Das Lied vom deutschen Walde

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Autor: Rudolf Lavant
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Titel: Das Lied vom deutschen Walde
Untertitel:
aus: In Reih und Glied
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: J. H. W. Dietz
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Erscheinungsort: Stuttgart
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Quelle: Commons,
S. 10–12
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[10]
Das Lied vom deutschen Walde.

(Preußisches Feld- und Forstpolizei-Gesetz.)

Fürwahr, ihr Herrn, das war ein schlimmer Schlag!
Das war nicht adlig, ritterlich gehandelt!
Ich frage mich, was euch an jenem Tag –
Ein Tag des Unglücks war es! – angewandelt.

5
Der Wald ist reich und unser Volk ist arm,

Am ärmsten die, die sich des Bettelns schämen;
Wollt ihr dem Volk zu allem seinen Harm
Den Wald mit einem Federstriche nehmen?

Habt ihr bedacht, wie viel der Wald ihm giebt,

10
Dem alten Weiblein, dem zerlumpten Buben,

Als ihr die spitzen Paragraphen schriebt
Am grünen Tisch, in wohldurchwärmten Stuben?
Habt ihr bedacht, wie weh die Kälte thut?
Euch ist die Noth ein wesenloser Schemen –

15
Wo fändet sonst im Herzen ihr den Muth,

Dem deutschen Volke seinen Wald zu nehmen?

[11]
Ihr habt zum Wandern jährlich Geld und Zeit.

Ist der Herr Graf der Amtespflichten ledig,
So trägt der Dampf in einer Nacht ihn weit –

20
Ins Herz der Schweiz, nach Rom und nach Venedig,

Zu schau’n die Welt in jeglicher Gestalt,
Braucht ihr euch nur zum Reisen zu bequemen –
Und wollt dem Volk den lust’gen grünen Wald,
Der seine einz’ge Sommerfrische, nehmen?

25
Euch ist die Arbeit mit Genuß gemischt.

Seid ihr „verstumpft“ – das kommt wohl vor zu Zeiten –
So ist so Vieles da, was euch erfrischt,
Ihr werdet „angeregt“ von allen Seiten.
Es würde ja die Schwingen nur zu bald

30
Das Einerlei, das öde, todte, lähmen;

Das Volk jedoch hat nichts, als seinen Wald –
Wollt ihr den Wald dem Volke wirklich nehmen?

Auf springt im Zorn die heil’ge Poesie
Und wird den Anschlag nimmer euch verzeihen.

35
In deutscher Zunge sang ein Dichter nie,

Der nicht im Wald empfangen seine Weihen.
Um jedes Kind, das eben „Mutter“ lallt,
Muß im Voraus des Vaters Herz sich grämen,
Gelingt es euch, dem Volke seinen Wald,

40
Dem deutschen Volk den deutschen Wald zu nehmen.


Ein Zauber webt und waltet, süß und bang,
Im tiefen Tann, wo scheue Rehe wohnen,
Und ein Geheimniß braust wie Orgelklang
Und weht wie Hauch des Mundes durch die Kronen.

45
[12]
Wie Heimweh zieht es unser Volk zum Wald

Und kein Gesetz wird diese Sehnsucht zähmen;
Und darum sag’ ich ruhig euch und kalt:
Ihr könnt, ihr werdet uns den Wald nicht nehmen.

Ihr wißt, wie Viele in die Fremde fliehn

50
Vor Trommelschlag, vor Fahne und Kaserne;

Soll übers Meer die kräft’ge Jugend ziehn,
Den freien Wald zu suchen in der Ferne?
Und ward der Schritt gethan und sind sie fort,
Wer wollte glauben, daß sie wiederkämen?

55
Es bannte in die Ferne sie das Wort:

Hier wird den Wald dem Volke Niemand nehmen!“

Macht ein Gesetz – das Volk versteht es nie!
Es beteten zu Thor im Wald die Ahnen;
Es beugten vor der Seherin das Knie

60
Im Wald die Jäger-Krieger, die Germanen.

Im Walde hielten tausendmal Gericht
Nach altem Rechte feierlich die Vehmen –
Laßt ab, ihr Herrn! Nein, es gelingt euch nicht,
Dem deutschen Volke seinen Wald zu nehmen!


Anmerkungen (Wikisource)

Ebenfalls abgedruckt in:

  • Die Neue Welt Nr. 25, S. 297 (1880)