Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren/Dreizehntes Capitel

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Zwölftes Capitel Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren (1877)
von Charles Darwin
Vierzehntes Capitel


[283]
Dreizehntes Capitel.
Selbstaufmerksamkeit. — Scham. — Schüchternheit. — Bescheidenheit: Erröthen.
Natur des Erröthens. — Vererbung. — Die am meisten afficirten Theile des Körpers. — Erröthen bei verschiedenen Menschenrassen. — Begleitende Geberden. — Zerstreutheit des Geistes. — Ursachen des Erröthens. — Selbstaufmerksamkeit, das Fundamental-EIement. — Schüchternheit. — Scham nach Verletzung von Moralgesetzen und conventionellen Regeln. — Bescheidenheit. — Theorie des Erröthens. — Schlußwiederholung.

Das Erröthen ist die eigenthümlichste und menschlichste aller Ausdrucksformen. Affen werden vor Leidenschaft roth; es würde aber eine überwältigende Menge von Beweisen bedürfen, um uns glauben zu machen, daß irgend ein Thier erröthen könne. Das Rothwerden des Gesichts in Folge aufsteigender Schamröthe (des hier im engern Sinne sogenannten Erröthens) ist Folge der Erschlaffung der muskulösen Wandungen der kleinen Arterien, durch welche die Haargefäße mit Blut erfüllt werden, und dies hängt wieder davon ab, daß die betreffenden vasomotorischen Centraltheile afficirt werden. Ohne Zweifel wird, wenn zu gleicher Zeit eine große geistige Aufregung herrscht, die allgemeine Circulation mit afficirt sein; es ist aber keine Folge der Thätigkeit des Herzens, daß das Netzwerk der kleinsten, das Gesicht bedeckenden Gefäße unter einem Gefühle von Scham mit Blut überfüllt wird. Wir können Lachen durch Kitzeln der Haut, Weinen oder Stirnrunzeln durch einen Schlag, Zittern durch Furcht oder Schmerz verursachen u. s. w.; wir können aber, wie Dr. Burgess bemerkt,[1] ein Erröthen durch keine physikalischen Mittel, — d. h. [284] durch keine Einwirkung auf den Körper verursachen. Es ist der Geist, welcher afficirt sein muß. Das Erröthen ist nicht bloß unwillkürlich; vielmehr erhöht schon der Wunsch es zu unterdrücken, dadurch, daß er zur Aufmerksamkeit auf sich selbst führt, factisch die Neigung dazu.

Jüngere Individuen erröthen viel leichter und häufiger als alte, aber nicht während der ersten Kindheit;[2] dies ist deshalb merkwürdig, weil wir wissen, daß kleine Kinder in einem sehr frühen Alter vor Leidenschaft roth werden. Ich habe den authentischen Bericht über zwei kleine Mädchen im Alter von zwischen zwei und drei Jahren erhalten, welche errötheten, ferner von einem andern empfindlichen, ein Jahr älteren Kinde, welches erröthete, wenn es wegen eines Fehlers getadelt wurde. Viele Kinder erröthen in einem etwas vorgeschritteneren Alter in einer scharf ausgesprochenen Weise. Es scheint, als wären die geistigen Kräfte kleiner Kinder noch nicht hinreichend entwickelt, um ein Erröthen bei ihnen zu gestatten. Daher kommt es auch, daß Idioten selten erröthen. Dr. Crichton Browne beobachtete für mich die unter seiner Pflege Befindlichen, sah aber niemals ein rechtes Erröthen, obschon er gesehen hat, daß ihr Gesicht, allem Anscheine nach aus Freude, wenn ihnen Nahrung vorgesetzt wurde, und aus Zorn roth wurde. Nichtsdestoweniger sind manche, wenn sie nicht im äußersten Grade erniedrigt sind, im Stande zu erröthen. So hat z. B. Dr. Behn[3] einen microcephalen Idioten von dreizehn Jahren beschrieben, dessen Augen ein wenig strahlten, wenn er sich freute, oder wenn er erheitert wurde, und welcher erröthete und sich nach der Seite umwandte, als er der ärztlichen Untersuchung wegen entkleidet wurde.

Frauen erröthen viel mehr als Männer. Es ist selten, einen alten Mann, aber nicht nahezu so selten, eine alte Frau erröthen zu sehen. Die Blinden entgehen dem Erröthen nicht. Laura Bridgman, welche in diesem Zustande und außerdem noch vollständig taub geboren wurde, erröthet.[4] Mr. R. H. Blair, Vorsteher des Worcester-College, [285] gibt an, daß drei blindgeborene Kinder unter sieben oder acht sich zu der Zeit in der Anstalt befindenden leicht und stark erröthen. Anfangs sind sich die Blinden nicht bewußt, daß sie beobachtet werden, und es ist, wie mir Mr. Blair mittheilt, eines der wichtigsten Stücke in ihrer Erziehung, dies Bewustsein ihrem Geiste einzuprägen; der hierdurch erlangte Eindruck dürfte die Neigung zu erröthen durch die Verstärkung der Gewohnheit, die Aufmerksamkeit auf sich selbst zu richten, bedeutend befestigen.

Die Neigung, zu erröthen, wird vererbt. Dr. Burgess theilt den Fall einer Familie mit,[5] bestehend aus dem Vater, der Mutter und zehn Kindern, welche sämmtlich ohne Ausnahme bis zu einem äußerst peinlichen Grade zu erröthen geneigt waren. Die Kinder wuchsen heran, „und einige von ihnen wurden auf Reisen geschickt, um diese krankhafte Empfindlichkeit zu überwinden; es half aber alles nicht das Geringste“. Selbst Eigenthümlichkeiten beim Erröthen scheinen vererbt zu werden. Als Sir James Paget das Rückgrat eines jungen Mädchens untersuchte, fiel ihm die eigenthümliche Art des Erröthens bei ihr auf; es erschien zuerst ein großer rother Fleck auf der einen Wange, dann kamen andere Flecken verschiedentlich über das Gesicht und den Hals zerstreut. Er frug dann später die Mutter, ob ihre Tochter immer in dieser eigenthümlichen Weise erröthet wäre, und erhielt zur Antwort: „Ja, sie ist nach mir gerathen.“ Und nun bemerkte Sir J. Paget, daß er durch das Stellen dieser Frage die Mutter zu erröthen veranlaßt habe; sie zeigte dabei dieselben Eigenthümlichkeiten wie ihre Tochter.

In den meisten Fällen sind das Gesicht, die Ohren und der Hals die einzigen Theile, welche roth werden; viele Personen fühlen aber, während sie intensiv erröthen, daß ihr ganzer Körper zu glühen und zu prickeln anfängt; und dies beweist, daß die ganze Körperoberfläche in irgend einer Art afficirt sein muß. Man sagt zuweilen, daß das Erröthen an der Stirn beginne, häufiger thut es dies an den Wangen und verbreitet sich später bis auf die Ohren und den Hals.[6] Bei zwei von Dr. Burgess untersuchten Albinos begann das Erröthen mit einem kleinen umschriebenen Flecke auf den Wangen über dem Nervengeflecht der Ohrspeicheldrüse und vergrößerte sich dann kreisförmig; [286] zwischen diesem errötheten Kreise und dem Erröthen am Halse bestand eine deutliche Demarcationslinie, obschon beides gleichzeitig eintrat. Die Netzhaut, welche bei den Albinos naturgemäß roth ist, nahm unabänderlich zu derselben Zeit an Röthe zu.[7] Jedermann muß bemerkt haben, wie leicht nach einmaligem Erröthen frische Nachschübe von Erröthen, wenn der Ausdruck gestattet ist, einander über das Gesicht jagen. Dem Erröthen geht ein eigenthümliches Gefühl in der Haut voraus. Nach Dr. Burgess folgt dem Erröthen allgemein eine geringe Blässe, welche zeigt, daß sich die Haargefäße nach der Erweiterung zusammenziehen. In einigen seltenen Fällen wurde unter Umständen, welche ihrer Natur nach ein Erröthen hätten herbeiführen sollen, Blässe verursacht anstatt Röthe. So erzählte mir eine junge Dame, daß sie in einer großen und sehr noblen Gesellschaft mit ihrem Haar so fest am Kopfe eines vorübergehenden Dieners hängen geblieben war, daß es eine Zeit lang dauerte, ehe sie wieder losgemacht werden konnte. Ihren Empfindungen nach bildete sie sich ein, daß sie tief purpurn erröthet sei, und doch versicherte sie eine Freundin, daß sie äußerst blaß geworden wäre.

Ich war begierig zu erfahren, wie weit sich das Erröthen abwärts am Körper erstreckt. Sir James Paget, welcher nothwendigerweise häufige Gelegenheit zur Beobachtung in dieser Hinsicht hat, war so freundlich, während zweier oder dreier Jahre meinetwegen diesen Punkt zu beachten. Er findet, daß sich das Erröthen bei Frauen, welche am Gesicht, an den Ohren und im Nacken intensiv roth werden, gewöhnlich nicht weiter am Körper herunter erstreckt. Man sieht es selten so tief herabreichen, wie bis zu den Schlüsselbeinen und Schulterblättern; er selbst hat niemals einen einzigen Fall gesehen, wo es sich bis über den obern Theil der Brust nach unten erstreckte. Er hat auch bemerkt, daß das Erröthen zuweilen nach unten nicht allmählich und unmerkbar, sondern mit unregelmäßigen blaßrothen Flecken aufhört. Dr. Langstaff hat gleichfalls in meinem Interesse mehrere Frauen beobachtet, deren Körper nicht im Geringsten roth wurde, während ihr Gesicht vom Erröthen tief purpurn wurde. Bei Geisteskranken, von denen einige außerordentlich zu erröthen geneigt scheinen, hat Dr. Crichton Browne mehrere Male das Erröthen bis auf die Schlüsselbeine sich erstrecken sehen und in zwei [287] Fällen sogar bis auf den Busen. Er theilt mir den Fall von einer verheiratheten siebenundzwanzig Jahre alten Frau mit, die an Epilepsie litt. Am Morgen nach ihrer Ankunft in der Anstalt besuchte sie Dr. Browne zusammen mit seinen Assistenten, während sie im Bette lag. Im Augenblicke, als er sich ihr näherte, erröthete sie tief über ihre Wangen und Schläfe und das Erröthen breitete sich schnell bis zu den Ohren aus. Sie war sehr erregt und zitterte leicht. Dr. Browne band nun den Kragen ihres Hemdes auf, um den Zustand ihrer Lungen zu untersuchen und dabei ergoß sich ein glänzendes Erröthen auf ihren Busen, sich in einer bogenförmigen Linie über das obere Drittel jeder Brust und abwärts zwischen die Brüste bis nahe an den schwertförmigen Fortsatz des Brustbeins erstreckend. Es ist dieser Fall deshalb von Interesse, weil sich hiernach das Erröthen nicht eher so weit hinab erstreckte, als bis es dadurch intensiv wurde, daß ihre Aufmerksamkeit auf diesen Theil ihres Körpers gelenkt wurde. Im weiteren Verlaufe der Untersuchung wurde sie ruhig und das Erröthen verschwand; aber bei mehreren spätem Gelegenheiten traten dieselben Erscheinungen wieder auf.

Die vorstehend erwähnten Fälle zeigen, daß sich der allgemeinen Regel nach bei englischen Frauen das Erröthen nicht tiefer hinab als bis zum Halse und dem obern Theil der Brust erstreckt. Nichtsdestoweniger theilt mir Sir James Paget mit, daß er kürzlich von einem Fall gehört habe, und er könne sich sicher auf die Angabe verlassen, in welchem ein kleines Mädchen, über etwas beleidigt, was ihrer Idee nach ein Act der Unzartheit war, über ihr ganzes Abdomen und die obern Theile ihrer Beine erröthete. Auch Moreau berichtet[8] nach der Autorität eines berühmten Malers, daß die Brust, Schultern, Arme und der ganze Körper eines Mädchens, welches sich nach Widerstreben dazu verstanden hatte, als Modell zu dienen, roth wurden, als sie zum ersten Male von ihren Kleidern entblößt wurde.

