Des Riesen Langbein und Wittich Wielands Sohn Kampf

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Textdaten
Autor: Unbekannt
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Titel: Des Riesen Langbein und Wittich Wielands Sohn Kampf
Untertitel:
aus: Zeitung für Einsiedler, Nr. 30, Sp. 237-240
Herausgeber: Achim von Arnim und Clemens Brentano
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 12. Juli 1808
Verlag: Mohr und Zimmer
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Erscheinungsort: Heidelberg
Übersetzer: Wilhelm Grimm
Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: UB Heidelberg, Kopie auf Commons
Kurzbeschreibung:
mit Nachschrift von Achim von Arnim; Abgewandelt in Altdänische Heldenlieder, Balladen und Märchen (1811): Kampf zwischen dem Riesen Langbein, und Vidrich Verlands Sohn. Google
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Des Riesen Langbein und Wittich Wielands Sohn Kampf.
Aus dem Dänischen von Wilhelm Grimm.

     König Dieterich sitzet dort in Bern, seine Macht rühmt alle Welt
So manchen hat er bezwungen, beides Kämpfer und raschen Held.
          Dort steht eine Burg, die heißet Bern, drin wohnet König Dierich.
     König Dieterich stehet bei Bern, schaut weit hin in die Ferne,

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Gott gebe, ich wüste den Helden stark, ich zöge zum Kampf so gerne.

     Da sprach zu ihm Meister Hildebrand: Ich weiß wohl Krieg und Streit
Dort liegt ein Kämpfer beim Birtingsberg, bist du ihn zu wecken bereit.
     Hör du Meister Hildebrand, du bist ein Kämpfer so gut,
Du sollst ausziehen zur Stund in den Wald, führ unser Schildzeichen mit Muth.

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     Dazu sprach Meister Hildebrand, er war ein Held so weiß:

Herr heut führ ich euer Schildzeichen nicht, denn mir geziemt nicht der Preis.
     Da rufet Wittich Wielands Sohn mit guten Sinnen gar bald
Ich will der erste im Haufen seyn, noch heut gegen Birtings Wald.
     Das verkündiget Wittich Wielands Sohn, zornig sprach er zur Hand:

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Mein viel gutes Schwert, das schneidet so scharf, zerfrißt wohl den Stahl und Gewand.

     Es waren an dreihundert Kämpfer, die drangen in Birtings Land
Sie suchten nach Langbein dem Riesen, bei dem Walde man ihn fand.
     Da sprach Wittich Wielands Sohn, wir wolln spielen das wunderlich Spiel,
Ihr laßt mich reiten zuerst in den Wald, wenn ihr mir traut so viel.

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     Bleibt allzumal ihr Königes Mann beim grünen Berg hier stehn

Die weil ich reit’ in den Wald hinaus, nach dem Wege mich umzusehn.
     Nun reitet Wittich Wielands Sohn wohl zu dem Walde hinweg
Herunter hingen die Reiser tief, da fand er so enge den Steg.

[238]
     Da sprach also König Dieterich: Ich sage dir das von mir,
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Findest du Langbein den Riesen, verbirg das nicht vor mir.

     Da kam Wittich Wielands Sohn in den Birtings Wald,
Dort fand er Langbein den Riesen, erlag da schwarz und ungestalt.
     Das war Wittich Wielands Sohn erstieß den Ries’ mit dem Schaft:
Wach auf Langbein Riese, mir dünket du schläfst gar hart.

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     „Hier hab’ ich gelegen manches Jahr, und geruht in der wilden Heide

Hier kam nimmer ein Kämpfer herein, der mich wecken durfte zum Streite.“
     Hier halte ich Wittich Wielands Sohn, mein gutes Schwerdt an der Seite,
Ich will aus dem Schlaf dich wecken auf, das soll dir werden leide.
     Das war Langbein der Riese, die Augen zur Höhe er richt’t.

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Woher kommt dieser junge Gesell der solche Worte ausspricht.

     Wieland hieß der Vater mein, ein Schmid war er so schön
Bodild hieß meine Mutter, ihr Vater trug Königes Kron
     Strenving heißt mein viel gutes Schild das mancher Pfeilschuß traf
Blans wird genennet mein stolzer Helm so manches Schwert er brach.

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     Skimming heißt mein edles Roß, erzeugt aus wilder Brut,

Memmering nennt man mein Schwert, taucht sich’s in Helden Blut.
     Selbst heiß ich Wittich Wielands Sohn von Eisen ist mein Kleid
Stehst du nicht auf! bei deinen Beinen lang, ich bring dich gewißlich in Leid.
     Hörst du Langbein Riese, ich will dich nicht belügen,

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Der König hält außen vor dem Wald, du sollst ihm Schatzung geben.

     „All mein viel rothes Gold, das bewahr ich mit großer Ehre
Das gewinnt mir kein Stallbub ab und kein Mann nimmrmehre.“
     So jung und klein als ich auch bin sollst du mich finden hier
Dein Haupt schlag ich wohl ab und gewinne das Gold von dir.

50
     Zu schlafen Langbein dem Riesen nicht länger da mehr gefällt:

„Gelüstet dich förder zu leben, reit von mir du junger Held.“
     Skimming sprang auf in Muth mitten in des Riesen Seite:
Entzwei ging ihm das Riesenbein, und so begann er zu streiten.
     Da nahm Langbein der Riese seine Stahlstang recht in die Händ,

55
Er schlug einen Schlag nach Wittich, daß die Stang im Berge sich wend’t.

     Das sieht Langbein der Riese, er wendet sich ab zu klagen:
Nun liegt meine Stang im Berge fest wie vom Hammer geschlagen.

[239]
     Wittich wollt sich nicht versäumen, da war so muthig sein Sinn

Wohl auf! Skimming, wend dich um, taugst du noch Mimmering?

