Bruder Marcellus

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Textdaten
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Autor: Ernst Deecke
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Titel: Bruder Marcellus
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aus: Lübische Geschichten und Sagen, S. 204–206
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1852
Verlag: Carl Boldemann
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Erscheinungsort: Lübeck
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Quelle: Google, Commons
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[204]
106. Bruder Marcellus.

1428. Ein Betrüger und Gauner, Namens Marcellus, kam in die Seestädte und endlich nach Lübeck und gab sich aus für einen Meister der heiligen Schrift, was er doch nicht war, so viel er auch gelernt hatte und sprechen konnte. Bei sich hatte er einen Cumpan, der galt für einen S. Johannes-Ritter; es war aber sein natürlicher Bruder: und beide waren verlaufene Mönche von S. Franciscus Orden. Die zwei wandten vor: sie wären Legaten des heiligen Vaters, und sollten Geld und Gut von frommen Leuten sammeln, um den König von Cypern samt seiner Gesellschaft zu erlösen, den die Sarazenen gefangen hätten. Hierauf hatten sie eine falsche Bulle, daß der Papst ihnen Macht gegeben, alle Sünden zu vergeben, selbst auf dem Todbette. Diese Bulle kam nun in Lübeck vor den Bischof Johann Scheel; der war ein behutsamer Mann, sah auf alles genau und fand, daß die Bulle falsch sei. Da strafte er den Marcellus, hielt ihn fest, und zwang ihn zu bekennen, daß er im Stift Schwerin mit der falschen Bulle 300 Mark erworben. Das Geld nahm der Bischof samt der Bulle zu guter Hand des heiligen Vaters an sich; und ließ ihn schwören, daß er nicht ohne Erlaubniß die Stadt verlassen [205] wollte. Der Gauner aber brach den Eid und entwich: seinen Bruder ließ er zurück; der betrübte sich so sehr, daß er in eine schwere Krankheit fiel und starb.

Nun schrieb der Bischof an den Papst, und dieser befahl ihm, daß er den Marcellus, wenn er ihn krigte, als einen Verfälscher päpstlicher Briefe richten sollte. Auch schrieb der Papst an den Cardinal von England, der sein Legat in Deutschland war, daß er den Ketzer suchen lassen und nach Verdienst bestrafen sollte. Als der Cardinal die Briefe empfing, war er zu Trier, und ließ den Marcellus, der sich in Cöln seinen Unterhalt suchte, entbieten, daß er zu ihm käme. Das gefiel dem wohl; denn er hoffte, der Cardinal würde ihn zu hohen Ehren bringen, weil er auch aus England war. Der Cardinal aber ließ ihn fangen und binden, und führte ihn den Rhein hinab nach Cöln, ihn zu richten. Doch kam Marcellus heimlich los und entwich. Da ward der Legat bös, und ließ ausrufen: wer den Gauner wiederbrächte, sollte 100 rheinische Gulden haben. So ward er gesucht, und in einem Nonnenkloster gefunden. Nun stellte der Cardinal ihn auf die Leiter (an den Pranger) und ließ ihn dreimal nacket gehn bei feierlicher Procession, und setzte ihn dann in den festen Thurm zu Brühl. Da litt der Gauner Hunger und Armuth und Verdrieß genug, und bat in einer säuberlichen lateinischen Epistel den Cardinal aufs wehmüthigste um Erbarmen: aber der [206] ließ ihn sitzen. Endlich kam er doch los, nachdem er dem Erzbischof von Cöln mit Arznei von einer Krankheit geholfen.

Dieser Marcellus hatte wegen Gaunerei früher in Venedig gesessen, und sich schwer krank gestellt. Seine Wärter bat er, ihm etwas von der Apotheke zu holen, was er als Arzt selbst verschrieben. Die gönnten ihm das, und so verschrieb er sich einen Schlaftrank. Danach bat er um einen Beichtiger aus Sanct Franciscus Orden. Als der kam, redete Marcellus ihm zu, aus der Flasche zu trinken, daß er drei ganze Tage schlief. Der Gauner aber zog ihm alsbald seine Kappe und seine Kleider ab, that die selber an, und ging in der Verkleidung weg, ohne daß man’s merkte. Nach drei Tagen wachte der Andere auf, als er den Trank verdaut hatte, und rief Leute zu Hülfe. Die meinten, es sei ihr Gefangener, und stiegen in den Thurm; da fanden sie den armen Bruder und erfuhren, wie listig Marcellus ihn und sie betrogen.