Es ist ziemlich merkwürdig, warum in den meisten Fällen das Gesicht, die Ohren und der Hals allein roth werden, während doch häufig die ganze Oberfläche des Körpers prickelt und heiß wird. Dies scheint hauptsächlich davon abzuhängen, daß das Gesicht und die benachbarten Theile der Haut gewöhnlich der Luft, dem Lichte und den Temperaturveränderungen ausgesetzt gewesen sind, durch welche [288] Einflüsse die kleinen Arterien nicht bloß die Gewohnheit erlangt haben, sich leicht zu erweitern und zusammenzuziehen, sondern auch im Vergleich mit andern Stellen der Oberfläche ungewöhnlich entwickelt worden zu sein scheinen.[9] Wie Mr. Moreau und Dr. Burgess bemerkt haben, ist dies wahrscheinlich Folge derselben Ursache, aus welcher das Gesicht auch unter verschiedenen Umständen so leicht roth wird (wie in einem Fieberanfalle, bei gewöhnlicher Wärme, heftiger Anstrengung, bei Zorn, einem leichten Schlage u. s. w.), auf der andern Seite aber vor Kälte und Furcht leicht blaß, und während der Schwangerschaft misfarben wird. Das Gesicht ist auch ganz eigenthümlich bei Hautkrankheiten, wie bei Pocken, Rose u. s. w. dem Ergriffenwerden ausgesetzt. Diese Ansicht wird auch von der Thatsache unterstützt, daß Menschen gewisser Rassen, welche gewöhnlich nahezu nackt gehen, häufig über ihre Arme, über die Brust und selbst bis hinab auf ihre Taille erröthen. Eine Dame, welche leicht und stark erröthet, theilte Dr. Browne mit, daß, wenn sie sich beschämt oder aufgeregt fühlt, sie über das Gesicht, den Hals, die Handgelenke und Hände erröthet, — d. h. also über alle unbedeckten Theile der Haut. Nichtsdestoweniger läßt sich doch zweifeln, ob das gewohnheitsgemäße Ausgesetztsein der Haut, des Gesichts und des Halses und das davon abhängige Vermögen, auf Reize aller Arten zu reagiren, an sich hinreichend ist, die Neigung bei Engländerinnen in diesen Theilen viel bedeutender zu erröthen als an anderen zu erklären. Denn die Hände sind mit Nerven und kleinen Gefäßen hinreichend versorgt und sind der Luft eben so viel ausgesetzt gewesen als das Gesicht oder der Hals, und doch erröthen die Hände selten. Wir werden sofort sehen, wie der Umstand, daß die Aufmerksamkeit des Geistes viel häufiger und eingehender auf das Gesicht als auf irgend einen andern Theil des Körpers gerichtet gewesen ist, wahrscheinlich eine genügende Erklärung darbietet.


Das Erröthen bei den verschiedenen Menschenrassen. — Die kleinen Gefäße des Gesichts werden in Folge der Erregung der Scham bei fast allen Menschenrassen mit Blut erfüllt, obschon bei den sehr dunklen Rassen keine deutliche Farben Veränderung wahrgenommen [289] werden kann. Das Erröthen ist bei allen arischen Nationen von Europa deutlich und in gewissem Grade auch bei denen Ost-Indiens. Aber Mr. Erskine hat niemals bemerkt, daß der Hals der Hindus entschieden davon ergriffen würde. Bei den Lepchas des Sikkim hat Mr. Scott häufig ein leichtes Erröthen auf den Wangen beobachtet, ferner an der Basis der Ohren und an den Seiten des Halses in Verbindung mit niedergeschlagenen Augen und einem herabgesenkten Kopfe. Dies ist eingetreten, wenn er irgend eine Falschheit bei ihnen entdeckt oder sie der Undankbarkeit beschuldigt hatte. Die blasse eigenthümlich bleiche Gesichtsfarbe dieser Leute macht ein Erröthen bei ihnen deutlicher als bei den meisten der andern Eingebornen von Indien. Bei den letzteren wird Scham, oder es könnte zum Theil auch Furcht sein, der Angabe Mr. Scott's zufolge viel deutlicher dadurch ausgedrückt, daß der Kopf abgewandt oder niedergebeugt wird, wobei die Augen hin und her schwanken oder nur von der Seite blicken, als durch irgend eine Farbenveränderung in der Haut.

Die semitischen Rassen erröthen leicht und stark, wie sich schon aus ihrer allgemeinen Ähnlichkeit mit den Ariern hätte erwarten lassen. So heißt es von den Juden beim Jeremias (Cap. 6, V. 15): „Wie wohl sie wollen ungeschändet sein und wollen sich nicht schämen (erröthen)“.[10] Mr. Asa Gray sah einen Araber, der sein Boot auf dem Nile sehr schwerfällig behandelte; und als er von seinen Begleitern ausgelacht wurde, „erröthete er vollständig bis in den Nacken“. Lady Duff Gordon bemerkt, daß ein junger Araber erröthete, als er in ihre Nähe kam.[11]

Mr. Swinhoe hat die Chinesen erröthen sehen, glaubt aber, daß dies selten ist. Doch haben sie den Ausdruck „vor Scham roth werden“. Mr. Geach theilt mir mit, daß die in Malacca niedergelassenen Chinesen und die eingebornen Malayen des Innern beide erröthen. Einige von diesen Leuten gehen nahezu nackt; Mr. Geach war daher vorzüglich auf die Ausdehnung des Erröthens abwärts aufmerksam. Mit Hinweglassung der Fälle, in denen nur das Gesicht erröthend gesehen wurde, beobachtete Mr. Geach, daß das Gesicht, die Arme und die Brust eines vierundzwanzig Jahre alten Chinesen vor Scham [290] roth wurden, und bei einem andern Chinesen wurde der ganze Körper in ähnlicher Weise afficirt, als er gefragt wurde, warum er seine Arbeit nicht besser gethan hätte. Bei zwei Malayen[12] sah Mr. Geach, daß das Gesicht, der Hals, die Brust und die Arme errötheten, und bei einem dritten Malayen (einem Bugis) erstreckte sich das Erröthen bis zur Taille hinab.

Die Polynesier erröthen sehr viel. Mr. Stack hat hunderte von Beispielen bei den Neu-Seeländern gesehen. Der folgende Fall ist der Erwähnung werth, da er sich auf einen alten Mann bezieht, welcher ungewöhnlich dunkelfarbig und zum Theil tättowirt war. Nachdem er sein Land für eine geringe jährliche Rente an einen Engländer verpachtet hatte, ergriff ihn eine starke Leidenschaft, sich einen Gig zu kaufen, was vor Kurzem bei den Maoris Mode geworden war. In Folge dessen wünschte er die ganze Rente für vier Jahre von seinem Pächter voraus zu erhalten und consultirte Mr. Stack, ob er dies thun könne. Der Mann war alt, schwerfällig, arm und zerlumpt, und die Idee, daß er sich in seinem Wagen zum Ansehenlassen herumfahren könne, erheiterte Mr. Stack so sehr, daß er nicht umhin konnte, in Lachen auszubrechen, und hierauf „erröthete der alte Mann bis an seine Haarwurzeln“. Forster sagt,[13] daß man auf den Wangen der schönsten Frauen in Tahiti „leicht ein sich ausbreitendes Erröthen unterscheiden könne“. Auch die Eingebornen mehrerer der andern Archipelage des stillen Oceans erröthen, wie man gesehen hat.

[291] Mr. Washington Matthews hat häufig ein Erröthen auf den Gesichtern der jungen Mädchen gesehen, die zu verschiedenen wilden Indianerstämmen von Nord-America gehörten. Am entgegengesetzten Ende des Continents im Feuerlande erröthen die Eingebornen der Angabe Mr. Bridges' zufolge „sehr, aber vorzüglich mit Rücksicht auf Frauen; sie erröthen aber sicher auch über ihre eigene persönliche Erscheinung“. Diese letztere Angabe stimmt mit dem überein, dessen ich mich von dem Feuerländer Jemmy Button erinnere, welcher erröthete, als er über die Sorgfalt geneckt wurde, mit welcher er seine Schuhe blank machte und sich auf andere Weise noch schmückte. In Bezug auf die Aymara-Indianer auf dem hochgelegenen Plateau von Bolivien sagt Mr. Forbes,[14] daß es wegen der Farbe ihrer Haut unmöglich ist, ihr Erröthen so deutlich zu sehen, wie bei den weißen Rassen. „Es läßt sich aber unter solchen Umständen, welche bei uns ein Erröthen hervorrufen würden, immer derselbe Ausdruck der Bescheidenheit oder Verwirrung erkennen, und selbst im Dunkeln kann man eine Erhöhung der Temperatur der Haut des Gesichtes fühlen, genau so, wie es bei Europäern vorkommt.“ Bei den Indianern, welche die warmen gleichförmig feuchten Theile von Süd-America bewohnen, antwortet dem Anscheine nach die Haut der geistigen Erregung nicht so leicht wie bei den Eingebornen der nördlichen und südlichen Theile des Continents, welche lange großem Klimawechsel ausgesetzt gewesen sind; denn Humboldt citirt, ohne einen Protest dagegen zu erheben, die spöttische Bemerkung des Spaniers: „Wie kann man denen trauen, welche nicht erröthen können?“[15] Wo Spix und Martius von den Ureinwohnern von Brasilien sprechen, führen sie an, daß man nicht eigentlich sagen könne, sie erröthen; „erst nach langem Verkehr mit den Weißen und nachdem sie eine gewisse Erziehung erhalten hatten, konnten wir bei den Indianern eine Veränderung der Farbe wahrnehmen, welche für die Erregungen ihrer Seele ausdrucksvoll war“.[16] Es ist indeß unglaublich, daß das Vermögen zu erröthen in dieser Weise entstanden sein könne: die Gewohnheit der Selbstaufmerksamkeit aber, welche eine Folge ihrer Erziehung und ihrer neuen Lebensweise war, dürfte jene eingeborne Neigung zum Erröthen bedeutend verstärkt haben.

[292] Mehrere glaubwürdige Beobachter haben mir versichert, daß sie auf den Gesichtern der Neger eine Erscheinung bemerkt hätten, welche einem Erröthen ähnlich ist, und zwar unter Umständen, welche ein solches bei uns erregt haben würden, trotzdem die Haut von einer ebenholzschwarzen Färbung war. Manche beschreiben es als ein braunes Erröthen; die Meisten sagen aber, daß die Schwärze dann noch intensiver wird. Ein vermehrter Zufluß von Blut in die Haut scheint in einer gewissen Weise deren Schwärze zu erhöhen; so lassen gewisse exanthematische Krankheiten die afficirten Stellen auf der Haut bei dem Neger schwärzer erscheinen, statt daß sie wie bei uns röther würden.[17] Vielleicht dürfte auch die Haut, weil sie durch die Erfüllung der Haargefäße gespannter wird, eine etwas verschiedene Farbe reflectiren, als sie vorher that. Daß die Haargefäße des Gesichts unter der Gemüthserregung der Scham beim Neger mit Blut erfüllt werden, können wir getrost annehmen, weil eine vollständig als solche characterisirte Albino-Negerin, welche Buffon beschrieben hat,[18] einen leichten purpurnen Anflug auf ihren Wangen zeigte, als sie sich nackend darstellen mußte. Narben der Haut bleiben beim Neger lange Zeit weiß, und Dr. Burgess, welcher häufig Gelegenheit hatte, eine Narbe dieser Art im Gesichte einer Negerin zu beobachten, hat deutlich gesehen, daß die Narbe „ausnahmslos roth wurde, sobald die Negerin plötzlich angeredet oder in irgend einer Weise unbedeutend beschuldigt wurde“.[19] Man konnte sehen, daß das Erröthen von der Peripherie der Narbe nach dem Mittelpunkte hin fortschritt, es erreichte aber den letzteren nicht. Mulatten erröthen häufig sehr leicht und stark, wobei ein rother Hauch nach dem andern über ihr Gesicht zieht. Nach diesen Thatsachen läßt sich nicht daran zweifeln, daß Neger erröthen, obschon die Röthe selbst auf der Haut nicht sichtbar wird.

