Der Eurypterus remipes aus den obersilurischen Schichten der Insel Oesel

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Autor: Johannes Nieszkowski
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Titel: Der Eurypterus remipes aus den obersilurischen Schichten der Insel Oesel
Untertitel:
aus: Archiv für die Naturkunde Liv-, Ehst- und Kurlands, Erste Serie, Zweiter Band, S. 299–344
Herausgeber: Dorpater Naturforscher-Gesellschaft
Auflage:
Entstehungsdatum: 1858
Erscheinungsdatum: 1861
Verlag: Heinrich Laakmann
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Erscheinungsort: Dorpat
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Originaltitel: De euryptero remipede
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Quelle: Google, Commons
Kurzbeschreibung: Morphologie und Systematik des ersten vollständig erhaltenen Eurypteriden-Exemplars aus Europa, Eurypterus tetragonophthalmus (Fischer, 1839), von Ösel, Estland
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[299]
III.
Der Eurypterus remipes
aus den obersilurischen Schichten der Insel Oesel.
Von Dr. Johannes Nieszkowski.
(Vorgelegt im October, 1858.)
(Hierzu II Tafeln in Farbedruck.)

Vorwort.

In der Geschichte des öselschen Eurypterus habe ich die Personen namhaft gemacht, die den Eurypterus daselbst entdeckt, dessen Vorkommen erforscht und dessen Reste gesammelt haben. Die Früchte dieser ihrer Bemühungen wurden mir bei der vorliegenden Untersuchung in vollem Maasse zu Gebote gestellt. Ich erfülle somit eine angenehme Verpflichtung, wenn ich ihrer Humanität meine Anerkennung und Erkenntlichkeit öffentlich ausspreche.

Vor allen fühle ich mich bewogen dem hochverehrten Herrn Dr. Alex. v. Schrenk, Secretär des hiesigen Naturforscher-Vereins, meinen innigsten Dank auszudrücken, dessen uneigennütziger Eifer in der Beförderung naturhistorischer Forschungen in den Ostseeprovinzen sich hier im klarsten Lichte herausstellte, indem er, der Entdecker und Anfangs der alleinige [300] Besitzer des Eurypterus, auf das Recht der Priorität in der Bearbeitung desselben verzichtete und mir alles darauf bezügliche Material, das ich wol als Grundlage meiner Arbeit ansehen muss, zur unbeschränkten Verfügung stellte. Mag auch mein theurer Freund, Hr. Mag. Friedr. Schmidt, der, nicht nur durch wissenschaftliche Gründe bewogen, sondern auch von persönlicher Freundschaft dazu aufgefordert, auf seinen zahlreichen Streifzügen in Oesel eine besondere Aufmerksamkeit der Ausbeutung des Eurypterus widmete und meine Fortschritte in der Untersuchung täglich mit wahrer Freude theilte, den öffentlich ausgesprochenen Dank eines Freundes hinnehmen. Endlich sei mir auch gestattet die Liberalität des Hrn. Gottl. Schmidt zu Arensburg, aus dessen Hand ich einen reichen Beitrag zu meinem Material erhielt, dankbar zu rühmen.

Den dritten Theil meiner Arbeit, der eine Vergleichung des Eurypterus mit jetztlebenden Crustaceen enthält und dem Thiere seine Stellung im zoologischen Systeme anzuweisen versucht, hätte ich, wegen Mangels an Material, kaum zu Stande bringen können, wäre mir nicht die Güte und das warme Interesse für diese Arbeit des hochverehrten Hrn. Prof. Reissner zu Hülfe gekommen, der mir das im zootomischen Museum befindliche Material zur Benutzung gab und bei dessen Behandlung mit Rath und That förderlich war.


[301]
I. Einleitung.

Der Eurypterus, das einzige Gliederthier aus der silurischen Periode, dessen Bewegungsorgane bekannt sind, hat lange Zeit eine fast mythische Rolle in der Paläontologie gespielt.

Die erste Nachricht verdanken wir bekanntlich Dekay[1], der im Jahre 1825 den aus Westmoreland, im Staate New-York, aus der sogenannten Water-lime-group herstammenden Eurypterus, unter dem Namen E. remipes, in die gelehrte Welt einführte. Die beigefügte Zeichnung wurde durch Bronn’s Lethaea geognostica[2] einem grössern Publikum bekannt. Schon auf dieser, obgleich ziemlich rohen Zeichnung sehen wir die Umrisse unseres Thieres ungefähr dargestellt. Die Form des Kopfes und der Leibesringe ist in ziemlich kenntlicher Weise angegeben; noch fehlt der Schwanzstachel. Das grosse Ruderfusspaar mit seinen fünf letzten Gliedern ist ebenfalls erkennbar gezeichnet. Die vier übrigen Fusspaare, die gewöhnlich, bei wohlerhaltenen Exemplaren, von oben her sichtbar sind, erscheinen auch hier. Die beiden vordersten Fusspaare sind auffallend stark gezähnt, „branchiferi“, wie es in der Diagnose heisst, was wir indessen am öselschen Eurypterus nicht wahrnehmen. Zu beiden Seiten der vordern [302] Körperhälfte finden wir von den Leibesringen getrennte Ausbreitungen, die als rohe Darstellung der Hervorragungen der grossen Blattfüsse zu deuten sein werden.

Harlan[3] hat später eine zweite Art, unter dem Namen E. lacustris, aus denselben Schichten von Williamsville beschrieben, die aber, nach dem Urtheile von F. Roemer[4], nur auf einem unvollkommen erhaltenen und verzerrten Exemplare von E. remipes beruhen soll.

Der E. Scouleri Hibb., dessen Copie in Bronn’s Lethaea[4] uns vorliegt, aus dem Kohlengebirge bei Kirkton in Schottland, ist jedenfalls ein ganz anderes Thier und soll uns daher nicht weiter beschäftigen.

Im Jahre 1839 machte G. Fischer v. Waldheim[5] wieder einen wahren Eurypterus bekannt, der aus den obersilurischen Schichten Podoliens stammte und ihm durch den Ingenieur-Major Blöde zugekommen war. Fischer hielt diesen Eurypterus für eine neue Art und nannte ihn E. tetragonophthalmus, wegen seiner vermeintlich viereckigen Augen, die aber, der Beschreibung nach, bei genauerer Betrachtung oval sein sollen. Ueberhaupt gibt die Beschreibung mehr Anhaltspunkte an die Hand, als die sehr rohe Abbildung. So werden, ganz übereinstimmend mit dem öselschen Eurypterus, 12 Leibesringe erwähnt, während die Abbildung 14 zeigt und noch eine unbestimmte Zahl in Aussicht stellt. Die Bewegungsorgane und der Stachel sind nicht vorhanden.

Nach der Fischer’schen Mittheilung, trat wieder eine [303] Pause von mehreren Jahren ein, in der Nichts vom Eurypterus verlautete; da machte im Jahre 1848 F. Roemer[6] eine neue Abbildung und Beschreibung des amerikanischen Eurypterus remipes bekannt, zwar nach einem unvollkommenern Exemplare, als das Dekay’sche war; aber Beschreibung und Abbildung sind ungleich genauer. Wir erkennen hier den Gegensatz zwischen den sechs ersten und sechs letzten Körpersegmenten deutlich; auch finden wir in den vertikalen, parallelen Punktreihen auf den Gliedern die erste Darstellung der Muskelansätze, auf die wir später zurückkommen werden. Das Dasein des Schwanzstachels wird erwähnt, obgleich er bei dem abgebildeten Exemplar nicht dargestellt ist.

Endlich erhielt im Frühjahr 1852 Dr. A. v. Schrenk in Dorpat einige schön erhaltene Exemplare dieses bis jetzt so äusserst seltenen Fossils von dem Oberlehrer Werner in Arensburg zugeschickt, der sie aus angeführten Bausteinen ausgeschlagen hatte. Um den eigentlichen Fundort dieses wichtigen Thieres ausfindig zu machen, begab sich Dr. v. Schrenk im Sommer desselben Jahres nach Oesel, fand den Steinbruch beim Wita-Gesinde, unweit Rootziküll, auf, von dem die ihm zugeschickten Stücke herstammten, und brachte eine grosse Menge Material zum Studium der Einzelheiten des Eurypterus mit, das aber einstweilen noch nicht bearbeitet werden sollte.

In seiner Schrift[7] erwähnt Schrenk seines Fundes; dasselbe geschieht auch durch den Grafen Al. Keyserling[8].

[304] Nichtsdestoweniger aber lesen wir, dass Eichwald, der im Sommer 1853, also ein Jahr später, die Insel Oesel besuchte und seine Beobachtungen veröffentlichte[9], sich die Entdeckung des Eurypterus auf Oesel zuschreibt, indem er (a. a. O. S. 49) berichtet, er sei überrascht gewesen den Eurypterus bei Wita in grosser Menge gefunden zu haben. Abgesehen von dieser Eigenthumsverletzung, die dadurch noch prägnanter hervortritt, dass er selbst Zeugniss von seiner Bekanntschaft mit dem Schrenk’schen Werke abgibt, indem er es (S. 46) citirt, müssen wir seiner Darstellung die Anerkennung zollen, die sie verdient. Wir erfahren namentlich in der Beschreibung, die auch hier weit vorzüglicher ist als die Abbildung, recht viel von den Details des Eurypterus. Zuerst wird die schuppig gezeichnete Haut geschildert und mit der ähnlichen des Pterygotus verglichen. Der Stachel wird zum ersten Mal, obgleich nicht vollkommen richtig, beschrieben und abgebildet. Zum ersten Mal auch erhalten wir Nachrichten, wenn auch noch sehr mangelhafte, von der Unterseite des Thieres, namentlich von den Fresswerkzeugen desselben, auf deren Uebereinstimmung mit denen des Limulus hingewiesen wird. In der Abbildung bekommen wir nur von der Oberseite ein leidliches Bild.

Nach dem Erscheinen der Eichwald’schen Arbeit, ist nichts Näheres über den öselschen Eurypterus mitgetheilt worden. In England beschrieb M’Coy[10] unterdessen, nach einem unvollständigen Kopfschilde, den E. cephalaspis, und Murchison[11] thut des E. pygmaeus Salt. Erwähnung, dessen ausführliche [305] Beschreibung in den Decaden der „geological Survey“ zu erwarten steht. Beide stammen aus den höchsten Ludlowschichten.

In Oesel wurde unterdessen eifrig fortgesammelt. Im Sommer 1853 waren daselbst, zugleich mit Eichwald, die Herrn Fr. Schmidt und Al. Harder, die den Eurypterus, ausser bei Wita, noch in einer etwa 5 Werst weiter nach Westen, unweit Kuusnem, an der Mündung eines Baches anstehenden Schicht vorfanden.

Im Jahre 1856 besuchte Hr. Fr. Schmidt zum zweiten Male dieselben Lokalitäten und entdeckte den Eurypterus noch weiter westlich, bei Attel, im Kalk, zusammen mit Murchisonia cingulata, Leperditia baltica und andern Petrefakten der obern öselschen Zone.

