Das dankbare Heinzelmännchen

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Textdaten
Autor: Elsbeth Montzheimer
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Titel: Das dankbare Heinzelmännchen
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aus: Märchen
Herausgeber:
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Entstehungsdatum: 1923
Erscheinungsdatum: 1927
Verlag: Leipziger Graphische Werke A.-G.
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Digitalisat auf commons
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[136]
Das dankbare Heinzelmännchen

Zu jener Zeit, als es noch Heinzelmännchen gab, da lebte in Köln am Rhein ein Goldschmied namens Anselm Schmitz, der sich bei seinen Mitbürgern großen Ansehens erfreute, denn er galt als streng rechtlicher Mann, der überdies in seinem Handwerk der geschickteste Meister weit und breit war. Er wohnte auf altererbtem Grund und Boden, und sein Haus mit den spitzen Giebeln und bleigefaßten Fenstern, hinter denen Lavendel und Rosmarin dufteten, blitzte von oben bis unten vor Sauberkeit. Das machte, weil dort Regina, des Meisters einziges Töchterlein, schaltete und waltete, die trotz ihrer Jugend – sie zählte kaum achtzehn Jahre – mit Hilfe der alten, treuen Brigitte alles so hielt, wie es die verstorbene Mutter bei Lebzeiten getan. Was Wunder, daß das Mägdlein des Vaters Augapfel war und alles Gold und Edelgestein, das Meister Anselm zu verarbeiten hatte, ihm nicht so kostbar dünkte als sein einziges Kind, zumal dieses außerdem nicht nur hübsch, sondern vor allem sittsam und bescheiden war.

Eines Tages gab es einige Aufregung in Meister Anselms Hause, denn der Stadtbüttel war gekommen, um ihm im Namen des hohen Rates der guten Stadt Köln sogleich auf das Rathaus zu entbieten.

In der Werkstatt schüttelten beide Gesellen verwundert die Köpfe. Konrad, der kürzlich erst zugewanderte älteste Geselle, lachte hämisch: „Wer weiß, vielleicht wollen sie dem Meister gar an den Kragen; wird auch kein Engel sein.“

[137] „Schäm’ dich, Konrad,“ fiel Wendelin, der Jüngere, ihm ins Wort, „wüßt’ nicht, aus welcher Ursach’ du von unserem ehrenwerten Meister also reden dürftest; magst vielleicht von dir auf andere schließen.“

Wendelin, der sich nach dieser Antwort eben bückte, um des Meisters Schemel aufzuheben, sah Konrads giftigen Blick nicht; er ging fleißig und geschickt wieder an seine Arbeit, ohne sich weiter um den anderen zu kümmern, der mürrisch dreinschaute und sich nicht beeilte, in seinem Tagewerke weiter zu kommen.

Regina dachte natürlich, während sie das Mittagsmahl bereitete, auch immer wieder nach, was man wohl auf dem Rathause so eilig von dem Vater begehren möchte.

Endlich hörte sie des Vaters Schritte. Sie eilte aus der Küche und stand bald, das rosige Ohr dicht an die Tür der Werkstatt gelegt, und – horchte. Da fühlte sie sich im Augenblick am Kleide gezupft, daß sie sich erschrocken umwandte. Nichts war zu sehen; sie mußte sich geirrt haben. Doch da wisperte es vom dunkeln Treppenwinkel her ganz deutlich:

„Aber, Reginchen,
Neugierig Trinchen, –
Horchst an der Tür? –
Dacht’s nicht von dir!“ –

und dann war’s, als ob ein kleines Etwas wie ein Wirbelwind auf winzigen Holzpantöffelchen, klick-klack, klick-klack, die Treppe hinab über den Flur bis in den Keller hinunter sauste.

Sie eilte hinab.

An der Kellertür rüttelte sie beherzt; die war ordnungsmäßig verschlossen. „Ich muß mir das eingebildet haben; vielleicht war’s auch das böse Gewissen,“ suchte Regina sich das Unbegreifliche zu erklären und begab sich wieder hinauf in die Wohnung, um das Essen anzurichten.

Als Vater und Tochter nach dem Mahle allein waren, erzählte Meister Anselm sogleich, daß man ihn so eilig aufs [138] Rathaus berufen habe, um ihm mitzuteilen, daß der hohe Rat ihm eine große Ehre zugedacht habe. Ein benachbarter kunstsinniger Reichsfürst habe den hohen Rat ersucht, von dem geschicktesten Goldschmied der guten Stadt Köln ihm eine kostbare güldene Kette fertigen zu lassen. Der hohe Rat habe nun einstimmig ihn, den Meister Anselm Schmitz, als den dieser Ehre Würdigsten befunden und ihm heute in aller Form den Wunsch des Fürsten in allen Einzelheiten eröffnet. Natürlich habe er, Meister Anselm, sich hocherfreut bereit erklärt, sein bestes Können daranzusetzen, um seinen fürstlichen Auftraggeber sowohl als auch den hohen Rat zufriedenzustellen. Letzterer, so berichtete der Goldschmied weiter, wolle dem Fürsten ein Ehrengeschenk stiften, und zwar in Gestalt eines kostbaren Gürtelschlosses für seine hohe Gemahlin. Es solle ein Wettbewerb sämtlicher Gesellen stattfinden, und wer von ihnen binnen drei Wochen das schönste Gürtelschloß angefertigt habe, der dürfe eine besondere Auszeichnung erwarten.

Und in der Werkstatt Meister Anselms ward nun gezeichnet, gestrichelt, probiert, gehämmert, geschmiedet, daß es eine Freude war, bis sich endlich die einzelnen Glieder der schweren Goldkette so kunstvoll und eigenartig ineinander zu fügen begannen, wie es bis dahin selbst Meister Anselm noch nicht fertiggebracht hatte.