Gaika und Mrs. Barber haben mir beide versichert, daß die [293] Kaffern von Süd-Africa niemals errötlien. Dies dürfte aber vielleicht nur heißen, daß keine Farbenveränderung zu unterscheiden ist. Gaika fügt hinzu, daß unter den Umständen, welche einen Europäer erröthen machen würden, seine Landsleute „sich schämen, den Kopf aufrecht zu halten.“

Vier meiner Correspondenten haben angegeben, daß die Australier, welche beinahe so schwarz sind wie die Neger, niemals erröthen. Ein fünfter beantwortet meine Frage mit einem Zweifel, wobei er bemerkt, daß wegen des schmutzigen Zustandes ihrer Haut nur ein sehr starkes Erröthen würde gesehen werden können. Drei Beobachter geben an, daß die Australier wirklich erröthen;[20] Mr. S. Wilson fügt noch hinzu, daß dies nur in Folge einer starken Erregung bemerkbar wird und wenn die Haut nicht in Folge langen Ausgesetztseins und eines Mangels an Reinlichkeit zu dunkel ist. Mr. Lang antwortet: „Ich habe bemerkt, daß Scham beinahe immer ein Erröthen hervorruft, welches sich häufig den ganzen Hals herab erstreckt.“ Scham zeigt sich auch, wie er hinzufügt, dadurch, „daß die Augen von einer Seite zur andern gedreht werden“. Da Mr. Lang ein Lehrer in einer Eingebornenschule war, so hat er wahrscheinlich hauptsächlich Kinder beobachtet, und wir wissen, daß sie mehr erröthen als Erwachsene. Mr. G. Taplin hat Halbblutmischlinge erröthen gesehen und er sagt, daß die Ureinwohner ein Wort haben, was Scham ausdrückt. Mr. Hagenauer, welcher einer von denen ist, welche niemals die Australier erröthen gesehen haben, sagt, daß „er gesehen habe, wie sie vor Scham auf die Erde blicken“; und der Missionär Mr. Bulmer bemerkt: „Obschon ich nicht im Stande gewesen bin, irgend etwas der Scham Ähnliches bei den erwachsenen Eingebornen zu entdecken, habe ich doch bemerkt, daß die Augen der Kinder, wenn sie verschämt sind, ein ruheloses wässeriges Ansehen darbieten, als wenn sie nicht wüßten, wo sie hinsehen sollten.“

Die bis jetzt mitgetheilten Thatsachen reichen wohl hin, nachzuweisen, daß das Erröthen, mag nun irgend eine Farbenveränderung dabei vorliegen oder nicht, den meisten und wahrscheinlich allen Menschenrassen gemeinsam zukommt.

[294] Bewegungen und Geberden, welche das Erröthen begleiten. — Bei einem scharfen Gefühle der Scham ist auch ein starkes Verlangen nach Verbergen vorhanden.[21] Wir wenden den ganzen Körper und ganz besonders das Gesicht weg, welches wir in irgend einer Art zu verbergen suchen. Eine sich schämende Person kann es kaum ertragen, den Blicken der Anwesenden zu begegnen, so daß sie beinahe unabänderlich die Augen niederschlägt oder von der Seite in die Höhe sieht. Da allgemein in derselben Zeit auch ein starkes Verlangen vorhanden ist, die Erscheinung der Scham zu vermeiden, so wird ein vergeblicher Versuch gemacht, direct die Person anzusehen, welche dies Gefühl verursacht; und der Gegensatz zwischen diesen beiden entgegengesetzten Neigungen führt zu verschiedenen unruhigen Bewegungen der Augen. Ich habe bemerkt, wie zwei Damen beim Erröthen, was sie außerordentlich gern thaten, einen dem Anscheine nach äußerst merkwürdigen Zug sich angewöhnt hatten, nämlich unablässig mit den Augenlidern mit außerordentlicher Geschwindigkeit zu blinken. Ein intensives Erröthen wird zuweilen von einem leichten Thränenergusse begleitet,[22] und ich vermuthe, daß dies eine Folge davon ist, daß die Thränendrüsen an dem vermehrten Blutzuflusse theilnehmen, welcher, wie wir wissen, in die Haargefäße der benachbarten Theile mit Einschluß der Netzhaut einströmt.

Viele Schriftsteller, sowohl alte als neuere, haben die vorstehend erwähnten Bewegungen bemerkt, und es ist bereits gezeigt worden, daß die Ureinwohner verschiedener Theile der Erde häufig ihre Scham durch das Abwärts- oder Seitwärtsblicken, oder durch unruhige Bewegung ihrer Augen ausdrücken. Esra ruft aus, Cap. 9, Vers 6: „Mein Gott, ich schäme mich und scheue mich, meine Augen aufzuheben zu Dir, mein Gott!“ Im Jesaias (Cap. 50, Vers 6) finden wir die Worte: „mein Angesicht verbarg ich nicht vor Scham und Speichel.“ [295] Seneca bemerkt (Episteln XI, 5), „daß die römischen Schauspieler ihre Köpfe hängen lassen, ihre Augen auf den Boden heften und sie gesenkt erhalten, aber nicht fähig sind, beim Darstellen der Scham zu erröthen“. Nach Macrobius, welcher im fünften Jahrhundert lebte (Saturnalia, VII, 11), „behaupten die Naturphilosophen, daß die durch die Scham bewegte Natur das Blut vor ihr wie einen Schleier ausbreitet, da wir Jemand, der erröthet, auch häufig seine Hände vor das Gesicht halten sehen“. Shakespeare läßt Marcus zu seiner Nichte sagen (Titus Andronicus, Act II, Scene 5): „Ach, wendst Du jetzt Dein Angesicht weg aus Scham?“ Eine Dame theilt mir mit, daß sie in dem Lock-Hospital ein Mädchen gefunden habe, welches sie früher gekannt habe und welche ein verworfenes Subject geworden sei. Als sie sich dem armen Geschöpfe näherte, verbarg dasselbe sein Gesicht unter den Betttüchern und konnte nicht überredet werden, sich sehen zu lassen. Wir sehen häufig kleine Kinder, wenn sie schüchtern oder verschämt sind, sich wegwenden und noch immer aufrecht stehend ihre Gesichter in den Kleidern der Mutter verbergen; oder sie werfen sich mit dem Gesichte nach unten in den Schoß.

Verwirrung des Geistes. — Bei den meisten Personen verwirren sich, während sie intensiv erröthen, ihre geistigen Fähigkeiten. Dies ist in derartigen gewöhnlichen Ausdrücken anerkannt wie: „sie wurde von Verlegenheit übergossen“. Personen in dieser Gemüthsverfassung verlieren ihre Geistesgegenwart und bringen eigenthümliche unpassende Bemerkungen hervor. Sie sind häufig sehr zerstreut, stottern und machen verkehrte Bewegungen oder fremdartige Grimassen. In gewissen Fällen kann man unwillkürliches Zucken einiger der Gesichtsmuskeln beobachten. Mir hat eine junge Dame, welche ganz excessiv erröthet, mitgetheilt, daß sie zu solchen Zeiten nicht einmal weiß, was sie sagt. Als die Vermuthung gegen sie ausgesprochen wurde, daß dies eine Folge ihrer Angst sein dürfte, weil sie sich dessen bewußt würde, daß man ihr Erröthen bemerke, antwortete sie, daß dies nicht der Fall sein könnte, „denn sie habe sich zuweilen genau so dumm gefühlt, wenn sie über einen Gedanken in ihrem eigenen Zimmer erröthete.“

Ich will ein Beispiel von der außerordentlichen Störung des Geistes anführen, welcher manche empfindliche Menschen ausgesetzt sind. — Ein Herr, auf den ich mich verlassen kann, versichert mir, [296] daß er ein Augenzeuge der folgenden Scene gewesen ist: — Es wurde zu Ehren eines außerordentlich schüchternen Menschen ein kleines Mittagessen gegeben. Als derselbe aufstand, seinen Dank zu sagen, sagte er die Rede her, welche er offenbar auswendig gelernt hatte, indeß im absoluten Stillschweigen und ohne daß er ein einziges Wort laut ausgesprochen hätte, aber mit großer Emphase. Als seine Freunde merkten, wie die Sache stand, applaudirten sie laut dem vermeintlichen Ausbruch der Beredsamkeit, sobald seine Geberde eine Pause andeutete, und der Mann entdeckte nicht einmal, daß er die ganze Zeit vollständig schweigend verharrt hatte. Im Gegentheil bemerkte er später gegen meinen Freund mit vieler Genugthuung, wie er glaube, daß er seine Sache ganz außerordentlich gut gemacht habe.

Wenn Jemand sich sehr schämt oder sehr schüchtern ist und instinctiv erröthet, so schlägt sein Herz sehr geschwind und sein Athem wird gestört. Es kann hierbei kaum anders geschehen, als daß die Circulation des Blutes innerhalb des Gehirns und vielleicht auch die geistigen Kräfte afficirt werden. Es scheint indeß zweifelhaft, nach den noch mächtigeren Einflüssen des Zornes und der Furcht auf die Circulation zu urtheilen, ob wir hierdurch den verlegenen Zustand bei Personen, welche intensiv erröthen, erklären können.

Die richtige Erklärung liegt allem Anscheine nach in der innigen Sympathie, welche zwischen dem capillaren Kreislaufe auf der Oberfläche des Kopfes und des Gesichts und dem des Gehirns besteht. Ich wandte mich an Dr. Crichton Browne um Aufschluß und er hat mir verschiedene auf diesen Gegenstand Bezug habende Thatsachen mitgetheilt. Wenn der sympathische Nerv auf einer Seite des Kopfes durchschnitten wird, so werden die Haargefäße auf dieser Seite erschlafft und mit Blut erfüllt; sie verursachen hierdurch eine Röthung und ein Warmwerden der Haut und gleichzeitig auch ein Steigen der Temperatur innerhalb des Schädels auf derselben Seite. Entzündung der Hornhaut führt eine Überfüllung des Gesichts, der Ohren und der Augen mit Blut herbei. Das erste Stadium bei einem epileptischen Anfalle scheint die Zusammenziehung der Gefäße des Gehirns zu sein und die erste äußere Offenbarung ist die außordentliche Blässe des Gesichts. Kopfrose verursacht gewöhnlich Delirien. Selbst die bei heftigen Kopfschmerzen durch eine starke Einreibung hervorgerufene Erleichterung durch Erhitzen der Haut hängt, wie ich vermuthe, von demselben Grundsatze ab.

[297] Dr. Browne hat bei seinen Patienten häufig die Dämpfe von salpetrigsaurem Amyläther angewendet[23], welcher die eigenthümliche Eigenschaft hat, lebhafte Röthe des Gesichts innerhalb dreißig bis sechsig Secunden hervorzurufen. Dieses Rothwerden ist dem Erröthen vor Scham in beinahe jeder Einzelnheit ähnlich: Es beginnt an mehreren verschiedenen Punkten im Gesicht und breitet sich aus, bis es die ganze Oberfläche des Kopfes, Halses und der Vorderseite der Brust umfaßt. Aber nur in einem einzigen Falle hat man beobachtet, daß es sich bis auf den Bauch erstreckte. Die Arterien der Netzhaut werden erweitert, die Augen glänzen, und in einem Falle trat ein leichter Thränenerguß ein. Die Patienten werden anfangs angenehm erregt; wie aber das Rothwerden zunimmt, werden sie verlegen und verstört. Eine Frau, bei welcher die Dämpfe häufig angewendet worden waren, behauptete, daß, sobald sie warm werde, sie wie „umnebelt“ würde. Bei Personen, welche eben beginnen zu erröthen, scheint es, nach ihren glänzenden Augen und ihrem lebendigen Betragen zu urtheilen, als ob ihre Geisteskräfte etwas angeregt würden. Nur wenn das Erröthen excessiv wird, wird der Geist verwirrt. Es möchte daher scheinen, als würden die Haargefäße des Gesichts sowohl während der Einathmung der Amyläther-Dämpfe als auch während des Erröthens eher afficirt, als der Theil des Gehirns mit ergriffen wird, von dem die Geistesfähigkeiten abhängen.