Im Jahre 1857 besuchte ich selbst, in Gesellschaft meiner Freunde, der Herrn Fr. Schmidt und Al. Czekanowski, den Rootziküllschen Fundort, und es gelang uns ein reichliches Material zu dem schon früher von Hrn. v. Schrenk herbeigeschafften hinzuzufügen. Einige Monate später erhielt ich durch die Güte des Hrn. Gottl. Schmidt in Arensburg eine prächtige Sendung des Eurypterus aus demselben Steinbruch. Ganz neuerlich, im September 1858, war endlich Hr. Fr. Schmidt nochmals an der Lagerstätte des Eurypterus und brachte wiederum eine reiche Sammlung mit, die unsere früheren Kenntnisse in mancher Beziehung zu ergänzen gedient hat. Derselbe ist im Sommer des laufenden Jahres auf der Insel Gothland gewesen und hat auch dort, in den obersten Schichten des Felslagers, das in Rede stehende Thier wiedergefunden.

Fassen wir nun aus dem Vorhergehenden die Angaben über die verschiedenen Fundorte des Eurypterus zusammen, so ergibt sich uns, dass der ursprüngliche E. remipes und [306] unsere von diesem nicht zu trennende Form ein constantes Niveau in den obersten Schichten der Silurformation einnehmen. In Nordamerika, im Westen des Staates New-York, der ursprünglichen Fundstädte, bilden die ihn enthaltenden Schichten ein eigenthümliches Niveau, den hydraulischen Kalk zwischen der Onondaga-Salt-group und den Tentaculitenschichten, wo er an mehreren Stellen, namentlich bei Williamsville und Cazenovia, gefunden worden ist.

In England ist der E. remipes noch nicht vorgekommen; der E. pygmaeus aber und E. cephalaspis nehmen in ihrer Lagerung genau die Stelle der genannten Art ein.

Auf Gothland findet sich, nach Mittheilungen des Entdeckers, der E. remipes bei Hammarndd, unweit Oestergarn, an der Ostspitze der Insel, in einem weissen, dünngeschichteten, dichten Mergelkalk, der auf einer ganz kurzen Strecke am Meeresstrande ansteht und nach Norden zu von Stromatoporenkalk, im Süden von festen Kalkplatten mit unzähligen Chonetes striatella, Rhynchonella nucula, Avicula retroflexa und Beyrichien begrenzt wird.

Die podolische Fundstätte, unweit Kamienietz-Podolsk, liegt ebenfalls in den höchsten silurischen Schichten. Fischer[12] bezeichnet das Gestein als „Schiste traumatique“ und gibt keinen nähern Fundort an. In der Geology of Russia findet sich Zwilewy unweit Kamienietz-Podolsk angeführt, eine Lokalität, die jedoch von uns nicht ausgemittelt werden konnte. Nach Mittheilungen meines Freundes Czekanowski, befinden sich im Museum der Universität Kiew Exemplare des Eurypterus von einem Nebenfluss des Dniestr, in einem Gestein, das mit dem entsprechenden von Oesel und Gothland genau übereinstimmt.

[307] Was nun den öselschen Fundort betrifft, so findet sich der Eurypterus in grösster Menge in einem dünngeschichteten, feinkörnigen Dolomit (der von Dr. Schrenk, a. a. O. S. 16, auch chemisch analysirt worden ist) beim Gesinde Wita, unter Rootziküll, entweder zu Tage anstehend oder unter einer dünnen Decke eines conglomeratartigen Korallenkalks, von Stromatoporen und Calamoporen gebildet, mit Leperditien, Murchisonia cingulata, Chonetes striatella, Spirigerina didyma u. s. w. Er kommt hier mit vollkommenster Erhaltung seiner feinen Schale vor, während zerstreut mit ihm angetroffene Leperditien und Brachiopoden die ihrige, wie gewöhnlich im Dolomit, vollkommen verloren haben. Mit dem Eurypterus finden sich mehrere andere neue Crustaceenformen als grosse Seltenheiten, deren Beschreibung ich bald veröffentlichen werde; ausserdem ein Cephalaspis verrucosus Eichw. und ein Orthoceras, den Eichwald als O. tenuis His. beschrieben und abgebildet hat.

Weiter westlich, an einem Flüsschen, zu beiden Seiten einer Brücke, über welche die Strasse nach Attel und Karral führt, kommt der Eurypterus in einem blaugrauen, an der Luft weiss werdenden, dichten Mergelkalk vor, genau so wie auf Gothland; mit ihm finden sich zahlreiche Leperditien und Beyrichien; über ihm eine Schicht voll von Trochus helicites und kleinen Fischresten, unter denen die Schuppen von Coelolepis laevis Pand. und C. Schmidti Pand. die Hauptrolle spielen. Noch weiter westlich, beim Attel’schen Dorfe, fand sich ein Kopfschild des Eurypterus, mit etwas festerer Schale, mitten unter den Muscheln und Schnecken des dortigen Korallenkalks; darunter lag wieder der dünngeschichtete Dolomit von Wita, in welchem hier keine fossilen Reste gefunden werden konnten.

[308] Auch in der östlichen Fortsetzung der obersten öselschen Schichten, nach Arensburg zu, sind bei Uddafer, Ladjal und Sandel, von Fr. Schmidt Handstücke mit Eurypterenstructur entdeckt worden, so dass der Eurypterus als charakteristisches Fossil der ganzen obern öselschen Schichtengruppe wird gelten können.


II. Beschreibung des Eurypterus.

Der Körper lässt sich in drei Hauptpartieen eintheilen, nämlich in den Cephalothorax, in das aus den sechs vordersten Segmenten bestehende Abdomen, und endlich das Postabdomen, welches durch die sechs hintern Ringe, von denen der letzte einen Stachel trägt, gebildet ist.

Der Cephalothorax ist auf der obern Seite durch eine feine, dünne, dunkelbraune Schale repräsentirt und bietet die Form eines Trapez, dessen vordere, kürzere Seite an beiden Enden abgerundet, allmälig in die beiden Seitenlinien übergeht (Tab. I, fig. 1). Er ist im Ganzen nur unbedeutend gewölbt, von einem scharfen, dunkelgefärbten Rande umgeben, welchem parallel eine Leiste, mit feinen, kegelförmig vorspringenden, in einer einfachen Reihe stehenden Pünktchen besetzt, verläuft. Zwischen dem äussern Rande und der nach innen gelegenen Leiste zieht sich eine seichte Rinne hin, welche gegen die stumpfen Hinterecken des Kopfes schmäler wird. Auf den Seitenecken des Cephalothorax, ungefähr ebensoweit von dem äussern, wie von dem vordern Rande entfernt, erheben sich zwei massig gewölbte, nierenförmige, mit der Concavität gegeneinander gekehrte Augen. [309] Das Schalenstück, welches ich eben als Auge beschrieb, ist vollkommen der Bedeckung des ganzen Körpers analog, zeigt durchaus keine Spuren einer Facettirung und scheint eine unmittelbare Fortsetzung der allgemeinen Haut zu sein. Es ist also anzunehmen, dass es zusammengesetzte, mit glatter Hornhaut überzogene Augen waren.

An der innern, concaven Seite des Auges, sieht man eine Duplicatur dieser Haut, wodurch eine Art der bei Trilobiten vorkommenden Palpebralplatten entsteht. Auf der Stelle, wo sich die Medianlinien des Cephalothorax und eine die Augen verbindende Querlinie kreuzen würden, bemerkt man zwei dicht nebeneinander stehende, kleine, schwach erhabene Nebenaugen, die sich schon durch ihre Farbe von der Umgebung unterscheiden. Man bemerkt nämlich in ihrer Mitte einen kleinen milchweissen Punkt, der von einem äusserst schmalen, dunkelbraunen Ringe umgeben ist, welcher seinerseits einen viel breitern gelben Kreis um sich hat. Vor diesen Nebenaugen erhebt sich eine kleine, dreieckige Anschwellung, die sich jedoch bald in einer breiten Furche verliert, welche von zweien nach aussen und etwas nach vorn beginnenden und zum vordern Rande des Kopfes sehr schwach divergirenden Erhabenheiten eingeschlossen ist. Nach aussen von dem vordern Ende dieser Erhabenheiten, sieht man eine schief von oben und innen nach aussen und hinten bis zum obern seitlichen Rande des grossen Auges verlaufende Falte, und dieser ähnlich eine zweite hinter den Augen; mit letzterer verbindet sich gabelförmig eine weitere Falte, die, vom innern Rande des Auges herabsteigend, mit der ersten zu einem Wulste verschmilzt, welcher, mit dem der andern Seite convergirend, bis zum hintern Rande des Cephalothorax gelangt. Noch mehr nach hinten und aussen, den erwähnten [310] Wülsten parallel, zieht sich eine schwach ausgeprägte Erhabenheit. In der Medianlinie des Kopfes endlich, von den Nebenaugen an bis zum hintern Kopfrande, ragt ein grader starker Wall hervor.

Die beschriebenen Erhabenheiten lassen sich auch auffassen als drei Kämme, nämlich zwei seitliche, an die sich in ihrer stärksten Krümmung das Auge anschliesst, und einen mittlern, der am hintern Rande des Kopfschildes beginnt, sich gerade nach vorn zieht und vor den Nebenaugen eine Bifurcation macht, so dass deren jeder Ast an seinem vordern Ende mit dem entsprechenden seitlichen Kamm sich verbindet. Durch diese Kämme wird das ganze Kopfschild in 5 mehr oder weniger scharfbegrenzte Felder getheilt, nämlich 2 seitliche und 3 mittlere.

Alle Erhabenheiten, mit Ausnahme der hinter den grossen Augen liegenden, sind mit feinen, perlrunden, erhabenen, dunkelbraunen Pünktchen übersäet.

Endlich erhebt sich vor dem hintern Kopfrande eine Reihe dreieckiger, schuppenähnlicher, mit der Spitze nach hinten gerichteter, dunkelbrauner Hervorragungen, denen ähnliche wir bei den Körpersegmenten zu beschreiben haben werden.

Die untere Schale des Cephalothorax bietet eine flache Concavität dar, in welcher die Bewegungsorgane und Fresswerkzeuge gelagert sind. Die Schale erscheint dunkler gefärbt als die obere und ist mit quer verlaufenden, wellenförmigen Streifen geziert. Man sieht 5 Paar wohlerhaltener, gegliederter Füsse (Tab. II, fig. 1), ausser welchen noch ein sechstes Paar nur an einzelnen von mir untersuchten Exemplaren sich nachweisen lässt, deren Beschaffenheit jedoch aus diesen nicht genauer zu erkennen ist.

Das erste vollkommen erhaltene Fusspaar ist das kürzeste; [311] die folgenden nehmen alle nach einander an Grösse zu. Das Grundglied (coxa) des ersten Fusspaars, welches bei allen vier ersten Paaren gleich gebildet ist, jedoch von vorn nach hinten allmälig grösser wird, ist grösser als die folgenden Glieder (Tab. II, fig. 8), länglichviereckig und am innern Ende verschmälert. Das verschmälerte innere Ende ist mit feinen, spitzen, dunkelgefärbten Zähnchen versehen und gegen die Medianlinie des Cephalothorax gerichtet, ohne jedoch das Grundglied der andern Seite zu berühren, so dass zwischen ihnen eine Spalte übrig bleibt.

