Das Bratwurstglöckle in Nürnberg

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Textdaten
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Autor: K. U.
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Titel: Das Bratwurstglöckle in Nürnberg
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 33, S. 549, 551
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1878
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[549]

Das „Bratwurstglöckle“ in Nürnberg.
Original-Zeichnung von Georg Nestel.

[551] Das Bratwurstglöckle in Nürnberg. (Mit Abbildung Seite 549.) Zu den persönlichen Eigenthümlichkeiten des echten Nürnbergers gehört auch seine Vorliebe für kleine, engbegrenzte Wirthshausräume. Je niedriger und abgeschlossener dieselben sind, um so traulicher heimeln sie ihn an; eine große lustige Bierhalle nach Wiener, Berliner oder Hamburger Art würde in Nürnberg nur durch den Fremdenbesuch lebensfähig sein, obschon der einheimische Bierconsum den anderer gleich bevölkerter Städte wohl noch übersteigt. So sehen wir denn in allen Stadttheilen besonders beliebte kleine Stammkneipen, und immerhin bieten dieselben auch für den Fremden viel Anheimelndes, vorausgesetzt, daß er dem Tabakrauch nicht allzu abhold ist. Neben der ausgedehnteren, wenn auch niedrigen und winkligen „Wolfsschlucht“ erwähnen wir nur das „Hopfenstöckle“, ein Local, welches in seinen engen Räumen neben den Gelehrten des Germanischen Museums fast Alles versammelt, was mit den künstlerischen und kunstwissenschaftlichen Interessen Nürnbergs zusammenhängt. Doch besser als „Wolfsschlucht“, „Hopfenstöckle“, „Weichselbäumchen“, „Baumwolle“, „Bernleinhuber“, „Himmelsleiter“ etc. ist auswärts das „Bratwurstglöckle“ gekannt; es hat sich den Rang einer Nürnberger Sehenswürdigkeit und damit das Recht erworben, ein Plätzchen in der „Gartenlaube“ einzunehmen.

Auf der Sebalder Seite der Stadt findet der Wanderer in der Nähe der Sebaldus-Kirche die alte Moritz-Capelle und an die Hinterwand derselben als Anbau gelehnt ein langes, schmales Häuschen, und das ist das Wurstglöckle. Es gewährt schon von außen einen höchst romantischen alterthümlichen Anblick. Die nächste Umgebung des Platzes selbst, gebildet durch die Sebaldus-Kirche, die Moritz-Capelle, den prachtvollen Erker des Pfarrhofes und den Dürer-Platz mit dem Dürer-Denkmal, giebt einen überraschenden Rahmen ab für das kleine, trauliche Bild dieses Anbaues mit seinen „Butzenscheiben“ (runde in der Mitte mit Buckel versehene und in Blei gefaßte Scheiben), seinen grünen Fensterladen und seinem Wahrzeichen: dem blauen Glöckle mit der Jahreszahl 1440.

Gegen die Richtigkeit dieser Jahrzahl als Angabe der Gründungszeit des originellen Wirthshäuschens erheben die gelehrten Forscher Nürnbergischer Geschichte allerdings Einspruch. Urkunden sprechen nirgends für ein so ehrwürdiges Alter desselben, und wie gern man sich auch Albrecht Dürer und seine großen Zeitgenossen hier als Stammgäste denken möchte, so gehen die beglaubigten Nachrichten über das Bestehen des Wurstglöckchens doch nicht über die zweite Hälfte des siebenzehnten Jahrhunderts zurück. Erst Delsenbach stellt es uns gegen 1700 in seinem großen Kupferstichwerke über Nürnberg dar. Daß es aber zu dieser Zeit in der That schon als „Bratwurstglöckle“ existirt, beweist uns sein ausgehängtes Wirthszeichen, welches neben der Glocke einen Kochlöffel als Wahrzeichen culinarischer Genüsse führt. Zur nähern Bezeichnung dieser Genüsse (Metzelsuppe und Bratwürste) sehen wir auf dem Bilde den Wirth ein fettes Schwein seinem Hause zutreiben. –

Das Häuschen macht schon von außen durch seine Sauberkeit in Bauart und Anstrich einen höchst einladenden Eindruck auf den Besucher, und ebenso werden wir beim Eintritt in das einzige Gemach des Hauses durch die echt alterthümliche Einrichtung desselben unwillkürlich gefesselt. Rings von den Gesimsen blinken in peinlichster Sauberkeit zinnerne Schüsseln und Kannen. Alte Bilder – zumeist auf Nürnbergs Vorzeit sich beziehend – schmücken in seltenen Exemplaren die Wände. Den großen Kachelofen umgiebt die trauliche Bank, in Wintertagen ein gern gesuchter Platz. Die große Tafel über dem Fenster, hinter dessen weißen Gardinen das hübsche Gesicht der Wirthin den neu eingetretenen Gast mustert, erzählt uns des Ausführlichen von Adam Krafft, Albrecht Dürer, Veit Stoß, Hans Sachs und wie all die berühmten Nürnberger heißen mögen, welche seit Jahrhunderten das Bratwurstglöckle als Stammgäste besucht haben sollen. Draußen in der engen Küche prasseln delicate Würste auf dem Rost, brodelt das Kraut in mächtigen Töpfen, in dem kühlen Gelaß der entgegengesetzten Seite aber sprudelt die erfrischende Bierquelle. Alles ladet zum traulichen Niedersitzen auf den alterthümlichen Sesseln, an den sauber gescheuerten Tisch ein.

Gar oft ist, besonders in den Stunden des Frühschoppens, das kleine Gemach überfüllt. Der Stammgast und der wißbegierige Fremdling nehmen theils stehend, theils sitzend, wie die Gelegenheit es bietet, ihr Frühstück ein, das hier ausschließlich aus Bratwurst, Sauerkraut und Bier besteht. Zur Reisezeit wechselt in dem engen Raum eine Gesellschaft, die man sich nicht bunt genug vorstellen kann. Mehr als die Güte des von Küche und Keller Gebotenen hat der Ruf der kleinen Kneipe dieselbe zu einer Goldquelle gemacht; die ganze Baulichkeit ist nur wenige hundert Gulden werth, aber ihr Preis ist schon auf vierundzwanzigtausend Gulden geschätzt worden. Auch das gehört zur Curiosität dieser lustigen Sehenswürdigkeit der alten lieben Frankenstadt.

K. U.