Wenn umgekehrt das Gehirn an erster Stelle afficirt wird, so wird die Circulation der Haut in einer secundären Art ergriffen. Dr. Browne hat, wie er mir mittheilt, häufig zerstreute rothe Flecken und Zeichnungen an der Brust epileptischer Patienten beobachtet. Wenn in diesen Fällen die Haut an der Brust oder an dem Bauch leicht mit einem Pinsel oder einem andern Gegenstande gerieben oder bei scharf ausgesprochenen Fällen einfach mit dem Finger berührt wird, so wird die berührte Oberflächenstelle in weniger als einer halben Minute mit hellrothen Flecken bedeckt, welche sich eine geringe Entfernung auf beiden Seiten des berührten Punktes hin ausbreiten und mehrere Minuten stehen bleiben. Dies sind die „cerebralen Flecken“ Trousseau's. Sie deuten, wie Dr. Browne bemerkt, einen im hohen Grade modificirten Zustand des Gefäßsystems der Haut an. [298] Wenn dann nun, wie nicht bezweifelt werden kann, eine innige Sympathie zwischen der capillaren Circulation in dem Theile des Gehirns, von welchem unsere Geistesfähigkeiten abhängen, und in der Haut des Gesichts besteht, so ist es nicht überraschend, daß die moralischen Ursachen, welche intensives Erröthen hervorrufen, gleichfalls und zwar unabhängig von ihrem eigentlichen störenden Einflusse eine starke Verwirrung des Geistes verursachen.


Die Natur der Seelenzustände, welche Erröthen herbeiführen. — Es bestehen dieselben aus Schüchternheit, Scham und Bescheidenheit; das wesentlichste Element bei allen ist Aufmerksamkeit auf sich selbst. Viele Gründe können für die Annahme beigebracht werden, daß ursprünglich diese Selbstbeachtung, welche der persönlichen Erscheinung zugewendet ist, in Bezug auf die Meinung Anderer, die erregende Ursache war. Dieselbe Wirkung wurde dann später, in Folge der Kraft der Association, durch Selbstaufmerksamkeit in Bezug auf die moralische Führung hervorgebracht. Es ist nicht der einfache Act, über unsere eigene Erscheinung nachzudenken, sondern der Gedanke, was Andere von uns denken, welcher ein Erröthen hervorruft. In absoluter Einsamkeit würde die empfindlichste Person vollständig indifferent über ihre Erscheinung sein. Wir empfinden Tadel oder Misbilligung viel schärfer als Billigung; in Folge dessen verursachen geringschätzende oder lächerlich machende Bemerkungen, mögen sie sich auf unsere Erscheinung oder unser Betragen beziehen, viel leichter ein Erröthen als Lob. Unzweifelhaft sind aber Lob und Bewunderung äußerst wirksam. Ein hübsches Mädchen erröthet, wenn ein Mann sie scharf ansieht, trotzdem sie vollkommen sicher weiß, daß er sie nicht geringschätzt. Viele Kinder erröthen ebenso wie alte und empfindsame Personen, wenn sie sehr gelobt werden. Später wird die Frage erörtert werden, woher es gekommen ist, daß das Bewußtsein, Andere schenken unserer persönlichen Erscheinung Aufmerksamkeit, dahin geführt hat, daß die Haargefäße, speciell die des Gesichtes, im Augenblicke mit Blut gefüllt werden.

Die Gründe, weshalb ich annehme, daß die der persönlichen Erscheinung und nicht dem moralischen Betragen zugewendete Aufmerksamkeit das fundamentale Element bei der Erlangung der Gewohnheit des Erröthens gewesen ist, sollen jetzt mitgetheilt werden. Einzeln sind sie unbedeutend, besitzen aber in Verbindung, wie es mir [299] scheint, beträchtliches Gewicht. Es ist notorisch, daß nichts eine schüchterne Person so stark zum Erröthen bringt, als irgend eine wenn auch noch so unbedeutende Bemerkung über ihre persönliche Erscheinung. Man kann selbst den Anzug einer leicht zum Erröthen geneigten Frau nicht beachten, ohne dadurch zu veranlassen, daß sich ihr Gesicht purpurn färbt. Bei manchen Personen genügt es, sie scharf anzustarren, um sie, wie Coleridge bemerkt, „erröthen zu machen: — Erkläre dies wer kann“.[24]

Bei den zwei von Dr. Burgess[25] beobachteten Albinos verursachte „der geringste Versuch, ihre Eigentümlichkeiten zu untersuchen, ausnahmlos ein tiefes Erröthen.“ Frauen sind viel empfindlicher in Bezug auf ihre persönliche Erscheinung als es Männer sind, besonders alte Frauen im Vergleich mit alten Männern. Auch erröthen sie viel leichter. Die jungen Individuen beiderlei Geschlechts sind in Bezug auf denselben Punkt viel empfindlicher als die alten und sie erröthen auch viel leichter als alte. Kinder erröthen in einem sehr frühen Alter nicht, auch zeigen sie die andern Zeichen des Selbstbewußtwerdens nicht, welche allgemein das Erröthen begleiten, und es ist einer ihrer Hauptreize, daß sie nicht darüber nachdenken, was Andere von ihnen denken. In diesem frühen Alter können sie einen Fremden mit einem festen Blicke und nicht blinkenden Augen wie einen unbelebten Gegenstand anstarren in einer Weise, welche wir ältere Personen nicht nachahmen können.

Es ist für Jedermann klar, daß junge Männer und Frauen in Bezug auf die gegenseitige Meinung hinsichtlich ihrer persönlichen Erscheinung im hohen Grade empfindlich sind, und sie erröthen unvergleichlich mehr in der Gegenwart des andern Geschlechts als in der ihres eigenen.[26] Ein junger nicht leicht erröthender Mann wird sofort bei irgend einer unbedeutenden lächerlichen Bemerkung eines Mädchens über seine Erscheinung intensiv erröthen, dessen Urtheil über irgend einen wichtigen Gegenstand er vollständig unbeachtet lassen würde. Kein glückliches Paar junger Liebender, welche die [300] Bewunderung und die Liebe des andern höher als irgend etwas in der Welt werth halten, hat sich wahrscheinlich je um einander beworben ohne so manches Erröthen. Selbst die Barbaren des Feuerlandes erröthen nach Mr. Bridges „hauptsächlich in Bezug auf die Frauen, aber sicher auch über ihre eigene persönliche Erscheinung.“

Von allen Theilen des Körpers wird das Gesicht am meisten betrachtet und angesehen, wie es auch natürlich ist, da es der hauptsächlichste Sitz des Ausdrucks und die Quelle der Stimme darbietet. Es ist auch der hauptsächlichste Sitz der Schönheit und der Häßlichkeit und über die ganze Erde ist es der am meisten geschmückte Theil.[27] Es wird daher das Gesicht während vieler Generationen einer näheren und eingehenderen Selbstbetrachtung unterworfen gewesen sein als irgend ein anderer Theil des Körpers; und in Uebereinstimmung mit dem hier erwähnten Gesetze können wir einsehen, warum es am meisten dem Erröthen unterworfen ist. Obschon der Umstand, daß die Haargefäße des Gesichts und der benachbarten Theile den Temperaturveränderungen u. s. w. am meisten ausgesetzt gewesen sind, wahrscheinlich die Fähigkeit derselben sich zu erweitern und zusammen zu ziehen bedeutend erhöht hat, so wird dies doch an sich kaum erklären, warum diese Theile viel mehr als der übrige Körper erröthen; denn es erklärt die Thatsache nicht, das die Hände so selten erröthen. Bei Europäern prickelt der ganze Körper leicht, wenn das Gesicht intensiv erröthet, und bei denjenigen Menschenrassen, welche gewohnheitsgemäß fast nackt gehen, erstreckt sich das Erröthen über einen viel größeren Theil des Körpers als bei uns. Diese Thatsachen sind in einem gewissen Grade verständlich, da die Selbstbeachtung der Urmenschen ebenso wie derjenigen existirenden Rassen, welche noch immer nackt gehen, nicht so ausschließlich auf ihr Gesicht beschränkt gewesen sein wird, wie es bei den Völkern der Fall ist, welche jetzt bekleidet einhergehen.

Wir haben gesehen, daß in allen Theilen der Welt Personen, welche über irgend ein moralisches Vergehen Scham fühlen, geneigt sind, ihr Gesicht abzuwenden, niederzubeugen oder zu verbergen, unabhängig von irgend einem Gedanken über ihre persönliche Erscheinung. Die Absicht kann hier kaum die sein, ihr Erröthen zu verbergen, [301] denn das Gesicht wird dabei unter Umständen abgewendet oder verborgen, welche jeden Wunsch, die Scham zu verbergen, ausschließen, so wenn eine Schuld umständlich bekannt und bereut wird. Es ist indeß wahrscheinlich, daß der Urmensch, ehe er eine große moralische Empfindlichkeit erlangt hatte, im hohen Grade in Bezug auf seine persönliche Erscheinung empfindlich gewesen ist, wenigstens in Rücksicht auf das andere Geschlecht, und er wird in Folge dessen bei jeder geringschätzigen Bemerkung über seine Erscheinung Unbehagen empfunden haben. Dies ist eine Form der Scham: und da das Gesicht derjenige Theil des Körpers ist, welcher am meisten angesehen wird, so ist es verständlich, daß ein Jeder, der über seine persönliche Erscheinung in Scham geräth, den Wunsch haben wird, diesen Theil seines Körpers zu verbergen. Ist die Gewohnheit einmal hiernach erlangt werden, so wird sie natürlich beibehalten worden sein, wenn Scham aus streng moralischen Ursachen empfunden wurde. Es ist nicht leicht in anderer Weise einzusehen, warum unter diesen Umständen ein Verlangen noch vorhanden sein sollte, das Gesicht mehr als irgend einen anderen Theil des Körpers zu verbergen.

Die bei einem Jeden, der sich beschämt fühlt, so allgemeine Angewöhnung, sich wegzuwenden oder seine Augen zu senken, oder dieselben unruhig von einer Seite zur andern zu bewegen, ist wahrscheinlich eine Folge davon, daß jeder auf die Personen, welche gegenwärtig sind, gerichtete Blick die Überzeugung ihm wieder vor die Seele führt, daß er intensiv betrachtet wird; und er versucht daher dadurch, daß er die gegenwärtigen Personen und besonders ihre Augen nicht ansieht, momentan dieser peinlichen Überzeugung zu entgehen.


Schüchternheit. — Dieser merkwürdige Seelenzustand, der häufig auch Blödigkeit oder falsche Scham oder ,mauvaise honte' genannt wird, scheint eine der allerwirksamsten unter allen Ursachen des Erröthens zu sein. Es wird allerdings die Schüchternheit hauptsächlich durch die Röthung des Gesichts, durch das Wegwenden oder Niederschlagen der Augen und durch eigenthümliche verkehrte nervöse Bewegungen des Körpers erkannt. So manche Frau erröthet aus dieser Ursache vielleicht hundert oder tausendmal, während sie nur ein einziges Mal deshalb erröthet, daß sie irgend etwas gethan hat, [302] was Scham verdient oder worüber sie sich wirklich schämt. Die Schüchternheit scheint von der Empfindlichkeit für die Meinung Anderer, mag dieselbe eine gute oder schlechte sein, abzuhängen und besonders in Bezug auf die äußere Erscheinung. Fremde wissen nichts von unserem Betragen oder unserem Character und kümmern sich auch nicht darum, aber sie können unsre Erscheinung kritisiren und thun dies auch häufig. Daher sind schüchterne Personen ganz besonders geneigt, in der Gegenwart von Fremden schüchtern zu werden und zu erröthen. Das Bewußtsein, irgend etwas Eigenthümliches oder selbst nur Neues an der Kleidung zu haben, oder irgend ein unbedeutender tadelnswerther Punkt an seiner Person und ganz besonders im Gesicht — Punkte, welche sehr leicht die Aufmerksamkeit Fremder auf sich lenken — macht den einmal schon Schüchternen ganz unerträglich schüchtern. Auf der andern Seite sind wir in denjenigen Fällen, in welchen es sich um unser Betragen und nicht um die persönliche Erscheinung handelt, viel mehr geneigt, in der Gegenwart von Bekannten schüchtern zu werden, deren Urtheil wir in einem gewissen Grade schätzen, als in der von Fremden. Ein Arzt erzählte mir, daß ein junger Mann, ein wohlhabender Herzog, mit dem er als ärztlicher Begleiter gereist war, wie ein Mädchen erröthete, wenn er ihm sein Honorar bezahlte. Doch würde dieser junge Mann wahrscheinlich nicht erröthet oder schüchtern geworden sein, wenn er einem Kaufmanne seine Rechnung bezahlt hätte. Einige Personen sind indessen so empfindsam, daß der blosse Act des Sprechens beinahe mit Jedermann hinreichend ist, ihr Selbstbewußtsein zu erregen, und dann ist ein leichtes Erröthen das Resultat.