Die folgenden 5 Glieder des ersten Fusspaares unterscheiden sich zu wenig unter einander, als dass sie eine besondere Beschreibung erforderten; sie erscheinen als cylindrische, plattgedrückte Stücke, die durch Articulationen unter einander verbunden sind. Das letzte Glied trägt 3 pfriemenförmige Spitzen, die mit ihm durch Gelenke verbunden sind. Das zweite Fusspaar ist länger und unterscheidet sich von dem vorigen bloss dadurch, dass es, statt aus 6, aus 7 Gliedern besteht und dass die zwei zunächst auf das Grundglied folgenden kürzer als die übrigen Glieder sind.

Das dritte und vierte Paar stimmen darin mit einander überein, dass sie achtgliedrig sind, das zweite und dritte Glied ringförmig gebaut, die andern verlängert, wie bei dem zweiten Paare. Ausserdem tragen einzelne Glieder, nahe den Articulationsstellen, accessorische borstenähnliche Stacheln[13]. Im Uebrigen gleichen auch diese Fusspaare ganz dem ersten, sind namentlich auch mit den dort erwähnten Zähnchen versehen und lassen zwischen diesen eine schmale Spalte frei. Diese vier beschriebenen Fusspaare sind dicht hinter einander [312] gelegen, – ja ihre Grundglieder decken sich zum Theil und zwar so, dass der vordere Rand des zweiten Paares den hintern des ersten bedeckt u. s. w. so, dass die Grundglieder dachziegelförmig von hinten nach vorn übereinander geschoben sind (vergl. Tab. I, fig. 6).

Die Grundglieder der vier vordern Füsse konnten, ihrer dachziegelförmigen Anordnung wegen, wahrscheinlich nur geringe Bewegungen und zwar besonders in horizontaler Richtung ausführen. In welcher Weise sie mit dem Cephalothorax verbunden waren, liess sich nicht mit Sicherheit ermitteln; nehmen wir aber eine Verbindung an, wie sie bei Limulus vorkommt, so werden wir ihnen nur eine sehr geringe Beweglichkeit vindiciren dürfen. Anders verhielt es sich ohne Zweifel mit den folgenden Gliedern, durch welche die Füsse auch in verticaler Richtung bewegt wurden; sie konnten nach unten umgebogen und so zum Kriechen auf dem Meeresboden verwandt werden. Das mit drei pfriemenförmigen, eingelenkten Spitzen versehene Endglied diente wahrscheinlich als mangelhaftes Organ zum Ergreifen der Beute und zur Beförderung derselben in die zwischen den innern Enden der Grundglieder gelegene Mundfurche. Wenn wir annehmen, dass der Eurypterus, wie es allerdings scheint, zum Schwimmen befähigt war, so werden dabei die vordern vier Fusspaare, ausgestreckt und in horizontaler Richtung thätig, als unvollkommene Ruder gewirkt haben.

Das fünfte, durch seine Grösse auffallende Fusspaar ist sowol in Bezug auf seinen Bau von den vorigen gänzlich verschieden, und war es auch ohne Zweifel seinen Functionen nach. Sein breites, plattes Grundglied hat ungefähr die Form eines Vierecks (Tab. II, fig. 2), dessen vordere äussere Ecke einen kurzen, stumpfen Fortsatz (fig. 2, a) bildet und durch [313] einen auf demselben befindlichen Gelenkkopf mit dem Cephalothorax in Verbindung steht. Dieser Fortsatz erscheint durch zwei von beiden Seiten in ihn eindringende Einschnitte von der Hauptmasse des Grundgliedes abgesondert. Der am hintern Rande, gleich über der Einlenkungsstelle des zweiten Gliedes befindliche Einschnitt geht tiefer als die seichte Ausbuchtung am vordern Rande. Beide sind durch dunklere Färbung ihrer Umgebung markirt und durch eine gebogene Linie verbunden, welche die Continuität der Schaale nicht unterbricht, aber auch auf dem Steinkerne sichtbar ist. Der vordere, leicht S-förmig ausgeschweifte Rand des Gliedes deckt den hintern Rand des vierten Fusspaares. Die vordere innere Ecke wird zu einem starken, schnabelförmigen, dunkel gefärbten, ziemlich spitz zulaufenden Fortsatz ausgezogen (fig. 2, b), der, den der andern Seite nicht berührend, zur Verlängerung der durch die Grundglieder der ersten vier Fusspaare gebildeten Mundfurche beiträgt. Es befindet sich aber an der innern vordern Ecke noch ein zweiter Fortsatz (fig. 2, c), der nicht in einer Ebene mit dem ersten liegt, sondern etwas nach hinten und oben von demselben. Er stellt eine dicke, fast schwarze, glänzende Platte dar, deren freier Rand mit 6 kurzen, aber kräftigen Zähnchen versehen ist. Da, wie gesagt, die beiden Fortsätze nicht in einer Ebene liegen, so lassen sie zwischen sich eine Rinne, die sich am Rande der innern Seite des Grundgliedes fortsetzt, allmälig schwächer wird und endlich gegen die abgerundete innere hintere Ecke vollkommen verschwindet. In diese Furche legt sich theilweise die unten zu besprechende ovale Platte. Der hintere Rand des Grundgliedes ist convex, überragt den Cephalothorax nach hinten und deckt die schon zum Rumpfe gehörenden Theile, so dass der Kopfschild weit länger erscheint, wenn man ihn von unten, [314] als wenn man ihn von oben betrachtet. Der äussere Rand des Grundgliedes bietet in seiner hintern Hälfte die Gelenkgrube dar, in welche der Gelenktheil des zweiten ringförmigen Gliedes eingebettet ist; auf dieses folgt ein ebenso beschaffenes drittes Glied. Alle drei werden vom Cephalothorax vollkommen verdeckt und können von oben nicht gesehen werden. Das vierte Glied ragt nach aussen hervor und ist mehr als zweimal so lang wie das zweite und dritte zusammen. Es ist überall gleich breit, an der obern Fläche fast glatt, an der untern dagegen erhebt sich, in seiner hintern Hälfte, eine der ganzen Länge nach sich hinziehende scharfe, mit feinen schwarzen Pünktchen bedeckte Crista. Das fünfte Glied, welches mit dem vorigen in der Mitte seines äussern Endes articulirt, ist um die Hälfte kürzer und auch ein wenig schmäler. Es vereinigt sich mit dem ebenso langen, aber noch weniger dicken, durch Articulation verbundenen sechsten Gliede, welches seinerseits durch ein auf dem äussern Ende schräg gelegenes Gelenk mit dem folgenden, sehr grossen, aus zwei Theilen bestehenden Stücke verbunden ist.

Dieses letzte Stück, welches, wie gesagt, aus zwei Gliedern besteht, übertrifft in seiner Länge die drei vorhergehenden Glieder und beträgt in der Breite ungefähr die Hälfte der Länge. Es ist in der Mitte schwach gewölbt und wird gegen die Ränder allmälig dünner. Der vordere Rand des ganzen Stückes ist fast halbkreisförmig; der hintere fast gerade, in der Mitte etwas eingebogen. Die beiden Glieder dieses Stückes, einzeln betrachtet, stellen nahezu ein Viertel einer kreisförmigen Scheibe dar und haben ungefähr die gleiche Grösse. Das erste verbindet sich, wie gesagt, mit dem sechsten Gliede durch ein Gelenk an der durch die vordere und hintere Seite gebildeten Ecke. Die dieser Ecke [315] gegenüberliegende Seite bildet an ihren Enden mit den äussern Seiten scharfe Winkel. An dieser Seite befindet sich eine tiefe Gelenkgrube, die den langen Gelenkkopf des Endgliedes aufnimmt (Tab. I, fig. 4). Das Endglied ist an seinem vordern Rande mit feinen dunklen Zähnchen besetzt, zwischen denen etwas grössere sich erheben; an dem äussern Ende des Gliedes befinden sich zwei ziemlich tiefe Einschnitte, zwischen denen ein platter, starker, dunkel gefärbter Zahn hervorragt. Ob derselbe nur ein blosser Fortsatz des Endgliedes ist, oder ob er ein besonderes, durch Articulation mit dem Endgliede verbundenes Stück darstellt, konnte ich bis jetzt nicht ermitteln. Die letztgenannte Vermuthung scheint jedoch nicht ganz ohne Grund zu sein; denn man findet meist, dass dieser Zahn ganz glatt abgebrochen ist, an den Exemplaren aber, wo er erhalten war, glaube ich einige Mal unter der Loupe eine äusserst feine Linie, die als Ausdruck der Articulation betrachtet werden könnte, wahrzunehmen.

Die Hauptaufgabe dieses Fusspaares war es jedenfalls, als Schwimm- oder Ruderorgan zu functioniren. Die grossen, platt anliegenden Grundglieder, mit der vordern äussern Ecke durch das Gelenk an die Schale befestigt, konnten, mittelst der an ihrer obern Fläche sich inserirenden Muskeln, zwar eine sehr kurze, aber ziemlich kräftige Bewegung in vertikaler Richtung ausführen; – viel schwächer war die in horizontaler Richtung und zwar von innen nach aussen, wodurch die obern innern Fortsätze einander genähert wurden. Die beiden ringförmigen Glieder gestatteten auch die Biegung nach unten, die gleichfalls, obschon in geringerem Grade, dem vierten, fünften und sechsten Gliede zukam. Ich nehme an, dass die beiden Endglieder, d. h. das siebente und achte, sich zum übrigen Theil des Beines so stellen konnten, dass ihre Flächen aus der horizontalen [316] Lage in die vertikale gebracht wurden. Beim Schwimmen bildeten sie, nachdem sie in horizontaler Lage mit dem ganzen Bein nach vorne bewegt waren und sich darauf vertikal gestellt hatten, für die rückgängige Bewegung sehr kräftige Ruder, jedenfalls die wirksamsten Schwimmorgane des Cephalothorax. Es ist ferner anzunehmen, dass die beiden Endglieder sich bald als Ganzes, bald getrennt bewegten. Letzteres wird durch die Articulationen zwischen ihnen höchst wahrscheinlich; sehr bedeutend ist aber diese Bewegung, welche allein in der Richtung ihrer Flächen ausgeführt werden konnte, jedenfalls nicht gewesen. An dem äussern Rande des vorletzten Gliedes bemerkt man, in geringer Entfernung von der vordern Ecke, einen kleinen Ausschnitt, und an dem letzten Gliede, an der correspondirenden Stelle, einen stark vorspringenden Tuberkel, der Nichts anderes, als ein prominirender Theil des Gelenkkopfes ist, mittelst dessen das Endglied sich wie in einem Falze verschieben konnte und in der Richtung der Flächen mit seiner Spitze einen kleinen Bogen beschrieb.

Die Schale der Grundglieder aller fünf Fusspaare ist mit feinen, wellenförmig verlaufenden Linien verziert, die der andern Glieder erscheint glatt und glänzend.