Wendelin, der nach bestem Können dem Meister dabei zur Hand war, entwarf dazwischen Muster um Muster zu seiner eigenen Preisarbeit, schmiedete und schmiedete; aber so, wie die Sache ihm vorschwebte, wollte sie ihm nie gelingen. Und doch! Wie viele Hoffnungen knüpfte er an einen Erfolg! Schon fünf Tage der gestellten Frist waren um, und noch immer hatte Wendelin das Modell zu einem Gürtelschloß, wie er es sich vorstellte, nicht fertiggebracht. Wie konnte sein Gesellenhammer auch so feine Gebilde der Kunst schaffen wollen.

Wendelin ward ganz traurig. Meister Anselm bemerkte es [139] und sprach abends zu Regina: „Fleißiges Tagewerk schafft durstige Kehlen; hole uns darum heute zu gutem Gelingen vom alten Aßmannshäuserwein herauf. Eine Kanne für mich, eine für Konrad und eine für Wendelin; du weißt schon, Reginchen. Halt, du magst meinetwegen auch dem Wendelin den Schlüssel anvertrauen, er wird den lange nicht gebrauchten Hahn auch besser drehen können, als Weiberhände dies vermögen.“

Wendelin, der dem Meister schon oft beim Weinabziehen und bei allerlei Hantierung im Keller geholfen hatte, stand denn auch nach wenigen Minuten vor dem Faß, das alsbald von seinem kostbaren Inhalt der ersten Kanne spendete, ebenso der zweiten, die er schnell zu den Wartenden hinauftrug.

Nun war er wieder unten, um bescheiden seine Kanne nur zum Teil zu füllen.

Eben drehte er den Hahn zu, als er hinter sich ein eigentümliches Klappern vernahm, so etwa, als ob ein Mäuslein in Holzpantöffelchen angesprungen käme; dazu wisperte es:

„Kluck, kluck, kluck, kluck, kluck
Läuft es in den Krug, –
Hast noch nicht genug!“ –

Wendelin spähte erschrocken bei dem unsicheren Licht der Oellaterne in die Dunkelheit, doch konnte er nichts entdecken.

Doch da war wieder das Klappern – jetzt ganz nah – klick-klack, klick-klack –, und dabei hörte der Ueberraschte nun ganz deutlich ein feines Stimmchen:

„Schlipp-schlapp, schlipp-schlapp,
Schleicht sich heran
Tripp-trapp, tripp-trapp,
Der Heinzelmann,
Klipp-klapp, klipp-klapp,
Auf Klappersohlen,
Gripp-grapp, gripp-grapp,
Sich Wein zu holen.“

[140] Wendelin, obwohl keineswegs furchtsam, erschrak nun doch ein wenig, bekreuzte sich und leuchtete dann schnell hinter sich.

Da, ein ganz, ganz kleines Männlein war’s, mit grauem Hängebart, einem ledernen Wämslein und ebensolchem Käpplein. Die Füßchen steckten in den niedlichsten Holzpantöffelchen, die Wendelin je gesehen, und die kleinen Hände hielten ihm ein silberglänzendes Kännlein entgegen, während der Kleine flehte:

„Von dem Wein
Schenk’ mir ein
Ein paar Schluck –
Kluck, kluck, kluck!“

„Es ist ja mein Eigentum, darum darf ich’s schon gewähren,“ dachte Wendelin und entgegnete freundlich: „Weiß ich auch nicht, wie du hier in den Keller gelangtest, und wer du bist, so geb’ ich dir doch gern, was du erbeten hast. Du hast wohl großen Durst?“

Das Männlein schüttelte den Kopf, hob abermals sein Kännlein hoch und tuschelte:

„Heinzelkönig ist so krank,
Davon ward mir Kunde;
Brauchte guten Wein zum Trank
Gleich in dieser Stunde.
Heinzel-Heinzel-Heinzelmännchen
Wünscht sich darum Wein im Kännchen.“

Ohne Zögern goß Wendelin nun den für ihn bestimmt gewesenen Trank in das blinkende Gefäß, und merkwürdig: so klein dieses aussah, schien es doch, als ob es nie voll würde; denn es schluckte den ganzen Inhalt aus des Gesellen Kanne, daß auch kein Tröpflein für diesen darin blieb.

Heinzelmännchen deutete mit bedauernder Gebärde auf des Spenders Kanne und ermunterte Wendelin:

[141]

„Sollst nicht leer ausgahn,
Oeffne schnell den Hahn;“

doch der Angeredete erwiderte: „Ich bin ja nicht krank wie dein König und will meines Meisters Eigentum in Ehren halten; habe auch keinen so großen Durst. Einem Heinzelmann zuliebe litte ich gern welchen, denn, wie du wohl weißt, schätzt man in unserer Stadt dein Völkchen sehr.“

Und weil der Wendelin nun unversehens ins Erzählen gekommen war, so erfuhr der kleine Mann bald alles, alles; selbst das, was niemand ahnen sollte: daß es nämlich sein größter Wunsch sei, einmal um Regina werben zu dürfen. Er habe aber, fuhr er fort, als armer Geselle wenig Aussicht, sein Ziel zu erreichen, und wolle darum mit Fleiß und Eifer vorwärtsstreben.

Das Heinzelmännchen wiegte nachdenklich das Haupt hin und her, zwinkerte dann vertraulich mit den Augen und kicherte:

„Wen, denkst du wohl, ich kürzlich – lauschend – traf?
Regina, sie, die sonst so lieb und brav!
Ich schlich herfür‚ –
Vertrau’s nur dir.“ –

Wendelin aber entgegnete: „Und wenn sie auch gehorcht hätte – Regina Schmitz bleibt doch die beste, tugendhafteste und begehrenswerteste Jungfrau von ganz Köln.“

Das Heinzelmännchen nickte beifällig:

„Auf Wiedersehn und vielen Dank
Für deinen, kluck-kluck, Labetrank. –
Ich kenn’ den Weg hier um die Fässer;
Verrat’ mich nicht, das taugt dir besser;“

und davongeschlüpft war das Heinzelmännchen, ohne daß der Zurückbleibende hätte sagen können, wo es geblieben sei. Nur ganz entfernt glaubte er noch das Klappern der Holzpantöffelchen zu vernehmen.

