 27 Nach Jos. Ant. XII über 460 Talente. 30 Hinweis auf die ältere Übersetzung des Aristobul (s. 314; Euseb. Praep. ev. XIII 12 „Vor der Zeit des Demetrius von Phalerum vor der Herrschaft Alexanders über die Perser wurde durch andere eine Übersetzung ... angefertigt“). 31 Hekatäus war ein Zeitgenosse Alexanders d. Gr. und des Ptolemäus I und Verfasser einer Geschichte Ägyptens. 32 in der alexandrinischen Bibliothek. Die richtige Form des Briefschlusses eines Untergebenen. 36 Jos. Ant. XII 2, 5 „zur Einschüchterung des ägyptischen Volkes“. 41 So gut er eben griechisch zu schreiben vermochte. Arsinoe II, die 274 v. Chr. geheiratet hatte, war kinderlos, hatte aber die Kinder Arsinoes I adoptiert. 45 Freunde ein Ehrentitel am ptolem. Hof. 47 Adaius oder Iddo, Eschlemias oder Selemias. 48 Zacharias, Chelkias stammen aus Epiphan., De mens. et pond. statt Chabrias. 49 Jesias = Jesse. 50 Dathaius oder Thaddaeus. 51 Kaleb nach Epiphanius statt Chabeu. 52 Schaubrottisch. 56 Die künstlerische Begabung des Ptol. Philadelphus (285–247 v. Chr.) wird auch sonst bezeugt. 57 s. Ex 25, 23 ff LXX „massive Platte“, hebt. Text (= MT) „überzogene Platte“. 76 gegen 80 Liter. 87 s. Ex 20, 26; 36, 35 LXX (29, 7 MT). 96 s. Ex 28, 4 ff. 97 s. Ex 28, 39; 29, 8 ff. 98 s. Ex 28, 36 ff. Sir 45, 12. 100 Die Burg Akra. 103 Oberhaupt = Hoherpriester. 115 Ptol. Philadelphus. 116 s. Ex 12, 37; 29, 3 LXX Num 11, 21. Ein „Hundertmorgenmann“ begegnet häufig in den Papyri der Veteranen des Ptol. II. Für Palästina ist die Angabe von etwa 165 000 qkm viel zu hoch. 117 Der andere Fluß ist der Jabbok; das „Volk der Ptolemäer“ entstand wohl aus irriger Lesung von „Amathus (= am „Volk“) bei Phanuel“ (= Ptolemäer). 122 Peripatetiker. 128 s. Lev. 11,1 f Dt 14, 3 ff. Barnabasbrief § 10. 135 s. Weish 13, 1–15, 1 ff. 140 s. Dt 33, 1 u. a. 144 s. Lev 11, 29. 145 s. Lev 11, 22 LXX 146 s. Lev 11, 13 ff Dt. 14,11 ff. 150 s. Lev 11, 3 ff Dt. 14, 6 ff. 152 s. Lev 18, 6 ff. Die ägypt. Schwesterehe ist hier übergangen. 153 s. Lev 11, 3. 154 s. Barnab. 10, 11. 155 s. Dt 7, 18 und 10, 21 LXX. 158 s. Dt 6, 9. 159 s. Dt 6, 8. 160 s. Dt 6, 7. 163 s. Lev 11, 29. 165 s. Barn. 10, 8. 186 In der Seeschlacht bei Kos, 260 v. Chr. wurde vielmehr Ptolemäus von Antigonus Gonatas geschlagen. Oder ist der ägyptische Sieg bei Andros 245 v. Chr. gemeint? Beide Schlachten fanden erst lange nach des Demetrius Tod statt. 184 Elisäus nach Jos. Ant. XII 2. 12. 190 s. Ps 145, 15 Act. Ap. 14, 17; 17, 25. 194 s. Weish 12, 16 ff. 201 Der Philosoph Menedemus von Eretria besuchte niemals Alexandrien; er führte nur von Eretria aus Unterhandlungen mit Ptolemäus I 305–285 v. Chr. 207 s. Matth 7, 12, Didache 1, 2. 228 s. Ex 20, 12; Dt 16, 3 LXX. 249 s. Gen 12, 10 Sir 29, 22 ff. 263 s. 1 Sam 2, 7 ff Luk 1, 51 f. 280 s. 2 Tim. 4, 8. 283 Die Papyri enthalten Beispiele von Aufzeichnungen der Beamten. 301 Der Damm verband die Stadt mit der Insel Pharus. 302 Die spätere Legende von der wunderbaren Übereinstimmung der Siebzig beruht auf Ex 24, 11 LXX s. Hastings Dictionary of the Bible IV 439 a. 311 s. Dt 4, 2; 13, 1. 314 Der Historiker Theopomp lebte c. 378–300 v. Chr.; er besuchte Ägypten, fiel aber bei Ptolemäus I in Ungnade. Gemeint ist die [1279] Übersetzung des Aristobulus. (1 s. 30). 316 Der Tragödiendichter Theodektes lebte c. 375–334 v. Chr. „Die Schrift“ bezeichnet die Sammlung heiliger Bücher. 322 Fabelerzähler der Mythologisten.

Anmerkungen (Wikisource)

Siehe auch: RE:Eleazaros 1