Als ein zum Cephalothorax gehörender Theil ist die schon oben erwähnte ovale Platte zu betrachten (Tab. II, fig. 1 u. 3). Ihre Länge ist gleich der Entfernung des Vorderrandes des Cephalothorax von den innern Ecken der Grundglieder des fünften Fusspaares; ihre Breite beträgt etwas mehr als die Hälfte der Länge. Die grösste Breite der Platte ist in der Mitte, und von hier wird sie nach vorn nur wenig schmäler als nach hinten. Die obere Fläche erscheint rauh und in dem vordern Drittheil bemerkt man stärkere Vorsprünge, [317] die als Insertionsstellen der sie bewegenden Muskeln zu betrachten sind. Die nach unten gerichtete Fläche ist mit feinen schwärzlichen Tuberkeln besäet; von der Mitte des vordern Randes geht eine anfangs ziemlich tiefe, bald aber sich verflachende Rinne gerade nach hinten, bis etwa zum Ende des ersten Drittheils der ganzen Länge. Wie schon früher erwähnt wurde, ist die Lage dieser ovalen Platte zwischen den beiden Grundgliedern des letzten Fusspaares, so, dass sie mit ihrem vordern Theile in die Furche, welche durch die beiden Fortsätze der innern obern Ecke eines jeden Grundgliedes gebildet wird, greift und weiter nach hinten, wo diese Furche aufhört, über den innern Rändern der Grundglieder, diese deckend, ruht. Die Bewegung der ovalen Platte scheint nur in einer Richtung stattgefunden zu haben, nämlich in verticaler. Durch den Zug der starken, sich am vordern Theile der obern Fläche ansetzenden Muskeln, wurde der vordere Rand nach oben gezogen, die glatten Ränder der Platte glitten in den durch die beiden Fortsätze gebildeten Furchen und schoben sich unter die mit den Zähnchen versehenen Fortsätze, wodurch die zwischen den Grundgliedern aller Fusspaare befindliche Spalte von hinten abgeschlossen werden konnte. Durch das Heben des vordern Endes der Platte senkte sich das hintere und, beim Nachlassen des Zuges, kehrte die Platte in ihre frühere Lage zurück.

Das Abdomen besteht aus sechs Segmenten, von denen das vierte das breiteste, das erste und sechste an Breite einander gleich und zugleich die schmälsten sind. Die obere Fläche ist schwach gewölbt. Die Rückenplatten der einzelnen Segmente, welche durch eine dünne, dunkelbraune Schale dargestellt werden, decken sich mit ihren Rändern dachziegelförmig und zwar schiebt sich das erste Segment mit seinem [318] fast geradlinigen Vorderrande unter den Cephalothorax und deckt mit seinem in der Mitte schwach concaven, an den Seiten leicht convexen Hinterrande den Vorderrand des zweiten Segments bis zu einer über die ganze Breite des Gliedes sich hinziehenden Reihe von schuppenähnlichen Erhöhungen (fig. 5), welche mit bedeckt wird. Hinter dieser letztern bemerkt man eine zweite Reihe derartiger Erhöhungen, die sich jedoch nicht über die ganze Breite des Segments hinzieht; noch weiter nach hinten bemerkt man sechs nebeneinander gelegene Anhäufungen von Schuppen, in deren Mitte sich eine durch ihre ansehnliche Grösse auszeichnet, mit ihrer Basis nach vorn und mit der Spitze nach hinten gerichtet ist, mit welcher sie in die dem hintern Rande des Segments parallel verlaufende einfache Reihe von kleinen Erhöhungen eindringt. Auf Steinkernen erscheinen diese grossen dreieckigen Erhöhungen als verticale parallele Erhabenheiten.

Die Unterseite des Abdomens stellt ein ganz verschiedenes Bild vor; sie ist mehr gewölbt als die obere und wird von sechs Platten gebildet, die in der Form einigermassen an die Platten der Oberseite erinnern, bei genauerer Untersuchung aber als vollkommen verschieden gebaut sich ergeben. Das vorderste Segment (Tab. II, fig. 4) ist aus mehreren, durch Nähte untereinander verbundenen Stücken zusammengesetzt. Sie lassen sich als mittlere und seitliche betrachten. Zu den erstern gehören zunächst zwei dreieckige Stücke, die mit ihren nach vorn gerichteten Basen einen stumpfen Winkel bilden, mit ihren innern Seiten fast bis zur Hälfte durch eine Naht verbunden sind, weiter aber nach hinten divergiren und zwischen sich einen spitzwinkligen Raum lassen, in welchen sich eine unpaarige, in der Mitte liegende Platte hineinschiebt. Dieses Stück ist in seiner Form dem menschlichen [319] Sternum nicht unähnlich, nur mit dem Unterschiede, dass der Schwertfortsatz des letztern dem vordern zugespitzten Ende des erstern entspricht und der obere Ausschnitt des Manubriums dem hintern ausgeschweiften Rande des unpaarigen Stückes ähnelt. Die Seitentheile bilden ein längliches, quergelagertes Viereck, mit äussern abgerundeten Ecken, und bestehen aus drei durch Nähte sowol unter einander, als auch mit den mittlern Platten verbundenen Stücken. Es zieht sich nämlich beiderseits von der untern Spitze der dreieckigen mittlern Platten eine schwach convexe Naht nach aussen und biegt kurz vor dem äussern Rande der Platte rasch nach vorn; dadurch zerfallen die Seitentheile in einen hintern und einen vordern Abschnitt. Diese Naht dient auch dem kleinen dreieckigen Seitenstücke als nach hinten gelegene Basis; seine innere Begrenzung wird von der äussern Seite des dreieckigen Mittelstücks, seine äussere von einer bogenförmig laufenden Naht, die es vom grossen Seitenstück trennt, gebildet. Der hintere Abschnitt bildet mit seinem Hinterrande in der Mitte eine schwache Concavität, nach aussen eine Convexität; ebenso ist der innere Rand convex und legt sich mit seiner vordern Hälfte an das paarige Mittelstück, weiter nach hinten aber ist dieser Rand frei und sein hinteres Ende stösst mit dem innern Ende des Hinterrandes unter einem stumpfen Winkel zusammen.

Die mittlern und kleinern Seitenstücke sind dunkel gefärbt, von noch dunklern Rändern umgeben und von schuppenähnlichen Zeichnungen bedeckt. Die grossen Seitenlappen sind weit heller tingirt und ihre Schuppen sind breit, wenig erhaben.

Die untere Seite des zweiten Abdomensegments (Tab. II, fig. 5) ist in ihrer Form der der ersten sehr ähnlich, unterscheidet [320] sich aber von ihr durch schmälere Mittelstücke und durch den Mangel der kleinen Seitenstücke.

Das dritte Segment (Tab. II, fig. 6) ähnelt den vorhergehenden; die Beschaffenheit der Mittelstücke zeigt jedoch eine grosse Differenz. Die paarigen Mittelstücke sind hier, mit Ausnahme der hintern Enden, zu einer grossen, breiten Platte zusammengeschmolzen. Die beiden hintern Enden sind breit, abgerundet, und zwischen denselben bemerkt man einen kleinen Einschnitt, als Andeutung des bei den vorhergehenden Platten befindlichen Raumes, in welchen sich das spitze Ende des mittlern unpaarigen Stückes hineinschob. Auch dieses unpaarige Stück zeigt grosse Unterschiede in seiner Form; es ist fast um die Hälfte schmäler als das der ersten Platte; nach vorn bildet es nur eine kurze Spitze und nach hinten theilt es sich in zwei stark divergirende Zinken.

Das vierte, fünfte und sechste Abdominalsegment sind einander gleich (Tab. II, fig. 7); jedes stellt ein längliches Viereck dar, dessen vorderer Rand geradlinig, der hintere in der Mitte concav ausgeschweift ist und dessen Ecken abgerundet sind. In der Mitte bemerkt man eine longitudinale Furche, welche durch eine die beiden Hälften verbindende Naht entsteht (Tab. II, fig. 7).

Die obenbeschriebenen sechs Platten bilden die untere Seite des Abdomens und zwar auf die Weise, dass jede vordere Platte sich über die ihr folgende mit ihrem hintern Rande dachziegelförmig legt. Durch dieses Uebereinanderlegen der einzelnen Platten entsteht das in der Tab. II, fig. 1 dargestellte Bild. Der vordere Rand der ersten Platte verschwindet unter den Grundgliedern des grossen Fusspaares und der ovalen Platte; beim lebenden Thiere war sie wahrscheinlich durch Weichtheile mit dem obern Rande des [321] ersten Segments der Oberseite des Abdomens verbunden. Diese Platte bedeckt die zweite bis zur Naht, welche den vordern und hintern Abschnitt verbindet, wodurch die beiden paarigen Mittelstücke dem Auge entzogen werden und das unpaarige allein sichtbar wird. Ebenso verhält es sich mit der dritten Platte, welche ihrerseits den vordern Rand der vierten bedeckt u. s. w., bis die sechste Platte sich mit ihrem hintern Rande über den vordern Rand des ersten Segments des Postabdomens legt und dasselbe ungefähr bis zu einem Drittheil seiner Länge bedeckt[14]. Da die einzelnen Platten nur mit ihren vordern Rändern befestigt waren, so konnten sie natürlich eine Bewegung ausführen, welche im Auf- und Zuschlagen des hintern Randes bestand.

Dass die Unterseite des Abdomens stärker als die Oberseite gewölbt war, ersieht man daraus, dass an manchen stark plattgedrückten Exemplaren die untern Platten mit ihren Enden über die der obern Segmente hinausragen und zwar meist an einer Seite, wo der Widerstand am geringsten war (Tab. I, fig. 7).

Der dritte Theil des Körpers, das Postabdomen, besteht ebenfalls aus sechs Gliedern und dem mit dem letzten Gliede verbundenen Stachel. Er ist fast so lang wie der Cephalothorax mit dem Abdomen zusammen. Die einzelnen Segmente bilden vollständige Ringe, d. h. die obern Platten sind mit den untern an ihren Seiten verwachsen. Das erste Segment, von oben gesehen, hat beinahe die Form des letzten Abdominalsegments, mit dem Unterschiede, dass seine äussern hintern Winkel in kurze, spitze Fortsätze auslaufen. Seine [322] Oberfläche hat ebenfalls eine ähnliche Beschaffenheit; man bemerkt hier, wie auch dort, grosse, mit den Spitzen nach hinten gerichtete, dreieckige Schuppen, deren Zahl aber, statt 6, nur 5 ist und oberhalb, wie auch zwischen denselben, mehrere kleinere. Das zweite Segment ist nach demselben Muster gebildet; nur wird es etwas länger als das vorige, aber auch dafür etwas schmäler; auch die 5 grossen Schuppen stehen einander näher. Aehnlich verhalten sich das dritte, vierte und fünfte Postabdomensegment; sie werden successiv länger und schmäler, die grossen Schuppen werden näher und näher zusammengedrängt und bei allen sind die hintern Ecken in die spitzen Fortsätze verlängert; das fünfte Segment hat nur 4 Schuppen.