[142] Konrad ließ es an Sticheleien nicht fehlen, als Wendelin in das Wohngemach trat. „Hast wohl erst alle Fässer durchgekostet und sogar schon deinen Krug auf dem Wege leergetrunken? Scheinst ein Heimlicher zu sein,“ lachte er spöttisch; doch Meister Anselm fuhr dazwischen: „Laß deine spitzen Reden, Konrad; ich wollte, ich hätte mein Lebtag nur solche Gesellen gehabt, wie der Wendelin einer ist. Mir scheint, als wären seine Gedanken nicht bei der Sache.“

„Ihr könnt recht haben, Meister,“ nickte Wendelin zerstreut, „ich glaube, ich habe im Keller schon geträumt.“

„Dann geh’ und schlaf’ aus,“ lachte der Goldschmied, „hast heut zu eifrig geschafft.“

Der folgende Tag war ein Sonntag voll Sonnenschein. Da wanderte der aus der Kirche kommende Wendelin bis hinaus zu seinem Lieblingsplätzchen jenseits der Stadtmauer, wo das Zwitschern der Vögel und das Rauschen der Bäume ihn so traulich begrüßten. Zu seinen Füßen breitete sich der grüngoldige Rheinstrom majestätisch aus. Wendelin blickte, an Regina denkend, hinab, als wolle er bis auf den Grund des Wassers sehen; dann seufzte er: „Könntet ihr Rheinwellen mir doch sagen, wo ich die in eurer Tiefe ruhenden Schätze zu finden vermöchte, von denen alte Sagen künden!“

Da hörte er leise seinen Namen rufen und gewahrte freudig erstaunt das ihm schon so vertraute freundliche Gesicht unter der Zipfelmütze, welches aus einer Mauerspalte hervorlugte.

Wendelin begrüßte das Männchen herzlich, das mit warnend erhobenem Fingerlein mahnte:

„Laß des Rheines Schätze ruhn,
Frommt dir jetzo bess’res Tun.
Gold macht glücklich nicht allein,
Hat oft trügerischen Schein.
Arbeit, Fleiß, Geschicklichkeit
Sind ein Gut, das mehr erfreut,

[143]

Das noch mehr als Gold dich ehrt
Und dein Glück gar bald vermehrt.
Obendrein auch bringt es schon
Selbstverdienten goldnen Lohn!“

„Liebes Heinzelmännchen,“ pflichtete Wendelin bei, „du hast recht; mein Wunsch war töricht. Aber ich bin so niedergedrückt, denn meine Geschicklichkeit will jetzt nimmer ausreichen, die Vorbilder auszuführen, die ich in Gedanken vor mir sehe!“

Heinzelmännchen blickte so freundlich, daß Wendelin zu fragen wagte: „Aber sage mir, wie kamst du, liebes Heinzelmännchen, am hellen Tage hierher an das Stadttor?“

Kichernd verschwand der Kleine plötzlich im Geröll, um gleich darauf an einer andern Stelle auftauchend, zu antworten:

„Heinzelmann hat allerorten
Wohl bei Tag und auch bei Nacht
Seine Fensterlein und Pforten,
Wo er heimlich lauscht und wacht:
Sieht dann, wo die Menschen bleiben,
Was sie tun und was sie treiben. –“

„Demnach ist euer Reich wohl sehr groß?“

„Heinzelreich ist nimmer klein,
Reicht tief drunten bis zum Rhein,
Wo im Grund die Nixen wohnen
Bei versunk’nen Königskronen.“

Ganz leise flüsterte er weiter:

„Heute, wenn zur Mitternacht
Alles schläft im Goldschmiedhaus,
Nur noch wachen Ratt’ und Maus:
Schleiche dann zum Keller sacht.“

„Wie sollt’ ich da hinunterkommen?“ wandte Wendelin ein. „Regina hält ihn stets verschlossen.“

[144] Da raunte Heinzelmännchen:

„Heinzel-Heinzel-Heinzelmann
Alle Türen öffnen kann –“

und war verschwunden, ehe Wendelin noch etwas entgegnen konnte.

Pünktlich um Mitternacht schlich Wendelin vorsichtig, damit der nebenan schnarchende Konrad nicht erwache, aus seinem Kämmerlein die Bodentreppe hinab, bis er endlich voll Erwartung vor der Kellertür stand.

Plötzlich sprang die schwere Tür lautlos auf; da stand Heinzelmännchen mit einem winzigen Grubenlichtchen vor ihm und leuchtete kichernd in Wendelins Antlitz.

„Bist wohl gar erschrocken,
Weil ich komm’ auf Socken?“

Wendelin nickte lachend, während das Männlein tuschelte:

„Klipper-klapper-Heinzelschuh’
Stören leicht der Schläfer Ruh.“

Geräuschlos schloß sich die Kellertür, indessen die beiden hinabstiegen. Zu fragen wagte der Jüngling nichts; sein Herz pochte vor Erregung und Erwartung, als Heinzelmännchen an der dicken Mauer ein Hämmerlein aus seinem Wämschen zog und dreimal leise an die Wand pochend sagte:

„Felsblock in der Mauer weiche, –
Zeig’ den Weg zum Heinzelreiche!“

Und wirklich! ein Knirschen ward hörbar, dann drehte der Quaderstein sich so gehorsam, als wäre er eine gut geölte Tür, daß eine in die Tiefe führende Felsentreppe sichtbar wurde.