Misbilligung oder Lächerlichmachen verursacht wegen unserer Empfindlickkeit in diesem Punkte Schüchternheit und Erröthen viel leichter als Billigung, obgleich auch die letztere bei einigen Personen außerordentlich wirksam ist. Der Eingebildete ist selten schüchtern, denn er schätzt sich viel zu hoch, als daß er Geringschätzung erwarten könnte. Warum ein stolzer Mann häufig schüchtern ist, wie es der Fall zu sein scheint, liegt nicht so auf der Hand, wenn es nicht deshalb wäre, daß er mit all seinem Selbstvertrauen wirklich viel von der Meinung Anderer hält, obschon in einem geringschätzenden Sinne. Personen, welche äußerst scheu sind, sind selten in der Gegenwart derjenigen schüchtern, mit denen sie vollständig vertraut sind und von deren guter Meinung und Sympathie sie vollkommen [303] versichert sind, so z. B. ein Mädchen in der Gegenwart ihrer Mutter. Ich habe es versäumt, in meinen gedruckten Fragebogen nachzuforschen, ob Schüchternheit bei den verschiedenen Menschenrassen entdeckt werden kann. Aber ein gebildeter Hindu versicherte Mr. Erskine, daß dieselbe bei seinen Landsleuten zu erkennen sei.

Wie die Ableitung des Wortes in mehreren Sprachen andeutet,[28] ist Schüchternheit oder Scheuheit mit Furcht nahe verwandt. Doch ist sie im gewöhnlichen Sinne von Furcht verschieden. Ein schüchterner Mensch fürchtet ohne Zweifel die Beachtung Fremder; man kann aber kaum sagen, daß er sich vor ihnen fürchtet. Er kann so kühn wie ein Held in der Schlacht sein, und doch hat er in der Gegenwart von Fremden kein Selbstvertrauen in kleinlichen Dingen. Beinahe Jedermann ist außerordentlich nervös, wenn er zuerst eine öffentliche Versammlung anredet, und die meisten Menschen behalten dies ihr ganzes Leben lang. Dies scheint aber von dem Bewußtsein einer noch bevorstehenden großen Anstrengung mit deren associirten Wirkungen auf den Körper abzuhängen, und zwar wohl eher hiervon als von Schüchternheit,[29] obschon ein furchtsamer oder schüchterner Mensch ohne Zweifel bei derartigen Gelegenheiten unendlich mehr leidet als ein anderer. Bei sehr kleinen Kindern ist es schwierig, zwischen Furcht und Schüchternheit zu unterscheiden. Das letztere Gefühl hat mir aber häufig bei ihnen theilweise den Character der Wildheit eines nicht gezähmten Thieres darzubieten geschienen. Schüchternheit tritt in einem sehr frühen Alter ein. Bei einem meiner eigenen Kinder sah ich, als es zwei Jahre und drei Monate alt war, eine Spur von dem, was sicher Schüchternheit zu sein schien und zwar in Bezug auf mich selbst, nachdem ich nur eine Woche vom Hause abwesend gewesen war. Es zeigte sich dies nicht durch ein Erröthen, sondern dadurch, daß die Augen wenige Minuten leicht von mir weggewendet wurden. Ich habe bei andern Gelegenheiten bemerkt, daß Schüchternheit oder Blödigkeit und wirkliche Scham in den Augen kleiner Kinder gezeigt werden, ehe sie die Fähigkeit zu erröthen erlangt haben.

[304] Da Schüchternheit allem Anscheine nach von Selbstbeachtung abhängt, so können wir einsehen, wie Recht diejenigen haben, welche behaupten, daß das Tadeln der Kinder wegen der Schüchternheit, statt ihnen dadurch irgend welches Gute zu thun, sehr schadet, da es ihre Aufmerksamkeit noch eingehender auf sich selbst richtet. Es ist sehr treffend hervorgehoben worden, daß „nichts jungen Leuten mehr schadet als beständig wegen ihrer Gefühle beobachtet zu werden, ihre Gesichter untersucht zu sehen und den Grad ihrer Empfindsamkeit durch das überwachende Auge des unbarmherzigen Zuschauers gemessen zu wissen. Unter dem Zwange derartiger Untersuchungen können sie an nichts denken als daran, daß sie angesehen werden, und nichts anderes fühlen als Scham oder Besorgnis“.[30]


Moralische Ursachen: Schuld. — In Bezug auf das Erröthen aus streng genommen moralischen Ursachen begegnen wir denselben fundamentalen Grundsätzen wie vorher, nämlich der Rücksicht auf die Meinung Anderer. Es ist nicht das Bewußtsein, welches ein Erröthen hervorruft; denn ein Mensch kann aufrichtig irgend einen unbedeutenden in der Einsamkeit begangenen Fehler bereuen, oder er kann die schärfsten Gewissensbisse wegen eines nicht entdeckten Verbrechens fühlen, und doch wird er nicht erröthen. „Ich erröthe“, sagt Dr. Burgess,[31] „in der Gegenwart meiner Ankläger“. Es ist nicht das Gefühl der Schuld, sondern der Gedanke, daß Andere uns für schuldig halten oder wissen, daß wir schuld haben, was uns das Gesicht roth macht. Ein Mensch kann sich durch und durch beschämt fühlen, daß er eine kleine Unwahrheit gesagt hat, ohne zu erröthen; aber wenn er auch nur vermuthet, daß er entdeckt ist, wird er augenblicklich erröthen, besonders wenn er von irgend Jemand entdeckt wird, den er verehrt.

Auf der andern Seite kann ein Mensch überzeugt sein, daß Gott Zeuge aller seiner Handlungen ist und er kann sich irgend eines Fehlers tief bewußt fühlen und um Vergebung bitten; aber dies wird niemals ein Erröthen hervorrufen, wie eine Dame meinte, die sehr gern und stark erröthet. Der Unterschied dieser Verschiedenheit [305] in der Wirkung zwischen dem Bewußtsein, daß Gott unsere Handlungen kennt und daß sie die Menschen kennen, liegt, wie ich vermuthe, darin, daß die Misbilligung der Menschen über unmoralisches Betragen ihrer Natur nach mit der Geringschätzung unseres persönlichen Erscheinens etwas verwandt ist, so daß beide durch Association zu ähnlichen Resultaten führen, während die Misbilligung Gottes keine derartige Association hervorruft.

Gar manche Person ist intensiv erröthet, wenn sie irgend eines Verbrechens angeschuldigt wurde, trotzdem sie vollständig unschuldig war. Selbst der Gedanke (wie die eben erwähnte Dame gegen mich bemerkt hat), daß Andere denken, daß wir eine unfreundliche oder dumme Bemerkung gemacht haben, ist weitaus genügend ein Erröthen zu verursachen, obschon wir die ganze Zeit hindurch wissen, daß wir vollständig misverstanden worden sind. Eine Handlung kann verdienstlich oder von einer gleichgültigen Natur sein, aber eine empfindsame Person wird, wenn sie nur vermuthet, daß Andere eine verschiedene Ansicht hiervon haben, erröthen. Z. B. kann eine Dame für sich allein Geld einem Bettler geben, ohne eine Spur eines Erröthens. Wenn aber Andere noch gegenwärtig sind und sie zweifelt, ob sie es billigen, oder vermuthet, daß sie glauben, sie würde von dem Wunsche beeinflußt, sich zu zeigen, so wird sie erröthen. Dasselbe wird der Fall sein, wenn sie sich erbietet, die Noth einer herabgekommenen Frau aus bessern Ständen zu erleichtern, noch besonders einer solchen, die sie früher unter bessern Verhältnissen gekannt hat, da sie dann nicht sicher sein kann, wie ihre Handlungsweise betrachtet werden wird. Aber derartige Fälle gehen in Schüchternheit über.


Verletzungen der Etikette. — Die Regeln der Etikette beziehen sich immer auf unser Betragen in der Gegenwart von Andern oder Andern gegenüber. Sie haben keinen nothwendigen Zusammenhang mit dem moralischen Gefühle und sind oft bedeutungslos. Da sie aber von dem feststehenden Gebrauche der uns gleich Stehenden oder höher Gestellten abhängen, deren Meinung wir hoch in Ansehen halten, so werden sie nichtsdestoweniger beinahe als ebenso bindend betrachtet, wie die Gesetze der Ehre es für einen gebildeten Menschen sind. In Folge dessen wird ein Verletzen der Gesetze der Etikette, [306] d. h. irgend eine Unhöflichkeit oder gaucherie, irgend eine unpassende Handlung oder unpassende Bemerkung, wenn sie auch ganz zufällig ist, das intensivste Erröthen verursachen, dessen ein Mensch nur fähig ist. Selbst die Rückerinnerung an einen derartigen Act wird nach Verlauf vieler Jahre ein Prickeln auf dem ganzen Körper hervorrufen. Auch ist die Kraft der Sympathie so stark, daß eine empfindsame Person, wie mir eine Dame versichert hat, zuweilen über offenbare Verletzung der Etikette durch einen vollkommen Fremden erröthen wird, trotzdem die Handlung selbst sie in keiner Weise etwas angeht.


Bescheidenheit. — Diese ist ein weiteres mächtiges Mittel, Schamröthe zu erregen. Doch schließt das Wort Bescheidenheit sehr verschiedene Seelenzustände in sich. Es umfaßt Demuth, und wir schließen auf diese häufig daraus, daß eine Person über unbedeutendes Lob sich sehr freut und erröthet, oder daß sie von Lob unangenehm berührt wird, welches ihr nach ihrem eignen niedrigen Maßstabe der Selbstbeurtheilung zu hoch scheint. Das Erröthen hat hier die gewöhnliche Bedeutung der Beachtung der Meinung Anderer. Bescheidenheit [oder Sittsamkeit] bezieht sich aber häufig auf Acte der Unzartheit, und Unzartheit ist eine Sache der Etikette, wie wir deutlich bei den Nationen sehen, welche vollständig oder nahezu nackt gehen. Wer sittsam ist und leicht über Handlungen dieser Natur erröthet, thut es, weil dies Verletzungen einer fest und weise gegründeten Etikette sind. Dies zeigt sich in der That aus der Ableitung des Wortes modestus von modus, ein Maß oder Maßstab unseres Benehmens. Ein Erröthen in Folge dieser Form von Bescheidenheit wird überdies gern intensiv, weil es sich gewöhnlich auf das andere Geschlecht bezieht, und wir haben gesehen, wie in allen Fällen unsere Geneigtheit zu erröthen hierdurch vergrößert wird. Wir wenden den Ausdruck bescheiden, wie es den Anschein hat, auf diejenigen an, welche eine demüthige Meinung von sich selbst haben, und auf diejenigen, welche äußerst empfindsam in Bezug auf ein unzartes Wort oder eine unzarte That sind, einfach deshalb, weil in beiden Fällen leicht Erröthen erregt wird; denn diese beiden Seelenzustände haben sonst weiter nichts mit einander Gemeinsames. Auch wird Schüchternheit aus dieser selben Ursache häufig irrthümlich für Bescheidenheit gehalten.

Einige Personen werden plötzlich über irgend eine ihnen schnell [307] in den Sinn kommende und unangenehme Erinnerung roth, wie ich selbst beobachtet habe und wie mir von Andern versichert worden ist. Die häufigste Ursache scheint die plötzliche Erinnerung daran zu sein, daß irgend etwas für eine andere Person nicht gethan ist, was versprochen worden war. In diesem Falle dürfte der Gedanke halb unbewußt durch die Seele ziehen: „was wird er von mir denken?“ Und dann wird das Rothwerden die Natur eines wirklichen Erröthens vor Scham erhalten. Ob aber derartige Erscheinungen des Rothwerdens in den meisten Fällen Folge einer Affection des capillaren Kreislaufs sind, ist sehr zweifelhaft. Denn wir müssen uns daran erinnern, daß beinahe jede starke Gemüthserregung, so z. B. Zorn oder große Freude, auf das Herz wirkt und das Gesicht zu erröthen veranlaßt.