Durch einen eigenthümlichen Bau zeichnet sich das sechste Glied aus. Es ist unter allen das längste; seine Seitenränder divergiren nach hinten, sind fein gezähnelt, der hintere Rand zeigt in der Mitte einen tiefen Ausschnitt und auf jeder Seite eine starke, nach hinten gerichtete Zinke, zwischen denen der Stachel im Ausschnitte eingelenkt ist. Auf der Oberfläche fehlen die grossen Schuppen gänzlich und man sieht nur zwei einander parallele, neben der Mittellinie liegende Reihen kleiner Schüppchen.

An der untern Fläche des Postabdomens wird der vordere Rand des ersten Segments vom hintern Rande der letzten Abdominalplatte bedeckt; ebenso verhalten sich alle folgenden Segmente zu den zunächst vor ihnen liegenden. Die Färbung der Segmente ist viel dunkler; parallel dem vordern Rande eines jeden verläuft eine Reihe feiner Schuppen, und in der Mitte der Glieder, mehr als ein Drittel ihrer Breite einnehmend, erheben sich in einer sehr grossen Anzahl dicht an einander stehende, bedeutend vorspringende, schwarzbraun gefärbte Schuppen.

[323] Das letzte Stück des Postabdomens bildet ein langer Stachel, welcher ungefähr ein Viertel der ganzen Länge des Thieres ausmacht. Es ist nicht ein unmittelbarer Fortsatz des sechsten Gliedes des Postabdomens, sondern ein für sich bestehender und durch Articulation mit dem übrigen Körper verbundener Theil. Er ragt nämlich mit seinem vordern, zu einem Gelenkkopf angeschwollenen, in der Mitte ausgebuchteten Ende in die im Ausschnitte des sechsten Gliedes befindliche Gelenkgrube hinein, wovon man sich durch vorsichtiges Abtragen der Schale sowol von der obern, als auch von der untern Seite überzeugen kann (Tab. I, fig. 3). Der Stachel verjüngt sich von vorn nach hinten und endet in eine stumpfe Spitze. Auf seiner obern Seite bemerkt man eine Rinne, welche gegen die Spitze hin sich allmälig verliert; auf jeder Seite dieser Rinne und ihr parallel läuft eine Erhabenheit, welche nach aussen ziemlich abschüssig abfällt und in einen scharfen, fein gezähnelten Rand übergeht. Die untere Seite des Stachels trägt, statt einer Rinne, eine scharfe Gräte, welche bis zur Spitze verläuft und derer Seiten eine concave Fläche darstellen, so dass der Stachel auf dem Durchschnitte die Gestalt einer Raute mit einem einspringenden Winkel darstellt (Tab. I, fig. 2).

Die obige Beschreibung des ganzen Thieres ist nicht bloss nach Abdrücken in Kalk gegeben, sondern nach der überall vollständig erhaltenen Schale des Thieres, die sich als dünne Lamelle von brauner Farbe leicht abblättern lässt. Unter dem Mikroskop liess sich an Querdurchschnitten der Schale keine weitere Structur erkennen; die Substanz war durchaus gleichmässig, feinkörnig, hellgelb, und erwies sich, wie vorauszusetzen war, durch totale Resistenz gegen Kalilösung und Säuren, als Chitin.


[324]
III. Vergleichend-anatomische Erläuterungen über die zoologisch-systematische Stellung des Eurypterus.

Es wird wol Niemand auffallend erscheinen, dass die meisten bisherigen Versuche, dem Eurypterus eine Stellung im System der Crustaceen anzuweisen, zu keinem genügenden Resultate führten und zuweilen sogar bedeutende Missgriffe offenbarten. Die Unvollständigkeit und geringe Anzahl der bis jetzt untersuchten Exemplare entschuldigt die falsche Deutung der einzelnen Körpertheile und die darauf gestützten Schlüsse über den Bau des ganzen Thieres und dessen Verwandtschaft mit den jetztlebenden Gattungen hinreichend, und es ist vielmehr zu bewundern, dass einzelne Forscher, durch nüchterne Beobachtung eines mangelhaften Materials, dennoch auf den richtigen Weg geleitet wurden und die wahre Bedeutung der von ihnen untersuchten Theile zu entziffern vermochten.

Burmeister[15] welcher in den Trilobiten die Verwandten der lebenden Phyllopoden nachzuweisen glaubte, suchte diese Ansicht auch auf andere in silurischen Schichten vorkommende Crustaceen zu übertragen und in ihnen die Repräsentanten verschiedener Formen der Phyllopoden zu finden. So erklärte er die Gattung Cypridina für ein Analogon der zweiklappigen Limnadia, und den schalenlosen Branchipus meinte er in dem, seiner Ansicht nach, ebenfalls einer Schale entbehrenden Eurypterus wiedergefunden zu haben. Er begnügte [325] sich nicht damit, seiner Vermuthung eine kurze Erwähnung zu thun, sondern bemüht sich noch, auf schlechte Abbildungen von Harlan und Fischer fussend, die ihm seine Data allein geliefert hatten, und von einer vorgefassten Meinung geleitet, alle abgebildeten Theile so zu deuten, dass sie auf die bei den Phyllopoden vorkommende Organisation passen. In den Augen glaubte er mit Sicherheit das schwarze Pigment, die Glaskugeln und Linsen zu sehen; von den drei Paaren abgebildeter Bewegungsorgane hielt er die zwei ersten für Antennen, wie sie bei jungen Phyllopoden vorkommen, und das dritte, nach seiner Meinung am Ende mit Haken bewaffnete, für einen accessorischen Mundtheil, dessen sich das Thier zum Ergreifen seiner Beute bediente. Nicht weniger glaubt Burmeister ein paar Ruderfüsse auf dem ersten Segment des Körpers zu sehen. Ferner hält er die in der Abbildung von Fischer sichtbaren Seitenzacken der Rumpfsegmente, die Nichts anders als herausgepresste Abdominalplatten sind, für die äussersten Enden der übrigen Ruderfüsse. Endlich, seine Idee weiter verfolgend, bestimmt er die Zahl der Ringe für Brust und Hinterleib, damit der Typus der Phyllopoden vollständig ausgesprochen wäre. Eine specielle Widerlegung einzelner Momente dieser auf schlechte und theilweise falsche Abbildungen begründeten Ansicht wäre wol jetzt überflüssig, indem ihre Unrichtigkeit nach dem oben erläuterten Detail in dem Bau des Eurypterus hervorleuchtet; übrigens ist ein flüchtiger Blick auf die von mir gegebenen Tafeln hinreichend, um in dem Eurypterus keinen Phyllopoden zu erkennen.

Milne-Edwards[16], welcher das Thier ebenfalls nur aus [326] Abbildungen kannte, glaubte eine Anologie zwischen der Familie Copepoda, namentlich den Gattungen Cyclops und Pontia, welche zu seiner Ordnung Entomostraca (Lophyropoda Latr.) gehören, und dem Eurypterus zu finden und meinte, er bilde einen Uebergang von den letztern zu den Isopoden. Bronn[17] hält den Eurypterus für eine Uebergangsform zwischen den Branchiopoden und den Trilobiten.

Roemer[18] hat zuerst eine richtige Ansicht über den Bau des Eurypterus und seine Verwandtschaft mit den jetztlebenden Krustenthieren ausgesprochen.

Die stachelförmige Bildung des Endgliedes des Körpers, die zangenförmige Endigung (?) und die ganze Gestalt des von Römer an seinem Exemplare beobachteten Fusspaares, die weite Entfernung der beiden Augen von einander, Alles dies veranlasste ihn die Analogie zwischen dem Eurypterus und dem Limulus zu erblicken, eine Analogie, welche ich durchaus bestätigt gefunden habe und die ich mit den durch eine genauere Untersuchung gewonnenen Resultaten bekräftigen kann. Leider hat Römer diese Ansicht nicht festgehalten; denn an einem andern Orte[19] spricht er sich einfach dafür aus, den Eurypterus zum Typus einer eigenen Familie zu erheben, ohne dieser Familie eine bestimmte Stellung anzuweisen.

Eichwald[20], der vor mir das reichste Material hatte, verglich den Eurypterus ebenfalls mit dem Limulus und war schon im Stande, zu den von Römer angeführten Beweismitteln, die Vermuthung über den Bau der Bewegungsorgane, [327] die zugleich als Kauwerkzeuge dienen sollten, hinzuzufügen. – Drei Jahre später trennt Eichwald[21] den Eurypterus von den Xiphosuren und erhebt ihn zu einer besonderen Ordnung Copepodaria. In der Charakteristik derselben spricht er nicht mehr davon, dass die um den Mund sitzenden Füsse Kaufüsse seien, äussert nur, dass sie keine kiementragenden Schwimmorgane darstellen und glaubt mit Recht, dass die Kiemen an den Brustringen sassen. In der Charakteristik seiner Xiphosuren gibt er, als Grund der Trennung des Eurypterus von diesen, die Verwachsung ihrer Kopf- und Brustringe zum Cephalothorax, die unbeweglich verbundenen Bauchringe, unter welchen sich die Kiemen befinden, und endlich die um den Mund sitzenden Kaufüsse an, als wenn alle diese Verhältnisse bei dem Eurypterus nicht auch vorhanden wären. Daraus ersieht man, dass die früher von Eichwald über die Fresswerkzeuge richtig ausgesprochene Ansicht bei ihm nicht zur Ueberzeugung geworden, da er sich in der letzterwähnten Arbeit von ihr zurückzuziehen scheint. Ausserdem belegt Eichwald, ohne allen Grund dazu, den öselschen Eurypterus mit dem Namen E. Fischeri, da er ihn doch, nebst dem E. tetragonophthalmus Fisch., in seiner frühern Abhandlung mit dem E. remipes identificirte[22].

Dass der Eurypterus ein Repräsentant der in der Jetztwelt nur in einer einzigen Gattung vertretenen Ordnung oder eigentlich Unterklasse der Poecilopoden (Xiphosuren) ist, unterliegt keinem Zweifel. Aus dem mir zu Gebote stehenden [328] Material lässt sich nicht allein die Verwandtschaft beider erwähnten Gattungen deutlich erkennen, sondern auch die genaueste Analogie zwischen den einzelnen Theilen und Organen des Körpers mit aller Präcision durchführen.

Der Körper des Limulus besteht aus drei Haupttheilen, einem Cephalothorax, einem sogenannten Abdominalschilde und einem Stachel. Bei einer etwas nähern Betrachtung des Eurypterus, ergibt sich ein ähnlicher, wenn auch etwas modificirter, aber im Wesentlichen vollkommen demselben Typus entsprechender Bau. Zwei Theile, Cephalothorax und Schwanzstachel, sind unbestritten denen des Limulus nicht nur analog, sondern sogar äusserlich überaus ähnlich; es kommt also bloss darauf an, den zwölfgliedrigen Mittelkörper des Eurypterus mit dem von einem ungetheilten Schilde bedeckten Rumpf des Limulus in Einklang zu bringen. Aber auch in diesem Punkte wird jede Bedenklichkeit einer gezwungenen Analogie schwinden müssen, sobald wir uns nur das allgemeine, im ganzen Thierreich durchgängige Gesetz vergegenwärtigen, nach welchem sowol in verschiedenen Entwickelungsphasen eines und desselben Thieres, als auch in verschiedener Vollkommenheit der Entwickelung eines Typus nicht nur bei Wirbel-, sondern auch bei wirbellosen Thieren, also auch gar nicht weniger in der Klasse der Krustenthiere, die Trennungen der einzelnen Körpertheile bald deutlicher zum Vorschein kommen, bald mehr obliteriren und sogar vollständig schwinden. Es ist also leicht denkbar, dass der Eurypterus eine niedrigere Entwicklungsform der Xiphosuren sei, indem seine zwölf Körpersegmente bei dem Limulus durch ein Schild vertreten sind. Diese Behauptung wird noch mehr an Sicherheit gewinnen, wenn wir auf eine ausführlichere Vergleichung dieser Theile bei beiden Thieren eingehen.