Einen Augenblick zögerte Wendelin, dem voraneilenden und ihm winkenden Männchen zu folgen, doch dann stieg er unentwegt mit hinab. Die Felsentür hatte sich längst hinter ihnen geschlossen. Bald nach rechts, bald nach links, bald breit, bald

[Bild]

[145] eng wand sich die Treppe abwärts, bis sie hart vor einer Felswand plötzlich ein Ende hatte. Nach drei Hammerschlägen öffnete sich auch diese, und Wendelin ward von seinem kleinen Führer in einen großen Raum gezogen, vor dessen blendender Helle er einige Augenblicke die Augen schließen mußte. Als er sie wieder öffnete, sah er sich in einem hochgewölbten Felsensaal mit wunderbar schimmernden Säulen. Hunderte von Grubenlichtern und Tausende der schönsten, feingeschliffenen Edelsteine hingen an langen Goldketten von der Decke und den Säulen frei herab. Sie spiegelten sich in den mannigfachsten Farben in den wie Kristall schimmernden hohen Wänden und verbreiteten dadurch strahlenden Glanz, als ob die schönsten Sterne direkt vom Himmel in diese Tiefen hinabgesunken seien.

Als Wendelin, sprachlos vor Entzücken, weiter um sich schaute, sah er rings an den leuchtenden Wänden winzige Stühlchen aus Silber stehen, und auf erhöhtem Platz entdeckte der Ueberraschte eines von purem Golde, das von rotseidenem Baldachin überdeckt war. Er wollte eben eine Frage tun, als Heinzelmännchen flüsterte:

„Bleib’ nur stehn,
Wirst schon sehn.“

Da nahten plötzlich Hunderte solcher Männlein wie sein kleiner Gönner, jedes ein Grubenlichtchen und ein Hämmerchen am Wämschen tragend. Fröhlich sangen sie:

„In felsigen Gründen
Voll Zacken und Schründen
Wir hackten und schliffen,
Wir schürften und griffen.
Für jetzt ist beendet das saure Werk,
Drum freut sich des Ausruh’ns der Heinzelzwerg.“

Da kam von der anderen Seite ein ähnlicher Zug winziger Männlein, die ebenfalls sangen:

[146]

„Bei Menschen wir nähten –
Und halfen und spähten,
Wir spannen und stickten –
Und brauten und flickten;
Ja, halfen den Menschen an allen Enden
Mit flinken, geschicktesten Heinzelhänden.“

Kaum waren die letzten Worte verklungen, als abermals von einer anderen Seite her eine Schar des kleinen Völkchens herangesprungen kam, die kichernd sich also vernehmen ließ:

„Wir waren bei Menschen,
Die Hilfe nicht wert,
Und machten zum Schabernack alles verkehrt:
Wir stahlen und neckten,
Verwirrten, versteckten,
Zerbrachen, verstopften,
Zerstachen und klopften.
Denn das sind von alters her stets wir gewohnt:
Daß Böses bestraft wird, doch Gutes belohnt!“

Sie kicherten und tuschelten miteinander, als sie den schier gänzlich verwirrten Gesellen in ihrer Nähe erblickten; doch schienen sie ihm wohlgesinnt, denn sie klatschten vergnüglich in die Hände und setzten sich behaglich auf ihre Stühlchen.

Plötzlich sprangen sie wie auf Kommando auf, in strammer Haltung stehen bleibend, denn es nahte der König der Heinzelmänner.

Mit großer Würde schritt er daher, ein goldenes Krönlein im weißen Haar und angetan mit samtenem, ganz mit Edelsteinen besetztem Mantel, dessen Schleppe drei Heinzelmännlein trugen. Dann folgten sechs Heinzelmänner, sie halfen dem König auf seinen Thron und setzten sich auf sechs Stühlchen ihm zur Seite, während die drei Schleppenträger sich auf den Stufen zu Füßen des Königs niederließen.

[147] Des Königs Blicke glitten prüfend über die Versammlung, um sogleich auf Wendelin und seinem Führer haften zu bleiben. Lebhaft winkte er den beiden, und wohl oder übel mußte der Jüngling nun dieser Aufforderung folgen. Die Verlegenheit Wendelins schien dem Könige nicht zu mißfallen, vielmehr schaute die kleine Majestät wohlwollend zu dem Eindringling auf, als dessen Gefährte eifrig erklärte:

„Habe hier den Menschen funden,
Dessen Wein dich ließ gesunden.
Fand ihn wert, ihn dir zu zeigen,
Ließ hinab ihn darum steigen.“

Da nickte der König beifällig, erhob seinen langen goldenen Stab, zum Zeichen, daß niemand gegen seinen Befehl Einspruch erheben dürfe, und antwortete würdevoll:

„Führe ihn zum Dank sogleich
Weiter durch das Heinzelreich
Bis zur dunklen Felsenkammer;
Schenke dort ihm einen Hammer.
Laß des Goldes Funken sprüh’n,
Unterweis’ zum Danke ihn
– Zum Beweise unsrer Gunst –
In der höchsten Goldschmiedkunst.
Zeig’ mit bestem Gold der Berge
Ihm die Kunst der Heinzelzwerge.“

Wendelin stammelte wie im Traume einige Dankesworte, und Heinzelmännchen führte seinen Schutzbefohlenen aus dem Felsensaal durch mehrere kleinere, aber ebenso prächtige Räume, in denen überall ähnliche Silberstühlchen standen.

Nun waren sie in der Felsenkammer, in der alle Geräte zu finden waren, die ein Goldschmied zu seiner Kunst gebrauchte.

Hei, wie behende das Männchen da herumhantierte, um alles zum Werke vorzubereiten: Hämmerlein, Feilen, Punzen, [148] Stichel und dergleichen auszuwählen und das Feuer unter dem Tiegel zu schüren, damit der Goldbrei wohlgerate. Hierbei gab der Kleine manchen Rat zu geschickter Arbeit und sagte dann:

„Golderz liegt in Erdentiefen,
Wo einst Feuergeister schliefen;
Traf ihr Odem Felsenquadern,
Ward er gleich zu Goldesadern,
Die der Zwerg in Nacht und Dämmern
Sucht – poch, poch – mit flinken Hämmern.
Schürft pick, pick:
Goldesklumpen
Wie ein Humpen
Schwer und dick.“

Mit Erstaunen sah der Gesell, wie der Kleine bei den letzten Worten wirklich einen Goldklumpen aus einer Felsenspalte holte, den er vor den Jüngling hinlegte, indem er sprach:

„Wählte, Knabe,
Diese Gabe
Mit Bedacht.
Gibt zum Glück
Meisterstück –
Drum hab’ acht!“

Und nun ging’s an die Arbeit. Potztausend, war das ein Vergnügen, dem flinken Heinzelmännchen zuzuschauen und seinen Anweisungen zu folgen!