Die Thatsache, daß Erröthen in absoluter Einsamkeit erregt werden kann, scheint der hier vertretenen Ansicht entgegen zu sein, daß nämlich die Gewohnheit ursprünglich aus dem Gedanken daran entstanden sei, was Andere von uns denken. Mehrere Damen, welche leicht und stark erröthen, sind in Bezug auf die Einsamkeit einstimmig, und einige von ihnen glauben, daß sie im Dunkeln erröthet sind. Nach dem, was Mr. Forbes in Bezug auf die Aymaras angegeben hat, und nach meinen eigenen Empfindungen habe ich keinen Zweifel, daß die letzte Angabe richtig ist. Shakespeare irrte sich daher, als er Julia, welche nicht einmal allein war, zu Romeo sagen ließ (Act II, Scene 2):

„Du Weißt, die Nacht verschleiert mein Gesicht,
Sonst färbte Mädchenröthe meine Wangen
Um das, was du vorhin mich sagen hörtest.“

Wenn aber ein Erröthen im Alleinsein erregt wird, so bezieht sich die Ursache beinahe immer auf die Gedanken Anderer über uns, auf Handlungen, die in ihrer Gegenwart ausgeführt oder von ihnen vermuthet wurden; oder wir erröthen ferner, wenn wir uns überlegen, was Andere von uns gedacht haben würden, wenn sie von der Handlung gewußt hätten. Nichtsdestoweniger glauben ein oder zwei meiner Berichterstatter, daß sie aus Scham über Handlungen erröthet[WS 1] sind, die in keiner Weise sich auf Andere beziehen. Ist dies der Fall, so müssen wir das Resultat der Gewalt eingewurzelter Gewohnheit und der Association unter einem Seelenzustande zuschreiben, welcher dem [308] sehr analog ist, welcher gewöhnlich ein Erröthen erregt. Auch dürfen wir uns darüber nicht überrascht fühlen, da, wie es die Annahme Mehrerer ist, selbst die Sympathie mit einer andern Person, welche einen offenbaren Bruch der Etikette begeht, wie wir eben gesehen haben, zuweilen ein Erröthen verursacht.

Ich komme denn endlich zum Schlusse, daß das Erröthen, mag es Folge der Schüchternheit oder Scham wegen eines wirklichen Verbrechens oder der Scham wegen eines Bruchs der Gesetze der Etikette oder Bescheidenheit aus Demuth oder der bei einer Unzartheit sich regenden Sittsamkeit sein, in allen Fällen von demselben Grundsatze abhängt, und dieser Grundsatz ist eine empfindliche Rücksicht für die Meinung und ganz besonders für die Geringschätzung Anderer, ursprünglich in Beziehung auf unsere persönliche Erscheinung, speciell unseres Gesichts, und in zweiter Linie durch die Kraft der Association und der Gewohnheit in Bezug auf die Meinung Anderer über unser Betragen.


Theorie des Erröthens. — Wir haben nun zu betrachten, warum der Gedanke, daß Andere etwas von uns denken, unsern capillaren Kreislauf afficiren sollte. Sir Ch. Bell hebt hervor,[32] daß das Erröthen eine specielle Einrichtung für den Ausdruck unseres Inneren ist, „wie man daraus schließen kann, daß sich die Farbe nur auf die Oberfläche des Gesichts, des Halses und der Brust erstreckt, d. h. die am meisten exponirten Theile. Es ist nicht erlangt; es besteht von Anfang an“. Dr. Burgess glaubt, daß es vom Schöpfer beabsichtigt war, „damit die Seele souveräne Gewalt habe, auf den Wangen die verschiedenen innern Erregungen der moralischen Gefühle darzustellen“, so daß es für uns selbst als eine Art Hemmnis und für andere als ein Zeichen dient, daß wir Gesetze verletzen, welche heilig gehalten werden sollten. Gratiolet bemerkt: „Or, comme il est dans l'ordre de la nature que l'être social le plus intelligent soit aussi le plus intelligible, cette faculté de rougeur et de pâleur qui distingue l'homme, est un signe naturel de sa haute perfection.“

Dem Glauben, daß das Erröthen speciell vom Schöpfer beabsichtigt worden sei, steht die allgemeine Theorie der Entwickelung [309] entgegen, welche jetzt so allgemein angenommen wird. Es gehört aber nicht zu meiner Verpflichtung, hier mich in Argumentationen über die allgemeine Frage einzulassen. Diejenigen, welche an Zwecke glauben, werden es schwierig finden, zu erklären, warum die Schüchternheit die häufigste und wirksamste aller Ursachen des Erröthens ist, da es sowohl die erröthende Person leidend als auch den Zuschauer ungemüthlich macht, ohne daß es für eine von den beiden von dem geringsten Nutzen ist. Sie werden es auch schwierig finden, zu erklären, warum Neger und andere dunkelgefärbte Rassen erröthen, bei denen eine Farbenveränderung in der Haut kaum oder gar nicht sichtbar ist.

Ohne Zweifel erhöht ein leichtes Erröthen die Schönheit eines Mädchengesichtes, und diejenigen tscherkessischen Frauen, welche im Stande sind zu erröthen, erreichen im Serail des Sultans ausnahmslos einen höhern Preis als weniger empfindliche Frauen.[33] Aber selbst derjenige, welcher ganz fest an die Wirksamkeit geschlechtlicher Zuchtwahl glaubt, wird kaum annehmen, daß das Erröthen als eine geschlechtliche Zierrath erlangt wurde. Diese Ansicht würde auch dem entgegenstehen, was soeben über das in einer nicht sichtbaren Art eintretende Erröthen dunkelgefärbter Rassen gesagt worden ist.

Die Hypothese, welche mir die wahrscheinlichste zu sein scheint, obschon sie zuerst voreilig erscheinen könnte, ist die, daß scharf auf irgend einen Theil des Körpers gerichtete Aufmerksamkeit die gewöhnliche und tonische Zusammenziehung der kleineren Arterien dieses Theils zu stören geneigt ist. In Folge hiervon werden diese Gefäße zu solchen Zeiten mehr oder weniger erschlafft und augenblicklich mit arteriellem Blute erfüllt. Diese Neigung wird in hohem Grade verstärkt worden sein, wenn die Aufmerksamkeit während vieler Generationen häufig auf denselben Theil gewendet worden ist, und zwar dadurch, daß die Nervenkraft leicht gewohnten Canälen entlang fließt, und durch die Kraft der Vererbung. So oft wir nur immer glauben, daß Andere unsere persönliche Erscheinung geringschätzen oder auch nur beachten, wird unsere Aufmerksamkeit lebhaft auf die äußern und sichtbaren Theile unseres Körpers gelenkt, und von allen derartigen Theilen sind wir im Gesicht am empfindlichsten, wie es ohne [310] Zweifel während vieler vorausgegangener Generationen der Fall gewesen ist. Wenn wir daher für den Augenblick einmal annehmen, daß die Haargefäße von scharfer Aufmerksamkeit beeinflußt werden können, so werden diejenigen des Gesichts im höchsten Grade empfindlich geworden sein. Durch die Kraft der Association werden dann dieselben Wirkungen einzutreten geneigt sein, so oft wir denken, daß Andere unsere Handlungen oder unsern Character beachten oder beurtheilen.

Da die Grundlage dieser Theorie darauf beruht, daß geistige Aufmerksamkeit eine gewisse Kraft besitzt, den capillaren Kreislauf zu beeinflussen, so wird es nothwendig sein, eine beträchtliche Menge von Einzelnheiten anzuführen, die mehr oder weniger direct sich auf diesen Gegenstand beziehen. Mehrere Beobachter[34], welche in Folge ihrer großen Erfahrung und Kenntnis in hervorragendem Grade fähig sind, sich ein richtiges Urtheil zu bilden, sind überzeugt, daß Aufmerksamkeit oder Bewußtwerden (welchen letztern Ausdruck Sir Henry Holland für den bezeichnenderen hält), auf irgend einen Theil des Körpers concentrirt (und es kann beinahe jeder so beeinflußt werden), irgend eine gewisse directe physikalische Einwirkung auf denselben hervorruft. Dies gilt sowohl für die Bewegungen der unwillkürlichen wie der willkürlichen Muskeln, wenn sie unwillkürlich in Thätigkeit treten — desgleichen für die Absonderung der Drüsen —, für die Thätigkeit der Sinne und der Sinnesempfindungen — und selbst für die Ernährung der Theile.

[311] Es ist bekannt, daß die unwillkürlichen Bewegungen des Herzens afficirt werden, wenn ihnen eingehende Aufmerksamkeit gewidmet wird. Gratiolet[35] führt den Fall eines Mannes an, welcher durch beständiges Beobachten und Zählen seines eigenen Pulses zuletzt es veranlaßte, daß unter je sechs Schlägen einer stets ausfiel. Auf der andern Seite erzählte mir mein Vater von einem sorgfältigen Beobachter, welcher sicher herzkrank war und später an einer Herzkrankheit starb, daß er positiv angegeben hätte, wie sein Puls gewöhnlich im äußersten Grade unregelmäßig wäre und doch zu seinem Ärger ausnahmslos regelmäßig geworden wäre, sobald mein Vater das Zimmer betreten hätte. Sir Henry Holland bemerkt,[36] daß „die Wirkung auf die Circulation in einem Theile in Folge des plötzlich auf ihn gerichteten und fest haftenden Bewußtseins häufig und unmittelbar zu Tage tritt“. Prof. Laycock, welcher besondere Aufmerksamkeit auf Erscheinungen dieser Art gerichtet hat,[37] hebt hervor, daß „wenn die Aufmerksamkeit auf irgend einen Theil des Körpers gerichtet wird, die Innervation und Circulation local gereizt und die functionelle Thätigkeit dieses Theils entwickelt werde.“

Es wird allgemein angenommen, daß die peristaltischen Bewegungen der Eingeweide dadurch beeinflußt werden, daß sich die Aufmerksamkeit in bestimmt wiederkehrenden Perioden auf sie richtet, und diese Bewegungen hängen von der Zusammenziehung nicht gestreifter und unwillkürlicher Muskeln ab. Die abnorme Thätigkeit der willkürlichen Muskeln bei Epilepsie, Veitstanz und Hysterie wird bekanntlich durch die Erwartung eines Anfalls beeinflußt, ebenso durch den Anblick anderer, in ähnlicher Weise leidender Patienten.[38] Dasselbe gilt auch für die unwillkürlichen Acte des Gähnens und Lachens.