[329] Der Cephalothorax ist beim Limulus, im Verhältniss zum ganzen Körper, viel grösser als beim Eurypterus; er beträgt nämlich mehr als die Hälfte des Körpers, nach Abzug des Stachels, während derselbe beim Eurypterus kaum ein Fünftel ausmacht. Der vordere und seitliche Umfang des Cephalothorax ist beim Limulus mehr einem Kreisabschnitte ähnlich, beim Eurypterus fast viereckig mit abgestumpften Winkeln. Er scheint bei Limulus stärker gewölbt zu sein als bei Eurypterus, selbst wenn man annimmt, dass dieser durch Druck jetzt weniger gewölbt erscheint, als er im Leben gewesen sein mag. Beim Limulus springen die Ecken des hintern Randes sehr stark nach hinten vor, während bei Eurypterus der hintere Rand nur wenig concav ist. Ungeachtet dieser Abweichung in den Umrissen, ist die Uebereinstimmung in der Form und Stellung der zusammengesetzten und einfachen Augen sehr auffallend; letztere stehen bei Limulus weit vor den zusammengesetzten Augen, etwa in der Mitte zwischen dem vordern Rande des Cephalothorax und einer Linie, die durch das vordere Ende der zusammengesetzten Augen gelegt wird. Aehnlich, wie bei Eurypterus, verläuft bei Limulus, parallel dem vordern und seitlichen Rande des Cephalothorax, eine vorspringende Kante, die nach hinten in die Ränder ausgeht; auch die sonst auf der Oberfläche des Cephalothorax vorkommenden Leisten entsprechen einigermassen denen des Eurypterus, so z. B. eine mediane, welche vom hintern Rande zu den Nebenaugen verläuft, dann zwei seitliche, denen in den Mitte das grosse Auge sich anschmiegt. Zwischen ersterer und letzterer findet sich beim Limulus eine[WS 1] schmale Furche, die beim Eurypterus auch vorhanden, aber flacher ist.

Auf der untern Seite des Cephalothorax liegen, sowol [330] bei Limulus als bei Eurypterus, neben der Mittellinie, die Füsse dicht hinter einander. Beim Limulus sind ihrer sechs Paare vorhanden, beim Eurypterus habe ich nur fünf Paare mit Bestimmtheit nachweisen können; doch möchte ich glauben, dass beim lebenden Thiere noch ein sechstes vorderes Paar existirt habe, was auch unser Material in Rudimenten zeigt. Bei Limulus ist das erste Fusspaar das kürzeste und schlankste; seine weichen Basalglieder sind unter einander verschmolzen und bilden die sogenannte Oberlippe, unter welcher eine trichterförmige Mundöffnung sich findet. Wenn wir eine entsprechende Beschaffenheit dieses Fusspaares für den Eurypterus annehmen, so wird es leicht erklärlich, dass es viel eher unkenntlich geworden oder verloren gegangen sein kann, als die andern.

Die folgenden Fusspaare des Limulus glauben wir denen des Eurypterus vergleichen zu dürfen; sie stimmen mit einander darin überein, dass zwischen ihren Basalgliedern in der Mitte eine enge Furche übrig bleibt und diese Glieder selbst ihre mit Zähnchen und Stacheln bewaffneten Enden gegen einander kehren. Die Basalglieder legen sich mit ihren Rändern dachziegelförmig übereinander, beim Limulus von vorn nach hinten, beim Eurypterus umgekehrt, von hinten nach vorn. Es gibt aber einen Unterschied in der Lage der Articulation des Basalgliedes mit dem ersten Gliede; beim Limulus setzt sich dieses in der Nähe des innern Endes an den hintern Rand des Basalgliedes, beim Eurypterus dagegen an das hintere Ende des äussern Randes; an dieser Stelle aber ist beim Limulus am letzten Fusspaar ein eigenthümlicher, länglich ovaler, dünner Fortsatz (Trochanter) eingelenkt, der an den übrigen Basalgliedern fehlt, während die Articulation zwischen Basal- und erstem Gliede des Femur in derselben Weise wie beim [331] letzten Fusspaare geschieht, und hierin weichen auch beim Eurypterus die vordern Füsse nicht von den hintern ab.

Die vier vordern Fusspaare des Eurypterus haben ganz gleiche Endglieder, aus drei pfriemenförmigen Stücken bestehend; beim Limulus dagegen sind in dieser Beziehung das zweite, dritte, vierte und fünfte Fusspaar allein einander gleich gebaut[23] und mit einer Scheere am Ende versehen; das sechste Fusspaar trägt, auf dem cylindrischen Gliede, zwei eingelenkte Spitzen und, am Ende des vorletzten Gliedes, rings um die Articulationsstelle des cylindrischen Gliedes, vier länglich-ovale, aussen gekielte Platten von der Länge dieses Gliedes. Beim Eurypterus sind am letzten Fusspaar die beiden Endglieder, im Vergleich zu denen der vordern Füsse, auffallend gross und stark und in ihren Umrissen einigermassen ähnlich den beiden Endgliedern des zweiten Fusspaares beim Männchen von Lim. polyphemus.

Ausser den erwähnten sechs Fusspaaren, finden wir beim Limulus, hinter und theilweise zwischen dem letzten Paare, zwei hornige, seitlich comprimirte, sich an einander legende, vorn und unten mit Stacheln bewaffnete Stücke, welche Cuvier für die Unterlippe (lèvre intérieure) ansah. Dieses Organ fehlt anscheinlich beim Eurypterus, wird aber hier vielleicht durch die ovale Platte ersetzt, welche zwischen den Basalgliedern des letzten Fusspaares liegt. Es findet sich übrigens auch beim Limulus eine unpaarige Platte, welche jedoch weiter nach vorn liegt und wol kaum direct beim Kauen sich betheiligt, da ihre äussere Fläche glatt ist. Bei beiden Thieren [332] fehlen besondere Mundtheile, besondere Fresswerkzeuge. Da wir wissen, dass das Masticationsgeschäft bei Limulus nur durch die mit Zähnchen versehenen Grundglieder verrichtet wird, so dürfen wir schliessen, dass dasselbe auch beim Eurypterus in gleicher Weise stattfand, da beide mit Kaufüssen versehen sind.

Wenn in den bis jetzt betrachteten Theilen die Analogie des Limulus und Eurypterus offen vorlag, so bieten sich dagegen für die Vergleichung der folgenden Körperabschnitte grössere Schwierigkeiten dar. Beim Limulus findet sich hinter dem Cephalothorax ein convexer, hexagonaler Schild, dessen Mitte allein, als Fortsetzung des von dem Schilde des Cephalothorax umschlossenen Hohlraums, zur Aufnahme von Weichtheilen bestimmt ist. An der obern Fläche dieses Schildes bemerkt man zwei nach hinten convergirende Reihen von je sechs länglichen Eindrücken, die etwas über die halbe Länge sich erstrecken. Diese Eindrücke entsprechen ebenso vielen von der untern Fläche des Schildes absteigenden, starken Fortsätzen, von denen Muskeln zu den sechs Paar Blattfüssen entspringen.

Der Gegensatz eines hintern und eines vordern Abschnitts des Schildes, welcher sich schon in der vordern Abtheilung der obern Fläche durch die Gegenwart von Segmentandeutungen in jenen Eindrücken, die den Muskelfortsätzen der Füsse entsprechen, kundgibt, tritt an der untern Fläche des Schildes noch bestimmter hervor. Es ist diese Fläche in der vordern Abtheilung seitlich auch noch über den Raum hinaus, welcher die Weichtheile umschliesst, stark concav. Nach aussen umfassen diese Concavität Anfangs breite, dann sich zu einer scharfen Kante verschmälernde Ränder. An diesen Rändern finden sich je sechs, vorn und hinten von einem stachelförmigen Fortsatz begrenzte Einschnitte, in denen sechs allmälig an Grösse abnehmende längere Stacheln gelenklich [333] eingefügt sind. Wenngleich nun der erste dieser Stacheln ungefähr in gleicher Querlinie mit dem fünften Muskeleindruck und Muskelfortsatz sich findet, und der sechste Stachel viel weiter nach hinten als der sechste Muskeleindruck und Muskelfortsatz liegt, so hängt dies von der starken Convexität ab, welche der vordere Rand des Abdominalschildes bildet; ich bin daher überzeugt, dass die erwähnten breiten Ränder bis zum sechsten Stachel, mit dem Theil des Schildes, welcher die Eindrücke und Muskelfortsätze trägt, ein zusammenhängendes Ganze bildet.

Es bleibt aber nun noch eine zweite, hintere Abtheilung zu betrachten übrig. An der obern Fläche des Schildes kann sie nur künstlich abgegrenzt werden durch eine Linie, welche die beiden letzten Eindrücke verbindet und bis zum letzten stachelförmigen Fortsatz des Randes verlängert wird. Da nun das hintere Ende des Schildes einen grossen, fast rechtwinkligen Ausschnitt bildet, so erhält man durch jene Begrenzung einen heptagonalen Abschnitt. Vergleicht man hiermit die untere Seite des Schildes, so findet man hier eine vollkommen entsprechende, aber natürliche Abgrenzung, indem der Schild hier auch eine untere und zwar convexe Platte besitzt. Beide Platten formiren einen Ring. In der Cavität der vordern Abtheilung des Schildes sind sechs Paar Blattfüsse eingebettet. Die Füsse desselben Paares sind vorn unter einander verbunden, weiter nach hinten mehr oder weniger getrennt; ausserdem besteht jeder Fuss aus einzelnen, durch Nähte unter einander verbundenen Stücken. Das erste Paar, welches das grösste ist, trägt auf seiner obern Seite die Genitalien, die folgenden fünf die Kiemen.

Beim Eurypterus finden wir hinter dem Cephalothorax Nichts von einem zusammenhängenden Schilde, statt dessen aber [334] zwölf Körpersegmente. Von diesen zeigen die sechs vordern manche Analogie mit der vordern Abtheilung des Abdominalschildes, mit den dazu gehörigen Blattfüssen, des Limulus. Am meisten tritt die Aehnlichkeit hervor, wenn man die untern Flächen beider Thiere mit einander vergleicht. Die im vorhergehenden Kapitel beschriebenen, an der untern Fläche liegenden sechs Platten beim Eurypterus sind in ihrem Bau, ihrer Lage, ja bis zu einem gewissen Grade selbst in der Form, den beim Limulus vorhandenen Blattfüssen so ähnlich, dass es kaum einem Zweifel unterliegen kann, es seien dieselben auch beim Eurypterus als Blattfüsse zu bezeichnen. Dass das erste Paar beim Eurypterus auch die Genitalien getragen habe, ist nicht unwahrscheinlich, lässt sich aber nicht beweisen; kaum zu bezweifeln ist aber, dass die fünf folgenden Paare Kiemen getragen haben.