Obgleich Meister Anselm der tüchtigste Goldschmied weit und breit war, so konnten seine Leistungen mit denen des Heinzelzwerges doch nicht verglichen werden, das wurde dem Zuschauenden und begierig Lernenden sogleich klar, als der kleine Lehrmeister ihn nun unterrichtete.

Aber was für wunderfeine Hämmerlein waren das auch. Wendelins Augen blitzten, und seine Wangen glühten vor [149] Eifer; und zufrieden nickend sah Heinzelmännlein, wie geschickt der junge Gesell alles angriff. Das begonnene Gürtelschloß, das Wendelin, bevor er in den Keller gestiegen war, zu sich gesteckt hatte, erschien ihm nun plump, wenn er es mit den kunstvollen Arbeiten der Zwerge verglich, und er war seinem neuen Lehrmeister für jeden Tadel dankbar.

Aber wie glücklich war er nun erst, als der Kleine ihm den besten Hammer, dazu Feilen und anderes Handwerkszeug schenkte. Dabei sprach er:

„Schmied, Geselle, poch, poch, poch!
Laß den Hammer klingen,
Fleiß’ge Hände doch, doch, doch
Dir den Preis erringen!“

Der Goldbrei zischte, und der Hammer pochte mit Wendelins erwartungsvollem Herzen um die Wette, als nun das neue Gürtelschloß entstand, das dem seinen glich und doch so ganz, ganz anders erschien, gerade so, wie es seinen Gedanken vorgeschwebt hatte. Aber er lernte.

Wie lange der Geselle hier unten geweilt, wußte er nicht, ihm schienen es Minuten; doch endlich erklärte Heinzelmännchen, daß es Zeit sei zum Aufbruch. Als er des Eifrigen Bedauern bemerkte, tröstete er:

„Darfst noch zweimal wiederkommen, –
Zweimal um die Mitternacht, –
Dann ist Lehrzeit wohl vollbracht.“

Ehe Wendelin noch wußte, wie ihm geschah, fühlte er sich mit fortgezogen und stand bald auf der obersten Kellerstufe, wo sein kleiner Führer, ehe er die Tür schloß, noch flüsterte:

„Mitternacht darfst nicht verpassen,
Will dich wieder ein dann lassen.“

Fort war er, indessen Wendelin im fahlen Dämmerschein des erwachenden Tages in sein Kämmerlein tappte, um bald [150] darauf in tiefem Schlaf sich für den kommenden Arbeitstag neue Kräfte zu holen. Zur gewohnten Zeit aufstehend, hätte Wendelin glauben können, alles geträumt zu haben, wenn ihn die in seinem Wams verborgenen Arbeitsgeräte nicht eines besseren belehrt hätten.

In der folgenden Mitternacht ging es so wie in der ersten, nur mit dem Unterschied, daß der Gesell diesmal noch um ein gut Teil geschickter im Morgengrauen sein Lager aufsuchte; denn das Heinzelmännchen hatte ihm wieder neue Handgriffe gezeigt und ihn nicht nur am Gürtelschloß, sondern auch an einer kunstvollen Kette arbeiten lassen, damit der Heinzelkönig, für den diese bestimmt war, sehen möchte, daß er sein Gunst keinem Unwürdigen zugewandt habe.

Endlos schien dem Gesellen der Tag vor der dritten Mitternacht, obwohl ihm die Arbeit nur so von den Händen flog und Meister Anselm seine stille Freude an dem geschickten Gehilfen hatte, der ihm schon als Lehrling wert gewesen war.

Um so mehr verdroß ihn nur Konrads mürrisches Wesen und des jungen Gesellen wenig gute Arbeit. Selbst bei seiner Preisarbeit, zu der auch ihm Meister Anselm bereitwillig das Gold gegeben hatte, zeigte er sich lässig, denn sein Gürtelschloß, das er allerdings niemand zeigte, machte in seiner Fertigstellung wenig Fortschritte, obwohl er den Tag über in unbewachten Stunden heimlich daran arbeitete. Auch er wollte den Preis erringen, um dann um Regina werben zu können. Doch war ihm diese nicht etwa um ihrer guten Eigenschaften teuer wie dem Wendelin, nein – er sah in ihr nur das wohlhabende Meistertöchterlein und glaubte ein sorgenloses Plätzchen im Leben gewinnen zu können. Dem Wendelin, dessen Wünsche er ahnte, wollte er schon den „süßen Brei seiner Hoffnung“ gehörig versalzen, dachte er hämisch.

Am Abend dieses Tages, da Wendelin sich schon in unruhiger Erwartung der dritten Mitternacht befand, äußerte [151] Meister Anselm wiederum den Wunsch, mit seinen Gesellen einen guten Trunk zu tun. Wendelin erklärte sich sogleich bereit, den Wein zu holen, doch Konrad, der guten Wein gern trank und einen heimlichen Extraschluck für sich erhoffte, sprach eifrig: „Laßt heute einmal mir das Vertrauen zuteil werden, Meister, daß ich Euch Wein holen darf.“

„Meinetwegen,“ brummte Meister Anselm, „füll’ uns auch drei Krüge, doch diesmal nur vom vorigen Jahrgang Geisenheimer, gleich das erste Faß vornan; du kannst nicht fehlen.“

Unten angelangt trank Konrad tüchtig aus der ersten Kanne, ehe er sie ganz füllte; ebenso ging’s mit der zweiten.

Als er aber die dritte, für ihn selbst bestimmte füllen wollte, murmelte er: „Der alte Aßmannshäuser mundete mir fürwahr kürzlich besser.“

Ohne Besinnen schlich er dorthin, wo das Faß mit dem begehrten Weine stand. Und kluck-kluck – klang es in der Kanne und floß gleich darauf in Konrads gierige Kehle.

