Der Commandant und die Jäger in Hersfeld

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Textdaten
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Autor: Johann Peter Hebel
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Titel: Der Commandant und die Jäger in Hersfeld
Untertitel:
aus: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes
S. 143–145
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum: 1803-1811
Erscheinungsdatum: 1811
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: Tübingen
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Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: ULB Düsseldorf und Djvu auf Commons
Kurzbeschreibung:
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Der Commandant und die Jäger in Hersfeld.

Im letzten preusisch-russischen Krieg, als die französische Armee und ein großer Theil der bundsgenossischen Truppen in Polen und Preussen stand, befand sich ein Theil des badischen Jägerregiments in Hessen und in der Stadt Hersfeld auf ihren Posten. Denn dieses Land hatte der Kaiser im Anfang des Feldzugs eingenommen, und mit Mannschaft besetzt. Da gab es nun von Seiten der Einwohner, denen das Alte besser gefiel, als das Neue, mancherley Unordnungen, und es wurden besonders in dem Ort Hersfeld mehrere Widersetzlichkeiten ausgeübt, und unter andern ein französischer Offizier getödtet. Das konnte der französische Kaiser nicht [144] geschehen lassen, während er mit einem zahlreichen Feind im Angesicht kämpfte, daß auch hinter ihm Feindseligkeiten ausbrachen, und ein kleiner Funke sich zu einer großen Feuersbrunst entzündete. Die armen Einwohner von Hersfeld bekamen daher bald Ursache, ihre unüberlegte Kühnheit zu bereuen. Denn der französische Kaiser befahl, die Stadt Hersfeld zu plündern, und alsdann an vier Orten anzuzünden und in die Asche zu legen. Dieses Hersfeld ist ein Ort, der viele Fabriken, und daher auch viele reiche und wohlhabende Einwohner und schöne Gebäude hat; und ein Menschenherz kann wohl empfinden, wie es den armen Leuten, den Vätern und Müttern zu Muthe war, als sie die Schreckenspost vernahmen; und der arme Mann, dem sein Haab und Gut auf einmal auf dem Arm konnte weggetragen werden, war jetzt so übel dran, als der Reiche, dem man es auf vielen Wagen nicht wegführen konnte, und in der Asche sind die großen Häuser auf dem Platz und die kleinen in den Winkeln auch so gleich, als die reichen Leute und die armen Leute auf dem Kirchhof. Nun zum Schlimmsten kam es nicht. Auf Fürbitte der französischen Kommandanten in Kassel und Hersfeld wurde die Strafe so gemildert: Es sollten zwar nur vier Häuser verbrannt werden, und dieß war glimpflich; aber bey der Plünderung sollte es bleiben, und das war noch hart genug. Die unglücklichen Einwohner waren auch, als sie diesen lezten Bescheid hörten, so erschrocken, so alles Muthes und aller Besinnung beraubt, daß sie der menschenfreundliche Commandant selber ermahnen mußte, statt des vergeblichen Klagens und Bittens, die kurze Frist [145] zu benutzen, und ihr Bestes noch geschwind auf die Seite zu schaffen. Die fürchterliche Stunde schlug, die Trommel wirbelte ins Klaggeschrey der Unglücklichen. Durch das Getümmel der Flüchtenden und Fliehenden und Verzweifelten eilten die Soldaten auf ihren Sammelplatz. Da trat der brave Commandant von Hersfeld vor die Reihen seiner Jäger, stellte ihnen zuerst das traurige Schicksal der Einwohner lebhaft vor die Augen, und sagte hierauf: „Soldaten! die Erlaubniß, zu plündern, fängt jezt an. Wer dazu Lust hat, der trete heraus aus dem Glied.“ Kein Mann trat heraus. Nicht einer! Der Aufruf wurde wiederholt. Kein Fuß bewegte sich; und wollte der Commandant geplündert haben, so hätte er müssen selber gehen. Aber es war niemand lieber als ihm, daß die Sache also ablief, das ist leicht zu bemerken. Als die Bürger das erfuhren, war es ihnen zu Muthe, wie einem, der aus einem schweren Traum erwacht. Ihre Freude ist nicht zu beschreiben. Sie schickten sogleich eine Gesandschaft an den Commandanten, liessen ihm für diese Milde und Großmuth danken, und boten ihm aus Dankbarkeit ein großes Geschenk an. Wer weiß, was Mancher gethan hätte! Aber der Commandant schlug dasselbe ab, und sagte: er lasse sich keine gute That mit Geld bezahlen. Dies geschah zu Hersfeld im Jahr 1807, und das Städtlein steht noch.