Nach obigem bleibt Nichts übrig, als die hintern sechs Glieder des Eurypterus, d. h. das Postabdomen, als entsprechend dem hintern Theil des Abdominalgliedes von Limulus anzusehen. Beim Limulus zeigt dieser Theil weder äusserlich noch innerlich eine Spur von Gliederung; er bildet aber doch einen beträchtlichen, weit über die noch eine Segmentirung erkennen lassende Abtheilung hinausreichenden Theil des Schildes, und zwar einen völlig ringförmig abgeschlossenen. Wenn beim Limulus die grössere Convexität des Cephalothorax das Schwimmen und das Erheben vom Meeresgründe erleichtert, so wird beim Eurypterus derselbe Zweck durch die grössere Beweglichkeit des Postabdomens erzielt worden sein. Es deckt übrigens das letzte Blattfusspaar bei dem Limulus den hintern Abschnitt des Abdominalschildes ganz ebenso, wie beim Eurypterus das letzte Blattfusspaar den vordern Theil des ersten Segments des Postabdomens deckt.

[335] Der letzte Körpertheil endlich, der Stachel, ist bei beiden Thieren von so frappant ähnlicher Beschaffenheit, dass eine nähere Vergleichung überflüssig erscheinen möchte.

Was schliesslich die Schale anbelangt, so scheint die dicke, harte, auf der Oberfläche glatte Körperbedeckung des Limulus der überaus feinen, mit Schuppen bedeckten Eurypterusschale wenig ähnlich. Wenn wir aber die untern Flächen beider Thiere, namentlich diejenigen Stellen am Limulus, wo die Schale dünner ist, in Augenschein nehmen, so tritt uns eine ähnliche Beschaffenheit entgegen. Bei einer nähern Betrachtung überzeugen wir uns, dass die Eindrücke der innern Schalenfläche, wenn die Schale hinreichend dünn ist, auf ihrer äussern Oberfläche als schuppenartige Erhöhungen sich darstellen und durch Nichts anderes, als durch die Ansätze der Muskeln und Muskelsehnen hervorgerufen werden. Aus dieser Beobachtung lässt sich leicht die schuppige Structur der Eurypterusschale erklären; die enorme Zahl von Muskeln, die bei den wirbellosen Thieren sich auf dem Hautskelet inserirt, bewirkt in diesem, gleichsam im Gegensatz zum Knochenskelet, wo sich die Muskeln in der Regel an Fortsätze und Vorsprünge ansetzen, Vertiefungen, die, wenn die Schale dünn und nachgiebig ist, auf der entgegengesetzten Oberfläche als Erhabenheiten sich aussprechen. Dies letztere ist beim Eurypterus der Fall.

Durch die nicht zu läugnende grosse Analogie beider Thiere wird die oben ausgesprochene Behauptung, der Eurypterus sei ein dem Limulus nahe verwandtes Krustenthier, eine positive Geltung erhalten müssen und eine sichere Bestimmung seiner systematischen Stellung keine Schwierigkeiten mehr bieten.

Einfache Augen neben den zusammengesetzten, Mangel [336] der Fühler, Mangel eigentlicher Fresswerkzeuge und eine eigenthümliche Einrichtung der Füsse zum Kauen, Blattfüsse, die die Respirationsorgane (wahrscheinlich auch die Genitalien) auf ihren Rückenseiten tragen, endlich das in einen Dorn auslaufende Hinterende des Körpers, dies sind die Hauptmomente, welche die Affinität beider Thiere klar und deutlich herausstellen.

Die angeführten Charaktere überhaupt, und vor Allen die Beschaffenheit der Fresswerkzeuge, welche die beiden Thiere in der ganzen Klasse der Crustaceen gewissermassen isoliren, weisen auf die Nothwendigkeit einer Nebeneinanderstellung derselben im zoologischen System hinreichend hin.

Demnach wird der Eurypterus der Ordnung der Poecilopoden, derer eine einzige lebende Familie und Gattung bis jetzt der Limulus allein bildete, zugerechnet werden müssen. Die abweichende Form und Gliederung des Körpers werden die Charaktere zum Begründen einer besondern Familie liefern, welche den schon seit langer Zeit von Burmeister vorgeschlagenen Namen Eurypterida tragen mag.


Schliesslich kann ich nicht umhin noch einiger Thiere zu erwähnen, welche, manchen Charakteren nach, zum Eurypterus in Affinitätsbeziehung zu stehen scheinen. Vor allen verdient hier einer Erwähnung das von Reuss[24] unter dem Namen Lepidoderma Imhofi beschriebene, aus einem schwarzgrauen Schieferthon, der unmittelbar die Kohlenflötze von Lindheim bedeckt, herstammende Thier. Ueber die Verwandtschaft dieser [337] Gattung mit dem Eurypterus kann kein Zweifel obwalten; die Form des Cephalothorax ist genau dieselbe; die zwei nierenförmigen Augen befinden sich an derselben Stelle; der Körper besteht, wie der des Eurypterus, aus zwölf Segmenten, von welchen die sechs vordern das Abdomen, die sechs hintern das Postabdomen bilden. Das erstere unterscheidet sich von dem des Eurypterus durch die nach hinten in Spitzen auslaufenden äussern Enden jedes Segments. Auffallend ist, dass das erste Segment des Postabdomens sehr plötzlich an Breite abnimmt, während beim Eurypterus die Verschmälerung eine allmälige ist; die folgenden Segmente werden successiv schmäler und länger, gleich wie beim Eurypterus. Die schlechten Abdrücke, nach welchen diese Gattung aufgestellt ist, lassen die Beschaffenheit des letzten Gliedes nicht deutlich erkennen; doch scheint es, nach Taf. IV, als wenn es, ähnlich wie beim Eurypterus, mit einem Stachel endigte; Reuss betrachtet es als Schwanzflosse. Auch die Structur der Schale ist nicht verschieden. Der in Taf. III, fig. 2 abgebildete Kopf ist mit schuppenähnlichen Zeichnungen bedeckt; dieser Umstand mag vielleicht Grund zu einer generischen Differenz geben, da beim Eurypterus die über den ganzen Körper verbreiteten Schuppen auf dem Cephalothorax durch Pünktchen vertreten sind. Die Extremitäten des Thieres sind völlig unbekannt.

Ein sehr ähnliches und vielleicht identisches Thier macht Jordan[25] unter dem Namen Adelophthalmus (Eurypterus) granosus bekannt. Ein sehr beschädigtes Exemplar desselben wurde im Thoneisenstein, der im Sandstein und Schieferthon zwischen den Kohlenflötzen von Saarbrücken vorkommt, [338] gefunden. Die Abbildung desselben stellt ein Stück des Cephalothorax, ohne Augen, sechs Abdominalsegmente und vier Ringe des Postabdomens dar, von welchen die beiden letztern nur schlecht erhalten sind. Der Mangel der Augen, wenn er an einem besser erhaltenen Exemplare constatirt wäre, würde jedenfalls eine charakteristische Unterscheidung abgeben. Sonst stimmt der Adelophthalmus mit dem Lepidoderma in der Beschaffenheit des Cephalothorax, des Abdomens und Postabdomens vollkommen überein. Die schuppenartige Zeichnung der Haut, welche bei Adelophthalmus auch an den Körpersegmenten beobachtet ist, weist auf eine Affinität mit dem Eurypterus hin. Diese Verwandtschaft scheint bei Himantopterus nicht weniger ausgesprochen zu sein.

Diese Gattung, aus den obersilurischen Schichten von Lesmahago in Schottland stammend, wurde von Salter[26], der bis jetzt schon sechs verschiedene Arten derselben unterschieden hat, bekannt gemacht. Leider sind die bekannten Arten lange nicht so vollständig untersucht und geschildert, wie unser Eurypterus; der H. bilobus Salt., der am vollständigsten bekannt ist, gleicht sehr dem Eurypterus.

Sein Cephalothorax zeigt denselben Umriss, nur die vordern äussern Ecken sind mehr abgerundet; ihnen sitzen grosse ovale Augen auf. Der folgende Körpertheil besteht aus zwölf Segmenten, deren Form vollkommen den des Eurypterus entspricht; auf einzelnen Segmenten bemerkt man Längsstreifen, welche auch bei dem der Schale beraubten Eurypterus zu sehen sind, und die Stellen, an welchen sich die grossen Schuppen befanden, bezeichnen; das gabelförmige [339] Endglied des Körpers unterscheidet sich nur durch grössere Abrundung der Zinken und den Mangel des Stachels. Die Unterseite des Körpers ist nur unvollkommen erforscht; man kennt zwei Paar Füsse, das vorderste (von Salter für Fühler gehalten), in der Höhe der Augen zum Vorschein kommend, ist dreigliedrig, mit einer gezähnelten Scheere versehen, und das hintere Paar, welches in den Hinterecken des Cephalothorax nach aussen heraustritt, ist siebengliedrig (das nach Muthmassung abgebildete Basalglied mitgerechnet) und seine Form erinnert an das sechste Fusspaar des Limulus. In dem Zwischenraum zwischen den beiden erwähnten Fusspaaren sieht man die von Salter als Mandibeln bezeichneten Theile; sie bestehn aus einem dem Basalgliede des hintern Fusspaares vollkommen ähnlichen Stücke, an welches sich von vorn und innen ein dreigliedriger Anhang setzt, dessen letztes Glied gezähnelt ist. Diese dreigliedrigen Mandibeln möchte ich für die Basalglieder eines bis jetzt noch nicht erhalten gefundenen Fusspaares ansehen, welches zugleich als Fresswerkzeug diente. Die Fig. 7 (l. c.) stellt eine eiförmige, am breiten Ende ausgeschnittene Platte dar, die gleich auf den ersten Blick an die ovale Platte des Eurypterus erinnert; sie wird wol dem H. bilobus gehört und dieselbe Lage und Bestimmung wie beim Eurypterus gehabt haben. Die Form, Grösse und Structur der folgenden Körperglieder ist denen des Eurypterus vollkommen gleich, ausgenommen das Endglied, welches, wie die Zeichnung lehrt, mit keinem Stachel bewaffnet war. Die Berücksichtigung aller hier angeführten Momente scheint mir kaum irgend einen Zweifel darüber übrig zu lassen, dass der Himantopterus ein naher Verwandter des Eurypterus sei, und ich hoffe, spätere Entdeckungen vollständiger Exemplare werden diese Meinung bestätigen.