Aber da hörte er ein Geräusch hinter sich, daß er sich scheu umblickte; zugleich ließ sich ein Wispern vernehmen:

„Guck, guck, – schlürfst Wein, –
Schluck, schluck, – so fein?
Gripp, grapp, – hipp, happ, –
Gib mir was ab.“

Dabei stand ein winziges Männlein hinter ihm, das mit beinahe naseweiser Selbstverständlichkeit ein leeres Krüglein emporhielt.

Konrad fühlte an seine Stirn: gaukelte der schnell getrunkene Feuerwein ihm schon seltsame Bilder vor, oder war dies rätselhafte Geschöpf wirklich aus Fleisch und Bein? Da hörte er’s wieder, und noch deutlicher und dringlicher:

„Gripp, grapp, – hipp, happ, –
Gib mir was ab!“

[152] Nein, das war doch zu toll. Erschreckt ob des ungelegenen Beobachters schloß er den Hahn so flüchtig, daß er noch tüchtig tropfte, und herrschte den Kleinen an: „Was erfrechst du dich, kleiner Kobold, du bist wohl einer Schaubude entlaufen und willst gar hier stehlen? Pack’ dich, sonst werd’ ich den Meister rufen.“

Das Männlein kicherte boshaft, machte dem Konrad eine lange Nase und rief enteilend:

„Wer ein Heinzelmännchen kränkt,
Daran bald mit Reue denkt.“

„Ein Heinzelmännchen bist du?“ lallte Konrad erschrocken, indem er dem Männlein nachsprang; doch dieses war schon verschwunden; er glaubte es noch die Kellertreppe hinaufspringen zu sehen.

Mit rotem Kopf, zwei vollen und einem leeren Kruge stolperte Konrad wieder ins Wohngemach, wo Meister Anselm ihn befremdet anblickte. „Kommst ja, wie kürzlich der Wendelin, mit einem leeren Kruge?“ forschte der Goldschmied. „Hab’ ihn verschüttet, derweilen ich stolperte,“ log Konrad.

Als der Rausch verflogen war, glaubte er dem Meister gegenüber sich in ein besseres Licht setzen zu müssen, und bat darum, noch bis Mitternacht in der Werkstatt arbeiten zu dürfen.

Wendelin hatte mit Schrecken bemerkt, daß sein Mitgesell noch arbeitete, als er um Mitternacht zum Keller eilte; da galt es doppelt vorsichtig sein!

Doch der andere spitzte die Ohren, weil er ein leises Knarren auf der Treppe zu hören glaubte.

Hastig riß er die Tür der Werkstatt auf, um eben noch den um die Ecke verschwindenden Wendelin zu erspähen. Neugierig und schadenfroh zugleich folgte er dem Enteilenden ohne Besinnen und sah, wie dieser im Keller verschwand.

[153] In ohnmächtigem Aerger rüttelte Konrad an der wieder fest verschlossenen Tür – wie war der Gesell da hineingekommen? – Plötzlich durchzuckte ihn ein Gedanke: der Wendelin war neulich mit leerer Kanne und so merkwürdig einsilbig aus dem Keller gekommen – da war ihm gewiß auch solch ein kleiner Wicht begegnet.

Ohne zu überlegen, nur von Schadenfreude getrieben, pochte er an Meister Anselms Schlafgemach: „Meister, kommt schnell in den Keller; der Wendelin zecht dort mit den Heinzelmännern Euern Wein!“

Der Goldschmied öffnete sofort. „Mir scheint, dir ist’s nimmer recht im Oberstüblein,“ lautete die Antwort; „dir ist wohl der „verschüttete“ Wein in den Kopf gestiegen?“ Doch überzeugte sich der Meister endlich, daß Wendelin tatsächlich nicht in seinem Kämmerlein war.

Im Keller entdeckte er nichts; keine Spur von dem Gesuchten sowohl als auch nur das kleinste Zipflein vom Zipfelmützlein eines Heinzelmännchens.

Da rief der Meister plötzlich: „Laß sehn, was ist denn da los?“ Er leuchtete gerade bei dem Faß mit dem guten Aßmannshäuserwein herum, von dem her ein eigentümliches Glucksen ihn aufmerksam machte. Fast hätte er aber vor Schrecken die Laterne fallen lassen, denn ach – tropf – tropf – floß das köstliche Naß aus dem Hahne, und eine mächtige Lache hatte sich rings um das Faß gebildet. „Du selbst warst der heimliche Zecher,“ donnerte jetzt der Meister den Gesellen an, der mit schreckensbleicher Armsündermiene wie das leibhaftige böse Gewissen dastand. Winselnd und mit schlotternden Knien bat der so unvermutet Ueberführte um Verzeihung; er ahnte dumpf, daß seines Bleibens in diesem Hause nicht mehr lange sein würde, wenn er den Meister nicht versöhnte.

Unterdessen schmiedete Wendelin im Heinzelreiche an mancherlei schönen Dingen, auch an einem goldenen Becher, der [154] für die Nixenkönigin zum Geschenk bestimmt war. Dabei mahnte Heinzelmännchen nochmals, über alles, was er hier unten gesehen und gehört, zu schweigen, was der Jüngling auch versprach. Schwer ward es ihm, sich endlich von seinem kleinen Gönner zu trennen.