Gewisse Drüsen werden durch das Denken an dieselben oder an die Bedingung, unter welcher sie gewohnheitsgemäß erregt werden, stark beeinflußt. Dies ist eine allbekannte Erscheinung in Bezug auf den vermehrten Zufluß von Speichel, wenn z. B. der Gedanke an eine intensiv saure Frucht lebhaft vorgestellt wird.[39] In unserm sechsten [312] Capitel ist gezeigt worden, daß ein ernstliches und lang anhaltendes Verlangen, entweder die Thätigkeit der Thränendrüsen zurückzuhalten oder zu vermehren von Wirkung ist. Einige merkwürdige Fälle sind in Bezug auf Frauen mitgetheilt worden von der Gewalt des Geistes über die Milchdrüsen und noch merkwürdigere in Bezug auf die Uterinfunctionen.[40]

Wenn wir unsere ganze Aufmerksamkeit auf irgend einen Sinn richten, so wird dessen Schärfe erhöht,[41] und die beständige Gewohnheit scharfer Aufmerksamkeit, so bei blinden Leuten auf den Gehörsinn und bei blinden und tauben Personen auf den Tastsinn, scheint den in Rede stehenden Sinn permanent feiner auszubilden. Nach den Fähigkeiten verschiedener Menschenrassen zu urtheilen, ist auch einiger Grund zur Annahme vorhanden, daß die Wirkungen vererbt werden. Wendet man sich zu gewöhnlichen Empfindungen, so ist es eine bekannte Thatsache, daß der Schmerz ärger wird, wenn man ihm Beachtung schenkt, und Sir Benj. Brodie geht so weit, zu glauben, daß man Schmerz in jedem Theile des Körpers fühlen könne, auf den die Aufmerksamkeit sich scharf richtet.[42] Sir Henry Holland bemerkt [313] gleichfalls, daß wir uns nicht bloß der Existenz eines Theiles bewußt werden, welcher concentrirter Aufmerksamkeit unterworfen wird, sondern wir empfinden in demselben Theile auch verschiedene merkwürdige Gefühle, wie das der Schwere, der Hitze, Kälte, Prickeln oder Stechen.[43]

Endlich behaupten manche Physiologen, daß der Geist die Ernährung der Theile beeinflussen könne. Sir J. Paget hat einen merkwürdigen Fall der Gewalt allerdings nicht des Geistes, sondern des Nervensystems über das Haar mitgetheilt. Eine Dame, „welche Anfälle von Kopfschmerzen hat, die man nervöses Kopfweh nennt, findet immer am Morgen nach einem solchen, daß einige Stellen ihres Haares weiß sind, als wären sie mit Stärke gepudert. Die Veränderung wird in einer Nacht bewirkt, und in wenig Tagen später erhalten die Haare allmählich ihre dunkel bräunliche Färbung wieder“.[44]

Wir sehen hieraus, daß eingehende Aufmerksamkeit sicherlich verschiedene Theile und Organe afficirt, welche nicht eigentlich unter der Controle des Willens stehen. Durch welche Mittel Aufmerksamkeit — vielleicht die wunderbarste aller wunderbaren Kräfte der Seele — bewirkt wird, ist ein äußerst dunkler Gegenstand. Der Angabe Johannes Müller's zufolge[45] ist der Proceß, durch welchen die empfindenden Zellen des Gehirns durch den Willen für das Erhalten intensiverer und deutlicherer Eindrücke empfindlich gemacht werden, dem sehr analog, durch welchen die Bewegungszellen dazu gereizt werden, Nervenkraft an willkürliche Muskeln zu senden. Es finden sich viele analoge Punkte in der Thätigkeit der empfindenden und bewegenden Nervenzellen, z. B. die allgemein bekannte Thatsache, daß nahe Aufmerksamkeit auf irgend einen Sinn Ermüdung verursacht, ebenso wie die länger andauernde Anstrengung irgend eines Muskels[46]. Wenn wir daher willkürlich unsere Aufmerksamkeit auf irgend einen Theil des Körpers concentriren, so werden wahrscheinlich die Zellen [314] des Gehirns, welche Eindrücke und Empfindungen von diesem Theile erhalten, in irgend einer unbekannten Weise zur Thätigkeit gereizt. Dies dürfte es erklären, daß ohne irgend welche locale Veränderung in dem Theile, auf welchen unsere Aufmerksamkeit ernstlich gerichtet ist, Schmerz oder eigenthümliche Empfindungen gefühlt oder verstärkt werden.

Wenn indessen dieser Theil mit Muskeln versehen ist, so können wir nicht sicher sein, wie Mr. Michael Foster gegen mich bemerkt hat, ob nicht irgend ein geringer Impuls unbewußterweise derartigen Muskeln übermittelt wird, und dies würde wahrscheinlich eine dunkle Empfindung in dem Theile verursachen.

In einer großen Zahl von Fällen, so bei den Speicheldrüsen und Thränendrüsen, dem Darmcanal u. s. w. scheint die Gewalt der Aufmerksamkeit entweder hauptsächlich oder, wie manche Physiologen glauben, ausschließlich darauf zu beruhen, daß das vasomotorische System in einer derartigen Art und Weise afffcirt wird, daß einer größeren Menge Blut gestattet wird, in die Capillargefäße des in Rede stehenden Theils einzuströmen. Diese vermehrte Thätigkeit der Haargefäße kann in manchen Fällen mit der gleichzeitig vermehrten Thätigkeit des Sensoriums combinirt sein.

Die Art und Weise, in welcher die Seele das vasomotorische System beeinflußt, kann in der folgenden Weise vorgestellt werden. Wenn wir wirklich eine saure Frucht schmecken, so wird ein Eindruck durch den Geschmacksnerven einem gewissen Theile des Sensoriums zugesendet. Dieses übermittelt Nervenkraft an das vasomotorische Centrum, welches in Folge hiervon den musculösen Wandungen der kleinen Arterien, welche die Speicheldrüsen durchziehen, gestattet zu erschlaffen. In Folge hiervon fließt mehr Blut in diese Drüsen, und diese sondern eine reichlichere Menge von Speichel ab. Nun scheint es keine unwahrscheinliche Voraussetzung zu sein, daß wenn wir intensiv über eine Empfindung[WS 2] nachdenken, derselbe Theil des Sensoriums oder ein nahe mit ihm zusammenhängender Theil desselben in einen Zustand von Thätigkeit versetzt wird, in derselben Weise, als wenn wir wirklich die Empfindung wahrnähmen. Ist dies der Fall, so werden dieselben Zellen im Gehirn, wenn auch vielleicht nur in einem geringern Grade, durch ein lebhaftes Denken an einen sauern Geschmack, sowie beim Wahrnehmen eines solchen erregt werden, und sie werden dann in dem einen Falle so gut wie in dem andern Nervenkraft [315] dem vasomotorischen Centraltheile und zwar mit denselben Resultaten übersenden.

Um noch eine andere und in gewissen Beziehungen noch passendere Erläuterung zu geben: Wenn ein Mensch vor einem tüchtigen Feuer steht, so röthet sich sein Gesicht. Dies scheint, wie Mr. Michael Foster mir mittheilt, zum Theil eine Folge der örtlichen Wirkung der Hitze, zum Theil einer Reflexthätigkeit von dem vasomotorischen Centraltheile her zu sein[47]. In diesem letztern Falle afficirt die Hitze die Nerven des Gesichts. Diese übermitteln einen Eindruck den empfindenden Zellen des Gehirns, welche auf den vasomotorischen Centraltheil einwirken, und dieser wieder wirkt auf die kleinen Arterien des Gesichts zurück, erschlafft sie und gestattet ihnen, sich mit Blut zu füllen. Auch hier scheint es nicht unwahrscheinlich zu sein, daß, wenn wir wiederholt mit großem Eifer unsere Aufmerksamkeit auf die Erinnerung unserer erhitzten Gesichter concentriren, derselbe Theil des Sensoriums, welcher uns das Bewußtwerden wirklicher Hitze mittheilt, in einem gewissen unbedeutenden Grade gereizt wird, und in Folge hiervon können gewisse Theile von Nervenkraft an die vasomotorischen Centraltheile übersendet werden, so daß die Haargefäße des Gesichts sich erweitern. Da nun die Menschen im Verlaufe endloser Generationen ihre Aufmerksamkeit häufig und ernstlich ihrer persönlichen Erscheinung gewidmet haben und besonders ihrem Gesichte, so wird jede beginnende Neigung der Haargefäße des Gesichts, in dieser Weise afficirt zu werden, im Laufe der Zeit durch die eben erwähnten Grundsätze, nämlich daß Nervenkraft leicht gewohnten Canälen entlang ausströmt, und durch vererbte Gewohnheit bedeutend verstärkt worden sein. Es wird hierdurch, wie mir scheint, eine plausible Erklärung für die mit dem Acte des Erröthens in Verbindung stehenden leitenden Thatsachen dargeboten.


Recapitulation. — Männer und Frauen, und besonders die jungen, haben stets in hohem Grade ihre persönliche Erscheinung werth gehalten und haben in gleicher Weise die Erscheinung Anderer beobachtet. Das Gesicht ist der hauptsächlichste Gegenstand der [316] Aufmerksamkeit gewesen, trotzdem, wenn der Mensch ursprünglich nackt gieng, die ganze Oberfläche seines Körpers beachtet worden sein wird. Unsere Aufmerksamkeit auf uns selbst wird beinahe ausschließlich durch die Meinung Anderer angeregt; denn kein in absoluter Einsamkeit lebender Mensch würde sich um seine Erscheinung kümmern. Jedermann fühlt Tadel empfindlicher als Lob. Sobald wir nun wissen oder vermuthen, daß Andere unsere persönliche Erscheinung geringschätzen, wird unsere Aufmerksamkeit sehr stark auf uns selbst und ganz besonders auf unser Gesicht gerichtet. Die wahrscheinliche Wirkung hiervon wird, wie soeben erklärt wurde, die sein, daß der Theil des Sensoriums, welcher die empfindenden Nerven des Gesichts erhält, zur Thätigkeit veranlaßt wird; und dieser wird durch das vasomotorische System auf die Haargefäße des Gesichts zurückwirken. Durch häufige Wiederholung während zahlloser Generationen wird der Proceß in Association mit dem Glauben, daß Andere sich Gedanken über uns machen, so gewohnheitsgemäß geworden sein, daß selbst eine Vermuthung ihrer Geringschätzung genügt, die Haargefäße zu erschlaffen ohne irgend einen bewußten Gedanken an unser Gesicht. Bei einigen empfindsamen Personen ist es hinreichend, auch nur ihren Anzug zu beachten, um dieselbe Wirkung hervorzurufen. Auch werden durch die Kraft der Association und Vererbung unsere Haargefäße erschlafft, sobald wir wissen oder uns einbilden, daß irgend Jemand, wenn auch stillschweigend, unsere Handlungen, Gedanken oder unsern Character tadelt, und ferner, wenn wir hoch gepriesen werden.

Nach dieser Hypothese können wir verstehen, woher es kommt, daß das Gesicht viel mehr erröthet, als irgend ein anderer Theil des Körpers, wenn schon die ganze Oberfläche in gewisser Weise afficirt wird, besonders bei den Rassen, welche noch immer nahezu nackt einhergehen. Es ist durchaus nicht überraschend, daß die dunkel gefärbten Rassen erröthen, wenn schon keine Veränderung der Farbe auf ihrer Haut sichtbar ist. Nach dem Principe der Vererbung ist es ferner nicht überraschend, daß blindgeborne Personen erröthen. Wir können verstehen, warum junge Individuen viel mehr afficirt werden als alte, und Frauen mehr als Männer und warum die entgegengesetzten Geschlechter speciell gegenseitig das Erröthen erregen. Es wird verständlich, warum persönliche Bemerkungen besonders leicht [317] Erröthen verursachen und warum die mächtigste aller Ursachen die Schüchternheit ist. Denn die Schüchternheit bezieht sich auf die Gegenwart oder die Meinung Anderer, und schüchterne Personen sind stets mehr oder weniger selbstbewußt. In Bezug auf wirkliche Scham in Folge moralischer Fehler können wir verstehen, woher es kommt, daß nicht die Schuld, sondern der Gedanke, daß Andere uns für schuldig halten, ein Erröthen erregt. Ein Mensch, welcher über ein in Einsamkeit begangenes Verbrechen nachdenkt und von seinem Gewissen gepeinigt wird, erröthet nicht. Doch wird er unter der lebhaften Rückerinnerung an einen entdeckten Fehler oder an einen in der Gegenwart Anderer begangenen erröthen, wobei der Grad des Erröthens in naher Beziehung zum Gefühle der Achtung vor Denen steht, welche seinen Fehler entdeckt, mit erlebt oder vermuthet haben. Verletzung conventioneller Regeln des Betragens verursachen, wenn solche von uns gleich- oder höher als wir stehenden Personen streng aufrecht erhalten werden, häufig intensiveres Erröthen als selbst ein entdecktes Verbrechen, und ein Act, welcher wirklich verbrecherisch ist, erregt, wenn er nicht von uns Gleichstehenden getadelt wird, kaum eine Erhöhung der Farbe auf unsern Wangen. Bescheidenheit aus Demuth oder die Regung der Sittsamkeit in Folge einer Unzartheit erregt ein lebhaftes Erröthen, da sich beide auf das Urtheil oder die feststehenden Gebräuche Anderer beziehen.

In Folge der intimen Sympathie, welche zwischen dem capillaren Kreislaufe der Oberfläche des Kopfes und des Gehirns besteht, wird, sobald intensives Erröthen eintritt, auch eine gewisse und häufig große Verlegenheit des Geistes eintreten. Dieselbe wird häufig von ungeschickten Bewegungen und zuweilen von unwillkürlichen Zuckungen gewisser Muskeln begleitet.