60
     Er faßt Mimmering in beide Hände, zum Riesen er hin rannt,

Er schlug so tief in die Brust, daß die Schärf sich im Eingeweid wend’t.
     Da empfing Langbein der Riese vom ersten Schlage die Wund,
So gern hätt ers vergolten, die Kraft er nicht gewinnen kunnt.
     „Verfluchet seyst du Wittich, darzu das Schwert an deiner Seite

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Du hast geschlagen die Wund in meine Brust, darum so bin ich in Leide.“

     Ich will dich hauen du Riese so klein, wie die Luft den Staub aufweht,
Oder dazu zeigst mir wo dein gesammeltes Gold im Walde verborgen steht.
     „O lasse das Wittich Wielands Sohn, o schlag mich nicht zu todt,
Ich will dich führen zu dem Haus, gedeckt mit Gold so roth.“

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     Wittich reitet mit dem Riesen fort, so weit in den Wald hinein,

Sie fanden das Haus mit Gold gedeckt, das glänzt in hellem Schein.
     „Darinnen ist viel mehr rothes Gold, als in diesem Land mag seyn,
Du hebe hinweg den großen Stein, die Thür in den Hacken häng ein.“
     Da sprach zu ihm Wittich Wielands Sohn, er fürchtet die Listen sein:

75
Es übt kein weiser Held seine Kraft, begraben zu werden vom Stein.

     „Das ist wohl deine kleinste Kunst, du kannst dein Roß wohl wenden,
Ich wills thun mit zwei Fingern, und du mit beid’ deinen Händen.“
     So hob er auf den großen Stein, und schob seinen Herd daran,
Wohl sah da Wittich Wielands Sohn wie bößlicher dies gethan.

80
     „Mehr als bei fünfzehn Königen, mag hier des Goldes stehn,

Hör nun du Wittich Wielands Sohn du sollst zuerst eingehn.“
     Da sprach Wittich Wielands Sohn er kannte wohl seinen Sinn.
Du sollst selbst zuerst eingehn, denn solches ist Kämpfer Sitt’.
     Das war Langbein der Riese, der blickt nach der Thür hin ab,

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Wittich hieb mit beiden Händen, das Haupt hieb er ihm ab.

     Da nahm er von des Mannes Blut, sich und sein Roß er bestrich,
So reit’t er zum Konig Dieterich spricht: Schand ist dieß für mich.
     Dann fasset er den todten Leib, stellt ihn an die Eiche kühl,
So reitet er wieder zurück, und treibt ein wunderliches Spiel.

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     Hier haltet alle am grünen Berg ihr guten Stalbrüder mein

Langbein Riese hat mich geschlagen heut; das ist meine erste Pein.

[240]
     Erlittst du beides Hieb und Schlag, das ist so bös gethan,

Wir wollen reiten nach Bern zurück verlieren keinen Mann.
     Du wend dich König Dieterich, du wend dich schnell mit mir,

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All das Gold das der Riese hat, das will ich zeigen dir.

     Hast du geschlagen den Riesen am Tag, das verkünd über Land so weit,
Der Held wird nicht geboren auf Erden, der gegen dich vermag mit Streit.
     Da waren König Dieterichs Mann, die begehrten den Riesen zu sehn:
Mit ihnen zu lachen ermüdet man, laßt sie an dem Walde stehn.

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     Sie meinten der Riese werde gewiß flach ihnen die Beine lang strecken

Und keine getraut bei ihm zu seyn, und keiner auch wollte ihn wecken.
     Das war Wittich Wielands Sohn, der ihnen da Schimpfer bot:
Wie mögtet ihr bei dem Lebendigen sein, dürft ihr ihn nicht sehen im Tod.
     Wittich berührt den Leib mit dem Schaft, zu der Erde das Haupt hinfällt

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Das sage ich euch in Wahrheit hier, der Ries’ war ein starker Held.

     Sie zogen heraus viel rothes Gold, erbeuteten was da stand
Dem Wittich gehörte der beste Theil, erworben mit seiner Hand.
     Die Beute, die war ihm nicht so viel den Sieg hat er im Sinn
Wie Langbein Ries’ überwunden sey, erschalle in die Lande dahin.

110
     Sie reiten so freudig nach Bern zurück, König Dieterich erfreut am meist

Führt mit sich Wittich, Wielands Sohn, muß ihm folgen zu drinn allernächst.
          Dort steht die Burg vor Bern drinn wohnt König Dieterich.




Dies Aufrichten eines todten Leichnams erinnert auch an die Erzählung vom Eid (S. 225)

Mitternacht wars und man setzte
Auf sein gutes Pferd Babinka,
Grad und vest den todten Herrn.
Dies gesehn erschracken alle
Sechs und dreißig Mohrenkönge.

Und wie sich die Fantasie überall wunderbar gleich und ungleich zugleich gestaltet, so fanden wir schon eine Berührung dieser Art wieder in dem vorhergehenden Kindermährchen. Manche Vermuthungen werden dadurch zweifelhaft wie einzelne Lehren, besonders religiöse gewandert seyn sollen durch Mittheilung, während einzelne Zaubermittel der Fantasie und wissenschaftliche Entdeckungen in bestimmten Zeitaltern meist von vielen annähernd zugleich gemacht wurden, wahrscheinlich weil der Himmel dem gebrechlichen Einzelnen nicht seine Offenbarung anvertrauen wollte. Im thätigen Leben der Geschichte ist es offenbar, daß nie etwas Großes durch einen einzelnen Menschen geschah, sondern immer durch die Entwickelung vieler, an deren Spitze freilich immer der Thätigste stand, zuweilen auch der Göttlichste.
Einsiedler.