[340] Huxley[27] versuchte die Affinität des Himantopterus, und mit ihm des Eurypterus, indem er die beiden Gattungen als verwandte anerkennt, mit jetztlebenden Crustaceen zu beleuchten; er verglich ihn mit einer ganzen Reihe anscheinend ähnlicher Thiere und behauptet schliesslich, der Himantopterus zeige die grösste Verwandtschaft mit den Stomatopoden.

Diese Verwandtschaft soll, nach Huxley, nicht mit dem Typus der Stomatopoden in der Gattung Squilla ausgesprochen, statthaben, sondern in niedern Formen, wie in Erictys (Erichthus Latr.) und in den noch mit Zweifel zu den Stomatopoden gerechneten Cuma-artigen Crustaceen (Cuma, Bodotria, Alauna, Calyptoceros Huxl.) zu erkennen sein. Der Vergleich bringt aber so viel grosse und wesentliche Unterschiede zum Vorschein, dass die Aehnlichkeit des Himantopterus mit den letztgenannten Gattungen weit entfernter wird, als mit den der andern Ordnungen. Huxley sagt aber, seine Idee weiter verfolgend, die Reduction und Modification der Körperanhänge einer Coma-artigen Crustacee würde eine dem Himantopterus vollkommen ähnliche Form geben. Diese Reductionen und Modificationen aber findet man, wie Mr. Huxley selbst zugibt, bei keinem ausgebildeten Krustenthier, wol aber in den bemerkenswerthen Larven der Podophthalmen, die man früher unter dem Namen Zoaea kannte. In der ersten Entwicklungsperiode besitzen diese Larven festsitzende Augen, einen kurzen Panzer, ein langes, aus mehrern Segmenten bestehendes Abdomen, ohne Anhänge, das Endglied des Abdomen bald einfach, bald zweilappig. Die einzigen Anhänge sind ein Paar Fühler und eine unbestimmte Zahl [341] Maxillarfüsse; letztere sind so verändert in ihrer Form, dass sie, mit dem Abdomen zusammen, als Schwimmapparat dienen. Die grösste Annäherung also zum Himantopterus, welche aus der Reihe der existirenden Crustaceenformen geboten werden könnte, wäre zu erlangen, wenn man an die allgemeine Form der Cuma-artig gestalteten Krustenthiere[WS 2] diejenige Modification der Anhänge anbrächte, die man bei den langschwänzigen Zoaea-artigen Larven findet. Diese seine Auseinandersetzung schliesst endlich Huxley mit der Meinung, der Bau des Himantopterus deutet auf eine Larvenform hin.

Diese ganze Vergleichung mag in mancher Hinsicht recht sinnreich sein; ich kann aber nicht verhehlen, dass sie mir zu sehr gezwungen und künstlich erscheint, und dass der Verfasser, den Himantopterus mit den Larven der Decapoden vergleichend, seinen Vorsatz, die Verwandtschaft zwischen ihm und den Stomatopoden nachzuweisen, so ziemlich aus den Augen verliert, nachdem er ihn eigentlich mit einem Phantasiegebilde verglichen hat.

Da nun sowol Salter und Huxley, als Römer, die Verwandtschaft des Himantopterus mit dem Eurypterus anerkennen, eine Ansicht, welcher ich vollkommen beistimme, und da ich die Affinität des letztern mit dem Limulus hinreichend nachgewiesen zu haben glaube, so meine ich mich der weitern Einwände gegen die Vergleichung des Himantopterus mit den Stomatopoden enthalten zu dürfen.

Eine dritte gleichzeitige Gattung, die schon von Salter, Huxley und Römer in die Familie der Eurypteriden gebracht wird, ist der Pterygotus, eine Gattung, die zuerst von Agassiz im Old Red Sandstone Schottlands, später an verschiedenen Stellen im obersilurischen Gebiet Gross-Britanniens gefunden worden ist. Auch auf Oesel wurde ihr Vorkommen, in Gesellschaft [342] des Eurypterus durch Eichwald nachgewiesen. Bis jetzt haben wir von dieser Gattung, die sich durch ihre Grösse auszeichnet, nur Kenntniss von den Leibesringen und den scheerentragenden Füssen. Ich habe nur Gelegenheit gehabt einzelne Leibessegmente zu untersuchen; aber auch aus diesem spärlichen Material lässt sich die Affinität erkennen; der specifische Unterschied besteht in der Structur der Schale. Beim Eurypterus sieht man eine regelmässige Vertheilung der Schuppen: es gibt nämlich unter ihnen grössere, deren Zahl für jedes Segment bestimmt ist, und kleinere, die haufenweise über und zwischen denselben stehen; bei Pterygotus verschwindet die Regelmässigkeit vollkommen: man sieht breite, wenig erhabene Schuppen die ganze Oberfläche der Segmente gleichmässig bedecken. In der neuen Auflage der „Siluria“ von Murchison hoffen wir mehr vom Pterygotus zu erfahren.


[343]
Erklärung der Tafeln.
I. Tafel.
Fig. 1. Eurypterus remipes, vollständiges Exemplar, von oben gesehen (S. 308).
Fig. 2. Ein schematischer Querdurchschnitt des Schwanzstachels (S. 323).
Fig. 3. Das Endglied des Postabdomens mit dem Stachel, schematisch gezeichnet, um die Einlenkung des letztern zu zeigen (S. 323).
Fig. 4. Das Endglied des letzten Fusspaares, um seine Grösse und Einlenkung zu zeigen (S. 315).
Fig. 5. Ein isolirtes Segment des Abdomens, zur leichtern Uebersicht der Vertheilung der Schuppen (S. 318).
Fig. 6. Eine Hälfte des Cephalothorax, von unten schematisch dargestellt, um die Lage der sich dachziegelförmig deckenden Grundglieder anschaulich zu machen (S. 312).
Fig. 7. Der Cephalothorax, das Abdomen und die zwei ersten Postabdomensegmente, schematisch dargestellt, und zwar die rechte Hälfte von unten, wo man auf dem Cephalothorax die Grundglieder der Füsse, auf dem Abdomen die sechs Blattfüsse wahrnimmt, von welchen das letzte das erste Postabdomensegment theilweise deckt; die linke Hälfte dagegen von oben, um vor allem die relative Lage der Abdominalsegmente zu den Blattfüssen anschaulich zu machen. Am äussern Ende einzelner Segmente bemerkt man kleine Fortsätze, die an einzelnen Handstücken wahrnehmbare, durch Druck herausgepresste Enden der Blattfüsse darstellen (S. 321).

[T1]

Tab. I.
N. Nat. u. auf Stein gez. v. E. Jwanson. Lith. Anst. von L. Höflinger in Dorpat.
[344]
II. Tafel.
Fig. 1. Ein vollständiges Thier, von unten gesehen (S. 310).
Fig. 2. Das Grundglied des grossen Fusspaares; a) der mit dem Cephalothorax sich verbindende Fortsatz, b) der grosse Zahn, c) der obere Fortsatz mit sechs Zähnchen (S. 312).
Fig. 3. Die ovale Platte, von unten gesehen (S. 316).
Fig. 4, 5, 6, 7. Die einzelnen Blatlfüsse (S. 318–20).
Fig. 8. Das Grundglied des vierten Fusspaars mit zwei folgenden Gliedern (S. 311).
Fig. 9. Der fünfte Ring des Postabdomens, von unten gesehen, vergrössert.

[T2]

Tab. II.
N. Nat. u. auf Stein gez. v. E. Jwanson. Lith. Anst. von L. Höflinger in Dorpat.

  1. Dekay in Ann. of Lyceum of New-York, 1825, I, p. 375, pl. 29.
  2. Bronn, Lethaea geogn., 1835, ed. I et II, Bd. I. Taf. IX, fig. I.
  3. Harlan, Medical and physical researches: or original Memoirs in Medicin, Surgery, Physiology, etc. Philadelphia, 1835, p. 298, pl. fig. 2 (mir nur aus Citaten bekannt).
  4. a b l. c. p. 667, Taf. IX, fig. 2.
  5. Im Bull. d. l. soc. d. nat. d. Moscou, année 1839, p. 1, tab. VII, fig. 1.
  6. F. Römer, in Palaeontographica v. Dunker und v. Meyer, 1848, Bd. I, p. 197, Tb. 27.
  7. Al. Schrenk, Uebersicht des obersilurischen Schichtensystems in Liv- und Ehstland etc., Dorpat 1852 (auch im Archiv, erster Ser., I. Bandes, als diese Zeitschrift eröffnende Abhandlung aufgenommen), p. 35, 47, 86.
  8. Im Bull. de la Soc. géolog. de France, 1853, 2. Ser. XI, 153.
  9. Eichwald in Bull. d. l. Soc. imp. d. nat. d. Moscou, année 1854, Heft I, p. 49.
  10. M’Coy, Brit. Pal. Foss., p. 175, tab. 1. E, fig. 24.
  11. Quaterly Journal of geolog. Soc., Vol. XIII, p. 290.
  12. a. a. O. p. 147.
  13. Diese Beobachtung machte ich erst, nachdem die Tafeln schon lithographirt waren.
  14. Dieses Verhältniss kommt in der Tab. II, fig. 1 nicht deutlich genug zur Anschauung, weil die sechste Abdominalplatte zu kurz gezeichnet ist, wesshalb man sich das Bild durch die Fig. 7 auf Tab. I vervollständigen muss.
  15. Organisation der Trilobiten etc., Berlin 1843, p. 58.
  16. Crustacées, Vol. III, p. 422.
  17. Leth. geogn. ed. I et II, Vol. 1, p. 109.
  18. In Palaeontographica von Dunker und Meyer, Bd. I, p. 190.
  19. Leth. geogn., ed. III, p. 666.
  20. Bull. d. l. soc. imp. d. nat. d. Moscou, année 1854, p. 100, pl. I.
  21. Bull. d. l. soc. imp. d. nat. d. Moscou, année 1857, p. 336.
  22. Eichwald charakterisirt diese vermeintlich neue Art folgendermassen: „E. Fischeri. Dies ist die schöne, sehr grosse Art, die sich auf Oesel findet und die offenbar mit dem kleinen (!) E. tetragonophthalmus Fisch. aus Podolien zusammenfällt, ein Name, der nicht gut bestehen kann, da die Augen des Krebses nicht viereckig sind!“
  23. Eine Ausnahme hiervon machen die Männchen von L. polyphemus und L. rotundicauda, bei denen das Endglied des zweiten Fusspaares nicht, wie bei andern Arten und den Weibchen, aus einer Scheere, sondern aus zwei untereinander durch Gelenk verbundenen Stücken besteht, davon das letzte die Form eines breiten, stark gekrümmten Hakens hat.
  24. Denkschrift der kaiserl. Wiener Acad. d. Wissenschaft., Naturwiss. Clas., 1855, Bd. 10, p. 81, Taf. III und IV.
  25. Palaeontographica von Dunker und v. Mayer, 1856, Bd. 4, p. 8, Taf. II, fig. 1, 2.
  26. Quaterly Journal of the geol. Soc. 1856. On some new Crustacea from the Uppermost Silurian Rocks, p. 26.
  27. Quaterly Journal of the geol. Soc., 1856. Observations on the Structure and Affinities of Himantopterus, p. 54.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: eine eine
  2. Vorlage: Krstenthiere