Da das Erröthen dieser Hypothese zufolge ein indirectes Resultat der Aufmerksamkeit ist, welche ursprünglich unserer persönlichen Erscheinung, d. h. der Oberfläche des Körpers und ganz besonders dem Gesichte zugewendet war, so können wir die Bedeutung der Geberden verstehen, welche über die ganze Erde das Erröthen begleiten. Diese bestehen in dem Verbergen oder dem Wenden des Gesichts auf den Boden oder nach einer Seite. Die Augen werden gewöhnlich abgewendet oder sind unruhig; denn den Menschen anzublicken, welcher die Ursache war, daß wir Scham oder Schüchternheit [318] empfinden, bringt uns sofort in einer unerträglichen Weise das Bewußtsein in unsere Seele zurück, daß sein Blick scharf auf uns gerichtet ist. Durch das Princip associirter Gewohnheit werden dieselben Bewegungen des Gesichts und der Augen ausgeübt und können in der That kaum vermieden werden, sobald wir wissen oder glauben, daß Andere unser moralisches Betragen tadeln oder zu stark loben.


  1. The Physiology or Mechanism of Blushing, 1839, p. 156. Ich werde häufig Veranlassung haben, dieses Buch im vorliegenden Capitel zu citiren.
  2. Dr. Burgess, a. a. O. p. 56. Auf p. 33 macht er gleichfalls die Bemerkung, daß Frauen viel reichlicher erröthen als Männer, wie unten angegeben wird.
  3. citirt von C. Vogt, Mémoire sur les Microcéphales, 1867, p. 20. Dr. Burgess zweifelt daran (a. a. O. p. 56), ob Blödsinnige jemals erröthen.
  4. Lieber, On the Vocal Sounds etc. in: Smithsonian Contributions, Vol. II, 1851, p. 6.
  5. a. a. O. p. 182.
  6. Moreau, Ausgabe des Lavater von 1820; Vol. IV, p. 303.
  7. Burgess, a. a. O. p. 38, über die Blässe nach dem Erröthen, p. 177.
  8. s. Lavater, Ausgabe von 1820, Vol. IV, p. 303.
  9. Burgess, a. a. O. p. 114, 122. Moreau im Lavater a. a. O., Vol. IV, p. 263.
  10. Die Luther'sche Übersetzung gibt das im Original stehende „Betroffensein“ richtiger wieder als die autorisirte englisthe Übersetzung.
  11. Letters from Egypt, 1865, p. 66. Lady Gordon irrt sich, wenn sie sagt, Malayen und Mulatten errötheten niemals.
  12. Capt. Osborn sagt (Quedah, p. 199), wo er von einem Malayen spricht, den er wegen seiner Grausamkeit tadelte, er habe sich gefreut, den Mann erröthen zu sehen.
  13. J. R. Forster, Observations during a Voyage round the World. 4° 1778, p. 229. Waitz gibt, Anthropologie der Naturvölker, Theil I, 1859, Seite 149, weitere Belege in Bezug auf andere Inseln des stillen Oceans. Siehe auch Dampier, über das Erröthen der Tunquinesen (Vol. II, p. 40); ich habe aber das Werk nicht eingesehen. Waitz führt Bergmann dafür an, daß die Kalmucken nicht erröthen; nach dem, was wir in Bezug auf die Chinesen gesehen haben, läßt sich dies indessen bezweifeln. Er citirt auch Roth, welcher leugnet, daß die Abyssinier des Erröthens fähig wären. Unglücklicherweise hat Captain Speedy, welcher so lange unter den Abyssiniern gelebt hat, meine Anfrage über diesen Punkt nicht beantwortet. Endlich muß ich noch hinzufügen, daß der Rajah Brooke bei den Dyaks von Borneo niemals das geringste Zeichen eines Erröthens gesehen hat; im Gegentheile geben sie selbst an, daß sie unter Umständen, welche bei uns ein Erröthen erregen würden, „fühlen, wie das Blut aus dem Gesichte gezogen werde.“
  14. Transact. of the Ethnolog. Society. Vol. II, 1870, p. 16.
  15. Humboldt, Personal Narrative. Vol. III, p. 229.
  16. citirt von Prichard, Physic. History of Mankind, 4. edit, Vol.1,1851, p. 271.
  17. Siehe über diesen Punkt Burgess, a. a. O. p. 32, auch Waitz, Anthropologie der Naturvölker, Th. I, 1859, S. 149. Moreau gibt einen detaillirten Bericht (Lavater, 1820, Tom. IV, p. 302) von dem Erröthen einer Negersklavin von Madagascar, als sie von ihrem Herrn gezwungen wurde, ihren nackten Busen zu zeigen.
  18. citirt von Prichard, Physic. History of Mankind, 4. edit., Vol. I, 1851, p. 225.
  19. Burgess, a. a. O. p 81. Über das Erröthen von Mulatten, ebenda p. 33. Ich habe in Bezug auf Mulatten ähnliche Schilderungen erhalten.
  20. Auch Barrington sagt, daß die Australier von Neu-Süd-Wales erröthen, wie Waitz citirt, a. a. O. S. 149.
  21. Mr. Wedgwood sagt (Diction. of English Etymology, Vol. III, 1865, p. 155), daß das Wort Scham (shame) „wohl in der Idee des Schattens oder Verborgenseins seinen Ursprung finden und durch das deutsche Schemen, Schatten, erläutert werden dürfte.“ Gratiolet (De la Physionomie, p. 357—362) hat eine gute Erörterung der die Scham begleitenden Geberden gegeben; einige dieser Bemerkungen aber erscheinen mir doch ziemlich phantastisch. Siehe auch Burgess (a. a. O. p. 69) über denselben Gegenstand.
  22. Burgess a. a. O. p. 181, 182. Auch Boerhaave (citirt von Gratiolet, a. a. O. p. 361) erwähnt die Neigung zur Thränenabsonderung beim Erröthen. Wie wir gesehen haben, spricht Mr. Bulmer von den „wässrigen Augen“ der Kinder der australischen Eingebornen, wenn sie sich schämen.
  23. siehe auch Dr. J. Crichton Browne's Abhandlung über diesen Gegenstand in: The West Riding Lunatic Asylum Medical Report, 1871, p. 95—98.
  24. Im Laufe einer Erörterung über den sogenannten thierischen Magnetismus, in: Table Talk, Vol. I.
  25. a. a. O. p. 40.
  26. Mr. Bain bemerkt (The Emotions and the Will, 1865, p. 65) über die Schüchternheit der Manieren, daß dieselbe „bei dem Verkehr der beiden Geschlechter durch den Einfluß der gegenseitigen Beachtung herbeigeführt werde und zwar in Folge der beiderseitigen Besorgnis, nicht gut zu einander zu passen.“
  27. siehe für Belege über diesen Punkt: Die Abstammung des Menschen, 3. Aufl. Bd. II, S. 64, 321.
  28. Mr. Wedgwood, Diction. English Etymology, Vol. III, 1865, p. 184; dasselbe gilt für das lateinische verecundus.
  29. Mr. Bain (The Emotions and the Will, p. 64) hat die „verlegenen“, bei solchen Gelegenheiten empfundenen Gefühle erörtert, ebenso das „Lampenfieber“ der der Bühne ungewohnten Schauspieler. Wie es scheint, schreibt Mr. Bain diese Gefühle einfach der Besorgnis oder der Furchtsamkeit zu.
  30. Essays on Practical Education, by Maria and R. L. Edgeworth, new edit., Vol. II, 1822, p. 38. Dr. Burgess (a. a. O. p. 187) hebt dasselbe sehr stark hervor.
  31. a. a. O. p. 50.
  32. Bell, Anatomy of Expression, p. 95. Burgess, in Bezug auf das weiter unten folgende Citat, a. a. 0. p. 49. Gratiolet, De la Physionomie, p. 94.
  33. Nach der Autorität der Lady Mary Wortley Montague; siehe Burgess, a. a. O. p. 43.
  34. In England war wohl, wie ich meine, Sir H. Holland der erste, welcher den Einfluß der geistigen Aufmerksamkeit auf verschiedene Theile des Körpers erörterte, in seinen Medical Notes and Reflections, 1839, p. 61. Dieser Aufsatz wurde sehr erweitert wieder abgedruckt von Sir H. Holland in seinen „Chapters on Mental Physiology“, 1858, p. 79, nach welchem Werke ich immer citire. Ziemlich zu derselben Zeit und dann auch später noch erörterte Professor Laycock denselben Gegenstand; siehe Edinburgh Medical and Surgical Journal, 1839, July, p. 17—28; s. auch dessen Treatise on the Nervous Diseases of Women, 1840, p. 110, und Mind and Brain, Vol. II, 1860, p. 327. Dr. Carpenter's Ansichten über Mesmerismus gehen ziemlich auf dasselbe hinaus. Der berühmte Physiolog Johannes Müller handelte von dem Einflusse der Aufmerksamkeit auf die Sinne; Handbuch der Physiologie des Menschen, Bd. 2, 1840, S. 95, 272. Sir James Paget erörterte den Einfluß des Geistes auf die Ernährung der Theile in seinen Lectures on Surgical Pathology, 1853, Vol. I, p. 39. Ich citire nach der dritten von Professor Turner revidirten Ausgabe, 1870, p. 28. s. auch Gratiolet, De la Physionomie, p. 283—287.
  35. De la Physionomie, p. 283.
  36. Chapters on Mental Physiology, 1858, p. 111.
  37. Mind and Brain, 1860, p. 327.
  38. Chapters on Mental Physiology, p. 104—106.
  39. s. über diesen Punkt: Gratiolet, De la Physionomie, p. 287.
  40. Dr. J. Crichton Browne ist nach seinen Beobachtungen an Geisteskranken überzeugt, daß die längere Zeit hindurch auf irgend einen Theil oder ein Organ gelenkte Aufmerksamkeit schließlich dessen capillare Circulation und Ernährung beeinflußt. Er hat mir einige außerordentliche Fälle mitgetheilt; einer derselben, welcher hier nicht ausführlich erzählt werden kann, betrifft eine verheirathete Frau von fünfzig Jahren, welche an der festen und lange anhaltenden Täuschung litt, daß sie in andern Umständen sei. Als die erwartete Zeit heran kam, benahm sie sich genau so, als wäre sie von einem Kinde entbunden worden, und schien außerordentliche Schmerzen zu haben, so daß der Schweiß ihr auf die Stirne trat. Das Resultat war, daß ein Zustand der Dinge eintrat und drei Tage lang anhielt, welcher während der vorausgehenden sechs Jahre ausgesetzt hatte. Mr. Braid führt in seinem Buche: „Magic, Hypnotism etc.“ 1852, p. 95, und in andern Werken analoge Fälle, ebenso noch andere Thatsachen an, welche den großen Einfluß des Willens auf die Milchdrüsen, selbst einer Seite allein nachweisen.
  41. Dr. Maudsley hat (The Physiology and Pathology of Mind. 2. edit., 1868, p. 105) nach guter Gewähr einige merkwürdige Angaben in Bezug auf die Verbesserung des Tastsinnes durch Übung und Aufmerksamkeit mitgetheilt. Es ist merkwürdig, daß wenn dieser Sinn hierdurch an irgend einem Theile des Körpers, z. B. an einem Finger, schärfer geworden ist, er auch an der andern Seite des Körpers in gleicher Weise an Schärfe gewonnen hat.
  42. The Lancet, 1838, p. 39-40, citirt von Prof. Laycock, Nervous Diseases of Women, 1840, p. 110.
  43. Chapters on Mental Physiology, 1858, p. 91—93.
  44. Lectures on Surgical Pathology, 3. edit. revised by Prof. Turner, 1870, p. 28, 31.
  45. Handbuch der Physiologie des Menschen, Bd. 2, 1840, S. 97.
  46. Professor Laycock hat diesen Punkt in einer sehr interessanten Art erörtert. Siehe seine „Nervous Diseases of Women“, 1840, p. 110.
  47. s. auch Mr. Michael Foster, über die Thätigkeit des vasomotorischen Systems in seiner interessanten Vorlesung vor der Royal Institution, übersetzt in der ‚Revue des Cours Scientifiques' Sep. 25. 1869, p. 683.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: errröthet
  2. Vorlage: Empfindnng
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