Der Berliner Bazar für die deutsche Bühnengenossenschaft

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Titel: Der Berliner Bazar für die deutsche Bühnengenossenschaft
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aus: Die Gartenlaube, Heft 20, S. 339
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1888
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[339] Der Berliner Bazar für die deutsche Bühnengenossenschaft. Seit dem 6. Mai ist in Berlin ein Bazar eröffnet, dessen Ertrag der Verbindung deutscher Schauspieler und Schauspielerinnen und ihren rühmenswerthen Tendenzen, für das Wohl des Standes in jeder Hinsicht zu sorgen, zu gute kommt. Die vornehme und reiche Welt, Künstler und Schriftsteller haben für die Ausstattung dieses Bazars willkommene Gaben beigesteuert.

Es war sehr schwer, das leichtlebige Theatervölkchen unter einen Hut zu bringen und in einer großen Organisation zusammenzuschließen. Nicht einmal ein Pensionsinstitut wie die „Perseverantia“, dem die Leitung des Berliner Hoftheaters ihre eifrige Fürsorge zuwendete, konnte früher Dauer finden. Und doch hat kein anderer Stand eine so prekäre Existenz wie derjenige der Schauspieler, und ein großes Proletariat erzeugte sich stets von neuem aus seiner Mitte. Abhängig von den Direktoren, die bei den kleinen Bühnen und Wandertheatern sich selbst stets an jenem Abgrunde bewegten, in dem die verkommenen Existenzen versinken, abhängig von ihrer durch Krankheit und Alter stets bedrohten Leistungsfähigkeit, sind sie mehr als die Mitglieder anderer Stände darauf angewiesen, durch festen Zusammenhalt sich zur Wehr zu setzen gegen die Heimtücke des Schicksals.

Als die Intendanten und Direktoren den Bühnenkartellverein begründet, um ihre Interessen zu wahren und besonders kontraktbrüchigen Künstlern den Paß zu verhauen, da kam auch die Bewegung in Schauspielerkreisen in Fluß. Die Vereinsbühnen wollten über ein Theatergesetz verhandeln; da meldeten sich auch die Künstler zur Betheiligung und ein zündender Brief Ludwig Barnays verlangte, daß jene Zusammenkunft zu einem allgemeinen Bühnenkongreß erweitert werde. Obgleich dies von Herrn von Hülsen abgelehnt wurde, so bot er doch die Hand zu Verhandlungen. Der Stein war einmal ins Rollen gekommen, ein allgemeiner Bühnenkongreß die Losung. Am 17., 18. und 19. Juli 1871 tagte derselbe in Weimar; hier wurde die Bühnengenossenschaft gegründet unter dem Vorsitze Hugo Müllers vom Wallnertheater, eines der eifrigsten und tätigsten Vorkämpfer der Interessen des Schauspielerstandes. Nicht leichtfertig stimmte man über die wichtigsten Vorlagen ab; sie wurden an Kommissionen zu eingehender Berathung verwiesen.

Die Hebel der Reform wurden überall an der rechten Stelle eingesetzt. Gegenüber der Willkür kleiner Theaterpaschas, welche sich ihre Theatergesetze nach Gutdünken ausarbeiteten, wurde ein allgemeines Disziplinargesetz entworfen, mit gleichem Recht und gleichen Verpflichtungen für alle, ebenso ein allgemeines Kontraktsformular. Bis zum heutigen Tage seit dem Beginne des Vereins dauert der Protest gegen das Gewerbegesetz, welches das Theater in unliebsame Nachbarschaft mit höchst zweifelhaften Vergnügungsinstituten brachte und trotz aller wenig beachteten Klauseln nie zu hindern vermochte, daß Bühnenleitungen in unfähige und unsaubere Hände kamen.

Das wichtigste aber war die Begründung des Pensions- und Hilfsvereins, durch welche dem Schauspielerstande die bange Sorge um die Zukunft genommen und eine frische und freudige Berufstätigkeit ermuthigt wurde. Wer heute die lange Liste der Pensionäre des Vereins durchsieht, deren Zahl über 500 hinausgeht, der muß sich von dem großartigen segensreichen Wirken der Bühnengenossenschaft überzeugen, die jetzt auf breiter Grundlage festgegliedert dasteht und die Früchte einsichtiger und entschlossener Selbsthilfe erntet. Nach vielen Tausenden zählen ihre Mitglieder und über alle deutsche Lande hat sie das Netz ihres Wirkens ausgespannt. Viel ist gethan, viel bleibt noch zu thun, auch für die Witwen und Waisen und der Berliner Bazar wird für die weitere Ausdehnung thätiger Fürsorge neue Mittel an die Hand geben.

Wie viele von den Tausenden, die sich der Bühne widmen, hegen vermessene Unsterblichkeitsträume und es ist wahrlich nicht verwerflich, in der Kunst das Höchste leisten zu wollen. Die Enttäuschungen bleiben nicht aus; die Stimmung der großen Mehrzahl der Künstler ist die der Resignation. Doch auch bei der Bescheidung auf das Nächste, bei solcher Herabstimmung kühnerer Hoffnungen bleibt ein dunkler Punkt in der Ferne, der auch die solide Tüchtigkeit lähmen kann: die Möglichkeit, der schwersten Noth zu verfallen bei jeder länger andauernden Erkrankung; ohne körperliche Rüstigkeit ist die Schauspielkunst ja kaltgestellt. Früher oder später wird der Künstler zum Invaliden und für ihn gab es bisher keine Invalidenversorgung. Jetzt hat sich der Künstlerstaat selbst organisirt und die Zukunft derer, die ihm angehören, sichergestellt. Das ist die Hauptbedeutung der Genossenschaft, die aber auch sonst tapfer den Kampf ums Dasein dem einzelnen Künstler kämpfen hilft.

Gern erweist sich das Publikum dankbar für jeden Kunstgenuß; die zahlreichen Wohlthätigkeitsspenden beweisen dies, welche der Genossenschaft zufließen und auch das ist ihr Verdienst, daß die Gebelaune der Kunstfreunde jetzt weiß, wohin sie ihre Spenden zu richten hat, wo sie aus besten aufgehoben sind und am gerechtesten vertheilt werden. Das hat auch die Theilnahme am Bazar in den weitesten Kreisen gefördert; auch er wird helfen, Leiden zu mildern und Thränen zu trocknen, etwas Sonnenschein zaubern in vergrämte, späte Lebensjahre und manchem Kunstveteranen einen Stab und eine Stütze bieten als Ersatz für den längst entblätterten Lorbeerkranz.