Ohne eine Ahnung, was sich unterdessen im Goldschmiedhaus begeben, stieg er die Kellertreppe hinauf, an der er herzlichen Abschied von dem Kleinen nahm, dessen letzte Mahnung noch lautete:

„Hüte dich vor Konrads Tück’,
Denn er neidet dir dein Glück.“

Konrad, den der Aerger nicht viel in dieser Nacht schlafen ließ, fuhr im Morgengrauen aus unruhigem Halbschlummer und vernahm nun deutlich Wendelins tiefe Atemzüge. Drei Nächte hindurch war nicht viel Schlaf in dessen Augen gekommen, was Wunder, daß er trotz der vielen Eindrücke auch dieser letzten Nacht fest schlief, sein Traum ihn aber so lebhaft in das Heinzelreich zurückführte, daß er sich bei der Arbeit wähnend im Schlafe sprach. Wie ein Dachs auf der Lauer, so spitzte Konrad die Ohren, die er an die Bretterwand lehnte; da verstand er’s ganz deutlich:

„Klopp – klipp, klopp – klipp,
Gelingen gib;
Du Hämmerlein jetzt springe,
Daß Gold gar hell erklinge,
Damit der gute Heinzelmann
Sich mit mir herzlich freuen kann.“

Wie eine Katze schlich Konrad in das Kämmerlein des Arglosen; denn daß dieser mit den Heinzelmännchen in Verbindung stand, ward ihm jetzt unzweifelhaft klar. Sicherlich trug er irgendwelche Schätze bei sich, das mußte er auskundschaften. [155] Eine Ausrede, falls der Schläfer erwachen sollte, hatte Konrad schon in Bereitschaft, während er in fieberhafter Hast des Nebenbuhlers Wams durchsuchte.

Er machte sich nicht klar, ob er die Sachen stehlen wollte; nur finden mußte er sie.

Und richtig! Trotzdem Wendelin, durch des Kleinen Mahnung gewarnt, die Sachen gut verborgen zu haben glaubte, fand Konrad doch endlich wenigstens den Hammer und die anderen kleinen Werkzeuge, sowie das erste Gürtelschloß. Mehr entdeckte er jedoch nicht. -

Froh über den Fund holte er in der Werkstatt sein Gürtelschloß hervor. Den eigenartig geformten kleinen Hammer schwingend, wiederholte er dabei in spöttischem Tone den von Wendelin erhorchten Vers.

Doch kaum hatte er begonnen: „Klopp, klipp – klopp, klipp,“ – als er entgegen allem Reim rief: „Au!“; denn anstatt auf das Gold, hatte er sich derb auf die Hand geschlagen. Stöhnend rieb er die schmerzende Stelle, um trotzdem weiter zu arbeiten.

Doch merkwürdig: ob er den Vers sprach oder nicht, der Hammer schlug immer daneben; und schließlich, als Konrads Lippen ein wilder Fluch entfuhr, sauste er so ungeschickt auf die Mitte des Gürtelschlosses nieder, daß dieses ganz verbogen wurde.

„Das ist ja ein Teufelshammer,“ dachte Konrad, das Werkzeug grimmig in die Ecke schleudernd; mochte Wendelin es dort suchen und glauben, die Heinzelmänner hätten es versteckt.

Als Regina mit dem Vater bei der Morgensuppe allein war, fragte sie ihn, warum er ihr so spät in der Nacht den Kellerschlüssel abgefordert habe. Sie erfuhr von ihm alles, was in diesen ereignisreichen Stunden geschehen war, besonders aber von seinem Verdruß über Wendelin, der ihm die Auskunft über [156] sein Verbleiben in dieser Nacht freundlich, aber bestimmt verweigere.

Da schaute Regina noch ernster drein, und als sie am Nachmittag in ihrem Kämmerlein spann, brauchte sie den Faden nicht zu netzen, denn das taten ihre Tränen, die über ihre Wangen perlten.

So schien es denn, als habe sich eine düstere Wolke über den Frieden des Goldschmiedhauses gebreitet: Meister Anselm war grübelnd und wortkarg, Konrad blickte finster, fast grimmig drein, und Regina erschien stiller als sonst; – und Wendelin? Nun, dem war just auch nicht nach Lachen zumute, denn das Zürnen seines Meisters, den er, der Elternlose, fast wie einen Vater liebte und verehrte, ging ihm nahe. In seinem Herzen war der hoffnungsfreudige Sonnenschein fast völlig ausgelöscht, als er seine kostbaren Werkzeuge vermißte, die er endlich verwundert aus der Werkstattecke hervorholte.

Er konnte sich anfangs die Sache nicht erklären, bis er an Heinzelmännchens Warnung dachte, und Konrads feindselige Blicke und dessen große Beule auf der Hand ihn das Richtige ahnen ließen, da er wußte, daß die Heinzelmännlein unberufenes Hantieren mit Heinzel-Werkzeugen an dem Betreffenden zu rächen pflegten.

Meister Anselm mußte seine Kette abliefern, die bis auf das letzte Verschlußglied fertig war; aber sonderbar, gerade dieses wollte ihm nicht gelingen. Wendelins mehrmals angebotene Hilfe hatte er herb zurückgewiesen, da des Gesellen Verschlossenheit ihn immer mehr gegen diesen erbitterte.

Noch spät nach Feierabend arbeitete der Goldschmied allein in seiner Werkstatt und hämmerte drauflos. Er schürte die Flammen unter dem Tiegel, doch immer verlöschten sie wieder.

Der Meister bückte sich nach dem Schüreisen, als sich im dunklen Herdwinkel etwas bewegte. Herzhaft griff er darnach, glaubend, daß es eine Ratte sei. Wirklich hielt er auch etwas [157] Zappelndes in der Hand, doch entgeistert starrte er seine Beute an, die mit kläglichem Stimmlein flehte:

„Meister Anselm, laß mich los,
Du zerreißt mir Wams und Hos’!“

Doch ungerührt hielt der Goldschmied mit eiserner Faust den Besitzer des Stimmleins fest, diesen fragend, wer er sei. Doch die beinah trotzige Antwort kündete:

„Nur ein freier Heinzelmann
Rede stehen will und kann.“

„Aha, du Schelm, also ein Heinzelmann bist du!“ frohlockte Meister Anselm, sich das langbärtige Männlein, das nur noch heftiger zappelte, betrachtend. „Hast mir wohl gar mein Feuer verdorben?“ Da entwand sich der Kleine mit geschicktem Ruck der fesselnden Hand und hüpfte behende auf das obere Herdgesims, mit seinen Zeigefingern die entsprechende Bewegung zu seinen Worten machend:

„Aetsch, ätsch – Meister Schmitz, kannst mich nun nicht mehr quälen,
Bin dennoch entschlüpft; darfst mich nimmermehr schmälen.
Dein Feuer hab’ oft ungesehn ich geschürt,
Nur heute hast du meine Ungnad’ verspürt.“

„Wodurch habe ich denn diese verdient?“

„Zürnst zu Unrecht dem Gesellen,
Weil er Auskunft dir verwehrt;
Darfst kein schlimmes Urteil fällen,
Weil er tut, was ich begehrt.
Wendelin hat Herz wie Gold,
Drum sind ihm die Heinzel hold.“

Mit großen Augen vernahm der Meister diese Rede, und nach einigem Hin- und Herfragen wußte er zwar nicht das [158] ganze Geheimnis, aber doch so viel, daß der Gesell seine Geschicklichkeit nicht dem Teufel, sondern dem Wohlwollen der Heinzelmännchen zu verdanken hatte.

Als der kleine Mann längst entschlüpft war, glaubte Meister Anselm immer noch dessen letzte Worte zu hören:

„Der ehrliche Wendelin gab seinen Wein,
Bescheiden bedacht nur auf dich;
Der heimtück’sche Konrad zecht lieber allein,
Ich sah, wie zum Festwein er schlich.“ –

Dem Meister ward weich ums Herz. Ja, ja, der Kleine hatte recht, der Wendelin war seine Zuneigung wert; und wie Gold im Tiegel, so schmolz auch urplötzlich aller Groll gegen den Jüngling dahin, dem er selbst immer das Sprichwort: „ein Mann, ein Wort“ eingeprägt hatte.

Des Goldschmieds Arbeit gelang nun bestens.

* * *

Der wichtige Tag war da. Daß der Meister und Wendelin nach kurzer Aussprache unter vier Augen nunmehr mit heiterem Antlitz zusammen in der schon vollzähligen Versammlung des hohen Rates und aller dabei Beteiligten erschienen, sah der dorthin vorausgeeilte Konrad mit scheelem Blick.

Meister Anselms Freude war nicht gering, als sein Meisterwerk, die Kette, allgemeines Entzücken und großes Lob hervorrief.

Darauf traten die Gesellen mit ihren Gürtelschlössern an.

Konrad drängte sich als einer der ersten mit seiner ungenügenden Arbeit hervor; endlich als letzter kam Wendelin heran, der mit erwartungsvollem Herzklopfen sein Kunstwerk überlieferte.

[159] Ein allgemeines „Ah!“ der Bewunderung hallte durch den Saal, denn ein so wunderfein gearbeitetes Gürtelschloß hatte man noch nicht gesehen.

Eben verkündete nach kurzer Beratung der hohe Rat, daß Wendelins Preisarbeit die schönste und er darum zum „Meister“ zu machen sei, als Konrad, voller Neid alle Besinnung verlierend, rief: „Das Schloß, das ich gesehen habe, war ein anderes; und dieses hat er mit dem Teufel im Bunde geschmiedet, und – ha – ha – laßt euch nur mal seine neuen Werkzeuge zeigen.“

Ein Gemurmel des Entsetzens erhob sich, und obwohl Meister Anselm den Verdächtigten sehr in Schutz nahm und solche Anschuldigungen gegen seinen Lieblingsgesellen als boshafte Lügen bezeichnete, erklärte der hohe Rat doch, daß Wendelin seine Unschuld beweisen müsse.

Der erschrockene Jüngling hoffte fest, das zu können, ohne sein dem Heinzelmännchen gegebenes Wort zu brechen, denn sein kleiner Gönner hatte gewißlich nichts mit dem Teufel zu tun.

Frohlockend brachte Konrad die in Wendelins Habe glücklich aufgestöberten Werkzeuge herbei; doch der älteste, Wendelin wohlgesinnte Ratsherr schlug vor, dieselben in Verwahrung zu nehmen, bis der Geselle mit seinem früheren Gerät einen goldenen Meßkelch und ein silbernes Kruzifix gefertigt habe; denn wenn er das vermöchte, läge seine Unschuld am Tage, da der Teufel über so heilige Dinge keine Macht habe.

Und so geschah es: Wendelin machte sich mit gutem Mute an das Werk; ihm schien es, als sei die Zauberkraft des Heinzelhammers in sein altes Arbeitsgerät gefahren; in Wahrheit war es aber seine bei den Heinzelmännlein erworbene Geschicklichkeit, daß die Vertrauensmänner, die seine Arbeit überwachten, zufrieden und erstaunt erklärten, daß die Sachen Kunstwerke ersten Ranges und Zierden der Altäre würden.

[160] Wirklich hatten sie recht, denn als nicht lange darauf der hohe Rat Kruzifix und Kelch in Empfang nahm, ward des Gesellen Kunst hochgepriesen, zumal er damit seine Unschuld glänzend bewies.

Was hatte Konrad nun von seinen Ränken? Er mußte erfahren, daß das Böse, das er dem Mitgesellen hatte antun wollen, für diesen zum Guten ausschlug; und obendrein wurde er nicht nur aus Meister Anselms Haus gejagt, sondern mußte sogar mit Schimpf und Schande bedeckt auf Befehl des hohen Rates die Stadt verlassen.

Wendelin ward sehr bald Meister und führte als Meister Anselms willkommener Schwiegersohn Regina als seine Hausfrau heim. Er hat noch lange Jahre im Verein mit Meister Anselm die schönsten Erzeugnisse der Goldschmiedekunst geschaffen. Sie gelangen immer, ob er die Heinzelwerkzeuge benutzte, die er wiedererhalten hatte, oder nicht.

Heinzelmännchen bewahrte ihm sein Wohlwollen, und wenn es sich einmal blicken ließ, tat es seinem Schützling nur Gutes, weil dieser unentwegt sein Wort hielt.